Berge in Bewegung | Schweizer Alpen-Club SAC
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Berge in Bewegung Über den Galletgrat auf das Doldenhorn

Auf den Spuren eines Altbundesrats geht es zu einer der schönsten Hütten des Berner Oberlands – und über einen perfekten Firngrat zu einem der grossartigsten Hochtourengipfel der Region.

Einmalig schön ist der Oeschinensee, selbst für den verwöhnten Schweizer Landschaftsgourmet: dunkel-türkisfarbenes Wasser, umgeben von blumenübersäten Alpwiesen und knorrigen Tannen, eingefasst von senkrechten Wänden, die in den eisbedeckten Bergen um Doldenhorn und Blüemlisalp gipfeln. Manchmal meint man sich kneifen zu müssen, um zu glauben, was man da sieht, wenn man gegenüber diesen Gipfeln hoch über dem See steht und auf dem schmalen Balkon der Fründschnur durch eine senkrechte Wand wandelt.

Bundesratsreise auf die Fründenhütte

Diese Kulisse geniesst man beim Zustieg zur Fründenhütte SAC, der grandiose Auftakt unserer Hochtour auf das 3638 Meter hohe Doldenhorn. Ob mit oder ohne Hochtour – ein Besuch der Fründenhütte ist einfach nur lohnend. Dieser Meinung war auch schon Altbundesrat Adolf Ogi. «Vielleicht die Fründenhütte», war die Antwort von Ogi auf die Frage nach dem «Schweizer Geheimtipp, der in keinem Reiseführer steht». Im Jahre 2000 schickte Ogi die Landesregierung im Rahmen der jährlichen Bundesratsreise mit Sack und Pack auf die Fründenhütte. Der Bundesrat regiere nicht, indem er sich Tag und Nacht in den Akten versenke, sagte Ogi. Er regiere, indem er auf dieser Reise den Menschen einer anderen politischen Ausrichtung besser verstehen lerne. Das gelinge am besten in der Natur.

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Im Jahre 2000 schickte Ogi die Landesregierung im Rahmen der jährlichen Bundesratsreise mit Sack und Pack auf die Fründenhütte.

Allerdings muss man erwähnen, dass damals der direkte Wanderweg zur Fründenhütte noch geöffnet war. 2020 wurde der Weg wegen Bergsturzgefahr auf unbestimmte Zeit gesperrt. So können wir den Spuren des Bundesrats nicht mehr folgen, sondern müssen heute über die luftige Fründschnur zur Hütte hinaufsteigen.

Auf dem luftigen Galletgrat

Nach einer kurzen Hüttennacht kann das Abenteuer Galletgrat kommen. Zwar wird es noch eine Nummer luftiger als auf der Fründschnur, doch so wild wie im Vorfeld befürchtet wird das Unterfangen nicht. Denn alle steilen Felspassagen am Grat sind mit Ketten und Tauen entschärft und geben der Tour streckenweise den Charakter eines Klettersteigs gehobenen Schwierigkeitsgrads. Ohne diese Hilfsmittel wäre der Galletgrat deutlich schwieriger und würde von noch weniger Bergsteigern angegangen. Nach der Felskletterei ist die die sanft geschwungene Linie des Firngrats zum Gipfel ein Genuss – bei guten Verhältnissen ein absoluter Traum. Fast könnte man meinen, wenn man ausrutscht, landet man direkt im Türkis des 2000 Meter tiefer gelegenen Oeschinensees. Daher bleiben wir hochkonzentriert bis zum Gipfel mit seinem überwältigenden Panorama und nehmen den zwar langen, aber landschaftlich wunderbaren Abstieg doch lieber unter die Füsse.

Praktische Infos

1 Oeschinensee – Fründenhütte SAC (2560 m)

Eckdaten

↗ 1120 Hm ↘ 250 Hm, 4 bis 5 h

Route

Nach Underbärgli, wo die Fründschnur beginnt, bieten sich zwei Varianten: Auf dem unteren Wanderweg nahe dem See oder weiter oberhalb über Heuberg – für letztere Variante benötigt man zwar 45 Minuten mehr, dafür sind die Blicke auf den See überwältigend. Dann auf der weiss-blau-weiss markierten, spektakulären, ausgesetzten, aber bestens abgesicherten Fründschnur zur Hütte.

 

2 Fründenhütte – Doldenhorn (3638 m) – Doldenhornhütte SAC (1916 m) – Kandersteg (1170 m)

Eckdaten

Aufstieg Galletgrat: ZS, Fels bis III, Eis bis 45°, ↗ 1080 Hm, 5 bis 6 h; Abstieg: WS ↘ 2470 Hm, 4 h 30 bis 5 h 30

Route

Von der Hütte südwestwärts zum Felsriegel und über ein gut sichtbares Band auf den Galletgrat. Die erste Felsbarriere kann leicht überklommen werden, die zweite umgeht man rechts (westlich) über ein steiler werdendes Firnfeld – vor Betreten des Firnfelds sind Felsplatten zu überqueren, die bei Vereisung heikel sein können. Der Felsturm vor dem Gipfelgrat wird entlang Ketten und Fixseilen erklommen. Anschliessend auf dem herrlichen Firngrat zum Gipfelaufbau und über eine Leiter die senkrechte Felsstufe hoch und in Kürze zum Gipfel. Der Abstieg erfolgt noch kurz dem Nordwestgrat, zieht dann über die Gletscherflanke hinab und verlässt den Gletscher kurz oberhalb Bim Spitze Stei. Nach kleinem Gegenanstieg links um den «Spitze Stei» (bzw. was nach dem Bergsturz von 2019 noch davon übrig ist). Dann über eine mit Kabel gesicherte Passage abwärts und nordwestwärts die Geröllflanke hinunter bis zur Doldenhornhütte. Von dort auf weiss-rot-weiss markiertem Wanderweg zurück nach Kandersteg.

Hinweis

Aufgrund der verstärkten Bodenbewegungen im Gebiet unterhalb Bim Spitze Stei ist mit vermehrtem Steinschlag zu rechnen. Das gefährdete Gebiet ist rasch zu durchqueren. Nähere Informationen zur aktuellen Situation auf der Webseite der Gemeinde Kandersteg unter dem Reiter «Spitze Stei».

Anreise

Mit dem Zug nach Kandersteg und mit dem Bus oder zu Fuss (1 km) zur Talstation Oeschinen. Mit der Gondelbahn nach Oeschinensee.

Literatur

Ueli Mosimann, Hochtouren Berner Alpen, SAC Verlag.

Daniel Silbernagel, Stefan Wullschleger, Hochtouren Topoführer Berner Alpen, Topo Verlag.

Unterkünfte

Fründenhütte SAC: Tel. 033 675 14 33, fruendenhuette(at)sac-altels.ch

Doldenhornhütte SAC: Tel. 033 675 16 60, info(at)doldenhornhuette.ch

Autor / Autorin

Bernd Jung

Der Physiker, Autor und Fotograf findet seinen Alltagsausgleich, ob mit oder ohne Familie, bei verschiedenen Bergaktivitäten.

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