An der Mosley-Platte des Matterhorns
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An der Mosley-Platte des Matterhorns

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Karl Gentinetta, Saas im Prältie^au

Onkel Emil, weder Riese noch Zwerg, war sehr kräftig gebaut. Sein Körper schien nur aus Knochen, Sehnen und Muskeln zu bestehen; lange, kräftige Brauen überschatteten die grossen, funkelnden Augen. Mit Würde und Männerstolz trug er einen kohlschwarzen, auffallend kräftigen Schnurrbart. Seine ganze Gestalt war das Bild eines starken Mannes.

Er hatte nur die Volksschule in Glis ( Brig ) besucht; doch war er geistig sehr geweckt, sprach fliessend englisch und gut französisch. Eine Frohnatur, neckisch und angriffslustig, sang oder pfiff er bei allen Arbeiten frohe Volkslieder. Auch verfügte er über einen fast unerschöpflichen Schatz an Gespenster-, Jagd- und Bergabenteuern. Er war Schreiner, Zimmermann, Jäger, Schützen-hauptmann, Kirchenvogt, Friedensrichter, Berg-führer- und mein « Getti » ( Pate ). Für mich war er der starke Onkel.

Für mich « chlies Säli » ( Bübchen ) war es die grösste Freude, in der Schreinerei bei Vater und Onkel mit Hammer ( o die lieben Fingernägel !) und Säge zu spielen. Mein bevorzugtes Spielzeug war ein kleiner Magnet. Damit konnte man so gut die Nägel vom Boden aufheben, und es klingelte so schön! Eines Tages spielte ich wieder mit meinem geliebten Eisen und bewunderte zugleich den Onkel, wie er ganz schwere Bretter vom Boden aufhob und mit welcher Leichtigkeit er das tat. Die Bretter - so schien es - bemühten sich, allen Bewegungen von Armen und Händen zu folgen. Ein Gedanke schoss mir durch den Bubenkopf; ich liess Magnet und Nägel fallen, sprang zum Onkel, packte ihn an seiner grünen Schreiner-schürze und rief: « Hände zeigen! » - « Was denn? Meinst du etwa, ich hätte einen Apfel oder eine Birne oder Nüsse für dich? Leider gar nichts; schau nur her! » Ich sah genau auf die Hände, betastete die eine nach der andern und sagte: « Nein, gar nichts. » Aber ich erhoffte weder Apfel noch Birne noch Nüsse: « Ich meine nur, ihr hättet vielleicht für die Bretter so was wie ich für die Nägel mein Eisen, und an dem Ding klebten die Bretter wie die Nägel am Eisen, und deshalb könntet ihr die Bretter so leicht heben. » - Vater und Onkel lachten und lachten. Ich aber steckte beide Hände in die Hosentaschen, betrachtete den Onkel von unten bis oben und sagte ganz nachdenklich und im Brustton der Überzeugung: « Oh, dann seid ihr aber stark! » Auch auf andere Leute machte mein Onkel diesen Eindruck von Kraft. Ich erinnere mich z.B., wie mir ein Führer erklärte: « Wenn man zusieht, wie dein Onkel ,z'Bieli'in seine Faust nimmt, beschleicht einen ein gewisses Angstgefühl, er werde den Pickel mit Stiel und Stahl ,zer-zwetschgen '; auf jeden Fall möchte ich mit ihm keinen Hosenlupf wagen. » Der Onkel stand nun in den Fünfzigern. Wegen einer früher durchgemachten schweren Lungenentzündung hatte er etwas Mühe mit dem Atmen, daher auch keine Freude an einem schweren Rucksack. Er schwitzte viel und wurde daher auch oft vom Durst gequält. Ich dagegen fühlte in diesen Jahren kaum die Last des Rucksackes. Schwitzen? Das war mir damals fast unbekannt. So war ich auch kaum je durstig. Ich hatte lieber etwas zum Beissen als zum Gurgeln. Auch neckte mich der Onkel oft: « Neben dir darf man nicht einmal rechtschaffen husten; man hat fast Angst, dich sonst über alle Berge davonzubla-sen. » Zum Bergsteigen passten wir aber nicht schlecht zusammen, und so nahm mich der Onkel oft als « Zweiten » mit.

Es mag im Jahre igio gewesen sein, als der Onkel eines Tages kam und fragte: « Bist du frei? Kannst mit einem Engländer mit aufs « Horn » kommen? Dann mach dich bereit, und komm sofort zum Hotel Mont Cervin! » Dort stand der Bergsteiger schon reisefertig. Es war ein richtiger Engländer: mager, lang wie eine Telephonstange, mit nicht enden wollenden Beinen, etwas Rechtes fürs « Horn ».

Wir gingen gleich los. Am Hörnli stand noch die 1880 erbaute einfache Hütte. Die Mauern waren aber so schadhaft geworden, dass der Wind einem die Kerze ausblies. Trat man in den ersten Raum, so erblickte man in der linken Ecke einen kleinen Gussherd; der sah einen ganz traurig an, ja man meinte zu hören, wie er seufzte: « Bitte, bitte, etwas Wärme! Mich fröstelt in diesem kalten Raum. Ich bitte um etwas trockenes Holz. Ihr habt doch welches vom Schwarzsee mitheraufge-bracht! » - Ein Glücksfall war es, wenn man das notwendigste Kochgeschirr auftreiben konnte. Teller, Tassen, Löffel und Messer fehlten immer. Es hiess einfach: Alles wieder gestohlen. Das war eben noch die alte gute ZeitIm anliegenden Raum, durch eine Bretterwand von der Küche getrennt, stand ein wackeliger Tisch; einige Stühle hielten sich nur mit Mühe auf ihren drei Beinen.

Während ich mich am feuchten Herd abmühte, für Suppe oder Tee « lews » Wasser zu bereiten, genossen der Herr und der Onkel ein Plauderstündchen in der Abendsonne vor der Hütte. Nach dem « Znacht » traten wir ins Freie.Von Zermatt, Rifelalp, Rifelberg und Gornergrat grüssten die Lichter, und am Himmel erschienen die ersten Sterne. Mit seinem weichen Bariton sang uns der Onkel ein Abendlied; dann legten wir uns auf das feuchte Stroh, hüllten uns in die durchlöcherten Decken und warteten auf den Morgen.

Beim Anseilen fragte ich: « Darf ich voraus? » -«Ja, aber dass du nicht rennst und auch den Sack trägst! » war die Antwort. Gleich beim Einstieg, also an der Stelle, wo noch einige Reste von « Whympers Hütte»1 standen, rutschte der Herr aus. Ich fragte, ob man bei dem schwachen Laternenlichte genug sehe. « Ja, wer sehen will, sieht genug », brummte der Onkel ungehalten wegen dieses Rutschers. Beim weitern Aufstieg hatte ich manchmal den Eindruck, der Herr habe seinen eigenen « Grind », er wolle eigene Wege gehen und benehme sich ganz wie ein freier Schweizer. Der Onkel bekam dann jeweils einen Hustenanfall; ich jedoch mass dem keine weitere Bedeutung bei. Jedenfalls kamen wir frisch und froh auf den Gipfel.

Nach der Gipfelrast befahl der Onkel: « Du gehst voraus! Beim Aufstieg habe ich so einiges bemerkt. Und ich habe mehr Mut, dem Herrn zu sagen, wo er zu gehen hat. » — Schon auf dem obern Dach folgte der Herr nicht der Spur, trat auf eine « Yschblatra » und glitt aus. Der Onkel, der ein scharfes Auge auf ihn hatte, hielt das Seil gestreckt und fing den Sturz auf, und zwar mit solcher Leichtigkeit, dass ich mir sagte: « Doch noch der Starke! » - Auf dem Untern Dach warnte ich den Herrn vor einer neuen « Yschplät-scha ». Aber das Eis schien den Herrn anzuziehen wie mein Magnet die Nägel; er setzte den Fuss erneut aufs Eis und flog über den ersten Felsabsatz hinaus. Der Onkel hielt das Seil wiederum straff. Nun baumelte der Herr am Seil wie ein Zündhölzchen beim Spiel der Kinder. Der Onkel aber blickte mich an, als wollte er sagen: « Siehst 1 So wurde von den alten Bergführern der Platz, wo die ersten Besteiger ein Mäuerlein errichtet und übernachtet hatten, genannt.

du nun, das habe ich doch geahnt. » Bei den fixen Seilen bemühte ich mich, dem Herrn zu zeigen: « Immer über die Seile treten, ja nie untendurch wollen. » Und der Erfolg? Bei der ersten Gelegenheit gelang es ihm, zwischen Seil und Felsen durchzukriechen, ja, er zwängte sich auch noch zwischen das dort hängende Doppelseil durch. Der Onkel schüttelte unwillig den Kopf; denn das bedeutete für ihn: entweder sich losseilen oder die ganze Turnerei nachäffen. Er turnte sich brav durch die Seile, aber den roten Kopf bekam er sicher nicht von dieser Übung. Nein, ich merkte wohl, das Wasser begann im Kochtopf zu singen! Im « Lätze », also nahe der Unfallstelle der Erstbesteiger, hingen damals zwei Ketten. Und wieder versuchte der Herr untendurch zu kriechen. Jetzt aber hatte der Onkel genug von solchen Bübereien. Ein heftiger Ruck am Seil setzte den Herrn recht unsanft auf die kalten Platten hin. Ich hatte fast Mühe, mein Lächeln auf den Stockzähnen zurückzuhalten. Die funkelnden Augen des Onkels aber schauten mich an, als wollten sie mir sagen: « Will man endlich diese Sprache verstehen? Das ist doch klarer als alle Worte! » - Gleich einer drohenden Gewitterwolke schwebte nun eine Missstimmung über unserer Seilschaft; doch verbiss man den Ärger. jeder gab sich gelassen. Aber wortlos stiegen wir bis zur Mosley-Platte hinunter.

Wortlos kletterte ich diese Platte hinunter, sicherte und rief: « Gut! » Das wollte sagen: « Der Herr kann nachkommen. » - Wie ich nun die Platte emporschaute, kam es mir so recht zum Bewusstsein: « Ja, wo sind denn die beiden grossen Türme, die früher die Platte überragt und, von unten gesehen, den Eindruck erweckt haben, man müsse zwischen zwei grossen Ochsenhör-nern empor? Sie waren spurlos verschwunden! Was doch die Zeit alles... Einige Kratzer der Nagelschuhe oben auf der Platte riefen mich in die Gegenwart zurück. Nun wird der Herr... Aber es kamen nur Sandkörnchen und einige Steinchen. Um mich in Deckung zu bringen, machte ich einen Seitensprung, und schon kam der Schrei: « Achtung! » und es kamen auch einige grössere Steine, begleitet von einem echten Walliser Spruch, der mehr donnerte als die den Berg hinunterrollenden Steine. Das zwang mich, sehr genau emporzublicken, um einer neuen Steinlawine ausweichen zu können. Jetzt kamen die Schuhe und die langen Beine des Engländers über den Rand der Platte hinaus. Aber sie wollten einfach nicht die richtige Stelle des Abstiegs finden. Auf mein Rufen mühten sich diese Beine wieder über den Rand der Platte hinaus. Auch vernahm ich die Stimme des Onkels, aber in einer ganz andern Klangfarbe als gestern beim Abendlied. Es kamen auch wieder Steine und endlich die Schuhe des Herrn über den Rand hinaus, aber wieder nicht an der richtigen Stelle. Schuhe und Beine hingen ins Leere hinaus. Ich mahnte, rief und schrie!

Da geschah es!

Mit einem kräftigen Ruck wurde alles nach oben gezogen, dann schwebte der lange Mann im Freien über dem Abgrund. Die Faust des Onkels hatte sich in den Rockkragen des Engländers verkrallt. Es sah ganz so aus, als hielte jemand ein Kätzchen am Genick in die Höhe. Dann sah und hörte ich, wie der Herr links und rechts « e Chleipa » an die Ohren bekam und dann recht heftig auf den Rand der Platte hingesetzt wurde. Das alles geschah in sehr kurzer Zeit. Es kam mir auch nicht der Gedanke: « Der starke Onkel! » Nein, wie aufgeschreckte Bergdohlen schwirrten mir wirre Bilder durch den Kopf. Was wird das abgeben? Hätte ich nur nicht hingeschaut! Dann könnte ich im Verhör wenigstens sagen: « Habe nichts gesehen. » Aber so? Aus meiner Verwirrung riss mich die zornige Stimme des Onkels, der schrie: « Ich habe die Verantwortung für drei Menschenleben. Und den werde ich noch belehren, wer hier befiehlt und wo er zu gehen hat. » Und es widerhallte von den Felsen der harte Befehl: « Ziehen! » - « Also auch noch Sacktech-nik! » sagte ich mir und bereitete mich darauf vor. Aber « Ziehen » war nicht mehr notwendig; denn der Herr kletterte ruhig, ja gewandt die Platte herunter. Als er neben mir stand, versuchte ich aus seinen Gesichtszügen etwas herauszulesen, aber er wandte sich ab. Nun kam auch der Onkel herunter. Sein Gesicht war hochrot vor Zorn. Hastig nahm er die Seilschlingen in die Linke, zeigte mit der Rechten auf die Hütte und befahl: « Gah! » Der Engländer folgte mir auf Schritt und Tritt, sah mir alle Bewegungen ab und kam hinter mir her wie ein geübter Bergsteiger. Es war, als hätte ihm der Onkel das von der Höhe durcheinander geratene Gehirn zurechtgeschüttelt. So gelangten wir rasch, aber wortlos zur Hütte.

Während ich das Seil aufrollte und dann in der Hütte Ordnung schaffte, stiegen der Herr und der Onkel den damals nicht ungefährlichen Pfad hinunter. Wortlos schritt der Onkel voran, wortlos folgte der Herr, wortlos lief ich hintendrein.

Wortlos betraten wir auch die Dorfgasse und übergaben dem Angestellten die persönlichen Gegenstände des Herrn. Dieser sprach nun einige trockene Worte, von denen ich dies verstand: « Kommt nach dem Essen und bringt die Führerbüchlein. » - « Das wird der Anfang des bösen Endes sein », dachte ich mir. Der Onkel aber sah ganz sorglos, ja zufrieden auf die Leute, als käme er eben von einem fröhlichen Jass, gab auch allen « Gwundrigen » Auskunft über die Verhältnisse am Horn. Man darf nicht vergessen: Damals war eine Hornbesteigung ein Ereignis für das ganze Dorf. An der Haustüre drehte sich der Onkel zu mir, legte den Zeigefinger an den Schnurrbart und sagte - nichts. Ich nickte, ich hätte verstanden. Dann sprach er noch mit ganz lauter Stimme: « Das Führerbuch nicht vergessen! » Nach dem Essen plauderten wir vor dem Gasthof. Der Angestellte kam, bat um die Büchlein, brachte sie bald zurück und sagte: « Der Herr wartet auf euch, kommt also schnell !» In der Eile steckte der Onkel gleich beide Büchlein in die Innentasche seines Rockes und betrat den Gasthof, als gälte es, einen Kampfplatz zu besetzen.

Der Herr sass allein an einem Tisch und winkte uns zu sich. Ganz zufällig betrat in diesem Augenblick auch Herr Seiler den Saal und ging auf un- sern Engländer zu... Ich dachte mir: « Jetzt wird der Tanz losgehen, und zwar im Beisein des Hausherrn. » Wir blieben in einiger Entfernung stehen und warteten. Diese Überraschung! Hörte ich recht? Herr Seiler beglückwünschte unsern Engländer in waschechtem Walliser « Tu tsch » zu seiner grossartigen Besteigung, warf dann einen schelmischen Blick auf den Onkel und sagte: « Ich hoffe, da habe ich den Richtigen empfoh-len«, sprach 's, grüsste links und rechts die aufmerksamen " Gäste und ging lächelnd aus dem Saal. Der Onkel hatte diese Worte mehr mit den Augen als mit den Ohren verschlungen. Der Herr aber verzog keine Miene. Mit einer stummen Handbewegung wies er jedem am Tisch einen Platz an, zahlte jedem den Tarif, fügte ein sehr hohes Trinkgeld hinzu, schaute uns fröhlich an und überraschte uns mit seinem « Schwyzer-Dütsch », und das hiess etwa folgendes: « My Herre! Ich danke für die ausgezeichnete Führung. Und jetzt eine Erklärung: Ich bin nämlich gar kein Engländer, sondern ein gebürtiger Luzerner, arbeite aber schon lange in London, verkehre auch viel im dortigen Alpenclub, wo ich immer wieder hören musste: Die Schweizer Führer sind wirklich ausgezeichnet; aber fürs liebe Geld lassen sie sich alles gefallen. Man kann dann mit ihnen machen, was man will ( Hier konnte der Onkel sich kaum mehr auf seinem Sitz festhalten ). So sehr mich der erste Teil dieses Urteils freute, so sehr ärgerte mich der zweite. Seit langem hatte ich deshalb den Wunsch, ihn auf seine Richtigkeit zu prüfen. In dieser Absicht wandte ich mich hier an Herrn Seiler und liess mir gute Führer fürs Horn empfehlen, aber solche, die sich nicht alles gefallen liessen, damit ich mit der Bergtour meine Absicht über... Ob er mich verstehe, ja? Natürlich dürften diese Männer von meinem Vorhaben nichts erfahren. Herr Seiler lächelte, überlegte und sagte, er wolle es versuchen. » ( Der Onkel riss an seinem Schnurrbart. Auch bin ich überzeugt, nie hat der Kirchenvogt einer Predigt so aufmerksam zugehört wie mein Götti diesen Worten ). Diese Aufmerksamkeit belustigte den Luzerner, und er fuhr fort: « Jetzt werden Sie auch mein eigensinniges Benehmen am Berg begreifen. Nach den klaren Worten beim Beginn des Abstieges: ,Ich habe mehr Mut, dem Herrn zu sagen, wo er zu gehen hat ', war ich recht gespannt und sagte mir: Jetzt kann 's beginnen '. Ich trat also absichtlich auf die ,Yschblatra ', fest überzeugt damit wage ich nicht zu viel denn der hinter mir würde mich schon halten ( Der Onkel liebkoste nun seinen Schnurrbart ). Dieser Rutscher machte aber gar keinen Eindruck. Ich versuchte es nochmals bei der zweiten ,Yschplätscha '. Hier war nun meine Hängematte über dem Felsen recht luftig, aber es kam kein Tadel, kein böses Wort. Also musste ich weiter dumm tun. Nach der Belehrung bei den fixen Seilen, immer drü-berzutreten, ja nie untendurch, sagte ich mir: Jetzt aber feste untendurch, dann wird 's schon krachen '. Aber es krachte nicht. Und der rote zornige Kopf schien das böse Urteil in London zu bestätigen ( Der Onkel zupfte gar feste an seinem Schnurrbart ). Deshalb war auch ich unzufrieden. Allerdings gab mit der harte Ruck am Seil, der mich neben den Ketten auf den kalten Felsen hinsetzte, wieder einige Hoffnung. Aber mit dem kalten Hintern allein konnte ich das Urteil nicht um-stossen. Ich suchte also neue Gelegenheit, um eine ,Szene'hervorzurufen. Es fand sich jedoch nichts, und so wurde auch ich wütend. Sollte am Ende das böse Urteil doch wahr sein? Oder hatte mir Herr Seiler nicht die Richtigen ausgewählt? Da kam die grosse Platte ( Jetzt zupfte der Onkel so kräftig am Schnurrbart, als wollte er sämtliche Haarwurzeln ausreissen ). Da haben Sie ( der Luzerner klopfte dem Onkel freundlich auf die Schulter ) die Prüfung glänzend bestanden. Ich hatte mein Ziel erreicht. Glauben sie mir, ich sage die Wahrheit. Die beiden « Ghleipe » haben mir grosse Freude bereitet. » Wie von einer Wespe gestochen, sprang der Onkel auf, und zwar mit solch jugendlichem Schwung, dass er beinahe den schweren Tisch über den Haufen geworfen hätte und die Gäste im Saal verwundert aufblickten. Der Onkel tat 21 I I Die Mosley-Platte Photo H. Fietz, Zollikon 2 Blick vom Grenzgletscher zum Matterhorn Pholo L. Gensetter, Davos-Dorf 3 Gruppenbild aus dem Nachlass Emil Gentinettas ( oben rechts, mit Pickel auf der Schulter ) Onkel Emil Photo O. Gentinet ta, Glis dann, als wollte er den schweren Rock ausziehen. Mit lauter Stimme sagte er: »Mein Herr, wenn ihnen das so grosse Freude gemacht hat, dann kann 's gleich nochmals geschehen. » Der Luzerner, halb erschrocken, halb belustigt, beschwichtigte den Onkel mit den Worten: « Nein, o nein, mein Lieber! Einmal genügt mir » und gab dem Kellner ein Zeichen. Dann tranken wir eins auf die tüchtigen Schweizer Führer, und zwar besonders auf jene, die sich auch fürs liebe Geld nicht alles gefallen lassen.

Emil Gentinetta führte in jener Zeit des klassischen Alpinismus seine Kunden auf fast alle hohen Gipfel der Alpen: Aiguille d' Arve, Überschreitung der Meije ( Frères Gaspoz, Dauphiné: « C' est un grimpeurdepremière force »die Berge von Chamonix: Crépon, Charmoz, Aiguille Verte, Überschreitung der Drus ( Frères Simon: « Grimpeur sûr et rapide »Walliser und Berner Alpen ( Melchior Anderegg: « Ein unermüdlicher Stufenhacker » ); Bernina und Bergeil' ( Chr. Klucker: « Klettern kann er, der Dicke»Ortler, Vajolettürme ( Vater Pinggera aus Sulden: « Er hat 's im Blut, das Klettern »so ziemlich alles vom Monte Viso bis zum Gross Glockner.

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