Bericht über die Arbeiten am Rhonegletscher im Jahr 1882
Unterstütze den SAC Jetzt spenden

Bericht über die Arbeiten am Rhonegletscher im Jahr 1882

Hinweis: Dieser Artikel ist nur in einer Sprache verfügbar. In der Vergangenheit wurden die Jahresbücher nicht übersetzt.

Prof. Dr. Rütimeyer ( Section Basel ), Präsident des Gletschercollegimns.

Von Ueber die neunte Campagne der Ehonegletscher-vermessung entnehmen wir, größtentheils an der Hand des Berichtes des Herrn Ingenieur L. Held an den Chef des topographischen Bureau, Folgendes:

In der am 6. Mai 1882 in Bern abgehaltenen Conferenz des Gletschercollegiums mit dam Chef des eidgenössischen topographischen Bureau war als Programm für die Arbeiten von 1882 aufgestellt worden: 1 ) Fortführung der bisherigen Controlmessungen bis zum Erlöschen der Steinlinien, im obern Gletsêher im Maßstab'von 1: 2000 für die Steinreihen, in 1: 1000 für die Profile.

2Anschluß der Triangulation des Gletschers auf trigonometrischem Wege an die eidgenössische Triangulation.

3Topographische Aufnahme des obern Gletschers im Maßstab von 1: 5000 bis etwa 500* über das rothe Profil hinauf.

4Trigonometrische Aufnahme des Firnbeckens im Maßstab von 1: 25000 mit Aufnahme von einigen Profillinien auf demselben.

5 ) Dem leitenden Ingénieur wurde überdies empfohlen, nach eigenem Ermessen, soweit innerhalb des Budgets thunlich, Einrichtungen zur Prüfung der Firnbewegung sowie der Eisbewegung in der Tiefe zu treffen.

Als Mitarbeiter, dem namentlich die neue Triangulation übergeben wurde, wirkte mit Herr Ingénieur Rosenmund, und für die Zeit der Controlmessungen Herr Topograph A. Ringier, während Herr Held die Aufnahme des obern Gletschers und die Auswahl und Signalisirung der trigonometrischen Punkte im Firngebiet übernahm.

Die Arbeiten auf dem Terrain begannen am 30. Juni durch Herrn Kosenmund, am 5. Juli durch Herrn Held. Am 17. Juli wurde zur vollständigen Ausnützung der Zeit in Zelten, welche vom eidgenössischen Militärdepartement bewilligt worden, das Quartier definitiv auf den obern Gletscher in 2425 m Höhe verlegt.

Die Witterung war während der ganzen Campagne außerordentlich ungünstig, worüber ein meteorologisches Journal von 64 Tagen vorliegt. Regen und Schneefall fand statt an nicht weniger als 41 Tagen, wovon 13 mit Schnee. ( Durchschnitt der Niederschläge per Tag 8,7 mm. Höchste Temperatur am 13. Juli Mittags mit plus 15,4 ° C. Niedrigste am 14. September Morgens mit minus 6,7 °. ) Trotz so überaus ungünstigen Verhältnissen wurden von 79 Feldtagen, vom 30. Juni bis 16. September, 34 Tage zur Arbeit im Freien verwendet und auch sonst bei nur einiger Aussicht auf Erfolg ausgerückt.

Bericht über die Arbeiten am Rhonegletscher. 217 Bevor die Arbeiten vollendet waren, mußten in Folge eines Schneefalls, der eine ganze Woche dauerte, die Zelte am 16. September verlassen werden, da es nicht mehr möglich war, sie vor Zusammenbruch zu schützen. Der Winter war endgültig eingezogen und die Lawinengefahr derart, daß es nicht zu verantworten war, um der Effecten willen länger auszuharren. Bei zwei Meter Schneehöhe wurde Samstag's den 16. September, 9 Uhr Morgens, der Rückzug angetreten. Mitnehmen ließen sich nur die Pläne und Manuscripte. Erst Abends erreichte man das Hôtel Gletsch, am Sonntag mit Mühe Viesch, und Montags auf Gebirgswegen Mörel und Brieg, wo die Thalsohle noch mit 10-20 °m hohem Schnee bedeckt war. Die Effecten, unter einem provisorischen Bretter dache möglichst gut verwahrt, konnten erst nach mehreren Wochen mit großer Mühe und Gefahr zu Thal gebracht werden.

Nachmessungen.

Die Aufnahme der obern zwei Steinreihen in 1: 2000 statt 1: 1000 erwies sich als ein großer Vortheil, da bei diesem Maßstab die trigonometrischen Punkte der Ufer eingetragen werden und die Stationen auf dem Eis so doppelt controlirt werden konnten. Für Steinreihen und Profile wurden erheblich mehr Punkte aufgenommen als in frühern Jahren.

Nivellement der vier Querprofile.

a. Schwarzes Profil. Auf dem Eis liegen nur noch 53 m statt der ursprünglichen 474 m. Mittlere verticale Ablation in 377 Tagen 5,17gegen 5,86 * in 339 Tagen im Vorjahr. Im Sommer 1883 wird das schwarze Profil fast ganz auf Strandboden liegen.

b. Grünes Profil. Länge auf dem Eis 467,8 m gegeh 476 m im Vorjahr. Mittlere Ablation 6,34 m gegen 5,77 m im Vorjahr.

c. Gelbes Profil. Länge wie 1881, 1154,7 m. Ablation in 364 Tagen 0,39 m gegen 0,014 m Zunahme im Vorjahr.

d.Rothes Proßl. Länge wie 1881, 1066,8™. Verticale Zunahme von 0,06 m gegen Ablation von 0,51 m im Vorjahr.

Topographische Aufnahme der Steinreihen.

Von der schwarzen Steinreihe sind nur noch drei Nummernsteine auf Eis, von der grünen nur noch neun. Beide Eeihen haben ihre Aufgabe gelöst. Von der gelben sind 12 Steine in den Eissturz vorgerückt. Bewegungsmaximum im Beobachtungsjahr 112 m. Von allen Keinen functionirt noch am genausten die rothe Keihe, mit noch 29 sichtbaren Steinen von ursprünglich 53. Maximalbewegung 120 m.

Gletscherzunge.

In 376 Tagen sind 24,525 Quadratmeter Boden blos gelegt worden, gegen 23,150 im Vorjahr.

Besondere Beobachtungen.

Die Tiefe der Spalten wurde bis auf 32 m constatirt; 40 m wird wohl als Maximaltiefe angenommen werden können. Tiefe der Gletschermühlen 10—20 m. In bestimmten Tiefen wurden verschiedene Gegenstände eingesenkt zur Wiedereinmessung auf den Zeitpunkt, wo sie wieder an der Oberfläche erscheinen werden.

Neue Aufnahmen.

1. Triangulation. Die Versicherung aller Signale ist verificirt und ergänzt worden. 17 Signale waren in Folge von Schädigung durch Lawinen u. dgl. neu zu erstellen. An neuen zum Behuf des Anschlusses an die Berner-Triangulation und Aufnahme des Firngebietes mußten 29 errichtet werden. Ueber alle diese Arbeiten liegt ein Journal mit Skizzen der Versicherungen vor. Fünf Mal mußte das Gerstenhorn ( 3167 m ) erstiegen werden. Trotz der ungünstigen Verhältnisse und der Abreise des Herrn Rosenmund in den Militärdienst ist die Aufnahme des Firngebietes in 1: 25000 bis auf wenige im nächsten Jahr nachzuholende Punkte vollendet worden.

2. Aufnahme des obern Gletschers in 1: 5000. Auch diese Aufgabe ist gelöst worden. Die Eintragung der Firngrenze erwies sich als unthunlich, da sie nach dem Maße von Winterschnee und Sommerwärme großen Schwankungen ausgesetzt ist.

3.Nivellement der Firnprofile. Unter Einmessung von Lattensignalen zur Messung der Geschwindigkeit des Firnstroms sind im Maßstab von 1: 1000 zwei Profile im Thierthäli und zwei im Hauptfirn nivellirt worden.

Das Material über die Rhonegletscher-Untersuchung ist vermehrt worden um folgende Nummern:

Plan der Arbeiten am Rhonegletscher in 1 :.2000, gemalt für den Salzburger Congreß 1882 und für die schweizerische Landesausstellung 1883.

Originalaufnahme des obern Gletschers in 1: 5000.

Originalaufnahme der beiden Steinreihen des obern Gletschers für 1882 in 1: 2000.

Originalaufnahme der Gletscherzunge für 1882 in 1: 5000.

Originalaufnahme von vier Firnprofilen in 1 :1000.

Meteorologisches Journal ( Thermometer, Aneroid, Hygrometer, Ombrometer ) über 18. Juli bis 16. Sept. in 2425,3™ Meereshöhe.

Die Rechnung über die Arbeiten des Jahres 1882 gibt Angesichts der noch bevorstehenden vier Ver-tragsjahre zu keinen Befürchtungen Anlaß.

Ein Theil der im Jahr 1874 begonnenen Untersuchungen hat also durch den Lauf der Zeit bereits den voraus erwarteten Abschluß gefunden, und der noch unter Contrôle stehende nähert sich ebenfalls diesem Ziele. Was zum Ueberblick des gesammten Phänomens unentbehrlich war, die Vergleichung des rückliegenden Firngebietes mit dem Eisstrom selber, ist im Verlauf eines ungewöhnlich ungünstigen Sommers durch eine Ausdauer und einen Muth, für welche der Alpenclub, so wie schon für mancherlei tüchtige Leistungen auf diesem Gebiet, dankbar sein darf, größtentheils erreicht worden. Angesichts der noch vertraglich gesicherten Hülfsmittel steht also nicht nur der Abschluß der Unternehmung in wohl erkennbarer Nähe, sondern kann auch bei dem vorliegenden Material der einstigen Aufgabe einer Publication der Gesammt-ergebnisse mit aller Ruhe entgegengesehen werden.

Feedback