Bohrhaken, südliche Sonne und abends Spaghetti Vongole
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Bohrhaken, südliche Sonne und abends Spaghetti Vongole

Auf der Suche nach dem Klettermythos in zwei italienischen Klettergebieten: Eindrücke aus einer sommerlichen Kletterszene in den senkrechten Wänden von Arco ( Gardasee ) und den hoch über dem Meer thronenden Felsen von Muzzerone ( bei La Spezia ).

Im Caffè Trentino am mittelalterlichen Hauptplatz, gleich neben der gotischen Kirche, sind sie aufgehängt, die schon zum Mythos gewordenen Grossen der Sportkletterszene: Catherine Destivelle hat ihr T-Shirt von 1992 gespendet und Stefan Glowacz rühmte den Kaffee, der hier der beste von Arco sein soll. Dazu finden sich noch viele andere Berühmtheiten auf den Werbepostern ihrer Ausrüster hinter Wechselrahmen verewigt.

Mächtig und trotzdem elegant streben die bekannten Colodri-Klet-terfelsen gleich hinter dem Städtchen in die Höhe. Ich schaue respektvoll und gerührt einigen italienischen Kletterern zu, die sich in der nur geringfügig kühleren Abendluft in einer Route am Colodri-Est im siebten - notabene französischen - Grad versuchen. Derweil holt die Barfrau für eine deutsche Familie, die sich an einem der Strassentische breit gemacht hat, Gelatikugeln aus dem Tiefkühler. Trotz des berüchtigten Talwindes, der den nahen Gardasee zum berühmtesten Surf- und Segelpara-dies Europas gemacht hat, heizt die brütende Julisonne den Platz und die Felsen auf. Um diese Jahreszeit trifft man im Städtchen deshalb vor allem auf Durchreisende und Touristen, die vermutlich nichts von der magischen Anziehungskraft wissen, die der Name Arco in Sportkletterkreisen erzeugt. In der Tat sind die Erinne-rungs-Relikte im Caffè Trentino neben den allgegenwärtigen Felsen um Arco die einzigen Hinweise dafür, dass wir uns hier im Zentrum eines europäischen Kletter-Wallfahrtsorts befinden.

Ein Versuch am Colodri Verschlafene Stimmung auch auf dem Campingplatz von Arco, direkt gegenüber den Colodri-Felsen. Dort sitzen Klaus und Monika aus Davos vor ihrem Camper. Klaus sortiert unter dem schützenden Laubdach der Parkbäume seine Ausrüstung. Am frühen Morgen war er mit seinem Freund Christian in eine Route im 8.Grad ( UIAA ) eingestiegen. « Bereits in der dritten Seillänge wurde die Hitze unerträglich », berichtet Klaus später von seinem Versuch im hellen Gestein.

Einige der Felsen und Klettergärten im Raum Arco weisen eine Ost-Exposition auf und kommen am späteren Nachmittag im Schatten zu liegen. Doch selbst dort brennt die Sonne rasch zu stark, und in den mehr südseitig ausgerichteten Gebieten ist die Hitze in den späteren Tagesstunden nicht mehr auszuhalten.

Verdächtige Ruhe « Es ist verdächtig ruhig hier in der Kletterszene », findet Klaus. Er ist sich von früheren Besuchen her an einen hektischeren, praktisch rund um die Uhr vom Kletterfieber beherrschten Betrieb gewohnt. Auch er schreibt die relative Stille den jetzigen hochsommerlichen Temperaturen zu.

Dafür aber scheint in der Region rund um den Gardasee unter den Norditalienern und den ausländischen Touristen das Bike-Fieber ausgebrochen zu sein. Entsprechend oft trifft man in Arco auf diese geländegängigen Fahrräder, die mit ihrem emsigen Hin und Her das Strassenbild prägen.

Was ist somit von dem fast mythischen Ruf Arcos als Kletterparadies überhaupt noch geblieben? « Ich schätze Arco vor allem deswegen, weil man hier eine schier unglaubliche Dichte an guten und schwierigen Routen vorfindet », so Klaus, « und das gibt es so schnell nicht an einem anderen Ort. » Tatsächlich geht das Angebot vom französischen 7. Grad ( und das ist immerhin ein « Achter » nach der germanischen, bzw. nach UIAA-Skala ) mehr aufwärts als abwärts. Es ist somit die grosse Auswahl an schwierigen Linien, die einen dazu veranlasst, nach Arco zu fahren - oder es eben sein zu lassen. Vielleicht liegt der Ruf des Klettergebietes Arco aber doch noch tiefer begründet? Und vielleicht lässt sich sein Ursprung entdecken, wenn man nur intensiv genug danach sucht?

Rost statt Mythos An der künstlichen Kletterwand zwischen der Stadtmauer, der Brücke nach Trento und dem Campingplatz ist der Mythos des Kletterns jedoch ebenfalls eher am Rosten als am Flo-rieren. Wie ein moderner Triumphbogen, nur ziemlich lottrig und nicht gerade vertrauenerweckend, steht das Kletterwand-Stahlgerüst vor den Toren Arcos. « Stell Dir vor, die Wettkämpfe würden wieder im Fels ausgetragen, man müsste jedesmal neue Routen eröffnen », erklärt Christian Casutt, der sich in der brütenden Mittagshitze lieber im nahen Schwimmbad tummelt, als nochmals irgendwo einzusteigen. Kein Wunder also, dass selbst in Arco die Kunst- und nicht die Felswand zum Schauplatz wettkämp-ferischer Grossereignisse geworden ist. Gäbe es nicht den Blick auf die hoch aufstrebenden Felsflanken im Hintergrund, die dem Ganzen noch eine gewisse Atmosphäre verleihen, könnten die Wettkämpfe genausogut auch anderswo durchgeführt werden.

Der Davoser Klaus Büttner in Massone Policromuro: In der Abendsonne liegen auch barfuss ein paar Seillängen drin.

Schweiss über den Schluchten von Crosano So fahren wir erst einmal den Gardasee entlang südwärts, um in den von der Tagesthermik aufgewühlten Wogen Kühlung zu suchen. Klaus warnt vorsorglich: « Der See sieht sauber aus, droht aber ständig zu kippen. » Und in der Tat steht es nach unserer Rückkehr in die Schweiz schwarz auf weiss in der Zeitung: « Badestrände am Gardasee wegen Fäkalien, die ungereinigt in den See gelangen, gesperrt. » Als sich die abendliche Sonne bereits dem Horizont nähert, fahren wir in einen der unzähligen Klettergärten der Region. Auf einem der vielen bewaldeten Hügel zwischen Arco und Rovereto liegt das typisch norditalienische Dörfchen Crosano. Trotz der Schlucht, die sich tief eingeschnitten unmittelbar neben dem Klettergebiet durchzieht, ist es drückend heiss. Dafür wirkt die würzige Waldluft anregend. Auf drei Sektoren verteilt, bieten sich knapp 50 Routen von 4+ bis 8a an. Routen der verschiedensten Art, mit Ausdauer-, Boulder- und Bewegungsproblemen, wo Fingerkraft genauso wie Fusstechnik gefor- dert ist. Und trotz romantischer Umgebung, Stille und Natur hängt man schweissgebadet am Seil. Der Inhalt der vorsorglich wieder aufgefüllten Pet-Flaschen wird förmlich « vernichtet ». Vom besonderen Mythos des Kletterns ist auch hier nicht viel zu spüren.

Einkaufsbummel mit harter Währung Abendlicher Stadtbummel in Arco. Die Läden ( nicht nur die Gemüse-stände und Souvenirkioske ) haben selbst am Samstag lange geöffnet. Kombiniert mit dem günstigen Wech-selkurs für den harten Schweizerfranken bietet sich damit die beste Gelegenheit für einen preiswerten Einkauf aller möglicher Kletterutensilien. Walter Sas vom Gobbisport hat in seinem kleinen Laden alle Hände voll zu tun: Expressschlingen im Fünferbund zu 95 000 Lire ( weniger als 70 Franken !), ein Mammut-Seil ( Speziaipreis da Direktimport ) für 210000 Lire und natürlich Kletterfinken in allen möglichen Variationen und Marken für 75000 bis 300000 Lire. Da lacht das Schweizer Kletterherz und greift kräftig zu.

Szenenwechsel:

Nach weiteren Klettereien in Nago, auf dem Passo San Giovanni und in Massone Policromuro am Gardasee ist es uns schliesslich doch zu heiss geworden, und wir sind zu den Stränden der Nordtoskana entflohen, von wo aus wir vom Schattenwurf des Sonnenschirms geschützt neue Pläne schmiedeten und Projekte ausdach-ten. Hinter La Spezia, bei Portovenere, ragt nämlich majestätisch der Muzzerone aus dem Ligurischen Meer in den Himmel.

Fels über dem Meer Ob sich hier mit Blick auf den pittoresken Hafen, das Fischerdorf, die vorgelagerten Inseln und das tiefblaue Meer ein Rest des Klettermythos finden lässt?

Bereits in Arco hatte Klaus den Kopf geschüttelt, als er von unseren Zielen hörte. « Warum bin eigentlich nicht ich in den Cinque Terre am Klettern », fragte er sich. Dort unten sei es doch mindestens zehnmal schöner. Ein ausgewachsener Kletterfreak mit Sport- und Wettkampfklettern a.

< ziemlich luxuriösem VW-Camper kann eben nicht mehr einen Sommer lang durchklettern. Klaus'Ferien gingen deshalb ohne eine einzige Seillänge am Muzzerone zu Ende.

Spätnachts fahren wir dann durch dicht bewaldete Hügel zum ausgedienten Fort auf dem Muzzerone und suchen uns dort die Plattformen, die als beliebter Tip zum Outdoor-Über-nachten gehandelt werden.

Aus der Tiefe dringt das Rauschen der unablässig an den Felsen aufschlagenden Wellen empor. Wir rollen uns in unsere Schlafsäcke. Gedanken an die alten italienischen Seefahrer, die um diese Klippen in den Golf von La Spezia schifften, und an die faschistischen Milizen, die sich während des letzten Weltkrieges hier oben einge-bunkert hatten, lassen -verstärkt durch das nächtliche Kerzenlicht -jetzt erstmals eine fast mythische Atmosphäre aufkommen.

Anderntags schauen wir uns das Gelände zunächst einmal näher an. Von verschiedenen Terrassen steigt man über steile Hänge auf gesicherten Wegen und mit Hilfe von Fixseilen meerwärts hinunter. Überall, auch von den ausgesägten künstlichen Felsplattformen, gehen Routen zum Toprope-Klettern aus. Ebenso finden sich aber zahlreiche Bouldermöglichkeiten sowie die eigentlichen Königs-routen, die - im 5. bis zum 8. französischen Grad - 300 m zum Fort auf dem höchsten Punkt emporführen. Möven nisten in den Gesteinshöhlungen und einzelne Barkassen und Sportschiffe fahren der Küste entlang, sonst herrscht in diesen Felsen Totenstille. Selbst einem versierten Kletterer flösst diese unheimliche Ruhe verbunden mit der Wucht, mit der hier die Materien Wasser und Stein sozusagen rechtwinklig aufeinandertreffen, Respekt ein.

Der Muzzerone gehört, neben Finale und Arco, vermutlich zu den grössten Klettergebieten Italiens. Besonders im Sommer, wo ein Seewind angenehme Kühlung bringt, ist man oft mutterseelenallein. Insgesamt scheinen die Routen gut unterhalten zu sein, denn viele Bohrhaken wirken wie neu. Allerdings trifft man auch ab und zu auf von der salzhaltigen Meerluft angerostete Sicherungs- Wildes Campieren verboten. Da reicht es gerade noch für ein gediegenes Frühstücks-Picknick, bevor der Touris-musrummel wieder losgeht.

punkte, die nicht mehr über alle Zweifel erhaben wirken.

Die Zeit vergeht schnell in der Wand. Nach fünf Uhr lockt schliesslich das Bad mehr als eine weitere Seillänge. Noch einmal lässt sich der Klet-terhunger an der Hafenpromenade von Portovenere mit den Erzeugnissen der italienischen Küche verwöhnen: « Cameriere, Spaghetti Vongole und ein Fisch, frisch aus dem Meer, per favore !» Zufahrtswege und Führer Das norditalienische Städtchen Arco am Gardasee erreicht man von der Zentral- und Westschweiz am besten via Mailand und Brescia. Von der Ostschweiz führt der schnellste Weg über den Brenner.

Der Führer Arco - le nouve Falesie d' arrampicata von Diego Depretto ist der unverzichtbare Begleiter im Dickicht der in die Tausende gehenden Klettermöglichkeiten in und um Arco.

Den Muzzerone-Felsen und das Fort, von dem aus man zu den meisten Einstiegen gelangt, steuert man von La Spezia an, indem man Richtung Portovenere fährt. Beim Dörfchen Le Grazie führt die Strasse bergwärts hoch zum Fort. Für dieses Gebiet empfiehlt sich der Muzzerone-Kletterführer von Davide Battistella.

Jost Donauer, Merlischachen

der Gebirgswelt La difesa dell'ambiente

»rotection Ide la montagne

Tourismus: umstrittene künstliche Beschneiung Bei der zum Tourismus-Protokoll gehörenden Frage der künstlichen Beschneiung gelang es, einen Kompromiss zu finden: Vorgesehen ist nun, dass jeder Fall einzeln geprüft wird. Dieser Kompromiss ging Frankreich, das eine völlige Freigabe wollte, zu wenig weit. Für die Umweltschutzorganisationen hingegen werden die von ihrer Seite erhobenen Forderungen damit nicht in ausreichendem Masse erfüllt. Die konkreten Auswirkungen dieses Kompromisses sind zur Zeit allerdings auch noch nicht abschätzbar, weil unklar bleibt, ob auf Grund dieses Kompromisses nun eine wirksame Zulassungskontrolle geschaffen wird, die weiteren Wildwuchs verhindert, oder ob die neue Lösung letztlich sogar zu einer Aufweichung bestehender Beschränkungen führen könnte. Diese Frage wird sich somit erst nach der Umsetzung in die Praxis beantworten lassen, und das Thema bleibt weiterhin aktuell.

Zur Stellung der Alpenschutz-Organisationen Die sich für einen weitergehenden Alpenschutz einsetzenden Nicht-Regierungsorganisationen ( NGO ). " " .1 konnten sich an den Verhandlungen der 4. Alpenkonferenz, zu der nur Regierungsvertreter zugelassen sind, nicht beteiligen.

Um so mehr sind sie in Sorge um die Zukunft des Lebensraumes Alpen. Das ambitiöse Werk Alpenkonvention wird von der politischen Realität immer mehr in die Zange genommen, und man beginnt sich die Frage zu stellen, ob substantielle Erfolge überhaupt noch im Bereich des Möglichen liegen. Oder gilt es jetzt nur noch zu retten, was noch zu retten ist?

Für den Geschäftsführer der Internationalen Alpenschutzkommission CIPRA, Ulf Tödter, müssen die noch nicht geregelten Problemkreise unverzüglich angepackt und einer Lösung zugeführt werden. Mehr noch: »Es muss heute schon an die Umsetzung der Inhalte und Ziele herangegangen werden. Die Alpenkonvention kann nur über Modellpro-jekte und konkrete Massnahmen auf allen Ebenen - insbesondere aber auf derjenigen der Gemeinden - mit Leben erfüllt werden. » Peter Donatsch, Maienfeld

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