Allerlei Notizen über die Alpen aus antiken Schriftstellern
Dr. H. Dübi ( Section Bern ).
Allerlei Notizen über die Alpen aus antiken Schriftstellern Von Gemäß meinem im letzten Jahrbuch gegebenen Versprechen und einer Aufforderung des Herrn Redactors folgend, will ich versuchen, Einiges, was ich bei Anlaß meiner Studien über die Feldzüge der Römer in den Alpen gefunden, über die Anschauungen und Vorstellungen der Alten von den Alpen für die Leser dieses Jahrbuches zusammenzustellen. Die nachstehende Arbeit macht nicht den Anspruch auf Vollständigkeit oder erschöpfendes Durchforschen der antiken Quellen und der ziemlich umfangreichen wissenschaftlichen Literatur darüber; sie soll vielmehr nur eine Skizze sein, in welcher das für unser Publicum Wissens-würdigste und Interessanteste andeutend mitgetheilt wird. Wer mehr darüber zu erfahren wünscht, findet reichliche Belehrung theils in den schon in meiner letztjährigen Arbeit citirten Werken von Gisi, Planta, Vaccarone, theils in den Schriften der Geographen, welche über die _ Alpen gehandelt haben, wie Bergier, Gioffredo, Durandi, Ukert u. A.
Um den reichlichen Stoff übersichtlicher zu machen, habe ich ihn nach folgenden Gesichtspunkten gruppirt:
Erstens wird zu sprechen sein von der allgemeinen Gestalt und Lage der Alpen, wie die Alten sie anschauten, von der Höhe und Ausdehnung der Alpen, von den Namen derselben, sowie von im Alterthum bekannten Alpenflüssen und.Seen.
Ein zweiter Abschnitt wird handeln von Klima und Vegetation der Alpen.
Ein dritter von den Alpenthieren, von Alpwirthschaft und Bergbau, sowie von den Handelsprodukten.
Viertens soll die Bevölkerung der Alpen nach ihren Völkern und Stämmen dargestellt und ihre Lebensweise und Sitte kurz geschildert werden.
Ein besonders reichlicher Abschnitt wird fünftens handeln von den Straßen über die Alpen und von den bewohnten Orten in denselben.
Sechstens werden wenige Bemerkungen genügen über Reisen und Forschungen in den Alpen, da von den militärischen Zügen schon in meiner letzten Arbeit ausführlich die Rede war.
Und endlich sollen siebentens auch die politischen Einrichtungen, und zwar sowohl die einheimischen als die von den Römern eingeführten, betrachtet werden.
Ueber die Gestalt und Richtung der Alpen besitzen wir aus dem Alterthum außer vereinzelten Notizen zwei ausführliche Darstellungen bei dem Geschichtschreiber Polybius und bei dem Geographen Strabo, die wir hier wiedergeben wollen.
Polyb. II, 14 heißt es: „ Die übrig bleibende Seite Italiens, welche sich längs dem Norden und dem Binnenlande hinzieht, begrenzt auf ihrer ganzen Länge die Kette der Alpen, welche ihren Anfang bei Massilia und den über dem Sardischen Meere liegenden Gegenden nimmt und sich zusammenhängend bis zu dem Winkel des Adriatischen Meeres erstreckt, den sie beinahe berührt. Längs der genannten Kette, welche man als die Basis des Dreiecks ansehen muß, im Süden vor derselben, liegt die Ebene, welche das gesammte Italien nach Norden abschließt. Auch die Gestalt der Linie, welche diese Ebene umschreibt, ist ein Dreieck. Die Spitze dieser Figur bildet das Zusammentreffen des Apennin genannten Gebirges und der Alpen, nicht weit vom Sardinischen Meere oberhalb Massilia. "
Und in Buch III, Cap. 47 sagt er: „ Die Ebene am Padus trennen von dem Thale des Rhodanus die Höhen der früher genannten Gebirge, welche von Massilia bis zu dem Winkel des Adriatischen Meeres reichen. "
Strabo sagt im II. Buch seiner Geographie, Cap. 5: „ Von den Alpen, welche ein sehr hohes Gebirge sind, das einen Bogen beschreibt, ist die convexe Seite gegen die genannten Ebenen der Gallier und gegen die Cevennen gekehrt, die concave gegen Ligurien und Italien. "
Im IV. Buch,, Cap. 6, sagt Strabo: „ Die Alpen beginnen nicht beim Hafen Monoikos ( jetzt Monaco ), wie Einige gesagt haben, sondern in der nämlichen Gegend, wo auch die Apenninen beginnen, bei Genua, einem Hafen der Ligurer, und bei dem sogenannten Vada Sabata ( jetzt Vado bei Savona ), welches eine Bhede ist; der Apennin nämlich beginnt bei Genua, die Alpen bei Sabata; zwischen Genua und Sabata sind 260 Stadien. 370 Stadien davon entfernt liegt die Stadt Albingaunon ( jetzt Albenga ); die sie bewohnenden Ligurer heißen Ingaunef; von da bis zum Hafen von Monoikos sind es 480 Stadien. Dazwischen liegt die große Stadt Albion -Intemelion ( jetzt Ventimiglia ) und die sie bewohnenden Intemelier. Nun erblickt man einen Beweis dafür, daß die Alpen bei Sabata anfangen, in diesem Namen. Denn die Alpen ( Alpeia ) hätten früher Albia geheißen, so viel wie Alpeina. Und auch jetzt noch heißt das hohe Gebirge im Gebiet der Japodes ( im nördlichen Hlyrien ), das mit der Okra ( jetzt Bimbaumerwald ) und den Alpen zusammenhängt, Albion, weil bis hieher sich die Alpen erstrecken. "
Im ersten Capitel des V. Buches sagt Strabo: „ Zum Theil kann man so sagen, daß die Gegend am Fuß der Alpen bogenförmig und meerbusenartig sei, die hohle Seite gegen Italien gewendet: die Mitte des Busens ist im Gebiet der Salasser, die Enden aber verlaufen theils bis zur Okra und dem Winkel des adriatischen Meeres, theils an die ligurische Küste bis Genua, dem Hafen der Ligurer, wo die Apenninen mit den Alpen zusammentreffen. "
Der Geograph Mela sagt in Buch II, Cap. 45:
„ Die Alpen selbst verbreiten sich von diesen Küsten ( Italiens ) in die Länge und Breite und gehen zuerst in langem Laufe nach Norden; dann wenden sie sich da, wo sie Germanien berühren, nach dem Osten und dringen, indem sie gewaltige Völker trennen, bis nach Thracien hinein. "
Einige Kenntniß des Details zeigt die Bemerkung Strabo's, Buch IV, Cap. 6, 9: „ Ueber den Carnern ( jetzt Krain ) liegt das Gebirge des Apennin, das einen See enthält, aus dem der Athesis ( jetzt Etsch ) entspringt, welcher, einen andern Fluß, den Ätagis ( jetzt Eisak ), aufnehmend, in das adriatische Meer mündet. Aus dem nämlichen See fließt auch ein anderer Fluß in den Ister ( jetzt Donau ), genannt Isaras. Denn auch der Ister hat seinen Ursprung in diesen Gebirgen, welche vielfaltig und vielgipflig sind. Bis hieher nämlich von Ligurien an ziehen sich die Alpenhöhen zusammenhängend hin und bieten das Bild eines einheitlichen Gebirges; von da an werden sie lockerer und niedriger und erheben sich wieder zu mehreren Gliedern und Gipfeln. Von diesen ist zuerst der jenseits des Rheines und des Sees nach Osten gewendete, mäßig hohe Bergzug, wo die Quellen des Ister sind, nahe bei den Sueben und dem Hercynischen Walde. Andere sind gegen Illyrien und die Adria gewendet, unter denen das genannte Apenningebirge ist, und das Toulon ( jetzt Terglu ) und Phligadia ( jetzt Flitsch in Istrien ), welche über den Vindeliciern liegen. Auch die Okra ist nahe bei diesen Gegenden. "
Die Gebirge der Dauphiné nennt Polybius, III, 49, „ schwer zugänglich, ja fast unbetretbar. "
Von den Seealpen sagt Strabo, IV, 6, 2:
„ Im Allgemeinen ist die ganze Seeküste vom Hafen Monoikos bis Etrurien ( jetzt Toskana ) zusammenhängend und ohne Häfen, mit Ausnahme kleiner Rheden und Ankerplätze. Sie ist überragt von steilen Gebirgsabhängen, welche nur einen schmalen Durchgang längs dem Meere übrig lassen. "
Nach der Formula ducatus Retiarum, einer Uebersicht der ostgothischen Herrschaft, bei Cassiodor wird der Name Rätien von dem lateinischen Wort retia = Netz abgeleitet wegen der verschlungenen Form der Thäler.
Auch der Name der Alpen beschäftigte die antiken Grammatiker. Servius sagt in seinem Commentar zu Virgil's Aeneis, Buch IV, Vers 442: „ Alpen heißen in gallischer Sprache hohe Berge. " Ein griechischer Etymologe commentirt das Wort mit „ kleisuraclausura, Verschluß.
Festus sagt: „ Die Alpen sind nach der weißen Farbe des Schnees benannt. Die Sabiner nämlich sprachen Alpum, wie später die Latiner Album; daher der Name der Alpen. " Womit die Notiz des Solinus verglichen wird, der den Namen der scythischen Albiner davon ableitet, „ weil sie mit weißen Haaren auf die Welt kommen. " Prokop sagt: „ Alpen pflegen die dortigen Leute einen engen Durchpaß zu nennen. "
Die aus dem Alterthum stammende Eintheilung ist: 1 ) Alpes maritimse ( Seealpen ), von Genua bis zum Mons Vesulus ( Monte Viso ). 2 ) Alpes Cotti » bis zum Mons Cenis mit dem Mons Matrona, später Mons Janus oder Janua ( jetzt Mont-Genevre ). 3 ) Alpes Grsecse oder Graiae mit dem Jugum Cremonis ( wahrscheinlich le Cramont ). 4 ) Alpes Pceninse bis zum Adula ( jetzt Gotthard ). 5 ) Alpes Rhseticae, sowie Alpes Tridentinse, Carnicse, Noricse, Mise, Pannonicae, mit den früher genannten Gipfeln. Benannt waren außer diesen im Alterthum nur wenige Bergübergänge, die Spitzen hatten kein Interesse.
Dagegen stellte man wohl Berechnungen und Vergleichungen über die Dimensionen der Alpen an. Strabo sagt in Buch IV, cap. 6, 11 von Polybius: „ Der nämliche Mann vergleicht, indem er von der Größe und Höhe der Alpen spricht, die größten Berge in Griechenland, den Taygetus, Lycseus, Parnaß, Olymp, Pelion und Ossa, und in Thracien den Hsemus, die Rhodope und den Dunax, und sagt, daß von diesen ein jeder beinahe in einem Tag von guten Fußgängern bestiegen und in einem Tag auch umwandert werden könne; die Alpen aber könnte einer nicht einmal in fünf Tagen besteigen; die Länge aber sei 2200 Stadien längs den Ebenen.
Plinius der Aeltere sagt in seiner Naturgeschichte, III, 19: „ Von den Alpen sagt Caelius, daß sie vom oberen zum unteren Meer sich 1000 Milieu in die Länge erstrecken, Timagenes aber 25 weniger. Die Breite gibt Cornelius Nepos zu 100 Milieu, T. Livius zu 3000 Stadien an jeder an einem andern Orte; denn bisweilen übertrifft sie sogar 100 Milien, wo sie Germanien von Italien trennen, und im andern Theil sind sie schmal und erreichen nicht einmal 70 Milien, wie durch eine weise Fürsorge der Natur. Die Breite Italiens längs ihrem Fuße vom Varus über Vada Sabatia, Turin, Corno, Brixen, Verona, Opitergium ( jetzt Oderzo ), Aquileja, Triest, Pola und ArBÜt beträgt 745 Milien. Nach einem Epigramm der griechischen Anthologie beträgt der Weg durch die Alpen 1250 Stadien.
Nach Plinius II, 65 ragen einzelne Spitzen bis zu einer Höhe von 50 Milien empor; nach Silius Italicus über den Punischen Krieg, Buch III, Vers 493 ragen die Alpen bis in die Wolken.
Ueber Alpenflüsse und -Seen erfahren wir aus antiken Schriftstellern ziemlich viel.
Wir lassen zuerst wieder dem Polybius das Wort. Von der Rhone sagt er Buch III, Cap. 47: „ Der Rhodanus hat seine Quellen über dem adriatischen Winkel, nach Westen gekehrt, in den nach Norden liegenden Theilen der Alpen; er fließt nach Südwesten und mündet in das Sardische Meer. Auf einer langen Strecke fließt er durch ein Thal, wo im Norden die keltischen Ardyer wohnen, seine südliche Flanke aber begrenzt die nach Norden gewendete Kette der Alpen.« Strabo bemerkt Buch IV, Cap. I: „ Die Alpen begrenzen Gallien von der ligurischen Küste bis zu den Quellen des Rheins ", was nach der Einverleibung des Gebietes der Helvetier ganz richtig gesagt ist.
Er nennt als Grenze zwischen der Provinz und Italien den Varus, „ der im Sommer nur klein ist, im Winter aber bis zu sieben Stadien breit wird. "
Als Zuflüsse der Rhone nennt er im gleichen Capitel die Durance und die Isère. „ Zwischen der Druentia und dem Isar fließen noch andere Flüsse aus den Alpen in den Rhodanus, von denen zwei die Stadt der Cavaren umschließen und in gemeinsamem Strome in den Rhodanus münden. Ein dritter ist der Sulgas ( jetzt Sorgues ), der bei der Stadt ündalon sich'mit dem Rhodan vereinigt. "
Von der Rhone selbst sagt er: „ Dieser große und reißende Fluß kommt aus den Alpen, mündet in den Lemanersee und zeigt viele Stadien weit deutlich seinen Lauf. " Nach Strabo kommt auch die Saône und der Doubs aus den Alpen; eine scharfe Grenze zwischen den eigentlichen Alpen und den vorliegenden Gebirgen wurde eben im Alterthum nicht gemacht, doch wußte Strabo, daß ihre Höhe geringer sei, als die der Alpen. VII, 1, 3. Dagegen sagt er, daß alle drei Flüsse zuerst nach Norden, dann nach Westen und schließlich vereinigt nach Süden fließen.
In Cap. 3 des IV. Buches sagt er:
„ Das Ufer des Rheines bewohnen von Allen zuerst die Helvetier, bei welchen die Quellen, des Flusses auf dem Berge Adula sind. Dieser ist ein Theil der Alpen, von welchem auch der Adua ( die Adda ) in entgegengesetzter Richtung nach dem diesseitigen Gallien fließt und den See Larius bildet, an welchem Comum liegt, und von da in den Po mündet. Auch der Rhein ergießt sich in große Sümpfe und in einen großen See, an welchen auch die Räter und Vindelicier anstoßen, Völker, die in den Alpen und nördlich von denselben wohnen. Asinius gibt seine Länge zu 6000 Stadien an, was nicht richtig ist: denn in gerader Richtung wäre er nicht viel mehr als die Hälfte; durch die Krümmungen können noch etwa 1000 hinzukommen; er ist nämlich reißend und deswegen schwer zu überbrücken, und durch die Ebene fließt er den 25 Rest des Laufes matt, nachdem er von den Bergen herabgekommen ist. "
Lib. IV, Cap. 6, 5: „ Nach den Vocontiem kommen die Iconier und Tricorier, und nach ihnen die Medifiler,, welche die höchsten Gipfel haben. Die am steilsten aufgerichtete Höhe soll 100 Stadien aufwärts und ebensoviel abwärts betragen bis zu der Grenze Italiens. Oben in verborgenen Thälern ist ein großer See und zwei Quellen nicht weit von einander; aus der einen von diesen geht der gießbachähnliche Fluß Druentia. ( jetztDurance ), welcher sich in denRhodanus hinunterstürzt; und der Durias ( jetzt Dora Baltea ) nach der entgegengesetzten Richtung; denn er vereinigt sich mit dem Padus, nachdem er durch das Gebiet der Salasser in das diesseits der Alpen gelegene Gallien herabgekommen ist. Aus der andern, viel niedrigeren Quelle dieser Gegenden kommt der Padüs selbst, stark und reißend; in seinem weiteren Laufe wird er breiter und sanfter. "
6: „ Ueber den Salassern in den hohen Bergen sind die Centronen und Caturigen und Varagrer und Nantuaten und der Lemanersee, durch welchen der Rhodanus fließt, und die Quelle des Flusses. Nicht fern von diesen sind auch die Quellen des Rheins und der Berg Adula, von welchem der Rhein nach Norden fließt, und die Adda in entgegengesetzter Richtung und in den See Larius fällt, welcher bei Comum ist. "
Von den Flüssen Etsch, Eisak, Donau, Isaras ist schon bei der Beschreibung der Ostalpen die Rede gewesen. Strabo spricht dort noch von dem Duras und Elanis ( jetzt Gian in Krain ) und anderen reißenden Bergflilssen, welche in den Ister münden. Als schiffbare Flüsse, die aus den Alpen kommen, kennt er ferner noch den Korkoras, der bei Nauportus ( vielleicht Oberlaibach ) vorbeifließt und in den Saos ( die Save ) mündet. In den gleichen mündet auch der Kolapis ( jetzt Kulpa ). Ferner sagt Strabo IV, 6, 12 nach Polybius, „ es seien in den Gebirgen mehrere Seen, davon drei große. Davon hat der Benacus ( jetzt Gardasee ) eine Länge von 500 Stadien und eine Breite von 30 [oder 130], und es entströmt ihm der Fluß Mincius ( jetzt Minciodarauf folgt der Lacus Larius ( jetzt Comersee ) von 400 Stadien; seine Breite ist geringer, als die des vorhergehenden, und er entsendet den Adua. Der dritte ist der Lacus Verbanus ( der Lago Maggiore ) mit einer Länge von beinahe 300 Stadien und einer Breite von 30; er entsendet einen großen Fluß, den Ticinus ( jetzt Tessinalle münden in den Padus.
Plinius in, Cap. 19 kennt in diesen Gegenden sogar elf berühmte Seen und führt außer den genannten noch namentlich auf den Sebinnus ( jetzt Lago d' Iseo ) und den Eupilis ( jetzt Lago di Pusiano ).
Mela, Buch II, Cap. 45, und Ammianus Marcellinus,, Buch XV, Cap. 11, wissen, daß die Rhone auf ihrem Weg durch den Lemanersee sich mit dem Wasser desselben nicht vermischt; der erstere kennt neben dem Bodensee ( Lacus Venetus ) auch den Untersee ( Lacus Acronius ). Ammian entwirft ein schauerliches Bild von dem oberen Lauf des Rheines, den er mit den Katarakten des Nils vergleicht, und von dem finsteren Aussehen des waldumgebenen Bodensees. Buch XV, Cap. 4.
Caesar weiß, daß der Rhein bei den Lepontiern entspringt, welche die Alpen bewohnen ( Buch IV, Cap. 10 ) und daß die Ehone aus dem Gebiet der Nantuaten, Seduner und Veragrer kommt, welche bis auf die Höhe der Alpen hinauf wohnen ( Buch III, Cap. 1 ). Die Tabula Peutingeriana erwähnt einen Lacus Cusius ( Cuasso am Luganersee ).
II. Das Klima der Alpen wird im Allgemeinen als rauh, die Vegetation als arm geschildert. Nach Diodorus Siculus, Buch V, Cap. 25 ist der " Winter in Gallien überhaupt so streng, daß die Flüsse sich mit einer dicken Eiskruste bedecken, welche ganzen Heeren erlaubt, mit Sack und Pack und schwerem Troß darüber zu marschiren.
Nach Cap. 26 sind die Nord- und Nordostwinde dort so stark, daß sie faustgroße Steine und einen dichten Staubwirbel von kleinen Kieseln mit sich vom Boden reißen und den Soldaten die Waffen und Kleider, den Pferden die Decken wegwehen.
Strabo nennt unter den gallischen Städten Aëria ( jetzt Mont-Ventoux ). „ In Wirklichkeit ", sagt Artemi-dorus, „ Aëria ( d.h. luftig ), weil sie auf großer Höhe gelegen ist. " IV, 1, 11.
Schon Virgil nennt in den Georgica, Buch III, Vers 474, die Alpen „ die windigen ".
Doch gediehen in denselben schöne Bäume. Nach Plinius, Naturgeschichte, Buch XVI, Cap. 39, ließ Tiberius die längsten Lärchenstämme aus Rätien kommen. Auch den Ahorn kennt Plinius in Rätien.
Strabo sagt IV, 6, 2 von Ligurien: „ Sie haben daselbst sehr vielen Wald, der sich zum Schiffsbau eignet, und große Bäume, so daß bei einigen ein Durchmesser von acht Fuß gefunden wird; viele sind auch wegen der Schönheit ihrer Faser nicht geringer, als das Holz von der Thuia zur Verfertigung von Tischen. " Auch Gerste gedieh dort, aus der die Ligurer eine Art von Bier, Züthos genannt, bereiteten, weil ihr eigener Wein spärlich und sauer war und nach Pech schmeckte.
Besser muß der rätische Wein ( Veltlinergewesen sein, den Augustus jedem andern vorzog. ( Sueton, Vita Octav. 77. ) Im Allgemeinen aber litten die Ritter unter dem Mangel an Lebensmitteln und mußten sich in ihren Räubereien gegen die Nachbaren bisweilen eine gewisse Zurückhaltung auferlegen, damit ihnen die Märkte nicht verschlossen würden. ( Strabo IV, 6, 9. ) Dem sorgfältigen Polybius verdanken wir auch eine genaue Darstellung der Schneeverhältnisse und Bewohnbarkeit der Alpen. In Buch II, Cap. 15, 8, sagt er, daß in den Alpen zwischen Italien und Gallien die hügeligen und erdreichen Gegenden bewohnt werden, und in 10: „ Die Höhen aber sind wegen der Steilheit und der Menge des darauf bleibenden Schnees vollständig unbewohnbar. "
In Buch III, Cap. 47, polemisirt er gegen diejenigen, welche die Verödung und Rauhheit der Alpengegenden übertrieben dargestellt haben, und in Cap. 48 wirft er ihnen vor, daß sie nicht wüßten, daß ein zahlreiches Geschlecht von Menschen in den Alpen selber wohne. Bei der Schilderung von Hannibal's Alpen- Übergang sagt er Cap. 55: „ Da auf den schon vorhandenen und vom vorigen Winter übrig gebliebenen Schnee erst neulich frischer gefallen war, so traf es sich, daß dieser leicht zu durchbrechen war und weich, weil er frisch war und keine Tiefe hatte. Sobald sie nun diesen durchtraten und auf den darunter liegenden festen kamen, brachen sie diesen nicht mehr, sondern glitten mit beiden Füßen zugleich auf demselben. " Die Schwierigkeiten des Passirens dieser Lawine, denn eine solche ist wahrscheinlich gemeint, für Menschen und Thiere werden sehr anschaulich geschildert und zum Schluß bemerkt er über den Verlust an Thieren durch Hunger: „ Denn in den Alpen sind die Höhen und die zu den Pässen hinaufführenden Hänge alle vollständig unbewaldet und kahl, weil der Schnee beständig darauf bleibt; die Gegenden aber in der Mitte der Kette zu beiden Seiten sind waldig und baumreich und überhaupt bewohnbar. "
Auch Livius entwirft eine ähnliehe, aber offenbar weniger selbständige Schilderung von diesen Schneeverhältnissen. ( Lib. XXI, Cap. 36. ) Justinus ( Lib. XXIV, Cap. 4 ) nennt die Alpenhöhen, die Hannibal überstieg, „ unwirthlich wegen der Kälte. " Mit dichterischer Uebertreibung sprechen davon Silius Italicus in seinem Heldengedicht über den Punischen Krieg und Claudian über den Grothenkrieg. Eine Erklärung der Lawinen versucht Strabo IV, 6, 6. Da, wo er von der schwindligen Beschaffenheit der rätischen Bergstraßen redet* ), sagt er: „ Dem ist nun nichtSiehe Jahrbuch XVI, pag. 4Ö1.
abzuhelfen, und ebensowenig den von oben herabgleitenden, ungeheuren Flächen gefrorenen Schnees, die im Stande sind, eine ganze Wegstrecke fortzu-reißen und mit sich in die darunter liegenden Abgründe zu werfen. Denn es liegen viele solche Flächen über einander, da eine Frostschicht des eisartigen Schnees zu der andern kommt, und die oberen sich immer leicht von den untern ablösen, bevor sie vollständig in der Sonne schmelzen. "
Eine sehr interessante Stelle des Ammian werden wir unten in einem andern Zusammenhang bringen.
III. Nach dem Vorhergehenden scheint es, daß das Klima in den Alpen wegen der geringen Cultur eher rauher gewesen sei als heutzutage; es ist daher begreiflich, daß wir wenig von Getreidebau hören. Die Ligurer hatten etwas Gerste, Hannibal fand in der von ihm eroberten Stadt neben zahlreichem Vieh auch Getreide für zwei bis drei Tage. Die Räter sollen nach Plinius XVIII, 18 einen eigenthümlichen Pflug gehabt haben. Derselbe nennt bei den Rätern auch den Dreimonatweizen und den Buchweizen.
Im Ganzen aber nährte sich die Alpenbevölkerung schon damals, wie heute, von Viehzucht und Jagd. Unter den Hausthieren werden neben Kleinvieh, Ziegen, Schafen und Schweinen auch wilde Pferde und Rinder erwähnt.
Auch verheerende Krankheiten kamen unter dem Viehstande'vor. So schildert Virgil im Gedicht vom Landbau, Gesang III, Vers 474 ff., eine Seuche, welche die luftigen Alpen und die Hügel von Norica ( Steiermark ) und die Gefilde der Japyder ( in Illyrien ) von Heerden und Hirten entblößte und in weite Einöden verwandelte.
Von den Ligurern sagt Strabo Buch IV, Cap. 6, 2: „ Sie führen in den Hafen von Genua Holz, Vieh, Felle und Honig ein, und tauschen dafür Oel und italischen Wein. Von daher stammen auch die Maulthiere und die Halbesel und die ligurischen Böcke und Mäntel. Auch das Lyncurion kommt in Menge bei ihnen vor,, das einige Elektron nennen. "
Als Handelsproducte der Kater gibt Strabo Buch IV,, Cap. 6, 9 an: „ Harz, Pech, Kienholz, Wachs, Käse und Honig; denn an diesen Dingen haben sieüeberfluß."^ Von Jagdthieren werden bei Plinius und Strabo verschiedene genannt: Gemsen, weiße Hasen, Murmelthiere, Schneehühner, verschiedene Fische, darunter Kheinlachse ( Mustela ). Berühmt waren auch die Schnecken von den Seealpen. Besonders interessant ist folgende Notiz bei Strabo IV, 6, 10 r „ Polybius sagt, daß in den Alpen auch ein Thier von besonderer Gestalt vorkomme, an Gestalt einem Hirsche ähnlich mit Ausnahme des Nackens und der Behaarung; in diesem aber gleiche es einem Ziegenbocke; unter dem Kinn habe es einen spannenlangen, an der Spitze behaarten Zapfen, von der Dicke eines Fohlenschweifs. " Der Geschichtschreiber kannte also den Steinbock, den er auf seinen Alpenwanderungen gesehen haben mag.
Auch Metalle fand man in den Bergen, und die wichtigste Nachricht verdanken wir wieder dem Poly-biu8. Strabo sagt IV, 6, 12: „ Ferner erzählt Polybius, daß zu seiner Zeit nahe bei Aquileja, im Gebiet der Taurisker in Noricum, eine so ergibige Goldgrube ge- funden worden sei, daß, wenn man die darüber liegende Erde nur auf zwei Fuß abgeschürft habe, gleich Golderz gefunden worden sei; die Mine habe nicht mehr als fünfzehn Fuß gehabt und es sei das Gold theils gleich rein gewesen, von der Größe einer Bohne oder Lupine, mit einem Zusatz von nur ein Achtel ( Quarz ?), theils habe es eines längeren, aber sehr ergiebigen Schmelzens bedurft. Als die Italioten mit den Barbaren während zwei Monaten gearbeitet hatten, sei das Gold in ganz Italien plötzlich um den Drittel wohlfeiler geworden; als es aber die Taurisker merkten, hätten sie die Mitarbeiter vertrieben und ein Monopol daraus gemacht. Aber nun gehören alle die Goldbergwerke den Römern. Und daselbst, wie in Iberien ( d. i. Spanien ), führen die Flüsse Goldsand neben dem Erz, aber nicht so viel. "
Von dem Goldgewinn im Thal der Dora Baltea sagt Strabo IV, 6, 7: „ Das Land der Salasser hat auch Goldgruben, welche früher die Salasser im Besitze hatten, sowie sie auch die Herren der Zugänge waren. Es trug ihnen sehr viel zur Metallgewinnung der Fluß Durias bei, für das Schwemmen des Goldes; und weil sie das Wasser in viele Kanäle vertheilten, machten sie das Hauptbett leer. Das nützte ihnen nun für die Gewinnung des Goldes, diejenigen aber, welche die Ebenen unter ihnen bestellten, schädigte es, indem es sie der Bewässerung beraubte; denn sonst konnte der Fluß das Land bewässern, weil sein Bett höher lag. Aus diesem Grunde waren beständige Kriege zwischen beiden Völkern. Als die Römer sich der Goldgruben bemächtigten, wurden zwar die Salasser aus dem Lande vertrieben, aber indem sie noch die Höhen besetzt hielten, verkauften sie das Wasser den Steuerpächtern, welche die Goldgruben ausbeuteten. Und es war beständig Streit mit ihnen wegen der Habsucht der Steuerpächter. So traf es sich, daß die römischen Statthalter und die in die Gegend Gesandten immer Vorwände fanden, um Krieg anzufangen.Diodor sagt Buch V, Cap. 27: „ In Gallien kommt Silber im Allgemeinen nicht vor, wohl aber viel Gold, welches die Natur den Eingebornen ohne mühsame Bergmannsarbeit darbietet. Der Lauf der Flüsse nämlich, der gekrümmte Windungen macht und an die Seiten der daneben liegenden Berge anschlägt und große Hügel abreißt, ist voll von Goldsand. Diesen sammeln die, welche sich mit dieser Arbeit befassen, pochen die Schollen, welche den Goldsand enthalten, waschen mit Hülfe des Wassers die erdigen Bestandtheil ab und bringen es in die Hochöfen zum Schmelzen. Auf diese Weise gewinnen sie eine Menge Goldes und gebrauchen es zum Schmuck, nicht nur die Frauen, sondern auch die Männer. "
Nach Horazens 14. Ode des IV. Buches waren die Kater mit eisernen Waffen ausgerüstet, und nach Strabo IV, 6, 2 sollen die Hellenen die runden Erz-schilde von den Ligurern haben. Plinius ( Naturgeschichte 37, 9 ) kennt auch den Bergkrystall aus den Alpen.
IV. Die Bevölkerung der Alpen scheint in ihrer Cultur ziemlich gleichmäßig gewesen zu sein, war aber in Beziehung auf Abstammung sehr verschieden. Wir können vier Hauptgruppen und eine Menge von Völkern unterscheiden. Eine strenge Scheidung nach Stämmen ist nicht immer möglich und die hieher gehörigen Fragen der antiken Völkerkunde sind nur zum Theil gelöst. So rechnet Strabo IV, 6, 8 die Lepontier zu den rätischen Völkern, während sie Cato bei Plinius III, 20 zu den Tauriskern zählt. Nun heißen die Taurisker oder Tauriner bei Strabo IV, 6, 6 ein ligurisches Volk, während Andere wenigstens die in den Ostalpen wohnenden Taurisker zu den Kelten rechnen. Bei Plinius III, 20 werden die Triumpilini, Camuni ( vielleicht gehören dazu auch die Stœni oder Stoni ) als Völker euganeischen Stammes genannt, also von den übrigen Rätern unterschieden. Sie müssen also entweder Rasenna, d. i. Etrusker, oder Ligurer sein. Die übrigen Räter scheinen größtentheils eingewanderte Kelten zu sein. Von den Kelten Oberitaliens werden ausdrücklich als fremde Stämme unterschieden die Ligurer im Westen und die Veneter und Illyrier im Osten. Auch Germanen und Halbgermanen werden in den Alpen genannt. Livius nennt Buch XXI, Cap. 28 die Anwohner des Poeninus ( d.h. des Großen St. Bernhard ) „ halbgermanische Völker ", und die im Rhonethal wohnenden Gäsaten werden in den Triumph-verzeichnissen „ Germanen " genannt.
Ueber die in den Alpen seßhaften Stämme erhalten wir knappe Auskunft von Polybius und reichliche von Strabo. Der erstere sagt II, 15, 8: „ Die gegen den Rhodanus und den Norden gewendeten Gegenden der Alpen bewohnen die transalpinen Gallier, die gegen die italischen Ebenen gekehrten die Taurisker und Agonen und mehrere andere barbarische Völker. " Cap. 16: „ Den Apennin von seinem Anfang bei Massilia und bei der Vereinigung mit den Alpen bewohnen die Ligurer, sowohl die gegen das ligurische Meer, als die gegen die Ebene gekehrte Seite; und zwar längs dem Meere bis Pisa, welches die westlichste Stadt von Etrurien ist, und im Innern bis zum Lande der Arretiner ( jetzt Arezzo ). "
Die Taurisker nennt Polybius III, Cap. 60 selbst die Tauriner, „ welche am Fuße der Alpen wohnen. " Wir haben sie natürlich bei dem heutigen Turin zu suchen. Die „ Agonen ", ein sonst unbekannter Name, deutet man als verderbt für „ Lingonen " oder „ Euganeer ". Ausführlicher zählt Strabo die Alpenvölker auf Buch IV, Cap. 6:
„ Von Monoikos ( d. i. Monaco ) bis Massilia ( d. i. Marseille ) und ein wenig darüber hinaus bewohnt das Volk der Salyer die darüber liegenden Alpen und einen Theil der Küste selbst, vermischt mit den Griechen. Die älteren Griechen heißen die Salyer Ligurer und das Land, das die Massalioten besitzen, Ligurien, die spätem aber nennen sie Keltoligurer und theilen diesen das Land bis Avignon und die Ebene des Rhodanus zu. "
Diese Salyer oder Salluvier, ein Gemisch von Kelten und Ligurern, wohnten also in den Departements Bouches du Rhône und Var.
„ Hinter den Salyern bewohnen die Albier und Albiker ( nördlich von Marseille ) und die Vocontier die nördlichen Theile des Gebirges. Die Vocontier erstrecken sich bis zu den Allobrogen und haben in der Tiefe des Gebirges schöne Thäler, die nicht geringer sind, als die Gegenden, welche jene bewohnen. "
Die Hauptstadt der Vocontier war Dea, jetzt Die. Sie wohnten zwischen Drac und Durance, die Allobroger in dem Delta zwischen der Rhone, Isère und den Alpen.
„ Nach den Vocontiern kommen die Iconier ( nördlich von Gap am Drac ) und Tricorier ( am obern Lauf des Drac ) und Meduller ( zwischen Briançon und St-Jean de Maurienne in den Hautes-Alpes ), welche die höchsten Gipfel haben. Auf der andern gegen Italien gewendeten Seite der genannten Gebirgskette wohnen die Tauriner, ein ligurisches Volk, und andere Ligurer. Zu diesen gehört auch das sogenannte Land des Donnus und des Cottius ( zwischen Eburodunum, d. i. Embrun, und Ocelum, d. i. Avigliana oder Usseaux, Provinz Turin ). Hinter diesen und dem Padus die Salasser; über diesen und den Gipfeln die Centronen ( in der Tarentaise ), die Caturigen ( bei Chorgès, Hautes-Alpes ) die Veragrer ( am Großen St. Bernhard ) und die Nantuaten ( im Wallis ). Oberhalb Comum, am Fuße der Alpen, wohnten theils die Räter und Vennonen ( im Vintschgau ) nach Osten gewendet, theils die Lepontier {am Gotthard ), die Tridentiner ( bei Trient ) und Stoner {bei Stenico oder Vestone ) und andere kleine, arme und räuberische Völker, welche in den früheren Zeiten Italien überliefen. "
Nachdem Strabo sodann ausführlich von den Salassern geredet, fährt er fort:
„ Darauf bewohnen die nach Osten und Norden gewendeten Theile des Gebirges die Räter und Vin- delicier, welche an die Helvetier und Boier grenzen. Denn sie wohnen über den Ebenen derselben ( in Graubünden, Tessin sopra Cenere, Deutsch- und Welsch-Tyrol und Oberbayern ). Die Räter reichen bis Italien oberhalb Comum und Verona und erstrecken sich bis zu den Gegenden, durch welche der Khein fließt; zu diesem Stamm gehören sowohl die Camuni ( im Val Camonica ), als die Lepontier. Die Vindelicer und Noriker besitzen den äußern Theil der Alpenkette zum größten Theil mit den Brennern ( am Brenner ) und Genaunern ( im Val Genaun ), welche bereits Illyrier sind. Für die wildesten von den Vindelicern gelten die Licattier und Clautenatier und Vennonen, von den Rätern die Rucantier und Cotuantier; zu den Vindelicern gehören auch die Estionen und die Bri-gantier. Ihre Städte sind Brigantium ( Bregenz ) und Cambodunum ( Kämpten ), und die Hauptstadt der Licattier ist Damasia ( Hohenems im Vorarlberg ). Nach diesen kommen die nahe dem Winkel des adriatischen Meeres und in der Gegend von Aquileja wohnenden, ein Theil der Noriker ( in Steyermark ) und die Carner ( in Krain ). Zu den Norikern gehören auch die Taurisker. Auch die Japodes, ein schon aus Illyriern und Kelten gemischtes Volk, wohnt in diesen Gegenden, und die Okra ( der Bimbaumerwald ) ist nahe dabei. "
In Buch VII, Cap. 1, sagt Strabo: „ Die Räter und Noriker wohnen bis auf die Alpenpässe hinauf und reichen bis nach Italien hinüber; die einen stoßen mit den Insubrern ( um Mailand ), die andern mit den Carnern und mit den Gegenden bei Aquileja zusammen. "
Nur Weniges braucht zur Ergänzung aus andern Schrifstellern herbeigezogen zu werden. Livius nennt Buch XXI, Cap. 31, noch die Tricastini ( zwischen Drôme und Isère um Aouste ). Cäsar und Andere nennen im Wallis noch die Seduner ( bei Sitten ). Zu den Lepontiern rechnet Plinius III, 20, die Uberi oder Viberi, „ welche im nämlichen Strich der Alpen an der Quelle des Rhodanus wohnen. " Als Ritter nennt er am obern Lauf des Rheins die Vennonenses und Sarunetes; als Ligurer die Vagienni am Oberlauf des Po. Auf die auf dem Tropseum Alpium, dem Monument der Siege des Augustus, genannten Namen von 44 Alpenvölkern ( Plinius III, 20 ) treten wir hier nicht ein, weil sie eine lange Auseinandersetzung erfordern würden; ebenso nicht auf die Namen einzelner Theile der Räter, Vindelicier u. A. bei Plinius und Ptolemäus. Kurioserweise hält Plinius die Lepontier und Euganeer, sowie die Bewohner der graischen Alpen nach einer kindischen Etymologie für Griechen. Ebenso das bei Bergamum, Comum und Licini Forum ( d. i. Bar-lasina, Prov. Mailand ) wohnende räthselhafte Volk der Orumbovier oder Orobier.
Wenn wir nun von der Cultur dieser Völker sprechen sollen, so haben wir eine spezielle Darstellung nur über die Ligurer. Ich verweise auf das im letzten Jahrbuch darüber Gesagte und auf Diodor, Buch V, Cap. 39.
Die allgemeinen Charakterschilderungen der Gallier bei Cäsar, Strabo, Diodor, Ammian u. A. werden auch auf die Bergvölker angewendet werden dürfen. Ich begnüge mich mit Andeutungen.
Sie waren kriegerisch, jähzornig, rauflustig und von raschen Entschlüssen, aber gutartig und bildungs-fähig, halfen sich gegenseitig gegen Unrecht. Die Frauen waren fruchtbar und geschickt, Kinder aufzuziehen, die Männer mehr kriegerisch als arbeitsam. Ihre Kleidung waren weite Hosen, ein Aennelwamms bis zu den Hüften und darüber ein Mantel aus rauher, langhaariger Wolle. Als Schmuck trugen sie Gold und Bernstein; als Waffen ein langes, auf der rechten Seite geschärftes Schwert, einen hohen Schild, Lanzen und Wurfspieße; einige auch Bogen und Schleuder und einen eigenthümlichen Speer für die Vogeljagd. Sie schliefen auf dem Boden auf Thierfellen; beim Essen saßen sie auf einem Strohsack. Ihre Nahrung war Milch und Fleisch, meist von Schweinen, frisch und gesalzen. ( Die gallischen Schinken waren berühmt und wurden nach Italien ausgeführt. Die Schweine liefen frei herum,. waren ausgezeichnet durch Kraft und Schnelligkeit, aber gefährlich in Rudeln wegen ihrer Wildheit. ) Sie hatten, in den Ebenen wenigstens, große kuppelfönnige Häuser aus Brettern und Weiden-ruthen, mit Rohr oder Stroh gedeckt.
Ihre Gewohnheiten waren barbarisch; sie schnitten erschlagenen Feinden die Köpfe ab und marterten Gefangene. Ihre Sitten waren in geschlechtlicher Beziehung nicht rein. Auffallend ist, was von der Kraft und Gewandtheit der gallischen Frauen berichtet wird. „ Die Frauen der Gallier ", sagt Diodor V, 32, 2, „ sind nicht nur an Größe den Männern ähnlich, sondern wetteifern auch an Kraft mit ihnen. " Und Ammianus Marcellinus sagt sogar ( Buch 15, Cap. 12 ):
„ Keinem von ihnen kann, wenn er, mit Hülfe der viel stärkern und blitzäugigen Gattin sich streitet, auch « in Haufe von Fremden widerstehen; dann besonders, wenn jene, mit aufgeblasenem Halse schnaubend und die schneeweißen, kräftigen Arme wägend, anfängt Faustschläge und Fußtritte auszutheilen, wie Geschosse von der gedrehten Sehne der Katapulte geschleudert ." übrigens waren die gallischen Weiber schön und sauber am Leibe wie in der Kleidung; selbst die armen liefen nicht in Lumpen herum. Die Männer waren abgehärtet und diensttauglich bis in 's hohe'Alter; auf das Dickwerden der jungen Mannschaft war eine Buße gesetzt und es wurden darüber Gürtel-messungen vorgenommen ( Ephorus bei Strabo IV, 4, 6 ). Diodor sagt V, 28: „ Die Gallier sind von hohem Wuchs, im Fleisch vollsaftig und weiß, ihre Haare sind nicht nur von Natur blond ( die Kinder kamen weißhaarig auf die Welt ), sondern sie erhöhen auch durch Kunst die Farbe derselben. Sie waschen sie mit Kalkwasser und streichen sie von der Stirn nach dem Scheitel und den Schläfen zurück, so daß sie das Ansehen von Satyrn und Panisken bekommen, und die Haare werden durch diese Behandlung so dick wie ein Pferdeschweif. " Sie trugen blos Schnurrbarte oder dazu kurze Kinnbärte. Ihre Stimme klang dumpf, rauh und drohend, auch wenn sie nicht im Zorne waren; sie liebten das Fluchen. Ihre geistige Cultur war nicht bedeutend; doch hatten sie eine Volkspoesie und wahrsagende Priester.
V. Ueber die Alpenstraßen und die bewohnten Orte in den Alpen beabsichtigen wir, wenn die Leser 26 mit uns einverstanden sind, ein andermal in diesem Jahrbuch ausführlich zu berichten, da auch für eine abgekürzte Darstellung der Kaum hier nicht mehr ausreicht.
VI. Dagegen wollen wir über Handel, Verkehr, Forschungen und Reisen in den Alpen, mit Ausschluß der militärischen Züge, noch kurz sprechen.
Polybius tadelt in den classischen Capiteln 47 und 48 seines dritten Buches diejenigen, „ welche die Rauhheit und Einöde so übertrieben dargestellt haben,, daß es nicht möglich sein würde, daß Pferde und Soldaten, dazu noch mit Elephanten, sondern nicht-einmal leichtgerttstete Fußgänger leicht hinüber kommen könnten, und daß, wenn nicht ein Gott oder ein Halbgott den Begleitern des Hannibal erschienen wäre und den Weg gezeigt hätte, sie elendiglich in der Irre hätten umkommen müssen. " Er bemerkt ganz, richtig, daß Hannibal nicht der berühmte Feldherr, sondern ein wahnsinnige« Thor gewesen wäre, wenn er den Zug über die Alpen unternommen hätte, ohne ziemlich sicher zu sein, daß er ihn würde zu Ende führen können. Er wußte, daß die Gallier mehrmal » vor ihm und erst in jüngster Zeit mit Heeren über die Alpen gegangen waren. „ Für die schwierigen Gegenden ( zwischen Gallien und Italien ) gebrauchte er als Wegweiser und Führer die Eingebornen, die an den nämlichen Hoffnungen theilnehmen wollten. Wir aber berichten über diese Dinge mit Zuversicht, weil wir über die Thatsachen bei denen Erkundigungen eingezogen haben, welche bei den Ereignissen zugegen waren und die Gegenden in Augenschein genommen und selbst die Reise durch die Alpen gemacht haben, um zu schauen und uns zu belehren. " Es muß also schon früh ein lebhafter Verkehr in den Alpen geherrscht haben. Plinius erzählt in der Naturgeschichte Buch XII, Cap. 1: „ Man sagt, daß das von den Alpen und einem damals unüberwindlichen Bollwerk eingeschlossene Gallien diesen Grund zuerst gehabt habe, um sich über Italien zu ergießen, daß ein gewisser Heliko aus dem gallischen Helvetien, der wegen der Schmiede-kunst in Rom verweilte, eine getrocknete Feige und Traube und die Erstlinge von Wein und Oel mit sich heim gebracht habe. "
Ueber den Handelsverkehr der Räter und Ligurer mit ihren Nachbarn habe ich weiter oben gesprochen.
Strabo sagt IV, 6, 10: „ Die Okra, der niedrigste Theil der Alpen, ist da, wo sie mit den Carnern zusammentreffen, und über dieselbe führt man die Waaren auf Lastwagen von Aquileja nach dem sog. Nauportus ( Ober-Laibach ?), einen Weg von nicht mehr als 400 Stadien; von dort werden sie auf Flüssen hinabgeführt bis zum Ister ( Donau ) und den dortigen Gegenden. "
Aber die Mehrzahl der Alpenpässe war nicht so bequem. Man vergleiche über die rätischen, was ich, im Jahrbuch XVI, Seite 481, berichtet habe.
Ueber einen Paßweg in den cottischen Alpen bei Segusio, d. i. Susa, berichtet Ammian Buch XV, Cap. 10, er sei fast für Niemand ohne Gefahr passirbar. „ Er ist nämlich für die aus Gallien Kommenden vorwärts geneigt und abschüssig, schrecklich durch den Anblick hängender Felsen zu beiden Seiten; besonders im Frühjahr, wenn die Eis- und Schneemassen durch den Hauch wärmerer Winde schmelzen, und die durch zu beiden Seiten gesprengte Engpässe und über Teiche, die durch Eeiffröste versteckt sind, mit zögernden Sohlen herabsteigenden Menschen und Lastthiere umfallen und ebenso die Wagen. Als einziges Mittel zur Abwehr des Verderbens ist gefunden worden, daß die meisten Fuhrwerke an starke Seile gebunden werden, an denen kräftige Männer oder Ochsen sie hinten zurückhalten, so daß sie mit kaum schleichendem Schritte etwas sicherer herabrollen. Und dies gelingt ihnen, wie wir gesagt haben, im Frühjahre. Im Winter aber macht der durch Kälte gefrorene und gleichsam geglättete und deßwegen schlüpfrige Boden den Fuß straucheln, und breite Thäler mit weiten Flächen verrätherischen Eises verschlingen bisweilen die Darüber-gehenden. Deßwegen schlagen die Ortskundigen an den sichern Stellen aufrechtstehende Holzpfahle ein, damit deren Reihe den arglosen Wanderer leite; wenn diese von dem Schnee bedeckt oder von den Bergbächen umgerissen sind, so kommt man unter eingebornen Führern nur mit Schwierigkeiten hinüber. " VII. Die politischen Verhältnisse der Alpenthäler waren vor der Eroberung durch die Römer ziemlich einfach, lieber die Verfassungen wissen wir fast nichts. Von einem Fürsten hören wir nur in den cottischen Alpen. Aus Vellejus Paterculus H, 95 erfahren wir, daß es viele Städte und Berge bei den Rätern und Vindeliciern gab; aus Plinius HI, 20, daß sie in viele Gemeinwesen zerfielen. Solche Gemeinwesen waren oft durch besondere Bünde unter sich vereinigt; so die zwölf Civitates der cottischen Alpen ( Plinius III, 20 ). Ueber vier zusammengehörende Gemeinden im Tirol besitzen wir ein Décret von Kaiser Claudius. Die Bergalei im Bergell und die Anauni im Val di Non bildeten besondere Gemeinwesen. Nach Inschriften gab es auch engere Verbände bei den Breuni am Brenner und den Camuni im Val Camonica. Inschrift-lich bezeugt ist auch ein Föderativverband der vier Civitates der Vallis Poenina, also der Nantuaten, Veragrer, Seduner und Viberer. Mit benachbarten Staaten wurden vorübergehende Kriegsbünde abgeschlossen; so die Gäsaten an der Rhone mit den Kelten am Po, bei Polybius II, 22. Aus Dio Cassius Buch LVI, Cap. 22 erfahren wir, daß die Räter Bündnisse mit den Nachbarn schlössen über das Begehen ihrer Pässe, wogegen sie selbst wohl freies Markt-recht in den Städten der Ebenen genossen.
In diesen Verhältnissen machten die Römer durchgreifende Aenderungen. Rätien und Vindelicien wurden unter Tiberius zu einer Provinz vereinigt, die südlichen Theile am Fuß der Alpen aber abgetrennt und zu Italien geschlagen. „ Bei der Eroberung der Alpenländer hielt #sich M. Cottius, der Sohn des Domnus, im Vertrauen auf die Unwegsamkeit und Rauhheit der Gegend, in seinen Engpässen versteckt, ergab sich aber endlich, als die Wuth gemindert war, dem Kaiser Augustus " ( Ammian XV, 10 ). Er wurde in seinem Besitz bestätigt, sein kleines Reich wurde unter Claudius noch vergrößert, aber unter Nero in die Provinz der cottischen Alpen verwandelt. Später werden die pœninisehen und graischen Alpen in eine Provinz zusammengezogen. Ueber diese Provinzial-abtheilungen, ihre Verwaltung, die römische Keichspost in den Alpen u. s. w. soll in Verbindung mit den Alpenstraßen ausführlicher gesprochen werden.
Ueber die Verhältnisse in den Seealpen erfahren wir Folgendes aus Strabo IV, 6, 4: „ Die Allobroger und die Ligurer werden von den Statthaltern regiert, welche in 's narbonensische Gallien kommen; die Vocontier aber, wie wir das von den Völkern bei Nemausus ( jetzt Nîmes ) gesagt haben, regieren sich selbst. Von den zwischen dem Varus und Genua wohnenden Ligurern sind die am Meer wohnenden gleich den Italioten gehalten; zu denen auf den Bergen aber wird ein Unterstatthalter geschickt aus dem Ritterstand, wie zu den andern ganz barbarischen Völkern.
So verstand es das kluge Rom, durch verschiedene Behandlung alle diese unterworfenen Völker unter dem gleichen Gehorsam zu vereinigen und die im vorstehenden geschilderte Cultur durch eine höhere zu ersetzen, deren Spuren bis auf den heutigen Tag nachweisbar sind, obschon die Stürme der Völkerwanderung und eine Fülle historischer Ereignisse seitdem über diese Gegenden dahingegangen sind.