50 Jahre Erstbesteigungen Mount Everest und Nanga Parbat. Die Bücherberge zum 8000er-Jubiläum
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50 Jahre Erstbesteigungen Mount Everest und Nanga Parbat. Die Bücherberge zum 8000er-Jubiläum

Everest und Nanga Parbat.

Die Bücherberge zum

8000er-Jubiläum

Wie bei jedem Jubiläum hat auch das des Everest eine Bücherflut produ- ziert. Hier ein Überblick über die wichtigsten Neuerscheinungen.

Eine schlechte Nachricht erreichte Lon- don am Abend des 1. Juni 1953: « Snow condition bad hence expedition abando- ned advance base on 29 th and awaiting improvement being all well. » Von schlechten Schneebedingungen war die Rede, die Expedition hätte am 29. Mai im vorgeschobenen Basislager abgebro- chen werden müssen, die Teilnehmer warteten auf eine Besserung, wären aber alle wohlauf. Am nächsten Tag, wunder- bar passend zur Krönung von Elizabeth II., meldete die Times exklusiv « the first ascent of Mount Everest » durch Hillary und Tenzing, beide Mitglieder der briti- schen Expedition unter Lord Hunt. Der daran teilnehmende Korrespondent der Zeitung, James Morris, hatte mit der Redaktion in London einen Geheimcode abgemacht: Snow condition bad = Gipfel erreicht, advance base abandoned = Hi- llary, awaiting improvement = Tenzing, being all well = alle wohlauf. Satelliten- gestützte Kommunikation gab es vor 50 Jahren am Everest noch nicht. Des- halb musste die Nachricht der endlich erfolgten Erstbesteigung des höchsten Gipfels der Welt ( 8850 m ) durch den neuseeländischen Bienenzüchter Ed- mund Hillary und den einheimischen Sherpa Tenzing Norgay am Freitag, 29. Mai 1953, um 11 Uhr 30, verschlüs- selt werden, damit sie nicht von andern Medien abgefangen werden konnte. Der Everest im Überblick Die Code-Liste und das Telegramm sind abgebildet im prächtig illustrierten Buch « Everest. Die Geschichte seiner Erkun- dung », das Stephen Venables, selbst Erstbegeher der Ostwand vor 15 Jahren, zusammen mit der Royal Geographical Society herausgegeben hat. Ihr Archiv umfasst rund 20 000 Everest-Fotografien und -Dokumente – eine einzigartige Sammlung, in die wir dank diesem Buch nun einen nachhaltigen Einblick erhal- ten. Das Schwergewicht des Buches liegt auf der Zeit zwischen 1921 und 1953, von der ersten britischen Expedition bis zur erfolgreichen Erstbesteigung. Venables übrigens hat für das Jahrbuch des Alpen- vereins eine kurze und pointierte Ge- schichte des Everest verfasst – wer also im Bild sein will, sollte diese Zusammen- fassung lesen. Noch besser ist es, wenn man sich das April-Heft des GEO an- schafft: Für nur 11 Franken 50 kriegt man sehr viel Mount Everest. Und kann erst noch in einem Everest-Rätsel sein Wissen testen.

Wer es genau wissen will Wer aber nur ein, nämlich das umfas- sendste, Buch über den Everest lesen, anschauen und in die Bergbibliothek stellen will, darf um den Hemmleb nicht herumklettern. Jochen Hemmleb gilt als einer der besten Kenner des Everest, sei- nem Wissen und seinem Spürsinn ist es mitzuverdanken, dass 1999 die Leiche von George Mallory gefunden wurde, der 1924 zusammen mit Andrew Irvine auf dem Weg zum Gipfel verschwand.

Über seine zweite Suchexpedition im Jahr 2001, die das letzte Lager der beiden Pioniere fand, berichtet Hemmleb im Buch « Detectives on Everest ». Sein Meis- terwerk ist jedoch die Everest-Monogra- phie mit dem schönen Untertitel « Göt- tinmutter der Erde ». Ein dichtes, mit den wichtigen und mit neuen Bildern sowie mit aufschlussreichen Topos illust- riertes Buch, das step-by-step die faszi- nierende Geschichte auspackt und dabei weit über den Horizont hinausblickt.

Mit einem Wort: herausragend.

Ein Superstar setzt sich in Szene Da kann Reinhold Messner mit seinem neuen Everest-Buch nicht mithalten.

Weil es ganz einfach zu Messner-lastig ist, im Text und im Bild. Zu wenig histo- risches Bildmaterial, zu viel von der ers- ten sauerstofffreien Besteigung durch Messner und Habeler vor 25 Jahren.

Klar, auch ein Jubiläum! Und wer live dabei sein will, kann sich die beigelegte CD anhören. Im Vergleich zu Hemmleb sind die Routenübersichten beim Mess- ner dürftig. Dafür ist seine Chronik per- sönlicher, bissiger. Und wer nachschauen will, wer alles schon oben war, kann dies bei ihm und beim Venables tun. Zwei Namen fehlen aber auf den Listen: Richard Harringdon und Charles McDermott. Ihnen gelang im Jahre 1955 die zweite Besteigung, nicht den Schwei- zern Jürg Marmet und Ernst Schmied im darauf folgenden Jahr. Das jedenfalls steht im Roman « Der Südgipfel » von Thomas Lauer. Ein manchmal spannen- des, manchmal aber auch langfädiges Buch über eine fiktive Besteigung. Aber vielleicht geht zu viel Tempo am Everest gar nicht. Ein gerade klassisches Everest-Buch ist hingegen das von Jean-Marc Porte über eine Besteigung von Norden im Jahre 2001: Die Begegnungen unterwegs ( und der fotografische Beweis ) sind so wichtig wie die Tat am Berg, die immer- hin in der ersten Snowboard-Abfahrt vom höchsten Punkt ( durch Marco Siffredi ) gipfelte. Ein schön gemachter Bildband.

Und die Sherpas?

Mehr Lese- als Bilderbuch ist die « Ge- schichte der Sherpa », welche Judy & Trashi Tenzing aufrollen. Im Deutschen trägt das Buch den Titel « Im Schatten des Everest », und das Volk der Sherpa lebt ja nicht nur in seinem Schatten, sondern stand jahrzehntelang im Schat- ten seiner Herren, denen es den Weg zum Gipfel und zum Ruhm ebnete.

Immerhin stand einer von ihnen zuerst auf dem Everest: Tenzing Norgay, und das Buch seines Enkels erzählt denn auch vor allem sein bewegendes Leben.

Mit Schweizern und mit der Schweiz verstand sich der berühmteste Sherpa bestens; bei der Erstbesteigung des Eve- rest trug er den roten Schal von Freund Raymond Lambert, mit dem er am 28.

Mai 1952 250 Meter unterhalb des Gip- fel scheiterte. Schade eigentlich. Aber der Everest war halt so etwas wie der Schicksalsberg der Engländer.

Nanga Parbat: der Berg der Deutschen Wie derjenige der Deutschen heisst, ist klar: Nanga Parbat. In den 30er-Jahren verbissen sich die deutschen Bergsteiger geradezu in seine mörderischen Flanken – 26 Tote waren die Folgen. Als Erster hatte der beste Bergsteiger seiner Zeit,q D I E A L P E N 7 / 2 0 0 3 der Brite Alfred Mummery, 1895 ver- sucht, mit seinen beiden Begleitern den 8125 m hohen Gipfel zu erreichen – sie kehrten nie zurück. Erst dem Österrei- cher Hermann Buhl gelang am 3. Juli 1953 in einem waghalsigen Alleingang die Erstbesteigung des Nanga Parbat:

nicht für eine Nation, nicht für eine Ex- pedition – nur für sich selbst. Er befes- tigte auch den falschen Wimpel am Pickel, Hauptsache aber blieb, dass er das be- rühmt gewordene Gipfelfoto schoss. Sei- tengross ist es im Bildband « Nanga Par- bat. Expeditionen zum ‹Schicksalsberg der Deutschen› 1934–1962 » abgebildet; natürlich auch das Foto, das Buhl nach der 41-stündigen Odyssee zeigt. Ein paar Seiten weiter vorne ist er im Anzug zu sehen, beim Tanzen mit einer Schönheit auf dem Schiff « Victoria ». Welch ein Gegensatz – und welch wegweisender Name! Allerdings fehlen in dem Bild- band fast alle politischen Fotos aus den 1930er-Jahren – in jener Zeit flatterte der Hakenkreuzwimpel bei jeder passen- den und unpassenden Gelegenheit.

Wie verpolitisiert das Bergsteigen im Nazideutschland war, schildert Ralf- Peter Märtin eindrücklich in seinem Nanga-Parbat-Buch, das den etwas hochfliegenden Titel « Wahrheit und Wahn des Alpinismus » trägt. Eines Alpi- nismus wäre richtig, und trotzdem muss das Buch unbedingt empfohlen werden, weil es eine gleichzeitig tief schürfende und süffige Darstellung des Bergsteigens im letzten Jahrhundert liefert. Kaum zu glauben, dass Bauer und Welzenbach, Herrligkofer & Co. vor lauter Politik, Int- rigen und Ehrgeiz noch zu den 8000ern kamen. Und immer wieder Reinhold Messner Von seinem Schicksalsberg erzählt Reinhold Messner gleich in zwei Bü- chern: in « Der nackte Berg » und in « Die weisse Einsamkeit ». Hier verlor er 1970 nach der Erstdurchsteigung der Rupal- Flanke, der höchsten Wand der Erde, seinen Bruder Günther beim unbekann- ten Abstieg über die Diamir-Flanke – ein Drama, das zu Querelen führte und noch immer tut, wie zwei neue Enthüllungs- bücher zeigen. Hier machte er acht Jahre später « die kühnste Tour meines Lebens » – die erste Solobesteigung und erst noch über eine neue Route. Nanga Parbat und Mount Everest – zwei Fixsterne im ohne- Mount Everest: die erfolgreiche britische Expedition von 1953 und ihre Sherpas Die Schweizer Expedition auf der Schulter oberhalb des Süd- sattels des Everest, anno 1952. Im Hintergrund die Gipfelpyra- mide der « Göttinmutter » von Südosten: links der Südpfeiler, rechts der Südostgrat. Der höchste 1952 erreichte Punkt liegt am Fuss des letzten Grat- aufschwungs. Die Expedition stieg damals durch die Rinne ganz rechts zum Grat, während die heutige Route in der Flan- kenmitte direkt zur breiten Schulter, dem so genannten « Balkon », ansteigt. Das mittlerweile legendäre Foto, das Buhl am 3. Juli 1953 gegen 19 Uhr auf dem Gipfel vom Nanga Parbat geschossen hat. Er ist der erste Mensch, der den mythischen Berg bezwungen hat. Nur mit dem Nötigsten ( den Rucksack hat er zurückgelassen ) hat er die letzte Etappe mit dem Aufputschmittel Pervitin geschafft.

Foto aus: Jochen Hemmleb, Everest, Göttinmutter der Erde, AS Verlag, Zürich 2002 Foto aus: Horst Höfler, Nanga Parbat, Expeditionen zum « Schicksalsberg der Deutschen » 1934–1962, AS Verlag, Zürich 2002 Foto aus: Jochen Hemmleb, Everest, Göttinmutter der Erde, AS Verlag, Zürich 2002q D I E A L P E N 7 / 2 0 0 3

Verschiedenes

Diversi Divers 29. Mai 1953, 11.30 Uhr: Tenzing Norgay, fotografiert von Edmund Hillary, auf dem Gipfel des Mount Everest Foto aus: Jochen Hemmleb, Everest, Göttinmutter der Erde, AS Verlag, Zürich 2002 hin schon strahlenden Bergsteigerleben von Messner. Und natürlich auch zwei Marksteine seiner Buchproduktion.

Überhaupt Bücher über den Mount Everest und den Nanga Parbat: Warum nicht einfach zuhören statt lesen? Zum Beispiel Reinhold Messner im Audio- buch « Everest » – zwei Stunden lang Himmel, Hölle und Himalaya. Ein bisschen mehr brauchten Hillary und Tenzing vom Süd- auf den Hauptgipfel vor fünfzig Jahren.

D a n i e l A n k e r, B e r n Bibliographie Everest GEO: Everest. 50 Jahre Höhenrausch. Heft 4/2003.

National Geographic: Everest – Die grossen Reportagen. Gruner und Jahr, Hamburg 2003 Vertical: 50 ans d' Everest. N° 33, Editions Glénat, Grenoble 2003 Band, George: Everest. 50 years on the Top of the World. The official history. HarperCollins Publishers, London 2003.

Hemmleb, Jochen: Everest. Göttinmutter der Erde. AS Verlag, Zürich 2002.

Hemmleb, Jochen; Simonson, Eric R.: Detecti-ves on Everest. The 2001 Mallory & Irvine Research Expedition. The Mountaineers Books, Seattle 2002. Lauer, Thomas: Der Südgipfel. Roman. Ullstein-Verlag, München 2002 Meier-Hüsing, Peter: Wo die Schneelöwen tanzen. Maurice Wilsons vergessene Everest-Bestei-gung, Malik Verlag, München 2003.

Messner, Reinhold: Everest – Himmel, Hölle, Himalaya. Audiobuch Corinna Zimber, Lamber-tusstrasse 5, D-79104 Freiburg, info@audiobuch.c.om.

Messner, Reinhold: Mount Everest. Expeditionen zum Endpunkt. Mit CD: Originalaufnahmen von Messners Aufstieg 1978. BLV, München 2003. Porte, Jean-Marc: Everest versant Tibétain. Arthaud, Paris 2002.

Tenzing, Judy & Trashi: Im Schatten des Everest. Die Geschichte der Sherpas. Frederking & Thaler, München 2003.

Venables, Stephen: Der Kampf um den Everest. Ein historischer Streifzug 50 Jahre nach seiner Erstersteigung, in: Berg 2003, Alpenvereinsjahrbuch Zeitschrift 127.

Venables, Stephen: Everest. Die Geschichte seiner Erkundung. Eine einmalige Fotodokumenta-tion aus dem berühmten Archiv der Royal Geographical Society. Frederking & Thaler Verlag/Maga-zin GEO, München 2003.

Nanga Parbat Höfler, Horst: Nanga Parbat. Expeditionen zum « Schicksalsberg der Deutschen » 1934–1962. AS Verlag, Zürich 2002.

Märtin, Ralf-Peter: Nanga Parbat – Wahrheit und Wahn des Alpinismus. Berlin Verlag, Berlin 2002. Messner, Reinhold: Nanga Parbat: Der nackte Berg. Nanga Parbat – Bruder, Tod und Einsamkeit. Malik-Verlag, München 2002. Torres Ruiz, David: Nanga Parbat. Roman. Editions Glénat, Grenoble 2002. a O e A V Ö s t e r r e i c h i s c h e r A l p e n - v e r e i n

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