Der Hochgebirgstourismus im Jungfrau-, Wetterhorn- und Gauligebiet
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Der Hochgebirgstourismus im Jungfrau-, Wetterhorn- und Gauligebiet

Im Rahmen des weltweiten UNESCO-Forschungsprogrammes MAB ( Man and Biosphère - Mensch und Umwelt ) werden seit dem Frühjahr 1979 in Grindelwald die Beziehungen zwischen Natur, Berglandwirtschaft und Fremdenverkehr untersucht. Dabei stehen unter anderem die Fragen im Mittelpunkt, wie stark der Mensch die Natur belastet und wie weit sie belastbar ist.

Hinweis: Dieser Artikel ist nur in einer Sprache verfügbar. In der Vergangenheit wurden die Jahresbücher nicht übersetzt.

- Analyse der Hochgebirgstouristen

- Belastung von Hütten und Routen

- Bedeutung für die Region

Die Untersuchung beruht auf der Auswertung einer Fragebogenaktion, durchgeführt im Sommer 1979 in neun Unterkünften der östlichen Berner Hochalpen. An der Umfrage beteiligten sich 1200 Hochgebirgstouristen (26% aller Hüttenbesucher).

Ausgewählt wurden die Rottal-, Silberhorn-, Guggi-, Konkordia-, Gleckstein-, Dossen- und Gaulihütte des Schweizer Alpen-Clubs sowie die Mönchsjoch- und Mittellegihütte des Bergführervereins Grindelwald. Sie liegen alle in den Tourengebieten rund um die Jungfrau, den Mönch, den Eiger und das Wetterhorn. Eine räumliche Übersicht geben die Aktivitätskarten ( vgl. S. 138-139 ) zu Kapitel 9.

Als weitere Grundlagen dienten die Angaben in den Hüttenbüchern und die alljährlich erscheinenden Übernachtungsstatistiken der Schweizer Alpenclubhütten.

1981 wurden in der Schweiz 78 Millionen Logiernächte registriert. In hochalpinen Unterkünften zählte man etwa 300 000 Übernachtungen. Trotz diesem geringen Anteil von 0,36% handelt es sich dabei aber nicht einfach um eine Einheit von einigen tausend Bergsteigern. Die durch die Umfrage erfassten Hüttenbesucher lassen sich auf Grund der Bergsportarten, die sie im Laufe eines Jahres betreiben, in drei Gruppen einteilen:

- Der Gebirgswanderer ( Aktivitätstyp 1 ) unternimmt weder Hochgebirgs- noch Felsoder Skitouren, er beschränkt sich auf Hüttenbesuche. Gesamtanteil 8%

- Der Sommerbergsteiger ( Aktivitätstyp 2 ) ist nur im Sommer auf den Alpengipfeln anzutreffen. Gesamtanteil 45%

- Der Ganzjahresbergsteiger ( Aktivitätstyp 3 ) ist auch im Winterhalbjahr unterwegs - auf Skiern und in der Regel in den Voralpen wie im Hochgebirge. Gesamtanteil 47%

Reine Felstouren werden von 43% aller Hochgebirgstouristen durchgeführt ( Fig. 1 ). Mehr als zwei Drittel dieser Kletterer gehören dem dritten Typ an, und drei von vier Felsgängern wissen sich im vierten oder fünften Schwierigkeitsgrad zu bewegen. Diese Tatsachen wirken sich entscheidend auf die Tourenwahl der Bergsteiger aus ( Kap. 8 ).

Wo bleiben der erste und der zweite Grad? In der Selbsteinschätzung der Klettertüchtigkeit sind sie gar nicht erst erwähnt worden. Das eigentliche Klettern beginnt nach einheitlicher Meinung aller Bergsteiger erst beim dritten Grad. Die UIAA-Skala ist um zwei Stufen ärmer geworden.

Übervertretung der älteren Generation lautete das ernüchternde Fazit der Leserumfrage 1982 zur Neugestaltung der ( ALPEN ) ( MB 9/82, S. 197 und S. 200 ). Die Hochgebirgsumfrage 1979 ergab ein ganz anderes Bild. Hier gehörten mehr als 60% der Antwortenden den Altersklassen unter 35 Jahren an ( Fig. 2 ), bei der Leserumfrage waren es dreimal weniger.

Dass sich die Reihen der Aktiven mit zunehmendem Alter lichten, ist weiter nicht erstaunlich, wenn bereits die Zwanzigjährigen erleben, wie sich gleichaltrige Kameraden vom Bergsport zurückziehen. Familiäre und berufliche, später auch gesellschaftliche und gesundheitliche Umstände können Ursachen dafür sein. Zu berücksichtigen ist auch, dass es heute mehr Hochgebirgstouristen gibt als vor zehn Jahren, und damals mehr als vor zwanzig Jahren usw. ( Kap. 6 ). So ergibt sich zwangsläufig eine Schrumpfung der höheren Altersklassen.

Die Altersstrukturen der einzelnen Aktivitätstypen sind der grossen Datenmenge wegen nicht dargestellt. Trotzdem sollen im folgenden einige Schlüsse festgehalten werden, die sich aus den unterschiedlichen Strukturbil-dern ziehen lassen.

Wie werde ich Bergsteiger? Bis ins 15. Lebensjahr nehmen mich Eltern und Bekannte auf Hüttenwanderungen mit ( Typ 1 ). Mit dem Ende der Schulzeit trete ich einer SAC-Jugendorganisation, einer AV-Jugendgruppe oder den Naturfreunden bei ( Typ 3 ). Erwacht mein Interesse für die Berge erst später, kann ich in einer Bergsteigerschule eine Sommertourenwoche absolvieren ( Typ 2 ) oder mich der Führung eines erfahrenen Kameraden anvertrauen. Danach werde ich Mitglied einer alpinen Vereinigung, bei der ich auch die Faszination des winterlichen Gebirges kennenlerne ( Typ 3 ).

Der beschriebene Typenwechsel findet in den ersten drei Altersklassen statt. Er endet aber nicht gezwungenermassen beim dritten Typ, da ja der Sommerbergsteiger fast die Hälfte aller Hochgebirgstouristen ausmacht.

In der Altersklasse mit dem grössten Gesamtanteil widerspiegelt sich der Umstand, dass Schüler, Lehrlinge und Studenten die grösste Berufsgruppe darstellen ( 27% ). Es folgen öffentliche und kaufmännische Angestellte ( 19% ), Lehrer ( 8% ), Ingenieure ( 8% ), Handwerker ( 7% ), Mechaniker ( 5% ), Hausfrauen ( 4% ), Krankenschwestern ( 2% ) und eine ganze Reihe weiterer Berufe ( 20% ).

Wer in der Nähe der Berge wohnt, vermag Wetterlage und -entwicklung besser abzuschätzen und wird damit die Touren kurzfristig planen und durchführen. Eingesparte Zeit durch die kurze Anreise wiederum kann in mehr Unternehmungen umgesetzt werden. So sind auf der Tourenliste die <Grossen> bald einmal gestrichen, und man wendet sich auch den ( Bescheidenen ) zu. Dazu eignen sich besonders die Tourenwochen. Sie werden eher von Schweizern durchgeführt und prägen die saisonalen Schwankungen entscheidend mit ( Fig.3 ).

In den Zahlen der Gaulihütte manifestiert sich der zu Beginn des Kapitels beschriebene Auswahlprozess. Schlüsselt man die Herkunft nach Kantonen und Ländern auf, so lassen sich die östlichen Berner Hochalpen als Tourengebiet der nahegelegenen Deutschschweiz und des angrenzenden süddeutschen Raumes erkennen. Als interessante Einzelheit sei herausgegriffen: 1921 hat ein japanischer Prinz unter der Führung von drei Grindelwalder Bergführern den Mittellegigrat erstbestiegen, kurz danach auch gleich noch die Hütte gestiftet und damit den Grundstein zu einer Wallfahrtstour für fernöstliche Bergsteiger gelegt.

Im Gegensatz zu den Schweizern gehören die Ausländer zu einem guten Teil dem ersten und zweiten Aktivitätstyp an. Damit ist der hohe Gesamtanteil des Sommerbergsteigers ( Kap. 2 ) begründet. Nun stellt sich noch die Frage, weshalb sich nur wenige der Bergfreunde aus gebirgsfernen Wohnorten auch dem Skitourenlauf verschrieben haben. Die Begründung ist vielschichtig. Vorerst muss festgehalten werden, dass der SAC in den Voralpen keine Unterkünfte im hochalpinen Sinn ( freier Zugang ) betreibt. Deshalb werden Voralpenskitouren vorwiegend eintägig durchgeführt und schliessen längere Anfahrtswege aus. Nun schafft aber erst diese hochwinterliche Sportart die Voraussetzungen für die mehrtägigen Skihochtouren im Frühjahr. Kondition lässt sich immer und überall trainieren, Tiefschneefahren jedoch nicht. So wird denn der Bergurlaub von vielen Leuten umständehalber im Sommer angesetzt.

Für die Region von Bedeutung sind diejenigen Gäste, welche das touristische Angebot nutzen, vorab in der Belegung der Übernachtungsmöglichkeiten ( Hotels, Ferienwohnungen, Camping ). Zu dieser Gruppe: <Ferien in der Region - Abstecher in die Berge> gehört immerhin ein Drittel der Befragten. Sie sind mehrheitlich bei den ersten zwei Aktivitätstypen zu finden, also den ausländischen Gästen zuzurechnen. Ihre bevorzugten Aufenthalts- orte befinden sich in den Lütschinentälern, was sich wiederum auf die Herkunftsverteilung in den Hütten auswirkt ( Tab. 1 ).

Das Entwicklungsgeschehen im Alpinismus der letzten zwei Jahrzehnte ist geprägt von mehr Freizeit, mehr Touren, grösserer Erfahrung, schwereren Routen und einer ständig verbesserten Ausrüstung. Die drei Grafiken in diesem Kapitel zeigen aber, dass sich ein eigentlicher Aufschwung nur in bestimmten Tourengebieten durchgesetzt hat.

Veränderungen im grossen - sichtbar bei der Konkordia- und Gaulihütte. Organisierte Gletscherwanderungen und Skifahren sind zu Zugpferden des Hochgebirgstourismus geworden. Die Entwicklung ist noch in vollem Gange.

Die Glecksteinhütte, bis zum Gaulineubau 1979 Nummer eins im Wetterhorngebiet, ist Beispiel für ein ausgewogenes Wachstum einer Sommerhütte. Zusammen mit der Unterkunft am Faulbergsporn ( Konkordia ) profitiert sie noch heute von der Berühmtheit, die das Gebiet mit seinen hohen und markanten Gipfeln in den Anfängen des Alpinismus erlangte.

Bei der Dossenhütte ist festzustellen, dass sich der Rückgang der Besucherfrequenzen seit 1976 noch verstärkt hat, nachdem das Rosenlauibiwak erstellt wurde.

In Mode gekommen sind nicht nur die kombinierten Anstiege, wie etwa der Rottalgrat, sondern mit etwas Verspätung auch die Eistouren durch die Ebnefluh-Nordwand und über den Mönchsnollen. Trotzdem entwickelt sich der Betrieb im Rottal und am Silberhorn wieder zurück - offensichtlich eine Folge der Warnungen, die seit den schweren Eislawinenunfällen im Silberlauitobel in den <ALPEN> publiziert werden. Der Rückgang begann zufälligerweise gerade, nachdem die Rottalhütte auf Grund der Entwicklung 1965-74 erweitert worden war. Veränderungen im kleinen - ein vernetztes System, in dem sich viele unscheinbare Beziehungen verborgen halten.

Jahresschwankungen ( Fig. 6 ) ergeben sich vor allem durch den Einfluss des Wetters. Sie verlaufen deshalb bei den meisten Hütten im gleichen Jahr in derselben Richtung. Setzen sich die Werte aus Sommer- und Wintersaison zusammen, entsteht ein sehr bewegtes Kurvenbild. Platzzahlveränderungen spielen gegebenenfalls auch eine Rolle: Reduktion wegen Umbau ( Konkordia 1976 ) und Erweiterung durch Neubau ( Gauli 1979 ). Als Besonderheit sind die Anstiege der mittleren Kriegs-

Ein regnerischer Samstag drückt am stärksten auf die Belegungen ( 6. und 7. ). Lauten die Wetterprognosen für Sonntag ungünstig, wird am Samstag trotzdem zur Hütte aufgestiegen, denn es reicht am Sonntagmorgen möglicherweise noch für eine kleinere Tour ( 1. ). Liegt ein Samstag inmitten einer Schlechtwetter- période, wird wiederum verzichtet, vor allem dann, wenn Neuschnee bis auf 2000 Meter hinunter gefallen ist ( 8. ).

In der 2. Woche weilen offensichtlich viele Leute ausserhalb der Berge in den Ferien. Der Ansturm beginnt erst richtig bei fortgeschrittener Ausaperung der höheren Regionen.

Bezieht man die Übernachtungen auf die vorhandenen Schlafplätze, so ergibt sich die Hüttenbelastung einer einzelnen Nacht ( Fig. 8 ). Der Grossandrang an Samstagen kann im Einzelfall noch höher sein und bis zur Überbelegung führen. So werden <überfüllte Hütten ) sprichwörtlich hautnah erlebt. Die weitverbreitete Ansicht, auch Bergsteigen sei bereits zum Massensport geworden, ist also zum Teil begründet, umsomehr, wenn man bedenkt, dass das samstagabendliche Gedränge seine Fortsetzung am Sonntag auf dem Weg zum Gipfel findet ( Näheres dazu in Kap.9 ).

Grenzen der Belastbarkeit in Hütten

Dieser aktuellen Frage soll am Beispiel der Gleckstein- und Mittellegihütte nachgegangen werden, nachfolgend in bezug auf die Platz-'Juli Mittellegihütte August

nun

Glecksteinhütte

minori-

7.8.So bis Fr Sa Fig.8a. Übernachtungen 1.7.15.9.1979 verhältnisse und in Kapitel 9 auf den Tourenbetrieb.

Für grobe Kapazitätsberechnungen kann die offizielle Anzahl der Schlafplätze nach dem SAC-Clubhüttenführer verwendet werden. Genauere Grenzwerte könnten nur durch aufwendige Messverfahren ermittelt werden:

- Normbreite einer Liegestelle 90 cm ( schwankt je nach Hütte beträchtlich ).

- Reduktion bei Überbelegung auf 60 cm. Dies ergäbe einen Kapazitätsspielraum von 50%, für die Glecksteinhütte 150, bei der Mittellegihütte 21 Dichtschlafplätze.

- Notschlafplätze auf den Bodenflächen von Schlafräumen, Fluren und Aufenthaltsräumen.

Gerade diese Flächen entscheiden, ob eine Hütte eine zwei- oder dreifache Überbelegung zu verkraften vermag. Solche Spitzen sind heute Wirklichkeit, entweder als Normalfälle bei den bisaisonalen Unterkünften an Ostern oder Pfingsten ( Abschluss und Höhepunkt der Skitourensaison ) oder zufälligerweise als Aus- September Anzahl Schlafplätze 14 _Q 100 50 11.Woche nähme bei allen Hütten, weil der Touristenstrom bis jetzt noch nicht genügend gelenkt werden kann ( telefonische oder schriftliche Anmeldung empfohlen, aber nicht erforderlich, wie beispielsweise in französischen Refuges ).

Angesichts von Figur 8a wird es klar, weshalb nun bei Um- oder Neubauten das Fassungsvermögen der Aufenthaltsräume gegenüber früher gebührend berücksichtigt wird. Es ist viel wichtiger, dass z.B. in der Glecksteinhütte bei angenommen 50 Sitzplätzen für alle Besucher an 70 von 77 Tagen ein Sitzplatz zur Verfügung steht, als dass sich die Anzahl der Normal-Schlafplätze nach einer absoluten Wochenendspitze richtet. Auf Notliegen lässt sich nicht schlechter übernachten als in dicht-belegten Schlafräumen, eine Flasche Wein aber kauft man dem Hüttenwart erst ab, wenn sie in die gemütliche Runde am Hüttentisch eingebracht werden kann.

Für Unterkünfte mit zuwenig Aufenthaltsraum ist sogar eine Reduktion der Schlaf- zugunsten der Sitzplätze denkbar. Umverteilen statt Erweitern, eine zeitgemässe Methode.

Die Zugänge zur Guggi- und Mittellegihütte werden in der alpinen Führerliteratur nur berggewohnten Gängern empfohlen. Sie liegen ausserhalb des Interesses der Gebirgswanderer.

Die Anstiege auf den Mönch und die Jungfrau von der Guggihütte aus, alle schwierig und lang, werden hauptsächlich von den Ganzjahresbergsteigern ausgeführt. Die Mehrzahl der Sommerbergsteiger bevorzugt die leichteren Routen der Südseite.

Als klassische Westalpentour zieht der Mittellegigrat vermehrt auch Bergsteiger des zweiten Typs an.

Eine überdurchschnittliche Anzahl Gebirgswanderer ist auf den Gletscherwanderungen zur Konkordiahütte anzutreffen. Die bergsportliche Charakterisierung von Typ 1 ( Kap. 2 ) enthält also auch eine bergsteigerische Komponente.

Typ 3 zieht es vor, die grossen Gletscher-distanzen des Konkordiagebietes im Frühjahr auf Skiern zurückzulegen.

Gepflegter Hüttenweg, eindrucksvolle Landschaft, direkte Lage zu Grindelwald und Anwesenheit des Hüttenwartes machen die Glecksteinhütte zu einem Ausflugsziel ersten Ranges. Diese Gebirgswanderung wird deshalb oft auch als Tagestour durchgeführt.

Mit Übernachtungszahlen allein lässt sich noch kein vollständiges Bild vom eigentlichen Tourenbetrieb machen. Aufschluss darüber geben erst die beabsichtigten und meistens auch durchgeführten Gipfelbesteigungen. Figur 9 ist die grafische Darstellung der Tabelle 3, zusätzlich nach beabsichtigter Tätigkeit aufgeteilt ( Gipfelbesteigung oder nicht ). Es fällt auf, dass es auch Bergsteiger gibt, die keinen Berg besteigen wollen, beim zweiten mehr als beim dritten Typ. Immerhin lässt sich erkennen, dass die rechte Seite insgesamt deutlich überwiegt. Im Durchschnitt sind es denn auch 70% aller Hüttenbesucher, die eine Gipfelbesteigung beabsichtigen.

Routen sind besonders auf Engpässe hin zu untersuchen. Offenes, breitangelegtes Gelände bietet meistens genug Ausweichmöglichkeiten und vermag fast jedem Grossandrang standzuhalten. Es bleiben die An- und Abstiege, die über längere Strecken schmale und dementsprechend stark kanalisierende Stellen aufweisen. Hier können schon zwei Seilschaften zuviel sein, vor allem dann, wenn die hintere schneller ist oder die obere Steine auslöst. In den Aktivitätskarten sind die besonders gefährdeten Stellen festgehalten: Rottalsattel und Rottalgrat an der Jungfrau, Mönch von Süden wie von Norden, Mittellegigrat, Willsgrätli am Wetterhorn. An solchen Stellen bricht in Warteschlangen bei einigen manchmal die Ungeduld durch und verleitet nicht selten zu gefährlichen Überhol- oder Ausweichmanövern.

Abkürzung im Abstieg war im Rottalsattel 1966-81 für 26 Menschen tödliches Verhängnis ( <alpen></alpen>

In Unkenntnis der Routenführung lassen sich am Wetterhorn immer wieder Leute in die firnbedeckten Couloirs der Glecksteinseite abdrängen. Im Gegensatz zum felsigen Willsgrätli mit natürlichen Sicherungspunkten sind die Eisrinnen aber viel heikler und führen oft genug zu schweren Unfällen ( Auskunft von Joh. Kaufmann, Hüttenwart Gleckstein ).

15 Bergsteiger am Mönchsnollen - das bedeutet für die letzte Seilschaft drei Stunden Wartezeit am Fusse des Eiswulstes ( vom Verfasser selbst erlebt ). Lange Wartezeiten können dann dazu führen, dass der vorgerückten Tageszeit wegen auf eine Gipfelbesteigung verzichtet werden sollte ( Gewitter, Nebel ).

Der Rotbrettgrat und die Silberhorn-Nord-wand werden sehr selten begangen. Für die meisten Besucher ist die Silberhornhütte selbst das eigentliche Tourenziel, der <Gipfel>! So gesehen, werden ihre wilden, langen Hüttenanstiege zu einer selbständigen Bergtour.

Grenzen der Belastbarkeit auf Routen

Am 30. August 1981, einem wolkenlosen Sonntag, stehen wir bei Sonnenaufgang im Südlichen Eigerjoch. Von hier aus lässt sich die West-Ost-Gratlinie des Eigers bestens einsehen. Am Westgrat steigen bereits zwei Seilschaften ab. Im Verlauf der nächsten vier Stunden zähle ich zwischen Mittellegihütte und Eigergipfel 100 bis 150 Personen. Die Beobachtung ist ein glücklicher Zufall und kann folgendermassen gedeutet werden:

- Die Tour ist versierten Bergsteigern vorbehalten. 80% sind Kletterer.

- Königer/Munter zur Mittellegihütte1: <lm></lm>

- Es kann eine weitere Möglichkeit gewählt werden: Übernachten auf der Kleinen Scheidegg, Frühzug zum Eismeer.

- An den schwierigsten Stellen sind fixe Seile angebracht, im Abstieg Eisenstangen ( ( ALPEN ) MB 1/80 ).

Aus diesen Gründen wickelt sich der Betrieb trotz hoher Begehungsfrequenz gestaffelt und flüssig ab, längere Wartezeiten bleiben aus. Die Grenze der Belastbarkeit dieser Route liegt weit über dem Fassungsvermögen der Hütte, was als absolute Ausnahme zu betrachten ist, wenn man die auftretenden Schwierigkeiten miteinbezieht.

Das Ziel der meisten Bergsteiger in der Glecksteinhütte ist stets das Wetterhorn, an kritischen Tagen für 50 bis 80 Personen. Da in dieser Grosshütte jedermann mit einem Schlafplatz rechnen kann, stellt sich auf der Tour keine natürliche Staffelung ein wie am Eiger. Das Gegenteil ist der Fall. Jeder möchte als erster am Einstieg zum Willsgrätli sein, und so kommt es hier innert kürzester Zeit zu einem Gedränge.

Anstatt nun theoretische Grenzwerte einer vernünftigen Belastbarkeit solcher Routen zu berechnen, die sowieso noch und noch überschritten werden und mit denen demnach in Wirklichkeit nicht gearbeitet werden kann, ist es sinnvoller, nach Massnahmen zu suchen, deren Verwirklichung einen staudämpfenden Effekt aufweisen:

- Anbringen von Stangen zur schnellen Selbstsicherung und als Wegweiser auf allen stark begangenen mittelschweren Routen.

Zu Beginn der siebziger Jahre hat man damit begonnen, aber nicht konsequent weiter gefahren. Klassische Stellen: Jungfrau in den Felsen oberhalb Rottalsattel und neuerdings im Firnquergang, Blümlisalphorn, Weisse Frau. Wenn solche Hilfsmittel einmal auch am Willsgrätli vorhanden sind, sollte es nicht mehr vorkommen, dass eine der letzten Seilschaften den Anschluss an die absteigende 1 Hochgebirgsführer « Berner Alpen », Bergverlag Rudolf Rother, München 1976. S. 175 Kolonne verliert, sich im aufkommenden Nebel versteigt, erst um 20 Uhr in der Hütte eintrifft und eine Stunde später noch nach Grindelwald absteigen muss, nachdem sich eine Teilnehmerin vom Schock und der Erschöpfung erholt hat.

- Herrichten von Varianten zur Normalroute. Solche bestehen vielerorts seit langem, waren früher sogar die Wege der ersten Begeher, sind aber oft wieder in Vergessenheit geraten. Am Wetterhorn bietet sich die Route über den Hick an.

- Herrichten der noch nicht oder nicht mehr versicherten schwierigen Stellen oder Routen mit Stangen und Seilen für die erfahrenen Bergsteiger.

Klassische Stellen: z.B. Mittellegigrat, Rottalgrat, Rotbrettgrat, Galletgrat am Doldenhorn, Bös Tritt am Gspaltenhorn.

Möglichkeiten am Wetterhorn: Wiederan-bringen der Seile am Westgrat, Einrichten der felsigen Stellen am Nordgrat.

- Füllen einer Marktlücke im alpinen Bild-bandsektor: Vorstellen von bisher unbekannt gebliebenen leichten bis mittelschweren Routen, vor allem auch der früher oft durchgeführten grossen Passtraversierungen ohne Gipfelbesteigerungen.

Die 100 schönsten Routen> ist ein genügend ausgeschöpftes Thema und hat wahrscheinlich bedeutend zur Kanalisierung des Touristenstromes beigetragen.

Möglichkeiten: z.B. Glecksteinhütte-Gwächtenhorn—Abstieg Bäregg, Glecksteinhütte—Lauteraarsattel—Grimsel, Berghaus Stieregg-Mettenberg-Gwächtenhorn.

- Hütten- oder Biwakneubauten in unerschlossenen Gebieten.

Allmagelleralp ( 1982 ), Rosenlaui-, Lauter-aar-, Mittelaletsch-, Stockhorn-, Arben-, Col de la Dent Blanche-, Bouquetins-, Dolentbi-wak ( alle siebziger Jahre ).

Möglichkeiten: z.B. Mettenberg- und Zäsenberghütte.

Die grosse Unbekannte ( oder: Parallelen zum und Lehren aus dem Strassenverkehr ): Wieviele Leute werden zusätzlich angezogen, wenn solche Massnahmen verwirklicht werden? Bleibt im Endeffekt nicht wieder der altbekannte Stau? Ist diesen Problemen letztlich nur mit einer gesamtgesellschaftlichen Neuordnung der Freizeitregelung beizukommen?

Das Naturerlebnis, die Kameradschaft und der Ausgleich zum Alltag sind für die meisten Hochgebirgstouristen die wichtigsten Beweggründe für ihre bergsportliche Tätigkeit ( Fig. 10 ). Der Wert des persönlichen und sozialen Erlebnisses kommt klar zum Ausdruck.

Das Gipfelerlebnis, das Hüttenleben und die sportliche Höchstleistung sind für viele bereits nicht mehr wichtig. Dennoch haben Ehrgeiz und Geselligkeit immer noch grosse Bedeutung.

!40'20'0 0'20'40'60'80'100'nicht wichtig wichtig sehr wichtig Fig. 10. Beweggründe Naturerlebnis ( NatKameradschaft ( KamAusgleich zum Alltag ( AusGipfel erreicht ( GiHüttenleben ( HutSportliche Höchstleistung ( Sp ) Quelle: Umfrage 1979 Die Bergsteiger ( Typ 2 und Typ 3 ) bewerten im grossen und ganzen ähnlich. Ihre Gewichtung entspricht in etwa der durchschnittlichen Verteilung in Figur 10. Das Motivationsprofil des Gebirgswanderers hingegen weicht sichtlich davon ab, ausser beim Naturerlebnis. Da er vor allem in den Ferien und mit der Familie kommt, spielen für ihn der Ausgleich zum Alltag und die Kameradschaft eine geringere Rolle, ebenso das Gipfelerlebnis und die sportliche Höchstleistung. Dafür legt er grösseren Wert auf das Hüttenleben, das er ja auch länger geniessen kann als die Gipfelstürmer.

Die Meinungen zu drei bekannten und häufig diskutierten Erscheinungen lassen an Eindeutigkeit nichts zu wünschen übrig ( Fig. 11 ). Ruhe und Abgeschiedenheit finden sich im Hochgebirge längst nicht mehr immer und überall, was von den meisten denn auch übel vermerkt wird. Mit überfüllten Hütten mag man sich vielleicht gerade noch abfinden - auf Routen Schlange stehen aber schlägt in offenes Unbehagen um. Auf grösste Ablehnung stösst die touristische Gebirgsfliegerei, obwohl sich interessanterweise gerade hier eine nicht zu übersehende Befürworterschaft zu Worte meldet.

Am empfindlichsten reagiert der Ganzjahresbergsteiger auf die angeführten Umstände, denn er kommt am häufigsten mit ihnen in Berührung. Etwas abgeschwächt bewertet der Sommerbergsteiger, sein Meinungsprofil deckt sich ziemlich genau mit demjenigen in Figur 11. Auf der <stört nicht>-Seite finden sich verhältnismässig mehr Gebirgswanderer als Bergsteiger-eigentlich verständlich, denn Typ 1 kommt praktisch nie in die Lage, auf Routen Schlange zu stehen, besucht vor allem die Grosshütten und kann sich vom Heli-Ski-ing nur vom Hörensagen ein Bild machen.

Die Massenerscheinungen, welche als störend empfunden werden, sind allgemein bekannt. Trotzdem ist das Bedürfnis, etwas zu erleben, so stark, dass selbst grosse Unannehmlichkeiten hingenommen werden. Konkret gesagt:

Im Jahre 1897 besuchten 64 Touristen und 74 Bergführer die Dossenhütte ( Samuel Brawand, <grindelwalder></grindelwalder>

Tabelle 4 Bergführer und Touristen in der 5. Woche ( 29. Juli bis 4. August 1979 ) Quelle: 9 Hüttenbücher Bergführer Geführte Führerlose Anzahl Anteil 56 5% 345 29% 776 66% Vor dem ersten Weltkrieg war es keine Ausnahme, wenn ein Gast zwei Bergführer engagierte ( Brawand ). Heute ist ein Führer selbst auf schweren Touren in der Regel mit zwei bis drei Gästen unterwegs, im Mittel der 5. Woche sind es deren sechs. Diese teilen sich in das Entgelt und die Kosten für Verpflegung, Unterkunft und Reise ihres Führers. Einige Tarif-Beispiele ( Stand 1982 ): Jungfrau von Silberhornhütte 460., Mönch über Nollen 410., Mittellegigrat 400., Wetterhorn 360., Jungfrau 260., Mönch 210..

Die Stichworte ( Selbstversorger als Zweit-klasstouristen>, ( Hütten als Hotelbetriebe ) und ( Die Hütten den Selbstversorgern ) gaben im Juni 1981 den Anstoss zu einer Leserbriefdis-kussion in den ( ALPEN ), dank der einmal aktuelle und wesentliche Probleme der Hüttenwarte an die Öffentlichkeit gelangten. Fritz Loretan, Hüttenwart der Fründenhütte, hielt im MB 9/81 fest: ( Der Hüttenwart bezieht von der Sektion meist nur einen geringen Lohn, der ihm in der Regel nicht einmal sein Existenzminimum sichert .), und ( Wäre es dem Hüttenwart nicht möglich, selber Verkäufer zu sein, könnte er es sich gar nicht leisten, als Hütten- Konkordiaplatz-Lötschenlücke: Frühmorgens allein unterwegs. Gegen Mittag wird diese Route von Hunderten, manchmal von Tausenden von Skitouristen begangen wart zu amtenb. Es erstaunt wenig, dass noch immer Leserbeiträge zu diesem Thema erscheinen, ziehen sich doch die Meinungsverschiedenheiten quer durch alle drei Aktivitätstypen. Der Verpflegungsservice wird bereits von der Hälfte aller Sommerbergsteiger geschätzt, aber auch für den Ganzjahresbergsteiger ist er keine Ausnahme mehr. Was eher auffällt, ist die Tatsache, dass zwar die Mehrheit aller Aktivitätstypen eine kleine Hütte und selber kochen einer grossen mit Hüttenwart vorzieht, dass aber bei weitem nicht soviele ihre Hüttenverpflegung selbst mitbringen. Dieser Umstand lässt schliessen, dass Tradition und Nostalgie eine gewichtige Rolle spielen, man jedoch ebenso zur Abwechslung einmal der Annehmlichkeit den Vorzug geben kann.

* Massenandrang am Rottalsattel ( Jungfrau ) Tabelle 5 Übernachtungen 1979. Wochenmittel aus 11 Wochen ( I. Juli bis 15.September,5.Woche ) Quelle: Hüttenbücher ein 1 CD sjoch * 1 in O -C Döss Gau Glec Koni- Mon 71 81 132 248 382 ständiger Hüttenwart nein nein ja ja ja Die Anzahl der Übernachtungen, die es ermöglicht, saisonal vollamtlich als Hüttenwart tätig zu sein, ist auch mit den obenstehenden Angaben schwer festzulegen. In den Zahlen der ständig bewarteten Hütten stecken Sonderfälle. In allen drei Unterkünften sind Berg- Spätnachmit-tagsstimmung auf dem Weg zur Silberhornhütte. Blick gegen Westen 145 steigerschulen regelmässige Kundschaft, welche die Verpflegung vom Hüttenwart bezieht. In der Glecksteinhütte treffen viele Tagesaus-flügler ein, die nebst dem Keller auch die Küche des Hüttenwartes ( und der Hüttenwartin !) zu schätzen wissen. Bis dreimal pro Woche wird in der Konkordiahütte von den Berner-Oberland-Bahnen ein Fondueabend für die Teilnehmer der Gletscherwanderungen organisiert. Die ausländischen Gäste sind von ihren Berghäusern her hohen Komfort gewöhnt. Restaurationsbetrieb ist beinahe selbstver-ständlich,und mitunter werden sogar Zweierzimmer mit Dusche verlangt. So etwas wirkt sich in Hütten mit grossem Ausländeranteil aus, z.B. in der Mönchsjochhütte.

Die östlichen Berner Hochalpen halten einen umfassenden Spielraum für bergsportliche Tätigkeiten bereit. Die Analyse der Hochgebirgstouristen zeigt, dass ein Gebirge von einer solchen Vielfalt auch die verschiedensten Menschen anzieht und zusammenführt, deren Erwartungen, Absichten und Verhalten zum Teil weit auseinanderliegen oder einander sogar widersprechen. Zusammen mit der Tatsache, dass sich das hochgebirgstouristische Geschehen auf räumlich und zeitlich eng begrenztem Raum abspielt - was in der Belastung von Hütten und Routen zum Ausdruck kommt - entsteht ein System, in dem einem reibungslosen Funktionieren enge Grenzen gesetzt sind. Auch wenn sie häufig überschritten werden - der Punkt, von dem an das System Gefahr läuft, zusammenzubrechen, ist nicht auszumachen, solange dieser Punkt von jedem einzelnen selbst gesetzt werden kann.

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