Aus dem Kienthal durch's Telli zum Schilthorn
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Aus dem Kienthal durch's Telli zum Schilthorn

Hinweis: Dieser Artikel ist nur in einer Sprache verfügbar. In der Vergangenheit wurden die Jahresbücher nicht übersetzt.

Von Ed. Wartmann ( Section Biel ).

Wohl der besuchteste Gipfel des Clubgebiets ist das in der äußersten nordöstlichen Ecke desselben gelegene Schilthorn* ), zu dessen Besteigung meist das schön gelegene, mit Hôtels und Unterkunft gut versehene Mürren ob Lauterbrunnen als Ausgangspunkt genommen wird. Der Weg dorthin und zum Gipfel ist daher Jedermann bekannt, und wäre es auch nur durch die heitere Feder unseres Clubveteranen Haider in seiner „ Bergluft ".

Weniger bekannt und darum auch weniger frequentirt ist der Zugang zu diesem Gipfel vom Kienthal aus, sei es nun, daß man Hochkien im nördlichen Seitenthal oder eine der Alpen des Hauptthals, Dürrenberg oder Steinenberg, als Nachtlager bezieht.

Aber gerade das, daß schon der Zugang zu diesen Hütten, in denen unser nur spärliches Heu zum LagerNicht zu verwechseln mit dem Schild- oder Hockenhorn des Lötschengrates, vergi, pag. 71 dieses Jahrbuches.

Anmerk. d. Red.

und nur Milch und Brod zur Nahrung warten, uns in ein von der großen Heerstraße abgelegenes und recht anmuthiges, im obern Theil sogar ernstes, um nicht zu sagen wildes Hochthal führt, erhöht den Reiz der Wanderung und hält die unbeliebten Gäste hohen und niedern Standes fern. Schon zweimal hatte ich Gelegenheit, den Weg zum Schilthorn durch 's „ Telli " und über den „ Rothen Herd ", vom Dürrenberg aus zu begehen; einmal im Sommer 1879 in Begleit zweier jungen Kameraden, das zweite Mal drei Jahre später bei Gelegenheit des Ausflugs der Section Biel, 15;—17. Juli. Beide Mal verließen wir den Thunersee um die Mittagsstunde, nahmen in Reichenbach ein mehr oder weniger frugales Mahl, und dann gings auf schmalem Sträßchen in das von seinem landeskundigen und dienstbereiten Seelenhirten, Herrn Pfarrer Müller, so schön geschilderte Kienthal. ( Vergleiche Wanderstudien von Osenbrüggen, Neue Folge. ) Links und rechts thürmen sich die schönen Gestalten der Golderen, des zahmen Andrist, des Dündenhorns, Aermighorns und der Bachfluh auf, während aus weiter Ferne Wilde Frau, Morgenhorn und die Ausläufer des Gspaltenhorn und der Büttlassen mit ihren Firnen entgegen leuchten. Nachdem die Häusergruppe von Kien durchschritten, ist in nicht gar langer Zeit auch der Felsencircus des Tschingels erreicht, in den von allen Seiten rauschende Wasser herunterstürzen. Im Hintergrunde der Alp hat der Hauptbach einen sehr sehenswerthen Kessel und Riesentopf ausgewaschen, ( vergl. Itinerar pag. 94 ). Es ist rathsam, dieselben bei hellem Tage zu besuchen, nicht erst in später Dämmerstunde, um nicht, wie Schreiber dieses mit zwei Genossen, den Weg auf das Plateau der Gorneren in finsterer Nacht durch Dick und Dünn suchen zu müssen. Der eigentliche Fußsteig führt in zahlreichen Zickzacks auf der nördlichen Thalseite beim sogenannten Bärenpfad auf die fast 200 m höher gelegene Fläche von Gorneren. Bald ist von da die Hütte des Steinenbergs erreicht, wo dieses Jahr in Anbetracht der vorgeschrittenen Zeit und des geringen, fast zu Nichts zusammengeschmolzenen Heuvorraths auf dem Dürrenberg die Nacht passirt wurde. Uebrigens ist letzterer, wenn die Umstände es irgend erlauben, zu besagtem Zwecke vorzuziehen, da er in 1—IV2 Stunden von ersterem aus erreicht werden kann und doch 500 m höher liegt, ein Kraftaufwand, der sich andern Tags vielfach belohnt. Etwa eine halbe Stunde oberhalb Steinenberg, beim Bürgli, verläßt der Weg das Hauptthal, um im Zickzack die Höhe des Dürrenbergs zu gewinnen, von welchem der Bach in schäumendem Falle niederstürzt. Dürrenberg hat zwei bis drei Hütten mit leidlicher Unterkunft, aber meist spärlichem Heuvorrath, weßhalb größere Gesellschaften gut thun werden, erst Erkundigungen in dieser Richtung einzuziehen. Hier verläßt man den von der Sefinenfurka und der Büttlassen herabkommenden Bach und wendet sich direct über steile, mit Trümmern besäte Grashalden, zuletzt auf schmalen Bändern zwischen einzelnen Abstürzen gegen den Einschnitt zwischen Groß-Hundshorn östlich und Wild-Andrist westlich, das Telli; der ziemlich steile Anstieg geht zu oberst in ein kleines, erst mit spärlichem Rasen bedecktes, 7 zum größten Theil aber mit mächtigen Blöcken verschüttetes Hochthälchen über, in dem einige Schneeflächen wohl das ganze Jahr über dauern mögen. Am untern Ende dieser Miniaturausgabe eines Hochthals, das nur hie und da von Schafen beweidet ist, rastet der Wanderer gerne und genießt die prachtvolle Aussicht gegen die Blümlisalp mit all ihren Gipfeln und Ausläufern, von denen donnernde Lawinen, gelöst von der Sonne ersten Strahlen, durch altgewohnte Bahnen gegen die Gamchialp und den Gletscher niedergehen. Büttlassen bietet die Nordwestseite, während Gspaltenhorn und Gamchilücke, vom Thale aus sichtbar, aus dem Gesichtskreis geschwunden sind. In einer halben Stunde ist von hier zwischen Felsblöcken durch, und über Schutt und Schnee die höchste Einsattelung zu erreichen, von welcher nun der Blick frei über das Gewirre der Sausalpen, der Schwalmeren, Lobhörner und des Morgenberghorn, den Thunersee überflügelnd, bis weithin zum Jura dringt. Wild-Andrist und Hundshorn laden zu einem Abstecher ein, und letzteres soll eine dem Schilthorn fast ebenbürtige Aussicht bieten.

Auf wenig geneigten Schneeflächen geht es nun dem „ Rothen Herd " zu, von dem sich endlich auch Aussicht gegen Osten bietet, auf Jungfrau, Mönch, Eiger, das Roththal u. s. w. Das Schilthorn zeigt sich hier in seiner ganzen Breite, als schwach von West nach Ost ansteigender schneegesäumter Grat mit steilem, trümmerbesäten Absturz gegen die Boganggenalp. Von diesem Standpunkt, der allfällig auch westlich umgangen werden kann, senkt sich der Weg wieder und folgt dem Grate gegen die Erhebung zwischen der kühnen Kilchfluh und dem Schilthorn. Hier kommt auch der Weg vom Spiggengrund und Hohkien herauf, der jedenfalls wegen Mangel an Aussicht wenig zu empfehlen ist. Man thut gut, nicht ganz bis zu jener Höhe vorzudringen, da der Schilt-horngrat im westlichen Theile von Felsköpfen gebildet wird, die doch südlich, ziemlich weiter unten umgangen werden müssen; wir blieben dieses Jahr ( 1882 ) gleich auf den glatten östlichen Schutthalden bis unter die erwähnten Felsen, während drei Jahre früher gerade diese den weniger geübten Gängern manche heikle Situation boten. Einmal diese Stelle passirt, geht es leicht, wenn auch vorsichtig über steiles Geröll zum Grat und auf demselben bis zur höchsten Spitze, im Frühsommer die Gwächten gegen das Sausthal wohlweislich vermeidend.

Ueber die Aussicht will ich weiter keine Worte verlieren; wer, wie ich das erste Mal, unter wolkenlosem Himmel auf dieser Hochwarte Stunden zubringen kann, dem wird sie stets im Gedächtniß bleiben; wer aber, wie wir das zweite Mal, in kalten sturmgepeitschten Nebel gehüllt sehnsüchtig nach jeder Lücke in demselben späht, wird schnell wieder den Weg unter die Füße nehmen, um, gefördert durch die obligate flotte Rutschpartie, Mürren zuzueilen. Als Weg dorthin ist bei schönem Wetter stets der vom grauen Seeli über Schiltalp demjenigen durch 's Engi-thal vorzuziehen; am 16. Juli war aber der Nebel dort so dick, daß der Weg über die Platten hinunter nicht rathsam schien. Noch vor Mürren löste sich der Nebel in Regen auf, der aber unter dem gastlichen Dache des Hôtel des Alpes unserer Fröhlichkeit keinen Abbruch thun konnte. Sehr zu empfehlen ist auch der Abstieg nach Gimmelwald, um von dort den schönen Thalhintergrund mit Schmadrifall u. s. w. zu besuchen, oder wie unsere kleine Truppe vom Jahre 1879, nach einem Nachtlager auf Obersteinbergalp den schönen Uebergang via Tschingel-Kander-gletscher zu unternehmen.

Distanzen: Reichenbach. 712 m bis Kienthal.. 947 „ circa IV2 Std.

Sternenberg. 14802Dürrenberg. 1995lVaTellihöhe circa 27402Schilthorn.. 29712 Mürren... 16362

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