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Blechfahne, Tanzpavillon und Lungen-Gymnastik Wie der Piz Languard im Oberengadin zum Ausflugsziel ersten Ranges wurde

«Wer in Pontresina war und nicht auf dem Piz Languard, der war in Rom und hat vergessen, den Papst zu besuchen.» Dieser Werbespruch kam Ende des 19. Jahrhunderts auf, als der Berg Schritt für Schritt bis zuoberst touristisch erschlossen wurde.

«Gestern vormittags zwischen 11 und 12 Uhr hat sich über dem Piz Languard ein schreckliches Gewitter entladen», meldete die Engadiner Post am Donnerstag, 21. August 1902. «Der Blitz schlug zweimal nacheinander in die auf der Spitze befindliche Restaurationsküche. Der dortige starke Blitzableiter funktionierte zunächst in der Ordnung, beim zweiten Schlag aber ging die Küche in Flammen auf und verbrannte total. Das unmittelbar daneben liegende Restaurationslokal aber blieb intakt. Von den auf der Spitze dienstthuenden Personen wurde Herr Lehrer Jager von Sils schwer verletzt, während die übrigen mit dem Schrecken davon kamen. Herr Jager musste nach Pontresina hinabgetragen und dem dortigen Spital übergeben werden. Wie man sich erinnert, hat der Blitz vor einigen Jahren das Restaurationslokal auf der Spitze eingeäschert und die Küche verschont. Diese letztere ist ihm nun jetzt zum Opfer gefallen.» Das waren nicht die einzigen Brandunglücke an der touristischen Infrastruktur zuoberst auf dem 3262 Meter hohen Piz Languard. Bereits am 6. August 1897 hatte die Zürcherische Freitagszeitung gemeldet: «Das Restaurant auf dem Piz Languard, dem berühmtesten Aussichtspunkte des Oberengadin, ist total abgebrannt. Die Brandursache ist die teilweise Explosion eines Kochapparates.»

Wendeltreppe auf planierten Gipfel

Der Piz Languard ist berüchtigt für seine Gewitter. Das musste auch der deutsche Kunstmaler Wilhelm Georgy (1819–1887) erleben, der den Gipfel mit seinen Werken berühmt gemacht hat. Von 1854 bis 1858 hielt er sich im Engadin auf, um für Friedrich von Tschudis Thierleben der Alpenwelt Illustrationen zu machen. Georgy gefiel die Arbeit draussen, und den Betrachtern gefielen seine Werke, denn der Künstler stellte seine Berg- und Tierbilder auch auf Ausstellungen in London und anderswo aus. «Die Leute kamen, um die Originale zu sehen, und waren von der Schönheit der Gegend gefangen», berichtete Jakob Christoph Heer 1898 in seinen Streifzügen im Engadin. Auf einer Schulter knapp 90 Meter unter dem Gipfel des Piz Languard hatte Georgy eine bescheidene Steinhütte erbaut; dort konnte er die Gämsen in der Nähe und die Sonnenaufgänge am Piz Bernina gegenüber erleben und auf der Leinwand verewigen. Ungefährlich aber war seine Arbeit nicht. «In einer Nacht entlud sich ein schweres Gewitter, der Blitz schlug mit entsetzlichem Gekrach rings um die Hütte in den Felsen, und unser Maler fand es für geraten, mitten im Unwetter alle Metallgegenstände, selbst die benagelten Schuhe, aus der Hütte hinauszuwerfen», hielt Johann Melchior Ludwig 1875 im Führer Pontresina und seine nächste Umgebung fest.

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«Die Leute kamen, um die Originale zu sehen, und waren von der Schönheit der Gegend gefangen.»
Jakob Christoph Heer (1859–1925)
Schriftsteller

Am 1. August 1856 wurde auf dem Gipfel des Languard eine blecherne Fahne aufgepflanzt, die Georgy bemalt hatte: auf der einen Seite das Schweizer, auf der andern das Bündner Wappen. Daneben gab es eine Panoramatafel sowie «eine blecherne Kapsel zur Aufbewahrung des Fremdenbuches», schrieb Ernst Lechner, Pfarrer in Celerina und St. Moritz, im Bestseller Der Piz Languard und die Bernina-Gruppe bei Pontresina, Oberengadin (1858). In der dritten Auflage von 1900 liest man zur Pyramide des Languard, wo es wie auf einer «Wendeltreppe» zu seiner Spitze geht: «Endlich ist das Ziel erreicht! Anfangs fanden nur wenige Besucher gleichzeitig Raum auf dieser Warte; in neuerer Zeit ist aber durch Planierung Platz gemacht worden für mehr als 100 Personen, von denen die meisten sitzen können; ein dienstfertiger Germane hat eine Glashalle, einen Salon und eine Küche eingerichtet.» Und das wirklich zuoberst auf dem Gipfel, neben dem Triangulationssignal. Die 1895 erstellte Holzkonstruktion, bald schon Tanzpavillon genannt, hing teilweise mutig über dem Abgrund.

Auch nach dem Krieg ein attraktives Ziel

Dort musste man hinauf, um dann auf einer Postkarte von der Besteigung Bescheid zu geben. «Der Piz Languard wurde letzten Sonntag von zirka 100 Touristen und einheimischen Liebhabern des edlen Bergsports besucht», meldete die Engadiner Post am 14. Juli 1904. «Für solche, welche punkto Lungen-Gymnastik nicht so viel zu leisten vermögen, um vom Tale aus zum Sonnenaufgang den Gipfel zu erreichen, wird durch den Bau einer Unterkunftshütte mit Schlafraum (etwa eine halbe Stunde unterhalb der Spitze) schon in den nächsten Tagen gesorgt werden. Das Restaurant auf der Spitze wird stark frequentiert und bedeutet eine ebenso eigenartige als willkommene Bequemlichkeit.»

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«Der Piz Languard wurde letzten Sonntag von zirka 100 Touristen und einheimischen Liebhabern des edlen Bergsports besucht.»
Engadiner Post

Es hätten noch viel mehr Touristen auf den Piz Languard kommen sollen, auch solche mit schwachen Lungen. Zwei Bahnprojekte sollten den Berg von Pontresina aus erschliessen: 1888 eine dreiteilige Drahtseilbahn, 1904 eine elektrischen Zahnradbahn, jeweils mit Bergstation bei der Hütte von Georgy. Doch die Gemeinde Pontresina lehnte zweimal ab. So blieb es beim Tanzpavillon, der auch nach dem touristischen Einbruch infolge des Ersten Weltkriegs wieder ein attraktives Ziel werden sollte. «Das Restaurant auf dem Piz Languard ist nach durchgehender Renovation wieder eröffnet worden. Der Augenblick weckt allerlei Erinnerungen, ist doch der Piz Languard vielleicht der berühmteste Berg des Oberengadins», verkündete die Engadiner Post am 3. August 1920. «Auch jetzt ist der Berg wieder das Ziel von Hunderten von Touristen und Spaziergängern. Er ist heute selbst für Kinder und Greise in kurzer Zeit auf dem bequemen Wege erreichbar, sodass jeder in nächster Nähe von seiner erhabenen Kanzel aus die Alpenwelt zu geniessen imstande ist.» Im Jahr darauf erfolgte nochmals eine Meldung zur Öffnung des Gipfelrestaurants – und dann keine mehr, auch nicht zu einem Blitzschlag. Einfach Stille, wie wenn sich der Pavillon in Luft aufgelöst hätte.

Im Führer für Bergfahrten im Ober-Engadin von Walther Julius Gyger von 1924 heisst es zum Piz Languard: «Ein Restaurant mit Schlafgelegenheit (in der Hochsaison beim Besitzer, Otto Spring, Pontresina, vorausbestellen) bietet die Annehmlichkeit, den Aufstieg bereits am Vorabend zu unternehmen (Sonnenaufgang; Ausdehnung der Tour).» Mit diesem Restaurant jedoch ist eindeutig Georgys Hütte gemeint. Und es gibt sie immer noch. www.chamanna-georgy.ch.

www.chamanna-georgy.ch

Autor / Autorin

Daniel Anker

Daniel Anker ist ein Berner Autor und Fotograf. Der Historiker hat ungefähr 40 Skitouren-, Wander-, Klettersteig- und Radführer sowie Bergmonografien über grosse Gipfel der Schweiz verfasst.

Ganz oben essen und schlafen

Gipfelrestaurants und -unterkünfte gibt es einige in den Schweizer Alpen und an ihrem Rand, vom Berggasthaus auf der Hundwiler Höhi (1305 m) bis hinauf zur Capanna Regina Margherita auf der Punta Gnifetti (4554 m). Dazwischen liegen das Berggasthaus auf dem Kronberg (1663 m), das Restaurant auf dem Gross Mythen (1898 m), die Capanna Nido d’Aquila auf der Punta di Larescia (2195 m), das Rifugio auf dem Föisc (2208 m), das Cookie Café auf der Pointe des Mossettes (2277 m), die Gipfelhütte auf dem Alvier (2342 m), das Berggasthaus auf dem Säntis (2502 m), das bereits 1830 erbaute Hotel auf dem Faulhorn (2680 m), das Rifugio Camosci auf der Cristallina (2912 m), das Bivacco Redaelli auf dem Pizzo Badile (3309 m) und die Unterkunft am Klein Matterhorn (3883 m).

Von 1922 bis 1972 führte die Sektion Ticino des SAC fast zuoberst auf dem Camoghè (2356 m) ein Rifugio. Das Militärdepartement hatte die Hütte noch vor dem Ersten Weltkrieg gebaut und übernahm das Gebäude auch wieder, als die Sektion es aufgab. Am 18. August 1984 wurde das Rifugio del Camoghè ein Raub der Flammen. Seit dem 19. Juli 2024 wartet eine neue Tessiner Gipfelhütte auf Gäste: die Capanna Gambarogno auf dem Monte Gambarogno (1734 m), die ebenfalls aus einer Kasematte entstanden ist.

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