Blau dominierte
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Blau dominierte Europameisterschaft Skitourenrennen in Tambre, Italien

15 Medaillen holte sich die Schweizer Nationalmannschaft an der diesjährigen Europameisterschaft im Skitourenrennen. Eindrücklich die Leistung der Nachwuchsmannschaft des SAC Swiss Team: Sie holte viermal Gold.

Kaum eine Europameisterschaft im Skitourenrennen fand in unzugänglicherem Gelände statt als die von 2009 in Tambre – einem Dorf mit rund 1500 Einwohnern, 80 Kilometer nördlich von Venedig, wo es weder Bergbahn noch Bügellift gibt. Beim SAC Swiss Team legten darum auch Betreuer Rico Elmer und Disziplinenchef Rolf Zurbrügg bis zum Schluss des fünftägigen Anlasses nicht weniger als 9000 Höhenmeter auf Ski zurück, um die Strecken zu besichtigen. Doch wie es sich im Skitourensport gehört: je abgelegener, desto schöner. Von den fünf Rennstrecken rund um den Monte Guslon, Monte Cornor und Cima Vacche, mit bis zu 20 Kilometern Distanz und 5000 Höhenmetern, waren die Athleten begeistert. «Sehr abwechslungsreich, sehr technisch, sehr hart – und wunderschön», brachte es die dreifache Medaillengewinnerin, Nathalie Etzensperger, auf den Punkt. Das Gebiet in den Voralpen der Region Veneto, unweit des bekannten Wintersportzentrums Cortina, gilt als beliebtes Skitourengebiet. Hier verteidigten die Alpini, die berühmten italienischen Gebirgsjäger, während des Ersten Weltkrieges die Alpengrenze. Riccardo Selvatico, zuständig für Marketing und Organisation der EM, konnte nebst freiwilligen Helfern denn auch auf die Unterstützung zahlreicher Alpini entlang den Strecken zählen.

Es war Blau, die Farbe des italienischen Nationaldresses, welches an der EM dominierte. Das Gastgeberland Italien holte sich mit 25 Medaillen, davon zehn goldene, auch den Titel der besten Nation Europas. Die Schweiz erreichte Rang 4 in der Nationenwertung. «Italien kann mit einem grossen Team von Topathleten aus dem Vollen schöpfen», meinte Rolf Zurbrügg. Mit 33 Mitgliedern zählen die Italiener zu den grössten Teams im Skitourenrennsport. Nur gerade Frankreich (38) und Spanien (39) haben mehr. Die 28-köpfige Nationalmannschaft der Schweiz konnte aber auch mithalten. Topfavoritin Nathalie Etzensperger brachte zwei Silber- und eine Bronzemedaille mit nach Hause. Nur knapp verpasste die dreifache Mutter im Einzelrennen die zweite Bronzemedaille. Zu gross war die körperliche Anstrengung vom Vortag gewesen, an dem sie zusammen mit Gabrielle Magnenat Silber im Teamwettkampf holte. «Ich spürte während des ganzen Rennens eine Müdigkeit», sagte Etzensperger nach dem Wettkampf. Gelohnt hat sich ihr Einsatz dennoch; er bescherte ihr Bronze in der Kombination. Müdigkeit machte auch dem Deutschschweizer Favoriten Marcel Marti aus Grindelwald zu schaffen. Trotzdem landete er zweimal unter den Top Ten: 7. Platz im Team mit dem Walliser Yannick Ecoeur, 7. Platz im Einzel; eine Spitzenleistung für den Berufssportler und Grenzwächter.

Die EM 2009, an der sich 243 Athleten aus 17 Nationen eingeschrieben hatten, war nicht die EM der Topfavoriten. Das musste auch Florent Troillet, Gewinner zweier Weltcuprennen, Vizeweltmeister 2008 und Hoffnungsträger für die Goldmedaille, zur Kenntnis nehmen. In der spektakulären Staffel lag der Walliser bis zum Fellwechsel an der Spitze. Doch dann verhinderte Eis an der Bindung das Einklinken mit dem Skischuh, und Troillet musste einen Konkurrenten nach dem anderen vorbeiziehen lassen. Dank dem Kampfgeist der Teamkollegen Marti, Ecoeur und Bruchez erreichten sie dennoch als Dritte das Podest.

An der EM zeigte sich, dass die Schweiz eine der besten Nachwuchsmannschaften Europas hat. Gleich am ersten Rennen, dem Vertical, heimsten die Junioren, Kadetten und Espoirs insgesamt vier Goldmedaillen ein (Jennifer Fiechter zweimal, Werner Marti, Alan Tissières). Newcomer Iwan Arnold aus Simplon-Dorf verpasste Bronze bei den Kadetten um lediglich 17 Sekunden. Einen 3. Rang gab es dafür für Emilie Gex-Fabry, die an der EM zum letzten Mal in der Kategorie Espoir lief. Auch in der temporeichen Staffel zeigte die Jungmannschaft, was sie draufhat: Werner Marti (Grindelwald), Jennifer Fiechter (Leysin) und der Walliser Alan Tissières, der sich beim Vertical eine 6 Zentimeter lange Schnittwunde einholte und trotz nächtlicher Notfalloperation am nächsten Tag an den Start ging, kämpften um den Sieg. Nur gerade um eine Hundertstelsekunde verpasste der Junioren-Schweizer-Meister Marti als Staffel-Letzter im Endspurt die Goldmedaille.

Erste Europameisterschaft, erste Medaille: Im Einzelrennen bei den Kadetten reichte es Iwan Arnold für Bronze. Silber holten sich Alan Tissières (Kadetten) und Randy Michaud (Junioren). Medaillenhoffnungen hatte sich auch Lukas Huser aus Goldau gemacht. Er war enttäuscht von seinem 8. Rang im Einzel und führte dies auf seine «Form Liestal» zurück. Huser drückt als angehender Grenzwächter in Liestal die Schulbank. Für Rolf Zurbrügg hingegen stimmen die Leistungen des SAC Swiss Team, obwohl nicht überall «der Trumpf gestochen» habe. Das Team habe bewiesen, dass es noch viel Potenzial birgt.

Im Sport zählt nicht nur die Leistung, sondern auch die Kameradschaft, und die wurde an der EM ausgiebig gepflegt. Nach üppigem, italienischem Abendessen ging man gemeinsam ins Festzelt, traf sich bei Livemusik mit anderen Teams oder übte im Hotel das Montie-ren der Steigeisen. Teamgeist bedeutete auch, die Kollegen lautstark zu unterstützen, wenn man selber grad nicht lief. «Die Stimmung im Team ist super», fasste Marcel Marti zusammen. Gute Stimmung herrschte auch beim Publikum. Der Teamwettkampf, der an einem Sonntag stattfand, lockte 1000 Personen an. Sonst waren die Zuschauer spärlich angereist, scheuten sich aber nicht, mit Fellen auf Berggipfel, in Felscouloirs oder auf schwindelerregende Gratpassagen zu steigen, um die Läufer anzufeuern oder Ersatzstöcke bereitzuhalten. Wohl in keinem Sport erleben Zuschauer die Dynamik eines Rennens so nah wie im Skitourenrennsport. Es sei, wie OK-Mitglied Riccardo Selvatico sagte, ganz wie sein Name: «Einfach wild.» Die nächste Europameisterschaft findet 2011 abermals in Italien, in der Region Friaul-Giulia, statt. Gut möglich, dass dann die Farbe Rot dominiert.

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