Die alpinen Unglücksfälle der Jahre 1926-1928
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Die alpinen Unglücksfälle der Jahre 1926-1928

Hinweis: Dieser Artikel ist nur in einer Sprache verfügbar. In der Vergangenheit wurden die Jahresbücher nicht übersetzt.

Von Walter Siegfried.

Die heutige Zeit, trotz all ihrer materiellen und maschinellen Fortschritte, trotz aller ihrer zivilisatorischen Werte, ist eine nivellierende. Die grosse Masse Mensch tritt unfroh das Rad der Arbeitsteilung, und eingeengt fühlt geistig und körperlich jeder sich in seiner Tätigkeit. Da muss als Reaktion eine Bewegung entstehen, welche die in den Menschen schlummernde zurück-gedrängte Tatenlust, Lebensfreude und Phantasie befreit; diese Bewegung ist im allgemeinen der Sport. Tritt zu diesen individualistischen Trieben im Menschen der Städte noch die Sehnsucht nach der Natur, wo könnte man sich dann besser, harmonischer ausleben als in den Bergen?

Und atavistisch verankert steckt dazu in so vielen wertvollen Menschen auch die Lust am Kampf, die Freude am Abenteuer. Im Gleichschritt des täglichen Lebens wird dieses sehnsüchtige Brausen des Blutes nie gestillt. Da heilt uns allein das Erlebnis der grossen Bergfahrt, und befreit lodert dann das Feuer der Bergsteigerleidenschaft.

Das sind die tiefen Impulse, die Jahr für Jahr in steigendem Masse die Menschen in die Berge führen, sei es als einfache Wanderer, sei es als Bergsteiger schärfster Richtung. Die Gefahren aber, deren Überwindung diese suchen und jene kaum ahnen, fehlen nicht, und wir stehen schaudernd vor der Unzahl Opfer, die ihren Wunsch mit dem Tode bezahlten.

In den Jahren 1926—1928, in dem Zeitraum, in welchem das Zentralkomitee Lausanne dem Schweizerischen Alpenclub vorstand, ist die Zahl der alpinen Unglücksfälle gegenüber der im Jahre 1926 besprochenen Periode bedeutend gestiegen ( siehe « Die Alpen », 1926, Seite 449 ).

Wir schaffen die Sehnsucht im Menschen, welche diesen in die Berge treibt, nicht aus der Welt, und wir müssen nicht glauben, je alle Unglücksfälle verhüten zu können; denn der Gefahren sind auch bei der einfachsten Gebirgswanderung zu viele. Aber wir müssen mit allen Mitteln versuchen, wenigstens die grosse Zahl der Bergunglücke zu vermindern, um damit viel Leid um wertvolles Menschentum zu verhüten.

In diesem Sinne soll auch diesmal an die Statistik herangegangen werden. Wir sollen lernen aus den bittern Erfahrungen, wir wollen warnen und müssen, ohne pietätlos zu sein, mit scharfer Kritik einsetzen, wo es sich um wirkliche Fehler handelt oder, wie so oft, um bodenlosen Leichtsinn und Überschätzung des eigenen Könnens.

Die Statistik umfasst wieder nur die tödlich verlaufenen Unfälle; denn die Menge der Abstürze, die nur zu Verletzungen führten oder bloss mit dem Schreck der Beteiligten abliefen, ist schon gar nicht mehr zu erfassen. Leider muss ja schon die Berichterstattung über viele in der Statistik aufgeführte Todesfälle unvollständig bleiben, da der Ablauf vieler Bergunglücke unbe- kannt ist, teils mangelnder oder fehlerhafter Überlieferung wegen, teils, weil der Tote allein uns den Schleier seines Geheimnisses lüften könnte.Viel lehrreiches Material geht uns so verloren.

Es können aus demselben Grund nur die uns näher liegenden Berggebiete berücksichtigt werden, und so umfasst die Statistik wieder die Bergunglücke in den Schweizeralpen und in den benachbarten Grenzketten der Haute Savoie und des Mont Blanc.

Statistik.

1926.

Datum Vnfallstelle Name der Verunglückten Bemerkungen 1 Febr.

Gaffia-Alp Alfred Brupbacher Tod durch Erfrieren 2 März 4.

Zwischen Egon v.

3 Brüder Ebener, Jo- Unwetter Steigerhütte und hann, Fidelis, Kle- Concordiahütte mens und Max Rieder 3 > 7.

Dorfstälihütte bei Hüttenwart M. Jäggi, Lawine Davos Elsa Jäggi ( 20-30 j. ) J. Jecklin ( 16 j. ), 3 Personen 4 > 12.

Bruggerhorn Georg von Wertern ( 22 j. ) Lawine 5 Mai 2.

Zindelspitz Emma Müller ( 20 j. ) Absturz durch Ausrutschen.

Bernh. Thut ( 25 j. ) Steinschlag ( offenbar durch Sturz der Begleiterin ver- ursacht ) 6 27.

Surenenpass Andr. Kaempf ( 60 j. ) Absturz durch Ausrutschen mit lockerem Stein 7 » Rotberg bei Stans G. Rogerson ( 50 j. ) Absturz beim Alpenrosen- pflücken 8 Juni Kleiner Mythen Hans Feller aus Prag ( 23 j.

) Absturz beim Klettern 9 > Felsen von Savatan René Fuchser Absturz beim Blumenpflücken 10 Juli 8.

Pizzo Vespero Jakob Stuber Absturz beim Klettern 11 » 17.

Nordseite des Piz Ing. Angelo Taveggia Absturz beim Klettern ( Al- Roseg aus Mailand ( 29 j. ) leingänger ) 12 31.

Dreispitz Karl Brönnimann Absturz beim Edelweisssuchen 13 Aig.Rouges d' Arolla Ida Beguelin Steinschlag 1-1 > Monte Disgrazia Giov. Barberi aus Mai- Absturz beim Klettern land 15 Gastlosen Charles Waser ( 32 j. ) Absturz beim Klettern 1(3 » Stockhorn Alfred Niederhauser Absturz beim Klettern ( event.

( 12 j. ) Blumensuchen ) 17 Aug. 7.

Wetterhorn Rud. Nägeli ( 17 j. ) Unwetter ( Alleingänger ) 18 > 8.

Aig. de la PerseVe- Frantz Hueber ( 25 j. ) Steinschlag rance Jacqueline Hueber ( 23 j. ) 19 15.

Piz Foragletscher Pfr. Dr. Neundörfer In Spalte gestürzt aus Mainz 20 » 11.

Palusstein bei Lydia Lett aus Biele- Absturz aus unbekannter Ur- Tschiertschen feld sache ( Blumensuchen ?) 21 » 16.

Gummfluh Andreas Verdan ( 19 j. ) Absturz beim Klettern 22 16.

Titlis Willi Leitermann Absturz durch Ausrutschen ( 21 j. ) an steilem Schneehang 23 1 18.

Aig. du Ghardonnet Charles Latham Absturz beim Klettern 24 » 17.

Matterhorn Louis Danoz und John Absturz durch Ausgleiten in Guinand weichem Schnee auf Eis 25 > 19.

Kilchenstock Mathias Zweifel Absturz, Ursache unbekannt Nγ. Datum Unfallstelle Name der Verunglückten Bemerkungen 26 Aug.

Morgenberghorn Denz ( 20 j. ) Absturz beim Klettern 27 » Aig. des Glaciers Carlo Mezzena aus Absturz aus unbekannter Ur- Turin ( 28 j. ) sache 28 » Glacier des Bossons Karl Petrovics Alleingänger auf Gletscher 29 » Dent de Lys Berolo Absturz beim Klettern 30 » Krüzlipass Hch. Kaus ( 19 j. ) Absturz, Ursache unbekannt 31 » Aargletscher Schild ( 24 j. ) Sturz in Gletscher 32 » Brévent Mad. Hélène Chipis(34 j. ) Absturz, Ursache unbekannt 33 » Gastlosen Paul Rime ( 26 j. ) Absturz beim Klettern 34 » Aig. de Trélatête A. Bouvard Absturz, Ursache unbekannt 35 » Col de 1a Forclaz Georges-René Lévy von Absturz aus unbekannter Ur- près Sallanches Paris sache 36 » Aufstieg zum Max Girsberger ( 20 j. ) Absturz beim Klettern ( Al- Pucher leingänger ) 37 Sept. 11.

Weisshorn W. Herz Als Alleingänger verschollen 38 » Pic Tambo Ruben Godini Absturz beim Klettern 39 » Aig. Verte Karl Augsburger ( 21 j. ) Absturz 40 » Furggengletscher Führer Jacques Boldini Absturz bei Hilfeleistung 41 » Aig. de Trélatête Führer Bionaz von Unfallereignis unbekannt Courmayeur 42 Dez.

Col de Menouve Innocento Gondioz Im Schneesturm umgekom- 3047 m ( Grand ( 20 j. ), François Cerise men Saint Bernard ) ( 46 j. ) ( Schmuggler ) 43 » Grosser St. Bern- Bonvin, Crettaz, Lai- Lawine hard sier, Novizen des Ho- 43 Unglücks 1 Jan.

2 Febr. 3 » 16.

4 März 5 » 6 » 7 April 8 » 9 » 21. 10 Mai 11 » 12 Juni fälle Fuss des Mte. Disgrazia Monte Boglia ( Tessin ) Unterhalb des Mont Blanc-Gipfel Piz Cavalatsch Piz Minchun Rübli Rochers de Naye Lötschenlücke Gegend der Cadlimohütte Westwand des Grossen Mythen Sasso di Gandria Weg von Saxeten aul den Abendberg spizes 53 Tote 1927.

Silvio Ciprando, Antonio Pomina, Carlo Negrini ( 32 j. ) Lina Schulze ( 21 j. ) Elise Sauter ( 20 j.Hans Barth, Fritz Barth, Heinrich v. Allmen Ant. Andri ( 38 j. ) Carl Heinz Trimborn, Conrad Grössing, Conrad Uhl, Ella Kastner Victor Casucci ( 14 j. ) Lucien Landry, Frau Wwe. Haefliger, Frl. Haefliger, Ernst Hof Albert Oberlin ( 25 j. ) Ehepaar Schaad Hch. Kunz ( 42 j. ) Teodore Galdini ( 66 j. ): Miss Cecilia Rymer ( 50 j. ) Schneesturm Tod durch Erfrieren Im Unwetter umgekommen Lawine Lawine Absturz durch Ausrutschen auf Schneehang Lawine Erschöpfung. Im Unwetter erfroren Im Unwetter erfroren Absturz beim Klettern Absturz beim Blumenpflücken Steinschlag Nr. Datum Unfallstelle Name der Verunglückten Bemerkungen 13 Juni Säntis Herr Droemer ( 60 j. ) Absturz auf Schneehalde Pfingsten Frau Droemer ( 52 j. ) 14 Juni Bondo ( Bergell ) Margot Fasnacht Absturz beim Alpenrosen- 15 » Chasseron pflücken Roger Delachaux, Absturz beim Blumenpflücken - Schüler 16 » Tessinerberge Ernst Bessa ( 19 j. ) Absturz, Ursache unbekannt 17 » Sigriswilergrat Louise Jacques-Steiner Absturz beim Blumenpflücken ( 47 j. ) 18 » Gegend der Cadli- Hans Lang, Walter Lang Erschöpfung. Im Unwetter mohütte erfroren 19 » Stanserhorn Renggli ( 20 j. ) Absturz beim Blumenpflücken 20 Juli Rigi Karl Bretzel ( 19 j. ) Absturz beim Spaziergang 21 » Zwischen Seealp Willy Künzli ( 19 j. ) Absturz durch Fehltritt auf und Meglisalp felsigem Weg 22 » Pilatus Alb. Hill Absturz, Ursache unbekannt 23 » Sissone Schweizerturist Absturz aus unbekannter Ur- sache im fles 24 » In den Tschingeln ritlLIlC Uli J7 Cla Anna Ackermann Absturz beim Spaziergang ( Wallenstadtberg ) ( 24 j. ) 25 » Balmgebiet Ernesto Coselti Absturz beim Spaziergang 26 > Bächistock Emil Ramp ( 30 j. ) Absturz beim Edelweisssuchen 27 Aug.

Matterhorn Georg Klein Absturz aus unbekannter Ur- ( Zmuttgrat ) sache 28 » Ochsenstein Fritz Raum ( 39 j. ) Absturz beim Edelweisssuchen 29 » Guscha(St. Galler- Burr ( 18 j. ) Absturz beim Klettern berge ) 30 » Klimsenhorn Joh. Meier ( 57 j. ) Absturz durch Ausrutschen ( Pilatus ) ( Kurzsichtigkeit ) 31 » Dent du Requin Paul Schuler ( 28 j. ) Absturz beim Abseilen 32 > Alp Grüm Prof. Mayer Absturz beim Spazieren 33 » Aig. du Goûter Frau Johanna Dünn Tod durch Erfrieren ( 41 j. ) 34 » Bonderkrinde Beatrice May Nelson Absturz auf steiler Grashalde ( 22 j. ) 35 » Abstieg vom Frl. Grete Bereyl Fall durch Ausrutschen am Castor Eishang. Tödliche Pickel- 36 » Lion d' Argentine verletzung Fernand Duboux Absturz durch Klettern im ( 25 j. ) Abstieg 37 » Vermuntgletscher Arthur Toldrak Sturz in Gletscherspalte ( Alleingänger ) 38 » Gebiet des Dôme Bieckhoff, Dr. Gruen- Absturz aus unbekannter Ur- du Goûter wald sache. Tod durch Sturz.

39 » Gross Litzner Tod durch Erschöpfung Karl Möllinger, Hans Absturz beim Klettern Kaulen, junge Stu- denten 40 » Gebiet des Clari- Karl Balsiger ( 32 j. ) Im Gletschergebiet verschol- denstockes len ( Alleingänger ) 41 » Morgenberghorn Bähler ( 24 j. ) Absturz beim Edelweisssuchen 42 » Rheinwaldhorn Pierro Airoldi ( 35 j. ) Absturz beim Edelweisssuchen 43 » Gebiet des Leuker- J. Grichting ( 20 j. ) Absturz beim Klettern bades 44 » Matterhorn Edwin Hinnen Unwetter.Tod aus Erschöpfung Nr. Datum Unfallstelle Name der Verunglückten Bemerkungen 45 Aug.

Vanil Noir Birbaum ( 16 j. ) Absturz auf steiler Grashalde beim Abkürzen des Weges 46 » Rothenfluhbänke Emil Siegenthaler Absturz beim Edelweiss- ( Boltigen ) ( 49 j. ) suchen 47 » Abstieg von der Georg Burdia Absturz beim Klettern Dossenhütte 48 » Piz Bernina Herta Bahl ( 30 j. ) Absturz aus unbekannter Ur- ( Biancograt ) sache ( Alleingängerin ) 49 Sept.

Bächi-Hangeten Alfred Frei ( 46 j. ) Absturz beim Edelweiss- ( Glärnisch ) pflücken 50 » Niesen Rudolf Grünig Verirrung im Nebel. Absturz 51 » Mont Blanc Herbert Reich Verschollen ( Alleingänger ) 52 Okt.

Klinisenhorn Adalbert Lieb ( 18 j. ) Absturz beim Abkürzen des ( Pilatus ) Weges auf steilem Hang 53 » Grosser Mythen J. Lang ( 23 j. ) Absturz beim Klettern ( Westwand ) 54 » Kleiner Mythen Fritz Hauser ( 50 j. ) Absturz durch Ausbrechen 54 Unglücks 1 Jan. 7. 2 » 3 » 4 » 5 Febr. 6 » 7 » 14. 8 » 9 » 26.

10 » 11 März 12 April 13 » 14 Juni 15 » 16 » 17 Juli 22.

18 » 19 » ( Haggenspitz ) fälle Klingenstock Harder Strasse nach Adelboden Engelhörner Brisen Unterhalb der Montforthütte Eggishorn Niederhorn ( Beatenberg ) Aufstieg von Schwägalp nach Thierwies Hochmatte Gegend des Pas du Lustre ( Diablerets ) Dent de Jaman Weissfluh Corneratal Rottalhorn Roches Pourries ( Grandvillars ) Schlossbergkessel Lac de Fouilly Fuss des Wetterhorn 69 Tote 1928.

Emil Rietzer Elsa Selhofer ( 26 j. ) Johann Steiner, Hans Wyssen, Peter Wysse Bruno Galli ( 15 j. ) Otto Zippel ( 34 j. ) Marcel Brunet Dalrymple ( 28 j. ) Karl Böschenstein Joh. Dähler-Neff Frl. Zingg ( 20 j. ) Victor de Torrenté ( 19 j. ) Nelly Ducommun ( 36 j. ) Führer Rudolf Engi Wolfgang Lommatzsch ( 22 j. ) August Gysi Lehrer Paul Rousseil Albert Waldvogel François Chapelle ( 17 j. ) Ernst Stettier eines Steines Lawine Absturz, Ursache unbekannt Lawine n Absturz, Ursache unbekannt Sturz beim Skifahren Lawine Lawine Absturz beim Skifahren Absturz auf steilem Hart-schneehang Ursache des Unglückes unbekannt Absturz auf Hartschneehang Absturz aus unbekannter Ursache. Alleingängerin Lawine i Absturz beim Klettern Absturz mit Firnschild Absturz beim Wegsuchen Absturz durch Ausgleiten auf glattem Fels ) Im Nebel verirrt, Absturz Absturz beim Edelweisspflücken Nr. Datum Unfallstelle Name der Verunglückten Bemerkungen 20 Juli 15.

Kärpfstock Emil Furrer ( 18 j. ) Absturz beim Klettern 21 > Matterhorn, im Ab- Jos. Hollwerk Absturz beim Klettern ( Al- stieg unterhalb leingänger ) Solvayhütte 22 » Aiguille Verte Herr u. Frau Loustalot Absturz beim Klettern 23 » Zermatter Breit- Pierre Langlois, T. Le Absturz im Eis horn, Nordwand Becque, Ed. de Gi- gord, Yves Guibert 24 Matterhorn Karl Bratz ( 17 j. ) Von seinem Lehrer zurück- gelassen. Absturz.

25 » 11.

Mont Maudit Oscar Bornand Absturz beim Überschreiten eines Bergschrundes 26 » Kaiseregg- Gebiet Franz Kälin ( 18 j. ) Absturz beim Edelweisssuchen 27 » Oltschikopf Brunner Absturz beim Abstieg 28 » Schneeglocke Hans Albrecht Christ Sturz in eine Gletscherspalte ( Silvretta ) ( 22 j. ) 29 » Drusenfluh-Süd- Joh. Diechtl ( 24 j. ) Absturz beim Klettern ( Al- wand leingänger ) 30 » Oberhalb Gadmen Karl Thomas ( 21 j. ) Absturz infolge Schwindel- anfalles 31 Mont d' Or ( Les Georg Luloff ( 17 ]. ) Absturz beim Klettern Mosses ) 32 » Savigny Bieri ( 15 j. ) Absturz beim Edelweisssuchen 33 Aug.

Sustenjoch Jean von Medsiblowdski Absturz auf falscher Route Zipinska ( Alleingänger ) 34 » Keschnadel Dr. Klappholz, Absturz bei schwerer Kletterei Dr. Schlesinger 35 » 29.

Piz Cambrena Walter Knospe, Hans Im Unwetter biwakiert, er- Mühle schöpft und erfroren 36 » Kanderfirn Hans Dullinger ( 33 j. ) Tod durch Absturz in eine Gletscherspalte 37 » 5.

Aermighorn, Ost- Gustav Kuhlenkampff, Im Nebel und Regen ver- grat stud. jur., Jakob Mani klettert. Absturz 38 » Dent Blanche Franz Pfusterer ( 33 j. ) Tod aus unbekannter Ursache beim Hilfeholen nach Ab- sturz des Kameraden 39 » Falknis Fath ( 17 j. ) Absturz beim Edelweiss- pflücken 40 » Pilatus Willi Kronmüller Absturz beim Abstieg vom ( 23 j. ) Matthorn ( Pilatus ) 41 » Petit Dru Pierre Daurenson ( 32 j. ) Absturz beim Klettern Joseph Paillard ( 20 j. ) Tod durch Erschöpfung bei Rettungsaktion im Unwetter 42 » Zwischen Concor- M. Sasse Absturz in eine Gletscher- dia-und Finster- spalte. Tod an Herz- aarhornhütte schwäche 43 » Besso Leuba und Reymond Absturz aus unbekannter Ur- sache ( Gewitter ?) 44 > Piz Rotondo Albert Städeli Absturz mit sich lösenden Felsblöcken 45 » Jungfrau ( Aufstieg Führer Graf ( 60 j. ) Steinschlag vom Rottal ) 46 Monte Generoso Rob. Kurd ( 24 i. ) Absturz, Ursache unbekannt DIE ALPINEN UNGLÜCKSFÄLLE DER JAHRE 1926—1928.

Nγ.

Datum Unfallstelle Name der Verunglückten Bemerkungen 47 Aug.

Weg vom Glacier André Scheller ( 36 j. ) Steinlawine du Grand Mulet zur Station der Drahtseilbahn der Aig. du Midi 48 Sept.

Bristenstock Gottlieb Hanhart Absturz beim Abstieg vom ( 15 1/2 j. ) Bristenstock 49 t Aig. du Grepon Ernst Capella Absturz beim Klettern 50 Nov.

Mont Velan Norans Unfallereignis unbekannt 51 t> Dents de Lanfont Edmond Latrasse Absturz aus unbekannter C18 1/2 j. ) sache 52 Dez.

Übergang vom Arthur Läubli ( 19 j. ) In der Nacht verirrt.

Eγ- Sörenberg nach Schöpfung. Tod durch Eγ- Giswil frieren ( Alleingänger ) 53 » Gegend der S.A.C. Aldo Scalabrini ( 28 j. ) Lawine ( Alleingänger ) Hütte Robiei 53 Unglücksfälle 1926... 1927... 1928...

63 Tote Zusammenstellung.

Unglücksfälle 43 54 53 Total 150 ( 112 ) 1 ) Tote 53 69 63 ) l ) 185 ( 138 ) 1 ) Die Unglücksfälle im Winter.

Es ist nicht zu verwundern, dass bei der gewaltigen Zunahme des Skisportes auch die Anzahl der tödlichen Bergunglücksfälle im Winter stark zugenommen hat. Machten diese in der letzten Berichtsperiode bloss 13,5% mit 18 Toten aus, so sind es in diesen 3 Jahren 19,5% mit 52 Toten.

Höchstes Interesse bietet dabei die Tatsache, dass in den letzten 3 Jahren diese 52 Toten 28,1%, d.h. also fast 1/3 der Toten überhaupt, ausmachen gegenüber nur 19,3% der Unglücksfälle. Es beweist dies, wieviel schwerere Folgen die Unglücksfälle im Winter haben; sie verursachen meistens den Tod nicht nur eines Teilnehmers, sondern der ganzen Partie überhaupt.

Es sind vor allem die beiden grossen Gefahrmomente der Lawinen und des Unwetters, die auf diese Weise ihre Opfer forderten. Und zwar finden wir jetzt nicht mehr bloss die üblichen winterlichen Unglücksfälle im Skigelände der Vorberge, sondern mit dem starken Vordringen des Ski ins Hochgebirge rächt auch dieses sich mehr und mehr an den Eindringlingen. Die Wichtigkeit dieser Frage lässt uns auf diese Unglücksfälle besonders eingehen, um so mehr, da namentlich in den ersten Fällen nicht etwa bergungewohnte Leute ums Leben gekommen sind.

Die Brüder Hans und Fritz Barth hatten mit noch einem Begleiter im Februar 1926 den Mont Blanc von Courmayeur nach Chamonix überschritten; Unwetter hatte sie gezwungen, 4 Tage in der Vallothütte zu verweilen. Das Gelingen dieser grossen Tur trotz misslicher Verhältnisse spricht für die Bergtüchtigkeit dieser Männer. Am 16. Februar 1927 brachen die beiden Brüder erneut mit noch einem Kameraden vom Rifugio Torino zur grosszügigen Überschreitung des Mont Blanc über den Mont Blanc du Tacul und Mont Maudit auf. Es trat an diesem Tag ein Wetterumschlag ein, und die Partie nächtigte in der Cabane du Midi. Am 17. Februar wurde aber laut Tagebuchnotizen wieder aufgebrochen und von jenem Moment an fehlte von den Männern jede Spur, bis Anfang Juli die drei Körper unterhalb des Mont Blanc-Gipfels am Grat, der zur Vallothütte hinunterzieht, in zirka 4760 m Höhe gefunden wurden. Ski und Rucksäcke waren vorhanden, und herumliegende Ausrüstungsgegenstände und Proviant lassen vermuten, dass die drei Turisten hier gerastet und wohl vor dem heulenden Schneesturm Schutz gesucht hatten. Das Unwetter hat sie hier doch übermannt. Die Tur über die drei winterlichen Viertausender war also bis zu jener Unglücksstelle gelungen; Wind und Wetter müssen dabei aber die drei Bergsteiger langsam zermürbt haben. Psychologisch interessant ist, dass im Tagebuch von Hans Barth während der Tur keine Eintragungen mehr gemacht wurden. « 17. Februar. Abmarsch nach Tacul. » ( Keine Zeitangabe ) ist die letzte Aufzeichnung. Die innere Ruhe dazu scheint gefehlt zu haben. Die ganze Energie ging auf in dem Ringen mit dem Berg und dem Sturm.

Das folgende Unglück ereilte eine von einem Berner Oberländer Führer geführte Partie von 3 Engländern und erfolgte im Gebiet der Concordiahütte, das von Skifahrern ja oft wimmelt. Dass dieses Gebiet aber gar nicht etwa harmlos ist, beweist der Ablauf der Ereignisse und die Tatsache, dass nach einem Wetterumschlag mit starkem Schneefall die Umkehr aus jenen hochalpinen Skigefilden mit grossen Gefahren verbunden ist. Am nächsten ist die Rückkehr zum Jungfraujoch; ein toller Schneesturm kann aber auch einem guten Bergmann diese Strecke lang erscheinen lassen. Über die Lötschenlücke ins Lötschental ist der Weg weiter und sehr lawinengefährlich. Es bleibt also der Abstieg ins Rhonetal, sei es über die Riederfurka oder über Märjelenalp-Telligrat-Betmeralp. Beide Routen sind im Hochwinter bei Neuschnee sehr von Lawinen gefährdet.

Unsere Partie wählte, nachdem sie 4 Tage durch schlechtes Wetter in der Concordiahütte festgehalten war, den Weg über die Märjelenalp. Am 14. Februar 1928, als das Wetter etwas aufheiterte, wurde um 13 Uhr aufgebrochen. Als die Skifahrer im Laufe des spätem Nachmittags die Osthänge des Eggishorns querten, hatte sich das Wetter wieder verschlechtert. Dichter Nebel umgab sie, und es war föhnig warm. Etwa 300 m über dem Hotel Jungfrau, auf einem mässig geneigten Hang, löste sich dann die erste kleine Lawine, die den einen Engländer zum Stürzen brachte. Der Führer und ein Turist retteten sich durch Abfahren auf einen Rücken, während der vierte Mann ausserhalb der Lawinenbahn am Hange stehen blieb. Das Gleichgewicht des Schneehanges war aber gestört, und wenige Sekunden nach der ersten löste sich eine zweite grössere Schneemasse, die beiden Männer am Hang begrabend. Während der eine mit schwerer Knieverletzung befreit werden konnte, blieb der zuerst gestürzte Turist im Schneegrab.

Mit grosser Mühe und unter grösster Lawinengefahr wurde der Verletzte weitergeschleppt; jedoch zwangen der dauernd nass fallende Schnee und die Nacht bald zu einem Biwak unterhalb der Unglücksstelle, und auch am folgenden Tag wurde nur das Hotel Jungfrau erreicht, wobei die kurze Strecke Weges über 5 Stunden forderte. In einem aufgebrochenen Nebengebäude des Hotels musste die nächste Nacht verbracht werden, und erst am folgenden Tag endlich wurde das Tal erreicht. Es ist gewiss, dass diese Verhältnisse einer weniger gut geführten Partie oder einer Gesellschaft unerfahrener Berggänger, wie solche sich ja oft bei gutem Wetter massenhaft auf dem Concordia-platze tummeln, noch leicht verhängnisvoller hätten werden können.

Um noch in einem dritten Fall zu zeigen, wie im winterlichen Hochgebirge Sturmwetter auch für wetterharte Männer höchste Lebensgefahr bedeutet, sei der Tod der beiden Schmuggler erwähnt, die im Dezember 1926 auf dem Col de Menouve das Leben verloren. Schon zu Dutzenden von Malen werden diese Leute wohl ihre Säcke voll Tabak und Kaffee heil nach Italien gebracht haben, und nicht die hellsten Nächte wählten sie wohl dazu aus. Ein fürchterlicher Schneesturm überfiel diesmal diese 9 Gesellen auf der Passhöhe, raubte ihnen auch auf dem bekannten Steig jede Orientierung, und nur ihrer 7 entrannen knapp dem Tode.

Wieviel mehr müssen die Gefahren wachsen für Leute, denen weder ihr bergsteigerisches Können noch ihre Erfahrung erlaubt, ins winterliche Hochgebirge einzudringen!

Als das furchtbarste Unglück in diesem Sinne muss der tragische Tod der vier Lötschentaler Burschen, dreier Brüder und eines Kameraden, auf dem Aletschfirn am 4. März 1926 aufgeführt werden. Ein strahlender Morgen ging auf über dem Lötschental — einem wetterkundigen Mann wäre die unheimliche Klarheit, welche die fernsten Berge in die Nähe rückte, verdächtig gewesen. Die vier jungen Männer zogen unbesorgt der Höhe zu und achteten der Wölklein nicht, die der Vater Eligius Rieder schon um 1 Uhr mit sorgender Stirn über die Lötschenlücke jagen sah, ein Anzeichen kommenden Sturms. Sie legten vielmehr in der Egon v. Steiger-Hütte ihre Säcke ab und wollten den Nachmittag mit einer frohen Fahrt zur Concordiahütte verbringen. Das Wetter verschlimmerte sich aber rasch, so wie der Gewährsmann schreibt:

« Um 3 Uhr drangen schon dichte unruhige Massen über den Beichpass. An allen Gipfeln hingen lange Sturmfahnen.

„ Auf dem Gletscher ist Sturm. Gottes Gnade mit den Buben !" Bebenden Lippen entrang sich das Wort. Dann setzte plötzlich auch im Tale der Sturm ein. Im Nu war der Himmel verdunkelt, ein eisiger Wind fegte herab. Schneewirbel erhoben sich zu wildem Tanz. Die tollste,, Guxa " herrschte. Später begann es zu schneien. Es schneite die ganze Nacht. Es schneite mit kurzen Unterbrüchen durch volle 4 Tage. » Bis heute noch weiss man nichts über das Schicksal der vier Skifahrer; haben sie sich im Schneesturm verloren, sind sie einzeln erschöpft erfroren oder das Opfer einer Spalte geworden, sind sie von einer Neuschneelawine vom Aletschhorn-Sattelhornkamm herunter zugedeckt worden, wir wissen es nicht. Der Gletscher hat noch kein Opfer zurückgegeben.

Dies ein charakteristisches Beispiel des plötzlichen endgültigen Wetterumschlages, wie ihn der Winter bringt, und dem auch der erfahrene Bergsteiger nur unter Anwendung aller Energie widersteht.

Ostern 1927 rückte heran. Gefährliche Tage, wie auch die Pfingstfeier-tage stets wieder ihre Opfer fordern. Bureau und Werkstatt werden nun einmal über diese Tage geschlossen, schon lang ist daraufhin ein Bergplan bereit, und man bricht auf, mag der meteorologische Wetterbericht noch so ungünstig sein.

Auch über die Osterzeit 1927 war das Wetter schlecht, es mag vielen Bergsteigern einen Strich durch die Rechnung gemacht haben.

Drei junge Genfer Turisten sassen schon seit Karfreitag wartend im Lötschental, um gegen die Lötschenlücke vorzustossen. Endlich am Sonntag gegen Mittag hellte der Himmel etwas auf, rasch und unbedacht wird von der Fafleralp aufgebrochen. Man will von seinen Ferientagen doch etwas haben! Allein tiefer Neuschnee verlangsamt den Marsch, und schon halbwegs zur Egon v. Steiger-Hütte fegt wieder ein eiskalter Wind mit Schneegestöber daher. Man kehrt jedoch nicht um. Gegen 8 Uhr abends, kurz unterhalb der Hütte, bricht ein Bursche erschöpft zusammen, zwei seiner Kameraden suchen Hilfe in der Hütte, während zwei andere bei dem Sterbenden bleiben. Die Hütte ist leer, und nur einer der Hinaufgestiegenen ist noch fähig, die böse Botschaft zu seinen Kameraden hinunterzubringen, da der andere in der Hütte kraftlos zusammenbricht. Er trifft einen Toten, und nur unter verzweifelter Kraftanstrengung erreichen die Überlebenden endlich um Mitternacht die Hütte. « Wie durch ein Wunder » sind die vier jungen Männer nach ihrer eigenen Aussage einem sichern Tode entgangen.

Bei der Cadlimohütte ereignete sich in diesen Tagen noch ein weiteres Unglück, das zwei Menschenleben forderte. Ein Ehepaar aus Zürich stieg am Karfreitag, trotzdem andere Turisten der schlechten Wetterverhältnisse wegen umkehrten, gegen die Hütte an. Wer jene Gegend kennt, weiss, wie heikel die Orientierung schon bei leidlichem Wetter ist; sie wird fast zur Unmöglichkeit, wenn Schneestürme über die Berge toben. In Kälte und Unwetter erreichten die Skifahrer die Schutzhütte nicht. Man fand die Leichen zirka 3 1/2 km unterhalb der Hütte, 300—400 m oberhalb des Lago Lisera in einem schützenden Schneeloch. Der Tod durch Erfrieren scheint einem bittern Kampf hier ein Ende bereitet zu haben. Die Ausrüstung von Herr und Dame war sehr gut, der Herr soll ein guter Bergsteiger gewesen sein.

Über die Zusammensetzung dieser Partie ist zu sagen, dass bei Turen in hochalpinen Gebieten mehr männliche Begleiter beteiligt sein sollen. Bei gutem Wetter mag ja alles gut gehen, man muss aber stets mit der Möglichkeit eines Wetterumschlages rechnen, und hier hätten vielleicht zwei weitere tüchtige Kameraden die Situation gerettet. Die Energie eines einzelnen ist ja zu leicht erschöpft, namentlich wenn, wie hier, die Angst um die Lebensgefährtin beunruhigend, vielleicht sogar verwirrend wirkt.

Es seien noch die drei Mailänder Studenten erwähnt, die über die Neujahrstage 1927 am Fuss des Monte Disgrazia in einer Lawine ihr Leben verloren, dann sei die Reihe der hochalpinen Skiunfälle geschlossen. Eine Ge- Seilschaft junger italienischer Skifahrer wollte das Engadin über die Marinellihütte erreichen. Man brach von Chiese auf trotz aller Warnungen. Ein Schneesturm überfiel und sprengte die Partie, irrend wurden die einzelnen Turisten von Lawinen begraben.

Der Schweizerische Alpenclub muss sich seiner grossen Verantwortung bewusst sein, wenn er auf der Suche nach neuen Zielen den alpinen Skilauf auf sein Panier schreibt und dazu auch die breitern Schichten zu ermuntern sucht. Der Durchschnittsturist gehört nicht ins winterliche Hochgebirge, erliegen doch den Gefahren der Winterturen, wie die obigen Fälle zeigen, selbst die wägsten Bergsteiger! Am grossen Wert der hochalpinen Skikurse, wie sie nun von vielen Sektionen eingeführt werden, ist nicht zu zweifeln. Unsere jungen Leute dürfen aber nicht glauben, dass ihnen damit die Befähigung zu solchen Taten plötzlich gegeben wird, sondern es muss vor allem dafür gesorgt werden, dass solche Kurse nicht zur Züchtung einer unbegründeten Selbständigkeit und Überschätzung des wirklichen Könnens Veranlassung geben. Weiter ist ein guter Skifahrer noch lange kein guter Hochturist, und nach meiner Meinung darf erst dann einer das Risiko einer winterlichen Bergfahrt auf sich nehmen, wenn er sich im Sommer vorerst als ein tüchtiger Bergsteiger erwiesen hat, unerschrocken und erfahren in jeder Situation.

Es kann nicht genug betont werden, dass das Gefahrmoment der Berge im Winter um vieles grösser ist als im Sommer. Nicht nur bieten die Lawinen eine unberechenbare Gefahr mehr, es ist auch die Kälte, die namentlich bei Wind die Widerstandskraft des menschlichen Körpers rasch erschöpft; und dann ist die winterliche Hochwelt einsam, wir finden nicht nahe Hilfe auf irgendeiner Alp, in einer Clubhütte oder einem Berggasthaus. Man ist allein auf seine eigenen Kräfte angewiesen. Wohl ist die winterliche Hochtur bei gutem Wetter eitel Genuss, aber viel rascher als im Sommer ist der Wetterumsturz da, und wie tragisch dann die Lage selbst in so viel befahrenen Gebieten wie dem Jungfraugebiet werden kann, das haben gleich drei der oben erwähnten Fälle gezeigt.

In vermehrtem Masse muss in Kursen und durch den S.A.C. überhaupt auf diese Gefahren aufmerksam gemacht und vor dem winterlichen Hochgebirge eher gewarnt werden. Bieten sich doch im Voralpengelände Tummelplätze für Skifahrer genug. Dass auch diese nichts weniger als harmlos sind, zeigt unsere Statistik weiter.

Es haben sich in dieser Region durch Lawinen 11 Unglücksfälle ereignet. Darunter sind hervorzuheben jene, die beweisen, wie gefährdet selbst viel befahrene Übungsgebiete unter gewissen Schnee- und Witterungsverhältnissen sind. Reiche Ernte hält in solchen Fällen der Tod.

Im Dezember 1926 verschüttete eine Lawine von über 200 m Breite 10 Novizen des Hospizes des Grossen St. Bernhard auf ihren gewohnten Übungshängen am Fuss des Col de Fenêtre etwas oberhalb der italienischen Grenze. 3 Jünglinge konnten nur als Leichen geborgen werden.

Am 4. März 1926 ging vom Piz Minchun her nordwärts gegen die Alp Grischa eine gewaltige Schneemasse verheerend über die Hänge nieder, auf denen sich die Kurgäste von Samnaun-Compatsch tummelten. Vier Opfer waren zu beklagen. An beiden Orten waren grosse Schneefälle dem Unglück kurz vorhergegangen.

Charakteristisch sind für solche Unglücksfälle die Wetterverhältnisse, die am 7. Januar 1928 zum Unglück am Klingenstock führten, einem Skiberg, der auch für Ungeübte als gefahrlos galt. Die Schneeverhältnisse waren zu Beginn des Jahres überall schlecht, immerhin lagen in den höheren Vorbergen 40 cm Altschnee. In der Nacht von 6./7. Januar regnete es bei heftigem Föhn. Der Regen ging gegen Morgen in Schnee über, so dass gegen Mittag eine nasse Neuschneeschicht die durchweichte Unterlage bedeckte. Im spätern Nachmittag stieg eine Partie von mehreren Skifahrern trotzdem gegen den Klingenstock an, wendete sich aber kurz unterhalb des Gipfels zur Rückkehr. Nach kurzer Abfahrt hielten 2 Teilnehmer an, um etwas zu trinken; sie zogen dazu ihre Ski aus. In diesem Momente löste sich mit dumpfem Geräusch ein kleiner Schneerutsch 6—10 m oberhalb der Ausruhenden; einer derselben wurde nach unten geworfen. Doch kaum war die kleine Schneemasse zur Ruhe gekommen, als donnernd der ganze Schneehang bis zum Gipfel in mächtiger Lawine herunterkam, den Umgestürzten endgültig begrabend. Offenbar hatte ein kleiner Neuschneerutsch die ganze darüberliegende durchnässte Alt- und Neuschneemenge aus dem Gleichgewicht gebracht.

Es erlagen ferner ihrem Beruf in Lawinen an unvermuteter Stelle in der, an vermutlich lawinensicherem Ort stehenden, Dorfstälihütte bei Davos die Familie des Hüttenwartes ( 3 Personen ), ein Holzarbeiter am Piz Cavalatsch und 3 mit Schneeräumungsarbeiten beschäftigte Arbeiter auf der Strasse nach Adelboden.

Wir müssen davon absehen, alle weitern Lawinenunglücke näher zu besprechen. Hervorzuheben ist nur noch, wie ungeheuer die Lawinengefahr wächst im Nebel und Unwetter. Leicht wird der richtige Weg verfehlt; ohne es zu ahnen, steht man mitten im gefährlichsten Lawinenhang, und das Unglück ist geschehen. Es ereignete sich ein solcher Fall bei der C. Hütte Robiei und betraf einen Alleingänger! Ferner wurde ein bekannter Turist im Abstieg von der Montfort-Hütie verschüttet, nachdem die Turisten-gesellschaft tagelang durch Unwetter in der Hütte festgehalten war. Ein solcher « Muss-Abstieg » birgt stets grosse Gefahren in sich.

Um mit der Besprechung der Bergunfälle im Winter zu Ende zu kommen, muss noch die Gefahr der steilen Hartschneehänge erwähnt werden. Wie oft ist man gezwungen, an solchen Stellen die Ski auszuziehen, um mit hartem Schlag des Schuhs kleine Stufen zu erhacken. Meist trägt ja nun der Skifahrer statt der Bergschuhe schwachgenageltes Schuhwerk, und die Standfestigkeit wird so aufs höchste gefährdet, just an diesen steilen Traversen, die den sichern Tritt ebenso erfordern wie die sommerliche Eiswand. Wir haben es offenbar mit dieser Unfallsursache zu tun beim Absturz des 14jährigen Knaben am Rübli ( Saanerland ), einer Dame am Harder, des 15jährigen Jünglings in den Engelhörnern und einer weitern Dame an der Dent de Jaman. Tritt noch Übermüdung dazu, wie bei dem nächtlichen Abstieg jener jungen Leute von der Diablerels ( 11. März 1928 ), so ist die Möglichkeit des Ausgleitens doppelt so gross.

Eine im Sommer harmlose Grashalde kann als Hartschneehang tödliche Absturzmöglichkeiten bieten. Ein Fluhband, in welches das Schneefeld nach unten abbricht, und das Schicksal des Stürzenden ist besiegelt; ein Halten auf dem oft glashart gefrorenen Schnee ist selten mehr möglich. So sah ich selbst im Februar 1928 den tragischen Sturz eines Skifahrers am Beatenberger Niederhorn in eines der hartgefrorenen Couloirs hinunter. Im Sommer hätte der Mann an den vorstehenden Felsschöpfen die Möglichkeit einer Rettung gefunden, jetzt sauste er in immer rascherem Sturz, ohne auf dem Schnee nur eine Kratzspur hinterlassen zu können, dem Couloirabbruch zu und über die 600 m hohe Fluhwand hinaus in die Tiefe.

Der Hergang dieses Unfalls sei noch mitgeteilt als Beispiel, wie trotz genauer Beobachtung die tiefste Ursache eines Unglücks in den Bergen meist nicht ergründet werden kann.

Die Kette vom Beatenberger Niederhorn zum Burgfeldstand dacht sich nach Süden in weiten Skihängen ab. Nach Norden stürzt sie in senkrechten Wänden ins Justistal. Die Gratschneide ist durch Couloirs, welche die Nordwand durchfurchen, nach Süden da und dort eingebuchtet. Eine solche Einbuchtung als Trichterrand von etwa 20 m Durchmesser eines oben weniger steilen, nach unten aber rasch sehr steil absinkenden Couloirs befindet sich gleich östlich des Hauptgipfels des Niederhorns. Wir sassen plaudernd auf der östlichen Couloirlippe und hielten Gipfelrast. Da — ein Schatten, der vom Gipfel her auf uns zukommt — ein Schrei — wir sehen einen Skifahrer nach kurzem Sprung vom jenseitigen Couloirrand stürzend im firnharten Couloir-grund — das Unglück war geschehen. Die Verfolgung der im besonnten Schnee gut sichtbaren Spur ergab, dass der Mann im Slalom vom Gipfel abgefahren war, eine Kurve nach links, eine Kurve nach rechts, dann noch eine Kurve nach links, und die Spur führte direkt in der Richtung unseres Rastplatzes über den Trichterrand in die freie Luft hinaus. Kein Ansatz zu einem Halteschwung, kein Zittern der Spur verriet irgendein Zögern. Es war ein strahlend heller Tag, das Gelände lag in direkter Beleuchtung für den Abfahrenden, da die Sonne südwestlich hinter ihm stand. Wer vermag den Gedankenablauf des Fahrers, wer sein Situationsbild zu erklären, das ihn nicht 2 m südlich um den Couloirrand herumbiegen liess, sondern ihn direkt in den Abgrund führte? Mag es eine optische Täuschung gewesen sein, die ihm den Abbruch des Schneefeldes als absinkende und die nach unserem Rastplatz hinaufführende Couloirwand als wideransteigende Geländewelle erscheinen liess? Wir wissen es nicht. Der Schleier hebt sich sowenig hier wie auch nicht von so manch anderem dunklem Geschehen in der Bergwelt.

Die Unglücksfälle im Sommer.

Es muss beim Durchgehen der Statistik auffallen, wie stark die Unfälle vertreten sind, die eigentlich nicht zu den alpinen, zu den eigentlichen Bergunglücken zu zählen sind, Unfälle, die nicht bei Hochturen und sicher- lich meist bergungewohnten Leuten zugestossen sind. Trotzdem müssen sie an dieser Stelle aufgeführt und in ihrer erschreckenden Zahl bekanntgegeben werden. Ich hoffe, dass von unserer Monatsschrift des S.A.C. aus diese Ziffern in die Tagespresse gelangen werden, um dem grossen Publikum zu vergegenwärtigen, wie gross die Gefahren der Voralpenregion selbst auf gebahnten Wegen sind, wie das Risiko aber steigt, sobald den Wanderer eine Blume fernab vom Wege oder gar ein Edelweiss an steiler Halde lockt.

Beim Blumensuchen, auf der Jagd nach dem verhängnisvollen Edelweiss, auf Spaziergängen in den Berggegenden haben 26 Menschen, das sind 14 % aller Verunfallten, das Leben eingebüsst.

Es folgen die Unglücksfälle bei Passwanderungen, wie am Surenen ein Absturz mit einem unter dem Tritt sich lockernden Stein, wie am Krüzlipass und am Col de 1a Forclaz. Der Pilatus allein hat dann 4 Opfer gekostet, sicherlich nur durch Unvorsichtigkeit oder Unerfahrenheit. Der Weg wird z.B. abgekürzt, und an steiler Grashalde erfolgt ein Ausgleiten der ungenagelten Schuhe und der tödliche Absturz. An der Vanil Noir war derselbe Grund die Ursache des Todes eines 16jährigen Jünglings. Am Niesen gerät ein Wanderer im Nebel vom Wege ab, irrt herum und verunglückt. An dem leichten Passübergang von Adelboden nach Kandersteg, der Bonderkrinde, stürzt eine Dame auf steiler Grashalde zu Tode. Ein Fehltritt auf dem felsigen Weg zwischen Seealp und Mäglisalp, und das Leben eines 19jährigen Jünglings ist vernichtet. Ein Lehrer verliert in den Freiburger Bergen auf einer Schülerreise den Weg und kommt beim Wegsuchen um. So mehren sich die traurigen Unglücksfälle von Leuten, die, ohne von Ehrgeiz getrieben zu sein, ohne sich an schwerer Tur überschätzt zu haben, die Bergwelt nur auf froher Wanderung geniessen wollten.

Es ist sehr interessant, die Statistik nach dem Alter der Verunglückten zu durchgehen. Leider sind diese Daten nicht immer zu erhalten, aber auch so ist zu erkennen, wie viel junges Blut in den Bergen den Tod findet. Die Altersstufe um die 20er Jahre, ja vielfach noch stark darunter, ist in erschreckender Weise beteiligt. Und es wären von den Toten sicher noch viele in dieser Altersklasse zu finden, von denen der Berichterstatter das Alter nicht erfahren konnte. Es sind diese jungen Leute nicht etwa nur unter der Rubrik der Unfälle zu suchen, die wir eben besprochen haben, nein, leider wagt sich der tatendurstige Jüngling auch ins Hochgebirge, ohne dazu auch nur die geringste Fähigkeit und Erfahrung zu besitzen. Erscheinungen wie ein Zsigmondy oder ein Winkler, der mit 17 Jahren neben vielen anderen Aufstiegen in den Dolomiten als Erster den sehr schweren Winklerturm bezwingt, sind selten. Aber auch ihn erreichte der Bergtod schon mit 18 Jahren an der Westwand des Weisshorn, als er für sein grosses bergsteigerisches Können doch zu hoch griff und sich eben an eine Tur in Eis und Schnee wagte, der er mangelnder Erfahrung wegen nicht gewachsen war. Unsere jugendlichen Toten, ohne auch nur das angeborene Talent eines Winkler im entferntesten zu besitzen, sind demselben Tatendrang und Leichtsinn zum Opfer gefallen.

Hier eröffnet sich dem S.A.C. allerdings das schönste und dankbarste Arbeitsgebiet, wir müssen die Jugend zu erfassen trachten, um ihren Sturm und Drang in die richtigen Bahnen zu leiten. « Das Alter streng doch billig, Die Jugend rasch doch willig, So schreiten wir dem Licht entgegen! » Wahrlich, ein leuchtendes Ziel für unsere Jugend-Organisation.

Es darf nicht mehr vorkommen, dass ein 17jähriger Bursche als Alleingänger trotz schlechtem Wetter gegen das Wetterhorn aufbricht. Er musste im Unwetter umkommen. Ein 15jähriger Junge gehört bloss in Begleitung eines gleichaltrigen Kameraden nicht auf den Bristenstock. Ein 15jähriger Knabe muss am winterlichen Aufstieg zur Engelhornhütte zugrunde gehen so wie der 14jährige am Rübli. Für einen Alleingänger von 19 Jahren sind die Gefahren eines winterlichen Überganges vom Sörenberg nach Giswil zu gross. Die Tage im Dezember sind kurz; der junge Mann hatte sich in der Nacht verirrt, die Erschöpfung schlich sich in seine müden Glieder, und der Tod durch Erfrieren machte dem jungen Leben ein Ende.

Ein kategorisches Halt muss von den Wissenden solchen Plänen entgegengesetzt werden. Und Führer wie Turisten sind verpflichtet, im gegebenen Falle nicht nur zu warnen, sondern selbst mit Gewalt jugendliches Ungestüm vom Betreten des sichern Todesweges abzuhalten.

Vorträge und Kurse müssen auf breiterer Basis unserer Jungmannschaft die Gefahren der Berge verdeutlichen. Und trotzdem, ganz werden diese Todesfälle nicht aus der Welt zu schaffen sein, die Flamme jugendlicher Begeisterung ist zu mächtig, als dass sie je erstickt werden könnte.

Hell leuchtet diese Flamme in der heldenhaften Tat des Joseph Paillard, eines 20jährigen Burschen, der die Hilfsbereitschaft begeisterter Bergkameradschaft mit dem Leben bezahlte. Dies Geschehen soll hier festgehalten werden.

Am 14. August 1928 verliessen 4 französische Bergsteiger bei unsicherem Wetter die Charpouahütte zur Besteigung der Aiguille du Petit Dru. Diese schwere Tur muss für diese Partie als unentschuldbares Wagnis bezeichnet werden; mit Ausnahme vielleicht eines einzigen Teilnehmers scheint keiner grosse Bergerfahrung gehabt zu haben. An 2 Seilen wurde angestiegen bis, nach einem Bericht aus dem Alpine Journal, etwa 300 Fuss unter dem Gipfel der Führende des zweiten Seils plötzlich ausrief: « Ich lasse los », seine Hände öffnete und rückwärts fiel. Schwere Verletzungen waren die Folgen des Absturzes, und diese hinderten denn auch den Abtransport, d.h. das Abseilen des Verunglückten über die senkrechten Wände. Es wurde beschlossen, dass ein Mann bei demVerunfallten zurückbleiben sollte, während die 2 andern Hilfe holten.

In der Charpouahütte befanden sich eine Partie von 3 jungen Schweizern und eine italienische Zweierpartie. Diese fürchteten für das Leben der beiden Franzosen am Berg und brachen am Morgen des 15. August ohne Zögern zur Hilfeleistung auf in der richtigen Annahme, dass die Führerkolonne aus Chamonix höchstens am Abend dieses Tages in der Hütte eintreffen könne.

Um 16 Uhr erreichten die beiden Gruppen den Schauplatz des Unglücks. Sie überliessen den Verunglückten allen Proviant und ihre sämtlichen Unterkleider und stiegen sofort wieder ab; den Verletzten konnten sie allein nicht bergen, und das Wetter begann sich rasch zu verschlechtern. Bald brach denn auch ein Gewitter von unerhörter Heftigkeit aus und überfiel die Bergsteiger bei ihrem schweren Abstieg. Die Italiener entschlossen sich rasch zu einem Biwak an geschützter Stelle, während die Schweizer die ganze Nacht weiter-kletterten, sogar das grosse Kamin überwanden, zuletzt aber doch auf dem letzten Grat, der zum Charpouagletscher leitet, die Morgendämmerung abwarten mussten. Sturm und Hagel setzten ihnen fürchterlich zu, waren sie doch nur mit ihren Oberkleidern bedeckt und ohne jede Nahrung. In vollständig erschöpftem Zustand wurden die jungen Genfer Turisten am folgenden Tag von der Rettungskolonne gefunden. Einer von ihnen, Joseph Paillard, starb auf dem Transport, das Opfer seiner heldenhaften Hilfsbereitschaft und Begeisterungsfähigkeit; seine tapferen Kameraden konnten am Leben erhalten werden.

Die Tragödie am Berg war aber noch nicht zu Ende. Der verletzte Franzose starb am 16. August um die Mittagszeit, und sein Begleiter konnte erst nach einer dritten Nacht am 17. August geborgen werden, nachdem selbst noch ein Führer, Armand Charlet, bei der Rettungsaktion in den nun mit Eis und Schnee bedeckten Granitwänden bei einem Sturz sich schwere Verletzungen zugezogen hatte.

Selbstüberschätzung liess die französische Partie zu dieser Tur aufbrechen, und mangelndes bergsteigerisches Können führte zu ihrem Unglück. Wir sind damit bei einem düsteren Kapitel unserer Zusammenstellung angelangt, denn neben tollkühnem Wagemut und Unkenntnis der Gefahren der Berge sind dies die Ursachen von vielen Bergunglücken.

Es ist zu bemerken, dass auch in dieser Berichtsperiode wieder meistens Ausländer solchem Tun zum Opfer gefallen sind.

Diesen Unfällen gegenüber muss strenge Kritik einsetzen, und es seien einige hier aufgeführt als Beweis, dass die Berge allein nicht schuld sind am Tode so vieler Menschen, sondern dass es die subjektiven Gefahren sind, welche die Turisten selbst in die Berge hineintragen.

Es machte im Jahre 1926 ein deutscher Professor mit 15 Studenten eine Schweizerreise. Anlässlich der Überschreitung des Jochpasses sonderten sich 2 der Teilnehmer von der Gruppe ab, um den Titlis zu besteigen. Die Burschen hatten offenbar gehört, dass der Titlis ein leichter Berg sei, wussten aber nicht, welche Schwierigkeiten ihrer warteten bei der Besteigung vom Jochpass aus. Ohne Pickel und Seil, nur mit ihren Hakenstöcken, brachen sie auf. Sie kamen bald in die Traversen der steilen Nordwände des Reissend Nollen. Der eine rutschte natürlich alsogleich aus, und der bodenlose Leichtsinn hatte sein Opfer gefordert.

Ein deutsches Ehepaar von 60 und 52 Jahren benutzte den Anlass einer Schweizerreise zu einer Besteigung des Säntis. Es war an Pfingsten 1927, früh im Juni, und viel Schnee lag noch in diesen Bergregionen. Trotz allseitigem Abraten stiegen sie am Samstag auf, Richtung Wagenlücke-Messmer.

Ihr elegantes Aussehen liess offenbar wenig auf die Bergtüchtigkeit schliessen. Es ging denn auch nicht lang, so glitt die Dame auf steilem Hartschneehang aus und stürzte zu Tode. Ihr Mann, der ihr zu Hilfe eilen wollte, stürzte ebenfalls und verletzte sich schwer. Immerhin schleppte er sich noch in die Hütte auf Unter-Messmer. Er wurde dort erst am Montag absolut erschöpft gefunden und starb trotz ärztlicher Hilfe auf dem Transport ins Tal.

Ein langer Kommentar zu solchem Tun scheint überflüssig. Immerhin ist zu sagen, dass die Turisten im Sommer wohl fähig gewesen wären, den Säntis zu besteigen, dass ihnen aber die Unkenntnis der Verhältnisse solcher Berge im Frühling zum Verhängnis werden musste.

Dieselbe Unfallursache wird gelten für den Absturz eines weitern deutschen Turisten, der mit einem Kameraden Anfang Juni 1928 von der Oberalp die Cadlimohütte erreichen wollte. Die Ahnung ihres Wagnisses musste ihnen unterwegs gekommen sein, solche Schneemassen erwarteten sie zu dieser Jahreszeit nicht mehr, sie kehrten um. In völliger Unkenntnis der Gegend und wohl auch des Kartenlesens aber folgten sie dem Bach des wilden Cornera-taies und vermeinten so das Tavetsch zu erreichen. Sie wussten nicht, dass talauswärts ein Durchgang ausgeschlossen ist. Beim Wiederanstieg, um auf dem üblichen Höhenweg die Schlucht zu umgehen, erfolgte auf den steilen Halden der Absturz.

Eine Tat bitteren Unvermögens und verdammungswürdiger Unverant-wortlichkeit führte dann im Jahre 1928 zum Absturz eines 17jährigen deutschen Jünglings am Matterhorn. Ein Berliner Zeichnungslehrer bricht mit einer Gruppe von drei 16- bis 17jährigen Bürschchen zur Besteigung des Matterhorns auf! Oberhalb der Solvayhütte muss einer derselben aus begreiflichen Gründen nicht mehr weiter gemocht haben. Kurzerhand wird er vom Seil losgebunden und sitzen gelassen; die andern klettern weiter. Mutterseelenallein sitzt der Bursche in den Flühen des Matterhorns. Er ist müde, ihm ist schlecht, ihn befällt Schwindel, er erhebt sich, er schreit, er stürzt. Solch elendes Vorgehen eines Jugenderziehers und Turenleiters entehrt unsere Berge! Nicht genug, dass der Mann sich selbst gerichtet hat, ihm gehörte Strafe wegen fahrlässiger Tötung. Der Prozess in Berlin wurde leider vor kurzem abgebrochen, da der Vater die Klage gegen den Lehrer zurückzog und der Staat nicht als Kläger auftreten konnte.

An diesem Bergunglück durfte, so unerfreulich es ist, nicht vorübergegangen werden.

Auch auf dem Gletscher hat sich ein charakteristischer Unfall ereignet als Folge eines prinzipiellen Fehlers. Unangeseilt wanderte eine Partie von 2 Schweizer Herren und einer Dame von Seiden im Gasterntal nach dem Petersgrat. Sie wichen auf dem Kanderfirn von der üblichen Route ab und suchten sich einen Weg durch ein stark zerschrundetes Gebiet des Gletschers. Beim Überspringen einer Spalte stürzte ein Turist und verschwand in dem blauen Schlund. Er wurde als Leiche nach vieler Mühe geborgen. Unerfahrenheit im Gelände und absolute Unkenntnis der primitivsten Regeln des Bergsteigens führten dieses Unglück herbei.

Haben wir es in den eben besprochenen Fällen mit wirklich unerfahrenen Berggängern zu tun, so seien nun zwei Beispiele angeführt, wo schon bergkundige Männer einem Wagen zum Opfer fielen, das über ihr wirkliches Können ging. Auch davor ist zu warnen.

Es steht im Jahresbericht 1928 des G. H. M. ( Groupe Hautes Montagnes du Club Alpin Français ), einer jungen Vereinigung erstklassiger führerloser Gänger, der Satz: « Man geht nicht ungestraft ohne Übergang von Bergbesteigungen dritten Ranges zu ausserordentlichen Besteigungen. » Er bezieht sich auf die vielen Unglücksfälle, durch welche in jenem Jahr der französische Alpenclub heimgesucht wurde und von denen wir einen schon geschildert haben ( Petit Dru ). Er gilt auch für wohl eines der schrecklichsten Bergunglücke, das sich in den Bergen um Zermatt je abgespielt hat.

Am 23. Juli 1928 sollte von 4 französischen Führerlosen die Nordwand des Zermatter Breithorns auf der Route Young erklettert werden. Zwei der Bergsteiger waren erfahrene, in den Bergen erprobte Männer, die zwei andern junge Kletterer, die ihre Sporen so rasch als möglich verdienen wollten.

Die Young-Route führt über den Kleinen Triftjegrat zur Mittelspitze des Breithorns Punkt 4148. Sie gilt als schwere Eis- und Felstur. Dort, wo der Grat als feine Firnschneide in der abschüssigen Nordflanke des Mittelgipfels sich verliert, führt eine kurze Eistraverse und eine missliche Ecke zu einem offenen, mit Eis ausgeschlagenen Couloir, durch welches der überwächtete Ostgrat gerade westlich des Punktes 4148 erreicht wird.

Vom Gornergrat aus wurde der Anstieg der Partie beobachtet. Man kam sehr langsam vorwärts, und dort knapp unter dem Gipfel, wo der Firngrat in die kurze Eistraverse übergeht, schien man nicht mehr weiter vordringen zu können. 5 Stunden lang sah man die Bergsteiger stets ungefähr an derselben Stelle, bis gegen 630 Uhr abends eine Wolke das weitere Geschehen verhüllte. Eine halbe Stunde später war die Aussicht wieder frei, aber die Kletterer waren verschwunden. Sie wurden als Leichen 5—600 Meter tiefer auf dem Gletscher aufgefunden.

Vom Hauptgrat herunter bemerkte man später einerseits vier fertig gehauene Stufen und eine angefangene Stufe am Grätchen gegen die Eis-traverse hin und anderseits deutliche Fussspuren in einer Wasserrinne östlich der Traverse, was darauf schliessen lässt, dass an verschiedenen Orten der letzte Aufstieg zum Grat probiert wurde. Es muss wohl dabei ein Mann in dem Viererseil vielleicht durch Übermüdung den Stand verloren und die ganze Partie mit in den Abgrund gerissen haben. Es war ein zu grosses Wagnis, diese schwere Tur in der oben angeführten Zusammensetzung zu unternehmen.

Ein zweites Unglück dieser Art stiess 2 deutschen Herren zu, die nach ihren eigenen Aussagen « geübte Bergsteiger » sein mochten, deren bergsteigerisches Können aber eben doch nicht hinreichte, eine schwere Kletterei selbständig durchzuführen. Sie gaben offen den Plan kund, die Keschnadel besteigen zu wollen, und führten diese Absicht auch aus. Beim Übergang zum Piz Kesch erfolgte dann aber der Absturz, und zwar an der Abseilstelle, welche die Turisten, des Abseilens offenbar unkundig, durch Klettern überwinden wollten '. Ein Führer war von ihnen abgelehnt worden; mit einem Führer hätte diese Kletterei von den beiden sicher gefahrlos gemacht werden können.

Es werden in diesem Stile sicher massenhaft Turen gemacht, und sie gelingen mit Glück und weil der Wettergott ein Einsehen hat. Überrascht aber Unwetter eine ohnehin schlechte Partie, so ist ihr Schicksal besiegelt.

Es seien hier aus der Statistik nur erwähnt der Untergang zweier Deutscher im Unwetter am Piz Cambrena im August 1928 und einer deutschen Dame unterhalb der Cabane du Goûter im August 1927. Beide Partien hatten sich im Unwetter verirrt und waren zu kalter Beiwacht gezwungen. Beide Partien waren zu Fahrten im Hochgebirge nicht fähig und namentlich, was die Partie am Mont Blanc betrifft, nicht einmal zweckmässig ausgerüstet. Der leichte blaue Drilchrock mit den Hirschhornknöpfen ist kein Kleidungsstück zu ernster Bergfahrt!

Bei der Besprechung der subjektiven Gefahren sind noch die Alleingänger anzuführen. 14 Opfer sind, soweit es sich um turistische Unfälle handelt, zu beklagen.

Die verschiedensten Motive mögen die Menschen als Alleingänger in die Berge führen, wir haben über die Berechtigung hier nicht zu diskutieren. Auf alle Fälle braucht es unerschrockene, tapfere Männer, die allein bewusst sich an eine schwere Besteigung wagen; sie müssen wissen, dass die objektive Gefahr für sie in höchster Potenz besteht. So lasst uns den mutigen Italiener nicht schelten, der sich als erprobter Alpinist die Fähigkeit zutrauen durfte, die Nordwand des Piz Roseg anzugehen. Er erfiel auf jener schweren Route; es scheint, dass ihm eine exponierte Kletterstelle zum Verhängnis geworden ist.

Bei schwerer Kletterei am Pucher stürzte ebenfalls als Alleingänger ein junges Mitglied des A.A.C.Z. zu Tode, dem vorher schon manche Felsfahrt gut gelungen. Ein sichernder zweiter Mann hätte vielleicht in beiden Fällen das Unglück verhüten können.

Es ist aber von den wenigsten Alleingängern, die in dieser Statistik aufgeführt sind, festzustellen, dass sie wirklich erprobte Bergsteiger waren; dann wird der Schritt zum Leichtsinn nur ein kleiner. Auf alle Fälle ist stets als grosses Wagnis zu bezeichnen das alleinige Überschreiten der Gletscher. Es sind denn auch 2 Turisten, der eine auf dem Vermuntgletscher, der andere auf dem Glacier des Bossons durch Sturz in eine Spalte umgekommen.

Matterhorn, Weisshorn, Mont Blanc, auch diese grossen Berge haben ihre Opfer unter den Alleingängern gefordert, und am Piz Bernina ist es sogar eine Alleingängerin, eine deutsche Dame, die bei der Besteigung des Berges über den Biancograt, wahrlich eine kühne Frau, offenbar in der Gegend der Scharte durch Absturz ihr Leben einbüsste.

Torheit — Leichtsinn — tollkühnes Wagen, wer will da richten? Diese Menschen haben ihr eigenes Leben aufs Spiel gesetzt, und wenn sie allein im Leben standen, so mag das Verantwortungsgefühl sie nicht gedrückt haben. Wer aber im Leben eine Verantwortung trägt, wer seine Aufgabe noch zu erfüllen hat, der muss vor der Alleingängerei im Hochgebirge durch all diese Toten aufs höchste gewarnt werden!

Wir sind bei der Besprechung der subjektiven Gefahren der Berge ausführlicher geworden, weil hier allein eine Möglichkeit erblickt werden kann, die Zahl der Todesfälle zu vermindern. Den objektiven Gefahren dagegen, auf die wir noch kurz eingehen wollen, stehen wir machtlos gegenüber, und es ist Schicksal, dass Jahr für Jahr der Bergtod in unsere Reihen greift. Jede mögliche Gefahr hat in diesen 3 Jahren wieder ihr Opfer gefordert.

Der Fels droht durch Steinschlag; unter 6 Malen vernichtete er 7 Menschenleben, zweimal unerwartet auf gebahntem Weg, die andern Male als Auswirkung des Risikos, das eben jede ernste Felsfahrt bietet, wie der Rottal-Aufstieg auf die Jungfrau, die Traversierung der Aiguilles Rouges d' Arolla und das Couloir der Aiguille de la Persévérance. In letzterem Fall kostete das Unglück einem französischen Geschwisterpaar, bekannten Alpinisten, das Leben. Unwetter hatte den Steinschlag ausgelöst. An der Jungfrau wurde ein Führer erschlagen.

Der ausserordentliche Sommer des Jahres 1928 hatte Felsen ausapern lassen und damit zum Absturz gebracht, die sonst durch Eis gebannt waren. Es wurde so Steinschlag beobachtet, wo man ihn nach früheren Erfahrungen nie vermutete.

Erschreckend gross ist die Zahl der Unglücksfälle bei Klettereien durch das Losbrechen von Blöcken, wie bei Felsklettereien überhaupt. Ob stets dem Berg allein die Schuld zuzumessen ist und ob es sich nicht da und dort um mangelhafte Technik beim Ergreifen der Griffe oder um Ermüdungserscheinungen des Kletterers gehandelt hat, ist nicht zu entscheiden. Es muss festgehalten werden, dass die Überwindung schwerer Felsstellen für den Körper eine momentane grosse Kraftanstrengung bedeutet, die nicht nur an die Muskelkraft, sondern besonders an die Herz- und Atmungstätigkeit enorme Anforderungen stellt. Man findet namentlich bei ungenügend trainierten Leuten nach solchen Leistungen Pulszahlen, wie man sie bei leicht-athletischen Höchstleistungen ( Wettläufe ) kaum konstatiert. Hier summiert sich die objektive Gefahr des Berges mit dem subjektiven Ungenügen des Bergsteigers.

Die Mythen sind mit 4 Unglücksfällen in dieser Statistik enthalten, wobei jedesmal nur die gute Sicherungstechnik ein grösseres Bergunglück verhütete. Die Westwand des Grossen Mythen scheint zur beliebten Modetur zu werden, darf offenbar aber nicht unterschätzt werden.

In den Gastlosen verzeichnen wir je einen Absturz eines unangeseilten Gängers im Kamin des ersten Chemigupf ( Gestein brüchig ) und bei der Traverse in der abschüssigen, mit Grasschöpfen durchsetzten Nordflanke des Daumens.

Der Gross Litzner hat einen Doppelabsturz gesehen, die gefährliche Drusenfluh-Südwand lässt zum unzähligstenmal einen Alleingänger umkommen, die glatten Platten der Schlossberg-Südwestwand stürzen zwei Kletterer in die Tiefe.

Und um die Zahl der bekannten Kletterberge in dieser traurigen Zusammenstellung voll zu machen, seien im Mont Blanc-Gebiet noch ein tödlicher Absturz am Grépon und einer an der Dent de Requin erwähnt. Im letzten Falle kam das Unglück beim Abseilen durch Abrutschen des Seils über den Abseilblock zustande.

Bei den höchsten Felsbergen wie dem Matterhorn können die Gefahren des Felses noch gesteigert werden durch Vereisung und Neuschnee. Das Jahr 1927 war der wechselnden meteorologischen Verhältnisse wegen aus diesem Grunde besonders gefährlich. So verloren zwei geübte welsche Bergsteiger im Abstieg auf der Schweizerseite durch Ausgleiten im nassen Schnee auf vereister Felspartie das Leben. Die Unglücksfälle jenes Jahres an der Aiguille du Chardonnet, an der Aiguille de Trélatête und an der Aiguille Verte scheinen ähnlichen Verhältnissen zuzuschreiben sein.

Grosse objektive Gefahr birgt, wie wir schon gesehen haben, der Gletscher, und zwar nicht nur für den Alleingänger oder Unangeseilten. Wir finden in unserer Statistik gleich 2 Fälle aus dem Jahre 1928, die beherzigenswert sind.

Eine Zweierpartie von Schaffhauser Studenten nahm bei ihrem Abstieg von der Rotfluh ( Silvrettagebiet ) den Weg über die Schneeglocke Plötzlich verschwand der Vorausgehende in einer unsichtbaren Gletscherspalte. Der zweite Mann wurde mitgerissen, konnte sich aber 2 Meter vor der Spalte halten. Der Gestürzte war nicht verletzt; es brauchte aber fast 2 Stunden mühsamer Arbeit, bis in dem brüchigen faulen Schnee das Seil am eingerammten Pickel zur Sicherung befestigt war und Hilfe geholt werden konnte. Erst nach 6 Stunden war genügend Rettungsmannschaft am Platze, um das Opfer aus der Spalte zu befreien. Der Mann gab nur noch schwache Lebenszeichen von sich und starb nach kurzer Zeit.

Beim Übergang über die Grünhornlücke stürzte durch Brechen einer Schneebrücke ein Turist, ein älterer Herr, in eine Spalte. Dem begleitenden Führer gelang es nicht, ihn allein zu retten, er sicherte ihn und holte aus der Finsteraarhornhütte Hilfe. Der Turist wurde gehoben, starb aber auf dem Weg zur Hütte an Herzschwäche.

Diese Ereignisse sprechen selbst, man liest aus ihnen sowohl über die Zahl einer richtigen Seilgemeinschaft auf dem Gletscher, als auch über die grossen Schwierigkeiten einer Bergung. Dass der Abgestürzte in höchste Lebensgefahr gerät, dass Erschöpfung und Herzschwäche drohen, ist bei der ganzen Situation eines durch das Seil Geschnürten, zwischen Eiswänden Hängenden leicht erklärlich. Man fällt nicht stets auf eine tieferliegende Brücke oder ein Spaltengesimse. Gletscherunglücke sind nicht harmlos!

Zum Kapitel der Gefahren von Eis und Schnee sei noch ein Unfall ausgeführt. Zwei Berner Alpinisten mit alter Gebirgserfahrung stiegen mit noch einem Kameraden im Juni 1928 vom Rottalsattel gegen das Rottalhorn hinan. Sie waren schon in jener Höhe angelangt, wo der steile Schneehang sich gegen den Gipfel flacher abdacht. Dieses Schneefeld bricht nach Norden in scharfer Kante in die Wände ab, die die Firnmulde mit der normalen Aufstiegsroute zum Rottalsattel südlich begrenzen. Riesige Gwächten krönen stets diese Kante und bedrohen die ahnungslose Masse der Jungfrau-Turisten. Die 3 Männer hielten sich über 6 Meter vom Gwächtenrand entfernt, als plötzlich unter ihnen der Boden zu weichen begann. Der ganze Firnschild, der sich an die Gwächte anschloss, war bis weit in das Feld hinein ins Rutschen gekommen und riss die 2 hinten Marschierenden mit sich in die Tiefe. Der Führende stand direkt in der Bruchlinie und konnte sich halten.

War es ein blosser Absturz der Gwächte, die ja immer, je nach ihrer Grösse, mehr oder weniger weit über die Gratkante hinaus vom gegenseitigen Hang Schnee mit abbricht, oder war es dazu ein Gleiten eines ganzen Schnee-keiles, der sich während des Winters und Frühjahrs angesammelt hatte und sich bis zur Überlastung durch das menschliche Gewicht auf seiner steilen, harten Unterlage gehalten hatte?

Gespannt lief das Seil in die Tiefe, und der Führende meinte, seine Kameraden heraufziehen zu können. Der Mittelmann erschien über der Schneekante; wenige Zentimeter hinter seinem Seilknoten war aber das Seil gebrochen, und der letzte der Kolonne lag begraben von der riesigen Schneemasse fast zuunterst im Firntal, wo der Aufstieg vom Jungfraufirn zum Rottalsattel beginnt. Die Lawine hatte die ganze Aufstiegsroute bestrichen.

Die zwei Überlebenden stürmten zurück zum Rottalsattel und hinunter zur Rettung ihres Freundes. Sie suchten ihn im Bergschrund der Rottalhorn-wand. Da brach noch einmal ein Stück der angerissenen Gwächte herab und riss den einen 200—300 Meter mit, ohne ihn zum Glück vollständig zu bedecken. Dieser wackere, schicksalumwitterte Mann hat seither doch seinen Bergtod gefunden.

Denn Schicksal, unerwartete objektive Gefahr war es auch damals am Rottalhorn, die das Unglück verschuldet, glaubten doch die Bergsteiger bewusst der Gwächte genügend südwärts ausgewichen zu sein.

Und nun noch von einem letzten unberechenbaren Moment, das Tod und Verderben in sich birgt: das Unwetter, der Wettersturz. Es erlagen ihm an Pfingsten 1927 2 Zürcher Bergsteiger im Aufstieg zur Cadlimohütte vom Ritomsee aus. Sie mussten ihre Kräfte im Kampf mit den Elementen erschöpft haben, man fand sie nach 12 Tagen eingeschlafen, erfroren, in der gleichen Gegend wo seinerzeit das verunglückte Ehepaar.

Dreimal innert kurzer Zeit ist der Aufstieg zur Cadlimohütte Turisten zum Verhängnis geworden. Es sind nun zur leichteren Orientierung entlang des Weges Stangen errichtet worden. Ich warne, sich auf dieses Hilfsmittel zu verlassen! Wer je in schwerem Schneesturmsich durchgekämpft, der weiss, dass eine Sicht überhaupt nicht mehr besteht, und andere Mittel helfen müssen als Wegweiser, auf die ein blosser Zufall nur führen kann.

Ein Schneesturm am Matterhorn. Zwei Turisten, zwei italienische Führer, erreichen mit grosser Mühe im Abstieg am Hörnligrat noch die Solvayhütte. Fünf weitere Bergsteiger haben schon vor dem aufkommenden Sturm hier Unterschlupf gefunden. Der Tag hatte schön begonnen und eine Partie, die später aufgebrochen, ist noch am Berg. Der Sturm nimmt zu, heulend fegen die Schneeböen um die Hütte; es wird Nacht. Da ertönen plötzlich Hilferufe fern aus der Höhe. Zweimal versuchen die Führer, zu den um Hilfe Schreienden vorzudringen, zweimal schlägt sie die Sturmnacht, Kälte und Neuschnee zurück. Die Hilferufe verstummen. Im Morgengrauen gelingt der dritte Vorstoss, man findet die zwei Bergsteiger durch das Seil am Fels gesichert in verzweifeltem Zustand; der eine stirbt in den Armen der Retter.

Wir sind am Ende unserer Besprechung.

« Wenn die Toten erwachen... » — Sie sind in diesen Zeilen erwacht, und in eindringlicher Sprache haben sie uns von ihren Schicksalen berichtet. Schneestürme, Lawinen, sinnlos fallende Steine, ausbrechende Blöcke, Gletscherlabyrinthe müssen uns schrecken. Unvermögen, Tollkühnheit, Leichtsinn sollen uns warnen. Kaum eine Gefahr der Berge, die wir in ihrer Auswirkung nicht erkennen konnten.

Wir haben die Warnung gehört, wir wollen die strenge Mahnung zur Vorsicht beherzigen, wenn der Ruf der Berge abermals in uns ertönt.

Dieser Ruf wird wieder ertönen!

« Und setzet ihr nicht das Leben ein, Nie wird euch das Leben gewonnen sein. » — Ausdruck höchsten Lebensgefühls, wo würde er uns Spätgeborenen denn überhaupt noch zuteil, wenn nicht im Erleben einer grossen Bergfahrt!

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