Das eidgenössische Banngebiet Diablerets-Muveran
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Das eidgenössische Banngebiet Diablerets-Muveran

Hinweis: Dieser Artikel ist nur in einer Sprache verfügbar. In der Vergangenheit wurden die Jahresbücher nicht übersetzt.

VON DANIEL RUCHET, MONTREUX

Mit 1 Kartenskizze und 4 Bildern ( 93-96 ) Der breite Berggürtel, der sich von den Dents de Morcles bis zum Col du Pillon erstreckt, profitiert in der eigentlichen Jagdzone von einer legenden- und ruhmgekrönten Vergangenheit. Die Waadtländer Alpen haben als ideales Gemswildgebiet, wo die traditionelle Jagdleidenschaft noch durch die aussergewöhnliche Schönheit des alpinen Dekors angefeuert wird, immer passionierte Jäger und eine Menge Naturwissenschafter aufgewiesen, die ihre verborgensten Täler erforscht und beschrieben haben. Die ländliche, oft herbe Atmosphäre der Landschaft hat für die Eingeweihten eine unvergleichliche Anmut und Anziehungskraft. In meiner Eigenschaft als Bergfreund und « Clübler » innig damit verbunden, übe ich hier gegenwärtig einen Teil meiner Berufstätigkeit aus.1 Darum möchte ich versuchen, die hochgelegenen, wildreichen Weiden und die abschüssigen Felsen zu beschreiben, indem ich meinen Eindrücken folge und einige Archivberichte benütze, die sich auf das prächtige, seit dem Jahre 1896 da oben existierende eidgenössische Banngebiet beziehen.

Obwohl dieses Stück Waadtland ganz in der Nähe von zwei grossen Touristenzentren liegt, ist es von Industrie und Fremdenverkehr noch nicht angesteckt worden. Bis jetzt haben sich nur Natur- und Kletterfreunde, von den schönen Kalkwänden angezogen, in diese ruhigen Täler hineingewagt. Zwar besitzt diese Gegend nicht, wie viele andere, liebliche, leicht erreichbare Bergseen, majestätische Gletscher oder sogar Gipfel, die eine Höhe von 4000 Metern erreichen. In manche einsame, an Gemsen reiche Täler wie La Vare, le Cheval Blanc, les Perriblancs, Orgevaux, Châtillon usw. gelangt man nur auf schlechten Wegen. Aber dafür hat dieser Streifen unseres Landes den Vorteil einer malerischen Landschaft und unberührt gebliebenen Lebens. Das unerhört rei- 1 Herr Daniel Ruchet ist Jagdaufseher in den Waadtländer Alpen ( Red. ) che Wechselspiel der geologischen Schichten, die Schönheit der Gliederung bringen wie durch Zauber die wunderbarsten tierischen und pflanzlichen Formen hervor.

Dunkle, aus einer glücklichen Mischung der meisten einheimischen Nadelhölzer gebildete Wälder bedecken in den Tälern die östlichen und westlichen Abhänge bis zu einer Höhe von 1800 Metern. Mit der Zeit sind das Hochwild und die Raubtiere, der Wolf, der Luchs, der Bär wie auch der Lämmergeier daraus verschwunden. Doch belebt diese recht wenig ausgebeuteten Wälder immer noch eine reiche Tierwelt. Auch das Pflanzenreich ist nicht weniger mannigfaltig, denn die intensive Sonnenbestrahlung verleiht ihm an manchen Hängen eine herrliche Buntheit. Ausserdem befinden sich hinten in diesen Tälern die Quellen mehrerer Flussläufe: die Grande-Eau entspringt am Creux-de-Champ, die Gryonne sprudelt aus einer Felswand in Châtillon, die Avançon d' Anzeinde fliesst durch das wilde Gebiet von Solalex, und ihre Schwester, die Avançon de Nant, schäumt von den Ausläufern der prächtigen Landschaft gleichen Namens herunter. So wird jede Region von dem klaren Wasser getränkt, dessen Murmeln noch zur Poesie und Unberührtheit der Umgebung beiträgt.

So viele natürliche Faktoren beieinander konnten nicht verfehlen, die Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen. Prominente Persönlichkeiten aus Jagdkreisen interessierten sich sehr früh für diese Gebiete, und im Jahre 1896 wurde der feste Entschluss gefasst, den Bann über sie zu verhängen, das heisst, ein geschütztes Revier zu schaffen, in dem jegliches Jagen verboten war. Da konnten in Zukunft die Tiere nach der ihnen von jahrtausendealten Naturgesetzen diktierten Art und Weise leben: kein Schuss, kein Jagdhund sollte die Alpenruhe mehr stören und die Gemsherden nicht mehr zur Flucht an einen sicheren Ort getrieben werden. Nun mussten sie nicht mehr über lange Strecken und Felsgrate zwischen den Tälern laufen, um am Leben zu bleiben. Nun konnten die Tiere Tag für Tag im Frieden des Gebirges leben.

Rückblick auf die alten Zeiten Wenn man den alten Berichten glauben darf, gab es einmal eine ausserordentlich glückliche Zeit, in der die Früchte der Erde in reicher Fülle gediehen und die Menschen in höchstem Wohlstand lebten. Damals waren unsere Alpen noch nicht von einer Schnee- und Eisdecke überzogen; die Lawine brachte nicht den Tod, und die Hirten konnten ihre Herden bis auf die höchsten Gipfel zur Weide führen. Die so weit verbreiteten giftigen und für das Vieh gefährlichen Pflanzen waren unbekannt, und niemand musste unter hohen Steuern seufzen...

In diese Epoche muss man wohl mehr als eine der wunderbaren Jagdgeschichten verlegen. Da hatten die Liebhaber von Hochwild und Raubtieren leichtes Spiel. Nach der grossen Zahl von Bären, Luchsen, Wildschweinen, Adlern, Eulen und Gemsen zu urteilen, die im Gedächtnis unserer ganz alten Bergler erhalten geblieben ist, muss es damals von den Dents de Morcles bis zu den Diablerets für die Jünger von Sankt Hubertus eine herrliche Zeit gewesen sein.

Hier ist einer von ihnen, der plötzlich in einer Felsenge am Fusse einer steilen Wand ein Rudel von zweiundvierzig Gemsen sieht, die alle zugleich auf ihn zuspringen. Unser Mann erblickt den Abgrund neben sich und diese toll gewordenen, ihm entgegenstürzenden Tiere und hat nur einen Gedanken: sein Leben zu retten, indem er sich bäuchlings auf den Boden wirft. Das tat er auch, und die zweiundvierzig Gemsen rasten mit furchtbarem Gepolter, aber schnell wie der Wind, über seinen Rücken hinweg. Als der arme Jäger wieder aufstand, konstatierte er mit Schmerzen, dass sein ganz neuer Anzug aus solidem Tuch auf dem Rücken bis auf den letzten Faden abgewetzt war.

An einem anderen Ort entdeckt ein weiterer Sohn Nimrods sieben Hasen auf einmal. Sechs von ihnen werden von der Meute verfolgt, während der siebente es vorzieht, hinter den Hunden herzulaufen. Die sechs ersten werden geschnappt und getötet; der letzte, der schlauste Hase, den es je gegeben hat, läuft wie der Blitz hinter einen grossen Strohhaufen, wo man ihn unmöglich erreichen kann. Er lief so schnell, so wahnsinnig schnell, dass... sein Schatten ihm kaum folgen konnte. Der Jäger, der wilden Jagd müde geworden, konnte ihn aber erst erwischen, als er die Vorsichtsmassnahme ergriff, vor dem Abdrücken den Gewehrlauf umzubiegen.

Übrigens findet man Erzählungen von umgebogenen Gewehrläufen überall. In Villeneuve sprach man noch 1820 von einem echten « Lafaucheux », dem Typ, den der Jäger Bontemps besass. Mit dieser Waffe konnte er von einem Tal ins andere schiessen und sein Ziel über Grate und Gipfel hinweg treffen. So flogen seine Kugeln vom Seeufer bis zur Joux-Verte im Eau-Froide-Tal. Kurz und gut - es handelt sich um ein einfaches ballistisches Problem, dem sich unsere Obersten noch nicht gewidmet haben.., Und es ist auch die Rede von gebogenen Brillen, mit denen man das Wild hinter den Felsen erblicken konnte.

Noch anderswo waren die Hasen so zahm und so zahlreich, dass man sah, wie einige sich im Schatten der Gewehre, die zwei Wilderer an eine Hüttenecke gestellt hatten, versteckten, während diese ihren Durst löschten. Ach, welch glückliche Zeit und wie fern von uns!

Das erste eidgenössische Banngebiet In Tat und Wahrheit war die Schaffung eines eidgenössischen Schongebietes nichts Neues. Von 1882 bis 1895 gab es bereits ein solches im Sektor Rubly—Chaussy, welches das Gebiet zwischen dem linken Ufer der Saane ( von Vanel bis Torneresse und bis zur Biegung bei Etivaz ), der Kantonsstrasse von Les Mosses über La Lécherette und Comballaz bis zur Abzweigung von Champ-Pèlerin, der Kantonsstrasse von Le Rosex und der Berner Grenze zwischen Pillon und Vanel umfasste. Der Beschluss vom 21. August 1894 erlaubt uns festzustellen, dass das gegenwärtige Reservat der Pierreuse schon damals als wildreiches Gebiet galt.

Anderseits waren auch Massnahmen getroffen worden, um eine wirksame Aufsicht über diese Zone auszuüben, denn es gab viele arme Familien in jener Zeit, und das vom Vater oder den Söhnen praktizierte Wildern bedeutete eine willkommene und sehr einträgliche Nahrungsbeschaffung... Deshalb wurde im Februar 1894 vom Militärdepartement, das damals die Waadtländer Jagd verwaltete, die Einsetzung eines Polizeibeamten in Ormonts-Dessus beschlossen. Dieser sollte am l.Mai 1894 sein Amt antreten und als Jagdaufseher des Sektors Rubly-Chaussy den Wildhüter A. Borloz ersetzen. In der Mitteilung hiess es weiter, dass sich der Polizeiposten, wenn möglich, an der Kantonsstrasse zwischen Vers-l'Eglise und Les Diablerets befinden solle. Ferner werde das Gehalt von 1000 Franken für dieses Amt des Jagdaufsehers vom Militärdepartement bezahlt, womit der Polizist eine angemessene Entschädigung für erhöhte Dienstleistung, für seine Bekleidung, seine Dienstreisen usw. erhalte.

Aufhebung der Schutzzone Rubly—Chaussy, Schaffung des gegenwärtigen Banngebietes In einer Botschaft der eidgenössischen Jagdinspektion heisst es ausdrücklich: « In Anbetracht der aussergewöhnlichen Situation des Bezirkes Pays-d'Enhaut kann man es nicht verantworten, dieses Banngebiet Rubly-Chaussy für eine weitere Periode von fünf Jahren aufrechtzuerhalten; das würde bedeuten, dass man die Bevölkerung fast der gesamten Jagd berauben und das Wildern immer mehr begünstigen würde. Es gibt auch viele Weiden und relativ wenig Unterschlupf für das Hochwild. Naye kann kaum mehr einbezogen werden; seit die Lokomotive alle Tage hinauffährt, hat das Wild beträchtlich abgenommen. So ist es auch mit Javerne und Morcles wegen der Befestigungen, Militärkurse und häufigen Schiessübungen. Wir schlagen vor, den Schonbezirk Dia- blerets-Muveran zu wählen, der von den Walliser und Berner und im Westen von natürlichen Grenzen umgeben wäre. Dieses sehr gebirgige Gelände eignet sich für die Erhaltung des Wildes; es ist leicht zu überwachen und hat trotz des angrenzenden Walliser Gebietes anlässlich der ersten Bannsetzung gute Resultate gezeitigt. Im Gegenteil, es diente den auf Walliser Boden gestellten und gejagten Gemsen sogar als Zuflucht. » Am 14.August 1896 ratifiziert die waadtländische Regierung diese Wahl; das Banngebiet Diablerets-Muveran ist geboren und ohne grosse Veränderungen bis zum heutigen Tag erhalten geblieben.

Aber kehren wir einen Augenblick zum ursprünglichen Sektor Rubly-Chaussy zurück, der von 1891 bis 1896 gebannt war. Am 31. August 1896 hat dieses Schongebiet auf eidgenössischer Ebene aufgehört zu existieren. Die Kantone können nach Belieben Dispositionen treffen, um die während der ihnen passenden Zeit offene Jagd zu überwachen. Seit diesem Tag werden die Kosten für die Wildhut des aufgegebenen Sektors nicht mehr vom Bund, sondern ausschliesslich vom Kanton bestritten. Da dieses Gebiet während fünf Jahren gebannt war, ist es wichtig, das Wild bei der Eröffnung der Jagd nicht einfach abschlachten zu lassen. Aus diesem guten Grund ist im Plan zum Beschluss der Jagderöffnung von 1896 vorgesehen, dass die Gemsjagd nur zwölf Tage dauern und am 12. September geschlossen werden solle. Aber man müsse die Wildhut über dieses Gebiet bis zum Ende der allgemeinen Jagd ausüben. Der zum Aufseher des Sektors Diablerets-Muveran ernannte Polizist Marlétaz könne auch seinen alten Wirkungskreis überwachen.

Und dann fand eine letzte eidgenössische Inspektion statt, da man das in fünf Jahren Schonzeit erzielte Resultat prüfen wollte, bevor die Gewehre wieder knallen würden. Nach den Aufzeichnungen ist die Inspektion des Banngebietes Rubly-Chaussy am 2., 3. und 4. Juli 1896 von Herrn Eugen von Jenner, in Begleitung des Dienstchefs und des Försters des Kreises 2, Herrn Decoppet, durchgeführt worden. In einem wunderschön geschriebenen Rapport wird uns mitgeteilt, dass das Wetter am 3. Juli sehr regnerisch gewesen und man nicht über den Rubly hinausgekommen sei; die Exkursion habe über den Cananéen, die Pierreuse, hinauf zum Col de Base und am Nachmittag nach Evitaz hinuntergeführt. Dauer der Inspektion: zehn Stunden. Man habe drei Gemsen an verschiedenen Orten beobachtet...

So endet die Geschichte des ersten eidgenössischen Banngebietes Rubly—Chaussy. Nach der Prüfung dieser kurzen Aufzeichnungen scheint es, dass es nicht mehr, sondern eher weniger Wild gab als in manchen Tälern heute. Was die Jagd anbetrifft, weine ich der guten alten Zeit keine Tränen nach, auch wenn gewisse Chronisten anderer Meinung sind; das nützt nichts, denn in Wirklichkeit muss man jetzt für die Zukunft arbeiten, wenn es um Gesetze, Schiessverordnungen, Wiederbesetzungen, in einem Wort, um die Jagdverwaltung geht. Wir setzen gegenwärtig überall in den Alpen den Steinbock wieder ein, im Jura die Gemse, im Pays-d'Enhaut das Murmeltier, in den Alpen sogar den Luchs, und nie hätte früher jemand an diese Art von Arbeit gedacht oder die Möglichkeit gehabt, sie auszuführen. Nie rührte auch nur jemand den kleinen Finger, als die Steinböcke, Adler, Bären, Biber aus unseren Bergen und Wiesen verschwanden. In noch früheren Zeiten, unseres Wissens um 1450, zahlte es ein aufgeklärter Förster mit seinem Kopf, als er einen Schutzplan für die Hochwälder aufstellen wollte. Nein, ich glaube nicht, dass die Vergangenheit auf diesem Gebiete so vorbildlich ist, wie wir es in der Schule gelernt haben...

Jetzt treffen sich an den oben erwähnten Orten jedes Jahr eine Menge Jäger, die auf die dunkelhaarigen Gemsen aus sind. Und vielleicht trägt die weise Jagdverwaltung des vergangenen Jahrhunderts, in deren Genuss das Pays-d'Enhaut kam, zu ihrem Vergnügen bei, wenn sie am Abend nach einem mühsamen Marsch den schönsten Bock ihres Lebens an der Hütte aufhängen...

Seit dem 14. August 1896, als das Banngebiet geschaffen wurde, mussten seriöse und kompetente Jagdaufseher ernannt werden, um seine zahlreichen Täler zu beaufsichtigen. In einem Brief vom 19. August heisst es:

« Für diese Aufsicht werden vier Jagdaufseher, drei zivile und ein Gendarm, angestellt. Ihr Gehalt wird sich auf total 3700 Franken pro Jahr belaufen; sie können sich gegen Unfall vom 1. September an für ein Jahr versichern lassen, und zwar zu folgenden Bedingungen: 3000 Franken im Todesfall, 4500 Franken bei Invalidität und 3 Franken Taggeld bei Krankheit. » Das war gar nicht so schlecht für jene Zeit...

Die vier Jagdaufseher waren bald angestellt, da sich sehr viele Bewerber gemeldet hatten, unter anderen Bergführer, Förster und... Wilderer!

Bis 1965 gab es keine ständigen Aufseher, sondern vor allem Polizisten, die das Banngebiet zu überwachen hatten. Während dieser langen Zeit haben sich mehrere Gendarm-Generationen auf den Posten von Gryon, Plans und Diablerets abgelöst, und von vielen sprechen die Bewohner jener Berggegend mit ehrlichem Respekt. Die einfache Erwähnung eines Namens löst Erinnerungen an Geschichten von sagenhaften Verfolgungen durch gewisse Weiden oder benachbarte Wälder aus, bei denen oft der Wilderer samt Beute und Waffe geschnappt wurde...

Dann wurde am 26. Mai 1965 das neue Jagdgesetz im Kanton Waadt eingeführt, das neben anderen Verbesserungen die Einsetzung von sechs ständigen Jagdaufsehern für das ganze waadtländische Gebiet vorsieht. Gegenwärtig wird ein Aufseher vollamtlich beschäftigt, und drei Polizei-beamte widmen einen Teil ihrer Zeit den Überwachungsaufgaben im Banngebiet. Aufseher und Polizisten führen Zählungen durch und kontrollieren sorgfältig den Gesundheitszustand des ihrer Pflege anvertrauten Wildes.

Eine wenig überzeugende Inspektion Weiter oben haben wir gesehen, dass 1887 ein erster Versuch zur Bannung des Sektors Diable-rets—Muveran gemacht worden war. Ein von Herrn von Gross abgefasster Rapport aus Bern vom Oktober 1889 lautet diesbezüglich:

« Am 26. Oktober begaben wir uns von Bex aus nordwärts bis nach Les Plans, wo uns der Aufseher Cherix erwartete. Nach einer kurzen Rast brachen wir nach dem Bezirk Morcles auf, der im Südwesten liegt, und bei den Hütten von Javerne trafen wir den Aufseher Nicoulaz; beim Croix de Javerne hatten wir einen Ausblick auf den Bezirk Morcles und das Rhonetal. Ich inspizierte die Ausrüstung und die Dienstbüchlein des Hüters Nicoulaz, worauf dieser seinen Rundgang Richtung Mordes fortsetzte. Den Rückweg nach Les Plans nahmen wir über Châtillon. Nachdem wir am nächsten Morgen Pont de Nant passiert hatten, gingen wir dem rechten Ufer der Avançon entlang, zwischen Pointe rouge und den beiden Muverans hindurch, bis zu den Hütten von Nant, hinten im Tal. Nach kurzem Halt kehrten wir auf dem gleichen Weg nach Les Plans zurück.

Trotz der für die Gemsen günstigen Stellen und trotz der Behauptungen mancher Leute, sie sähen jeden Tag solche Tiere, haben wir weder gestern noch heute welche gesichtet. » Hier müssen wir diesen Rapport einen Augenblick unterbrechen, um einige Erklärungen über die Seltenheit des Wildes in jenem Jahr 1889 abzugeben. Halten wir zuerst fest, dass weder die Route, die Herr von Gross genommen, noch die Zeit, die er gewählt hat, eine für Gemsen oder anderes Wild günstige Beobachtung ermöglichte. Wenn man sich mitten am Tag hinten in ein Tal verkriecht, sieht man keine Tiere

Aber der Hauptgrund war der, dass während langer Zeit, von 1840 bis 1860 ( Diana, verhülle dein Angesicht !) das Jagen von Steinböcken und Gemsen gratis und an allen Tagen des Jahres ohne Patent gestattet war. Unglaublich, aber wahr! Diese Verirrung erklärt leicht das vollständige Aussterben des Steinbockes, der sich in den Alpen, wo er einst sehr verbreitet war, zu sicher fühlte, sowie die äusserste Seltenheit der Gemsen, sogar noch 1889. Eugène Rambert sagt in einer seiner Erzählungen über die Waadtländer Alpen auch, dass die Gemsen im Jahre 1846 als wilde Tiere betrachtet wurden und wie Wölfe und Bären von jedermann und zu jeder Zeit gejagt werden konnten. Und Rambert fügt noch hinzu:

« Aber die Bewohner von Les Plans sind nichtsdestoweniger grosse Wilderer, und sogar wenn sie das Gesetz befolgen, haben sie in ihrem Verhalten etwas, das ihre Gewohnheiten verrät... » Es ist keineswegs nötig, näher auf diese saftige Bemerkung einzutreten.

Aber lesen wir den Rapport von Herrn von Gross fertig:

« .Anderntags, im Morgengrauen, machten wir uns auf den Weg und gelangten über abgeteilte Landstücke und Weiden zum Croix-Pass. Wir befanden uns gerade gegenüber der Diablerets-Gruppe und konnten eine prächtige Aussicht geniessen. Dann gingen wir gegen Ormonts-Dessus hinunter, wo wir nach einer Stunde sehr mühsamen Abstiegs ankamen. Wir haben auch auf diesem Rundgang keine Gemsen gesehen; ich glaube, der Grund ist teilweise in der Tatsache zu suchen, dass der Bergheuet begonnen hatte, was die Gemsen zwang, ruhigere Stellen aufzusuchen. » Zu jener Zeit war das Bergsteigen noch nicht geboren... wenigstens nicht für die ehrenwerten Inspektoren des eidgenössischen Jagdamtes. Und müde musste Herr von Gross nach Bern zurückkehren, ohne eine einzige Waadtländer Gemse entdeckt zu haben...

Das Ziel ist erreicht Durch die Errichtung dieses schönen und fruchtbaren Reservates Diablerets-Muveran ist also Artikel 15 des eidgenössischen Jagd- und Vogelschutzgesetzes in glücklichster Weise Nachachtung verschafft worden. Dieser Paragraph sagt folgendes aus:

« In Kantonen mit Patentsystem sind zum Schutze des Wildes Bannbezirke ( Freiberge ) von angemessener Ausdehnung auszuscheiden.

Diese Bannbezirke stehen unter der Oberaufsicht des Bundes. Eine bundesrätliche Verordnung setzt die Grenzen fest, ordnet eine strenge Wildhut an und stellt die nach den Umständen und der Lage der Bannbezirke nötigen Bestimmungen zum Schutze und zur Pflege des Wildes auf. » Ist das nicht eine gute Waffe für die Beschützer unserer Alpenfauna?

( Übersetzung E. Busenhart )

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