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Freude am Teilen

Mireille Vuadens will alte Routen vor dem Vergessen bewahren und den Klettersport in ihrer Region fördern. Deshalb saniert und ergänzt sie Gratrouten in den Voralpen.

Verabredet ist ein Treffen bei ihr zu Hause am 24. Januar. «Das ist der Tag der Waadtländer Unabhängigkeit, wir könnten ein Papet Vaudois kochen! Zumal der Fotograf doch Berner ist, wenn das nicht symbolträchtig ist! Habt ihr schon einmal Kohlwurst gegessen?», fragt Mireille Vuadens. Offenheit gegenüber anderen, Grosszügigkeit und Freude am Teilen: Zwei Minuten am Telefon sagen bereits viel über unsere Gesprächspartnerin aus.

Die jung gebliebene Fünfzigerin ist Winter- und Sommertourenleiterin und hat die Familiengruppe der SAC-Sektion Jaman gegründet und geleitet. Seit 26 Jahren engagiert sie sich für den SAC, während sie beruflich als Mitarbeiterin des Gerichts beim Kanton Waadt amtet. Aktuell ist sie zudem als Redakteurin für das Tourenportal tätig und saniert regelmässig Kletterrouten in den Voralpen, wofür sie einen SAC-Kurs besucht hat. «Manche Routen werden vernachlässigt, weil sie in einem schlechten Zustand sind oder in Vergessenheit geraten sind», erklärt Mireille Vuadens. Sie hat sich vorgenommen, diese Routen zu dokumentieren, zu prüfen und wenn nötig zu ändern oder zusätzliche Sicherungspunkte einzurichten, damit sie optimal zur Geltung kommen oder sicherer werden.

Alternativen zum Wallis

«Ich suchte eine Herausforderung und wollte wenig begangene Routen entdecken», erklärt sie in ihrem Wohnzimmer mit Blick auf den Grammont, während sich ihr ältester Sohn um das Essen kümmert. «Und ich wollte zeigen, dass es in den Voralpen schöne Möglichkeiten zum Klettern gibt und dass man nicht immer ins hinterste Wallis fahren muss. Vor allem als Anfänger», lacht die Frau, deren Waadtländer Akzent so tief sitzt wie ein Bohrhaken im Fels.

Die Bergsteigerin, die alle 48 Viertausender der Schweiz bestiegen hat, begeht eine Route zuerst versuchsweise mit ihrem Mann Marc. «Manchmal bekommen wir richtig Angst und sagen uns ‹nie wieder›, aber manchmal ist es schön, und wir kehren mit Ausrüstung zurück.» Oft bricht das Paar im Morgengrauen auf und kommt nach Sonnenuntergang zurück. «Man muss an alles denken und jede Passage besprechen. Und Löcher in den Fels bohren, das braucht Zeit.» Marc und Mireille wechseln sich an der Bohrmaschine ab und finanzieren ihr Material selbst. «So sind wir niemandem etwas schuldig.»

Aus der Küche ist ein Zischen zu hören. «Er brät den Lauch an», freut sich Mireille. Die Bewohnerin von Saint-Légier hat eine Vorliebe für historische Routen, «in denen man nicht ans Bohren denkt», und für mobile und natürliche Sicherungen. Aber sie zögert nicht, in exponierten Passagen ein, zwei fixe Sicherungspunkte zu setzen. «Heute sind wir nicht mehr mit der Einstellung ‹alles oder nichts› unterwegs. Man will heil nach Hause kommen.»

Ein heikles Thema

Zwar fragt sie oft Bergführer vor Ort um Rat und diskutiert mit ihrem ältesten Sohn, der Bergführer ist, über Sinn und Unsinn der Sanierung einer Route. Doch Mireille erwartet nicht, es allen recht zu machen, den Verfechtern einer maximal zugänglichen Bergwelt mit vielen Bohrhaken und denen, die sich unberührte Berge wünschen, die nur für Profis zugänglich sind. Zum Beispiel als sie einen Grat in der Nähe der Cabane de Jaman ausgerüstet hat. «Manche haben ein bisschen gemeckert, aber die Bohrhaken sind immer noch da, und der Grat hat grossen Erfolg.»

Die Gratüberschreitung der Arête des Salaires von Plan de la Douve bis zum Biolet ist eine ihrer Lieblingsrouten. «Hätten wir sie nicht ausgerüstet, würde niemand mehr diese Tour machen. Ich habe positive Rückmeldungen von Bergführern erhalten, und manche kommen aus dem Wallis, um die Route zu begehen. Toll! Es freut mich, wenn ich etwas für andere tun kann!»

Noch fünf Minuten bis zum Essen. Gerade noch Zeit für ein Foto auf dem Balkon. «Ich bleibe ganz natürlich, oder? Ungeschminkt!» – Und schon geniessen wir zusammen einen Teller Kohlwurst. «Na? Schmeckt es?», will Mireille wissen. Und ihre Augen leuchten vor Freude, dass sie anderen eine Freude bereiten kann.

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