Bergsteigen im Herzen Afrikas
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Bergsteigen im Herzen Afrikas

Hinweis: Dieser Artikel ist nur in einer Sprache verfügbar. In der Vergangenheit wurden die Jahresbücher nicht übersetzt.

im Herzen Afrikas

Hans Zebrowski, Niederhasli

März 1971. Unser Zeltlager liegt in einem der schönsten Hochtäler des Mount-Kenya-Massivs, im Teleki Valley. Würden nicht mannshohe Sene-tien-Gewächse rund um das Lager stehen, man hätte einen Augenblick lang die Vorstellung, irgendwo im hintersten Val Veni am Mont Blanc zu sein oder vielleicht im Baltschiedertal, und im Talabschluss stehe das Bietschhorn.

Ein Bergsteiger — nennen wir ihn einfach Dölf-sitzt vergnügt vor dem Proviantzelt und verzehrt genüsslich ein Frühstück, das im Baltschiedertal wohl recht ungewöhnlich wäre: goldgelbe Ananas. Gepackte Rucksäcke liegen verloren im Gras. Wer sollte es auch eilig haben bei einem Wetter, das fast alle Tage während dieser Jahreszeit « grand beau » ist! Und weit und breit keine « Gewitterstörung über Frankreich, die im Laufe des Tages die Schweiz erreichen wird »...

Mit einer Chartermaschine waren wir sieben Mann ( und Frau ) hoch nach Mombasa geflogen und hatten dort einen VW-Bus gemietet, in den wir Sack und Pack und uns selbst verstauten. Der attraktivste Teil unseres VW bildete zweifellos der riesige Bananenstrunk in der Wagenmitte - gewissermassen der kulinarische Mittelpunkt -, der auf jedem grösseren Markt am Weg wieder ersetzt werden musste.

Auf der Fahrt nach Nairobi hatten wir den Tsavo-Nationalpark durchquert, wo wir unsere ersten Abenteuer mit afrikanischen Tieren - speziell mit Elefanten - überstanden. Wenn ich nicht doch noch im letzten Moment den Rückwärtsgang gefunden hätte, wäre uns eine ganze Elefantenherde unter die Scheibenwischer geraten. Seither war Dölf schlecht auf diese Rüssel-tiere zu sprechen und gar nicht mehr so glücklich, wenn solche vor uns auf dem Weg auftauchten. Seit jener Begebenheit waren auch 1 Mt. Kenya, von SW; l.Batian, r.Nelion. Der Normalaufstieg auf den Nelion führt durch die sonnenbeschienene Wand in der rechten Bildhälfte 2 Mt.Kenya-Massiv, von W: Batian, 5166 Meter; Nelion, 3188 Meter; Pt. John, 4883 Meter 3Abstieg auf der Burguret-Route immer wieder hitzige Debatten darüber ausgebrochen, welcher der auf dem VW-Dach mitreisenden Elefantenphotographen wohl damals am blitzartigsten im Bus untergetaucht sei, als die Herde zum Angriff geblasen hatte.

In Nairobis Supermärkten hatten wir dann die Lebensmittel für einen ausgiebigen Bergaufenthalt erstanden, unterwegs noch die halbe Ananasernte von Kenya aufgekauft und waren schliesslich in Nanyuki gelandet. Manchen Schweisstropfen hatte es gekostet, bis der gesamte VW-Inhalt auf sechs Mulirücken verstaut war. Und noch mehr Schweiss war beim Anstieg durch den Urwaldgürtel geflossen, der das Kenya-Massiv bis in eine Höhe von 3500 Meter umgibt. Dem armen Dölf wäre fast das Augenwasser gekommen, als wir mitten im dichten Bambusdschungel auf metertiefe bekannte Fussabdrücke stiessen: Die längst überwundene Elefantenhysterie kam wieder zum Ausbruch! Trotzdem war es ein schöner und erlebnisreicher Aufstieg durch eine ganz ungewohnte Berglandschaft. Dann war über den letzten Zederbäumen schliesslich der Granitgipfel des Kenya aufgetaucht - wahrlich ein faszinierender Berg, der uns die Mühsal des Urwaldes vergessen liess. Am Fuss der Westflanke, auf den letzten Grasflecken des Teleki-Tals, hatten wir einen gastlichen Platz für unsere Zelte gefunden...

Was gibt es von der Besteigung der Batian-Südwand zu berichten? Nun, würde man nach alpiner Tradition beim Morgengrauen am Einstieg sein, liesse sich diese Tour ohne Biwak bewältigen. Aber verwöhnt vom ewig schönen Wetter, liegen wir um g Uhr noch faul im Gras, lassen uns mit Kostbarkeiten aus dem Proviantzelt bewirten, während sich Dölf seiner Ananas widmet. So wird es denn fast Mittag, bis wir den Wandfuss erreichen. Aber nach den ersten Seillängen prächtiger Plattenkletterei ist die Trägheit verflogen. Die Höhenanpassung während der vergangenen Tage macht sich ange- nehm bemerkbar. Obwohl wir in Mont-Blanc-Höhe klettern, kommen wir flott voran. Ein überhängender Felsriegel drängt uns bald nach rechts bis an den Rand des Hängegletschers, der zwischen beiden Gipfeln eingebettet ist. Was aus der Ferne eher einer Eisrinne glich, entpuppt sich jetzt als gigantische Kaskade, verziert mit Girlanden von haushohen Eiszapfen. Sie sind von einer eigenartigen grünblauen Färbung und fast durchsichtig wie Glas. Die Sonne, die gerade über dem Gipfel erscheint und die Eisterrassen streift, entfesselt ein Farbenspiel, wie es wohl nur ein tropischer Gletscher hervorbringen kann.

Längst habe ich es aufgegeben, die Route nach der Beschreibung zu suchen. In den ersten Seillängen haben einige Haken als Wegweiser gedient. Ihrem Zustand nach müssten sie noch von den Erstbegehern Baillie und Kamke stammen, die 1959 diese Route eröffnet haben. Aber seit Stunden klettern wir nun der eigenen Nase nach, die uns gut zu führen scheint.

Beim letzten Tageslicht erreichen wir eine geräumige Terrasse knapp unterhalb des Gipfelgrates: ein Wunderbiwak! Während wir uns bequem in den Daunensäcken einnisten, verziehen sich die letzten Nachmittagswolken, und eine milde, windstille Mondnacht senkt sich über das Land. Morgen werden wir die letzten Seillängen zum Gipfel klettern, das Nebeltor und den Nelion überschreiten - dann wird das Abenteuer Mount Kenya sein Ende finden.

Wissenswertes und Informationen Mitten im Winter im sonnenwarmen Granit zu klettern und zudem an einem grossen Berg -ist wohl eine Reise wert. Dass der Mount Kenya bei den europäischen Bergsteigern in Mode gekommen ist, liegt nicht allein an der Grossartigkeit dieses Gebirges, sondern auch an den heutigen Möglichkeiten, zu relativ bescheidenen Preisen nach Ostafrika fliegen zu können ( Charterflüge Zürich—Nairobi 1000-1200 Fr. ) 1

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4Kletterei an der Batian-Südwand 5Schwarzer Träger Photos Hans Zebrowski, Niederhasli ZH Aha - schon wieder ein Modeberg! Voller Graus wird mancher ans Matterhorn denken mit den ioo Seilschaften pro Schönwettertag oder an den Betrieb am Bonattipfeiler bei günstigen Verhältnissen. Aber zur Beruhigung sei gesagt, dass am Kenya im Vergleich zu unseren Alpen ewiger Friede herrscht. Im Durchschnitt ist vielleicht eine Seilschaft pro Tag auf dem Normalweg anzutreffen - auf den andern Routen kaum eine im Jahr.

Der leichteste Anstieg, der Weg der Erstbesteiger und heutige Normalweg, führt über die SE-Wand auf den Ostgipfel ( Nelion, 5188 m ), der vom Hauptgipfel ( Batian, 5198 m ) durch das « Nebeltor » getrennt ist. Immerhin eine Tour im Stil der Badile-Nordkante. Zu den schwierigsten Anstiegen zählen die Südwand des Batian, Ostwand und NE-Pfeiler am Nelion - Touren im 5.6. Schwierigkeitsgrad mit Wandhöhen von 500 bis 700 Meter. Kombinierte Anstiege bietet die NW-Flanke mit ihren steilen Hängegletschern. Wer sich den Berg zuerst einmal von allen Seiten anschauen will, dem sei eine landschaftlich ganz eindrucksvolle Sache verraten: Über vier Pässe hinweg führt ein Saumpfad, immer zwischen 4000 und 4500 Meter Höhe, rund um den Gipfelstock.

Eine besondere Eigenart dieses tropischen Gebirges ist der zweimalige Wechsel von Regen-und Trockenzeit im Jahr. Während des europäischen Sommers steht die Sonne nördlich des Äquators. In diese Zeit fällt die « Nordwand-Sai-son » ( Juli—September ). Im Winter dagegen, bedingt durch den südlichen Sonnenstand, werden die Südwände schneefrei ( Januar—März ). Dazwischen liegen die Regenzeiten mit häufigem Schlechtwetter und Schneefall. Dann verwandelt sich die Urwaldzone rund um das Gebirge in ein Schlammbad, und der Zugang wird nahezu unmöglich.

Anfahrt: Am häufigsten werden Nanyuki oder Naro Moru auf der Westseite als Ausgangspunkt gewählt. Beide Orte sind mit der Eisenbahn erreichbar. Für eine grössere Gruppe ist es lohnend, einen VW-Bus zu mieten ( Miete etwa 200 Fr./Woche plus 0.70 Fr. pro gefahrenen Kilometer, Benzin inbegriffen ). Dadurch lässt sich die Anfahrt mit einem Besuch der Nationalparks und Tierreservate verbinden.

Ausgangspunkt: Eilige wählen Naro Moru. Vom gleichnamigen River-Lodge-Hotel kann man sich mit dem Landrover fast bis zur oberen Waldgrenze ( 3000 m ) hinauffahren lassen. Von dort ist in einigen Stunden die Telekihütte zu erreichen.

Reizvoller ist auf jeden Fall der Anmarsch zu Fuss von Nanyuki aus, wo auch sämtliche Lebensmittel für einen längeren Aufenthalt am Berg erhältlich sind. Bei « Snowline Safaries » können Mulis für den Transport gemietet werden. In der Saison ist es ratsam, sich von Europa aus anzumelden: Snowline Safaries ( Hooks Farm ), O. Box 2, Nanyuki. Für den Anmarsch über die Burguret-Route ist mit zwei Tagen zu rechnen.

Stützpunkte: Für einen längeren Aufenthalt sind Zelte ratsam. Wohl gibt es vier Hütten im Berggebiet, drei davon sind aber lediglich kleine Biwakschachteln ohne Komfort und Kochmög-lichkeiten. Für Notfälle: « Top Hut » ist mit Funktelephon ausgerüstet.

Karten, Führer: « Guide Book to Mount Kenya and Kilimanjaro » ( englisch ); Herausgeber: Mountain Club of Kenya, Nairobi, O. Box 5741. Karte « Mount Kenya » 1:5000 oder 1:10000 von E. Schneider; Herausgeber: Forschungsunternehmen Nepal-Himalaya, München. Führer und Karte sind über jede grössere Karten- und Buchhandlung in der Schweiz beziehbar.

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