Selbstgespräche – bewusst die Gedanken lenken | Schweizer Alpen-Club SAC
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Selbstgespräche – bewusst die Gedanken lenken Wie du deine Psyche bergfit machst

Mentale Stärke ist am Berg gefragt. Mentale Stärke braucht es aber auch im Alltag. Mentaltraining nützt allen, egal, ob du ein motivierter Wandervogel oder ambitionierte Bergsteigerin bist. In einer 4-teiligen Artikelserie zeigt Maya Lalive, Co-Autorin des Buches «Mental stark am Berg», wie du deine Psyche gezielt beeinflussen kannst: Über die Atmung (zur Entspannung und Aktivierung), über die Vorstellung (zum Vorstellen von Situationen, Zielen und Bewegungen), über Selbstgespräche (zur Beeinflussung unserer Gedanken und inneren Gespräche und damit auch deiner Gefühle) und über die Aufmerksamkeit (Steuerung der Konzentration).

Kennst du dies? Der Aufstieg zieht sich in die Länge und will nicht enden. Du bist müde, frustriert. «Nein, nicht noch eine Kuppe!», denkst du, «Ich schaff das nicht mehr! Wann kommt endlich der Gipfel?».

Nicht nur mit unserer Atmung und unserer Vorstellungskraft, sondern auch mit unseren Gedanken und inneren Selbstgesprächen und den damit verbundenen Gefühlen beeinflussen wir bewusst oder unbewusst unsere Befindlichkeit und unser Handeln. Bei Selbstgesprächen verhält es sich ähnlich wie bei der Atmung. Auch sie geschehen ohne unser bewusstes Zutun. Wir führen fast dauernd Dialoge mit uns, ohne uns dessen bewusst zu sein. Und vor allem nicht darüber, wie sie uns beeinflussen.

So geben wir uns in Selbstgesprächen:

  • Anweisungen (Selbstinstruktionen): «Jetzt nach rechts», «Tief atmen».
  • Bewerten unseres Handelns: «Schon wieder gestürzt», «Sauber gemacht».
  • Motivieren oder Demotivieren: «Wow, am Wochenende geht’s in die Berge, also jetzt ran an die Hausaufgaben».
  • Vergegenwärtigen unserer Stärken oder Schwächen, stützen oder vernichten unseres Selbstvertrauens: «Meine Kondition ist stark», «Das klappt ja nie».
  • Relativieren oder rationalisieren von Situationen bei aufkommenden Ängsten: «Karin ist auch über den Grat gelaufen, also ist es machbar für mich».
  • Lenken unserer Aufmerksamkeit und stärken der Konzentration: «Immer drei Meter vorausschauen».

Positive Selbstgespräche beflügeln uns. Destruktive Selbstgespräche hingegen führen zu negativen Gedankenkreisläufen und eine bisher einfache Handlung wird plötzlich zu einer Herkulesaufgabe, der wir uns nicht gewachsen fühlen. Unterwegs am Berg, wenn es schwierig wird, aber auch im Alltag, beispielsweise vor einer Prüfung oder einem Vortrag, ist es deshalb wichtig, dass du deine Selbstgespräche unter Kontrolle bringst.

Dazu musst du zuerst erkennen, wann und wo du dein Verhalten mit negativen Gedanken beeinflusst. Und indem du weisst, wie du positive Selbstgespräche, die das Erreichen deines Zieles unterstützen, formulierst und unterwegs am Berg oder im Alltag vergegenwärtigen kannst. Auch hier gilt: Bleib realistisch. Aus einer Maus wird kein Elefant, auch wenn die Maus noch so viel trainiert. Richte deine Handlungs- oder Empfindungsanleitungen an deinem effektiven Potential aus.

(Negative) Selbstgespräche erkennen

  1. Checke deine Gedanken bzw. Selbstgespräche in Bezug auf eine für dich wichtige, wiederkehrende Situation, im Sport bzw. beim Training, auf einer Skitour, im Alltag wenn dir am Morgen vor der Schule oder der Arbeit graut oder du dich auf den Tag freust. Notiere positive wie negative Gedanken.
  2. Notiere dir so rasch wie möglich den genauen Wortlaut deines Gedankens und was der Gedanke auslöst (wie du dich fühlst, wie du dich in der Folge verhältst).
  3. Bewerte nun dein Selbstgespräch objektiv: Hat es dich unterstützt, in dem, was du tun wolltest? Oder hat es dich eher daran gehindert?

Mach diese Übung über mehrere Tage/Sporteinheiten hinweg. Mach eine kleine Liste mit entsprechenden Rubriken, damit du eine Vergleichsbasis hast. Mit der Zeit bekommst du ein Gespür für die Auswirkungen deiner inneren Dialoge.
 

(Positive) Selbstgespräche formulieren

  1. Gehe – insbesondere deine negativ formulierten – Gedanken durch und versuche, sie positiv zu formulieren. Das heisst nicht, negative Aussagen einfach umzustellen, also aus «ich bin viel zu nervös vor dem Steilhang» den Satz «ich bin überhaupt nicht nervös vor dem Steilhang» zu machen. Das hilft aus verschiedenen Gründen wenig. Suche stattdessen eine andere Sichtweise respektive Argumente, welche dich bestärken, dass du die Situation meistern kannst. Zum Beispiel: «Es ist normal, vor dem Steilhang nervös zu sein, meine Skitechnik ist gut, ich bin fit» (Rationalisierung und Relativierung, Betonung eigene Stärken). «Tief durchatmen» (Selbstinstruktion). «Das schaffe ich locker!» (Motivation/Selbstbewusstsein stärken).
  2. Schreibe in ICH-Form, in deiner Umgangssprache, fokussiere dich auf deine Stärken, nutze erinnerungsstarke, lautmalerische, aktive Verben. Vermeide bewusst Verneinungen und Limitierungen.
  3. Achte darauf, dass die umformulierten Sätze realistisch sind. Wenn du effektiv nicht trainiert oder technisch ungenügend versiert bist für den Steilhang, dann hilft auch das positivste Selbstgespräch nichts. Du belügst dich selbst, was dein Selbstvertrauen zusätzlich mindert.
  4. Trainiere nun deinen Satz wiederkehrend, indem du dich jedes Mal, wenn besagter negativer Gedanke auftritt, dich innerlich unterbrichst (Du kannst dich dabei mit einer Vorstellung unterstützen, indem du ein Symbol wie ein Rotlicht oder eine Stopptafel vor deinem inneren Auge vergegenwärtigst) und durch deine positive Formulierung ersetzt. Sprich dabei laut und deutlich deinen Satz. Das ist am Anfang ungewohnt, die Wirkung ist aber nachhaltiger. Übe zuerst anhand einfacher Alltagssituationen. Ziel ist, dass du sofort erkennst, wann du in die Negativ-Gedankenspirale fällst und weisst, wie du diese durchbrechen und eine positive Sichtweise ändern kannst.

Hinterfrage auch deine bereits positiven Selbstgespräche. Kannst du diese noch besser, knackiger, motivierender formulieren? Gute Selbstgespräche sind oft ziel-, lösungs- und handlungsorientiert und vergegenwärtigen dir deine Stärke oder Handlungsmöglichkeit.

Übung macht den Meister

Mentale Fertigkeiten erwirbst du nicht über Nacht. Auch wenn es sich einfach liest. Wissen heisst nicht Können. Nur regelmässiges und diszipliniertes Technik- und Feldtraining macht dich stark.

Mach deine Psyche bergfit mit dem Buch «Mental stark am Berg»

Autor / Autorin

Maya Lalive

Maya Lalive, lic. Phil. I, ist als Coach für Privatpersonen und Führungskräfte sowie als Motivationsrednerin tätig. Sie ist Wander- und J+S Leiterin. In ihrer Freizeit ist die ehemalige Publizistin, Unternehmerin und Politikerin im Gebirge beim Klettern anzutreffen, wo sie sich auch für ihre Kunsttätigkeit inspirieren lässt.

SAC-Kurs «Mentales Training»

Deine mentalen Fähigkeiten kannst du auch im SAC-Grundausbildungskurs «Mentales Training (wie) funktioniert das?» trainieren.
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