Bergleben vor einem halben Jahrhundert. Ungewohnte Bilder einer vergessenen Schweiz
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Bergleben vor einem halben Jahrhundert. Ungewohnte Bilder einer vergessenen Schweiz

Bergleben vor einem halben Jahrhundert

Atemberaubende Landschaften, markante Gesichter und ungetrübte Blicke in Wohn- und Arbeitsstuben: Als der Innerschweizer Fotograf Peter Ammon in den 1950er-Jahren zu seinen fotografischen Reisen in die Schweizer Bergtäler aufbrach, bot sich ihm eine heute längst vergessene Lebensweise. Seine Bilder gehören in der Schweiz zu den ersten 435-Inch-Farbdias jener Zeit.

Mit Moped und VW Käfer – jedoch ohne Auftrag – machte sich Peter Ammon auf, seine Schweiz zu porträtieren. Nicht die Städte waren sein Ziel, sondern die abgelegenen, schwer zugänglichen Orte im Wallis, unter anderem im Lötschental, oder im Engadin. « Das älteste, was es zu finden gab », interessierte ihn.

Kaum kam Ammon an seinem Ziel an, machte seine Präsenz im Tal schnell die Runde, denn allzu kurios war sein Auftreten. Ein Fremder war eben etwas Besonderes, denn damals waren die abgelegenen Orte noch nicht von knipsen-den Touristen bevölkert. « Einfach an die Türe klopfen und fragen, ob ich ein Bild machen dürfe, abdrücken und wieder verschwinden hätte nicht funktioniert », beschreibt der Luzerner Fotograf seine behutsame Annäherung an sein Projekt. Auch ist er überzeugt, dass die Bergler schnell spürten, dass er das Positive in ihnen sah und sie nicht karikieren wollte. Deshalb habe ein oft stummes Einverständnis zu seinen Bildern geführt und ihm die Türen in die guten Stuben geöffnet.

Arme, aber stolze Bergler

Mit dem sorgfältigen Blick auf das Alltägliche hat der damals 25-Jährige mit seinen Bildern ein Stück Heimat festgehalten. Dabei ging es Ammon nicht darum, eine « heile Welt » zu präsentieren. Dass seine Bilder trotz der kargen Nachkriegszeit wenig von Elend und Zer-mürbtheit zeigen, sondern geprägt von stolzer Einfachheit sind, führt der Fotograf unter anderem auf eine für die damalige Zeit tiefe Religiosität zurück. Damals, so der Fotograf, sei der von harter Haus- und Feldarbeit geprägte Alltag nicht ständig hinterfragt worden.

Er stiess auf Lebensbilder, die ihn an sein eigenes, damals ebenfalls karges Leben erinnert hätten: « Nach dem Krieg gab es nicht viel zu diskutieren, ‹eifach mache, nid lang fackle›, lautete die Devise. Da hatte jeder seinen Platz, die Rollen waren klar verteilt, und jeder musste mit anpacken. » Schönreden will er die Zeit dennoch nicht, Probleme, Ängste und Elend hatten genauso ihren Platz gehabt. Doch der Zusammenhalt unter den Menschen war stark, die Ausweichmöglichkeiten gering. Obwohl einige seiner Bilder dennoch eine geradezu geballte Bergidylle zeigen, unterscheiden sie sich beim zweiten Fotos: Peter Ammon Herbstliche Schäfer-szene im Verzascatal ( TI ): Dass die Frauen in den Bergdörfern selbst spannen und webten, war noch weitverbreitet. Stall in Saas Grund ( VS ): Die 1950er-Jahre waren eine Zeit, in der sich das Leben der Städter von dem der Bergler aufgrund der wirtschaftlichen Entwicklung rasant entfernte.

Alpine Geschichte, Kultur, Erzählungen

Storia, cultura, letteratura alpina

Histoire, culture et littérature alpines

Lötschentaler Heuer in der Mittagspause, dahinter das Bietschhorn ( VS ): Das « Wartenkönnen » auf den richtigen Augenblick war für Ammons Arbeit zentral, war doch das Filmmaterial sehr teuer.

Fotos: Peter Ammon Kornmühle in Poschiavo ( GR ): Bereits zu seiner Zeit musste Ammon zeitweise weit reisen, um noch traditionelles Handwerk aufzuspüren.

Hausmetzgete im Unterengadin ( GR ): Ammon war fasziniert von der Fertigkeit und Sorgfalt, mit der die Bergler ihren Tätigkeiten nachgingen.

Käseteilet im Haslital, Mägisalp ( BE ): eines der wenigen Brauch-tümer, das auch heute noch weit verbreitet ist Rechenmacher im Val Poschiavo ( GR ): Ammon interessierte sich besonders für altes Handwerk, aber nicht für dessen volkskundlichen Aspekt. Die Menschen und ihre eigene Wahrnehmung waren ihm wichtig.

Hinsehen klar von einer putzigen Post-kartenschweiz. Die Räucherküchen mit den von Russ bedeckten Wänden, die andächtigen Bäuerinnen vor dem Altar, die mehlbetünchten Kornmühlen oder die Enge der Ställe sprechen ihre eigene Sprache. Die vielen Details wie Kleider, Gebrauchsgegenstände oder auch Arbeitsmethoden erzählen viel über das einfache Leben von damals. Frauen wie Männer standen auf dem Feld, die Dorf-schulklassen waren proppenvoll, der Mittagstisch unabdingbar und das Sonntagsgewand Ehrensache. Aus Kollegenkreisen wurde Ammon dennoch immer wieder vorgeworfen, er hätte einen « verklärten » Blick gehabt und Bilder gestellt. « Gestellt habe ich die Lampen, aber nie die Menschen, die ich ablichten wollte. » Ammon gilt unter den Schweizer Fotografen als Pionier des Kunstlichtes, er arbeitete zuweilen mit bis zu drei Kolbenblitzen. Doch die Szenen, die sich ihm boten waren authentisch, da lagen Utensilien herum, rannten Kinder durchs Bild, oder die Menschen blickten auch mal an der Linse vorbei.

Erst 50 Jahre her

Ein Vergleich zum Heute wird Betrachtenden eine spannende Zeitreise bescheren, die zum Schmunzeln und Staunen führt – und die wohl auch dank der Kraft der Farben rasch vergessen lässt, dass die fotografierten Szenen nicht aus einer Zeit vor hundert, sondern lediglich vor gut fünfzig Jahren stammen. So würde doch das Stanser Zvieri wie etwa im Haus Hostettli heute glatt als Apéro durchgehen. Ausser, dass das Chacheli die Cupligläser ersetzt und ein gutes Stück Käse anstelle der Häppchen gereicht wird. Dass dabei auch gequalmt wurde, scherte damals niemanden. Der Glimmstengel oder die Pfeife gehörten ins Gesicht wie die Kirche ins Dorf, die Frau in die Küche oder das Kopftuch aufs Haupt. Selbstverständlichkeiten, die durchaus ihren Nutzen hatten. Mittagstisch in Lugnez ( GR ): Ammons Blick lag nicht auf der ärmlichen Umgebung, sondern auf den Menschen. Seine Liebe fürs Detail erschliesst dem Betrachter dennoch viel von den oft ärmlichen Lebensumständen.

Stanser Zvieri im Haus Hostettli in Oberdorf ( NW ): Die reich verzierten Wände und die prächtigen Trachten zeigen deutlich, dass diese Familie zur besser gestellten Schicht gehörte.

Fotos: Peter Ammon Ob Hausmetzgete, Rechenmacher oder Käseteilet: Der geübte Handwerker war gefragt. Dem Wurzelmann aus der Ostschweiz ging der Ruf eines « komischen Kauzes » voraus. Den Berglern war es nicht ganz geheuer, was dieser aus dem Holz schnitzte, von Gnomen und Dämonen war die Rede. Peter Ammon wurde im Dorf davor gewarnt, als er den Weg zur Hütte des Wurzelmannes unter die Füsse nehmen wollte. Doch er liess sich von seinem Vorhaben nicht abbringen. Es sei auch halb so schlimm gewesen, nichts von Hokuspokus oder Gefahr. Als er bei der Hütte angekommen war und an die Tür klopfte, öffnete der « komische Kauz » und führte ihn wortlos in sein Atelier. Dort liess er Ammon im Raum stehen, setzte sich wieder an die Werkbank und arbeitete weiter, als wäre nichts geschehen. Erst als Ammon ihn bat, doch kurz in die Kamera zu blicken, drehte der Wurzelmann erstaunt seinen Kopf Richtung seines Besuchs. Die Zeit war zwar knapp, aber sie reichte, das Bild war im Kasten. a Sandra Monika Ziegler, Meggen

Literatur

Peter Ammon nahm über 1000 Bilder auf, 125 davon sind im Buch Schweizer Bergleben um 1950 publiziert. Zu beziehen bei der Fotoagentur Aura, Luzern 2006, ISBN 978-3-033-00875-5, www.aura.ch Geschichtenerzählerin in Brione ( TI ): Als stellenweise häufiger Gast war Peter Ammon zuweilen mehr ein Freund denn blosser Zuschauer.

Berge und Umwelt

Montagne e ambiente

Montagnes et environnement

Schwieriger Föderalismus beim Schutz der Wildtiere

Im Dschungel der Schutzgebiete

Wer bei der Vielfalt von Schutzgebieten in der Schweiz den Überblick behält und auch noch weiss, wie er sich darin verhalten soll, ist ein Experte oder hat den Zeitaufwand nicht gescheut, sich in diese Thematik einzuarbeiten. Für die meisten Berg-tourengänger sind sie aber unverständlich. Ein erster Überblick über die für ihren Sport wichtigen Schutz-gebietseinteilungen.

Die Schweizerische Bundesverfassung garantiert den Kantonen und Gemeinden Autonomie in einem bestimmten Rahmen. So haben sie das Recht, aufgrund ihrer Kantonsverfassungen Gesetze zu erlassen. Diese Eigenständigkeit bezieht sich auch auf die Ausscheidung und Umsetzung von gewissen Wildschutzgebieten. Dies hat dazu geführt, dass jeder Kanton, ja sogar jede Gemeinde ihre eigenen Schutzgebiete bezeichnet und rechtlich umgesetzt hat. Kantone und Gemeinden haben sogar teilweise gleiche Schutzgebiete mit unterschiedlichen Schutzgebietskategorien bezeichnet.

Schutzgebietskategorien Kategorien Betretungsregelung Verbote Gesetzliche Grundlagen Eidgenössische Nur auf Skitourenkarten eingetragene Übriges Gebiet: striktes Betretungs- Verordnung über die eidgenössi- Jagdbanngebiete Routen dürfen betreten werden verbot ( hohe Bussen ) schen Jagdbanngebiete Schutzgebiete mit Nur auf Skitourenkarten eingetragene Übriges Gebiet: striktes Betretungs- Rechtskräftiger Schutzbeschluss Betretungsverbot Routen dürfen betreten werden verbot ( Bussen ) Schutzgebiete mit Auf Skitourenkarten eingetragene Übriges Gebiet: striktes Betretungs- Rechtskräftiger Schutzbeschluss Weggebot Routen, alle Strassen und markierte verbot Wege dürfen betreten werden Vereinbarte Schon- Zu meiden Zu meiden, keine Busse Keine gebiete

Von Kanton zu Kanton verschieden

Die Kantone und Gemeinden sind sich dieser unterschiedlichen Handhabung und der daraus resultierenden Probleme zu wenig bewusst. 1 Das zum Teil grosse Konfliktpotenzial zwischen Wildtierschutz und Bergsport haben beide jedoch erkannt. Nicht alle haben aber schon eine optimale Lösung gefunden. Als gutes Beispiel geht der Kanton Graubünden voran. Er hat auf der Internetseite www.wildruhe.gr.ch alle Wild-ruhegebiete publiziert, in denen vor allem im Winter unterschiedliche Betre-tungseinschränkungen gelten. Andere Kantone wie Obwalden stellen die Wildschutzgebiete in Form von Übersichtskarten ins Internet. Die Karten mit den Wildschutzgebieten des Kantons Obwalden sind auf der Internetseite aber nicht einfach zu finden. Zudem ist es für den Wintersportler schwierig, aus den Karten herauszulesen, welche Aktivitäten im Winter erlaubt bzw. verboten sind. Dazu kommt, dass einige Kantone wie Waadt oder Schwyz nach wie vor nicht über rechtsgültige kantonale Wildschutzgebiete verfügen. Im Kanton Nidwalden läuft zurzeit die Vernehmlassung zur Ausscheidung von Wildruhegebieten, und der Kanton Bern wird erst Anfang 2008 mit der Ausscheidung von kanto-

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