Die Führer der Neuenburger Gletscherforscher
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Die Führer der Neuenburger Gletscherforscher

Hinweis: Dieser Artikel ist nur in einer Sprache verfügbar. In der Vergangenheit wurden die Jahresbücher nicht übersetzt.

Ein Beitrag zur Geschichte des Schweizer Führerwesens.

Mit 3 Bildern.Von Joseph Baumann.

Dem Beispiele Hugis folgend, bezogen auch die Neuenburger Glaziologen, die sich 1840 zum erstenmal auf dem Unteraargletscher häuslich niederliessen, ihre Führer vom Verwalter des Grimselhospizes. Der damalige Spittler, Peter Zybach, « ein dicker, gutmütiger Papa », dessen einfaches Äussere « einen gewandten, beobachtenden Geist » verbarg1 ), beschäftigte stets zahlreiche Knechte, die er den Reisenden gern als Führer vermietete. Die Grimsel wurde so, wie Coolidge2 ) treffend bemerkt, eine wahre Pflanzschule von guten Gletscherführern. Sie stammten zumeist aus Meiringen, das mit dem Heranwachsen neuer, tüchtiger Führergeschlechter bald von sich behaupten konnte, « eine grössere Zahl erstklassiger Führer hervorgebracht zu haben, als irgendein anderer Ort im Oberland, ja, man möchte fast sagen, als irgendein anderer Ort in den Alpen 1 ) ». Vergessen wir schliesslich nicht, dass auch Melchior Anderegg — obwohl zwischen ihm und den Führern der Neuenburger keine direkte Verbindung hergestellt werden kann — als Knecht auf der Grimsel debütierte, von wo aus er 1855 seinen « Entdecker », T. W. Hinchliff, über die Strahlegg nach Grindelwald begleitete.

Wohl verfügten die einheimischen Begleiter von Hugi und Agassiz über keine Eis- und Felstechnik im heutigen Sinne. Konnte es auch anders sein, wo Alpinistik und Führerwesen erst in den Kinderschuhen steckten? Wenn jene Vorläufer unserer heutigen Bergführer sich aber dennoch, für die damaligen Verhältnisse, auf der Höhe ihrer Aufgabe zeigen und epochemachende hoch-turistische Leistungen vollbringen konnten, dann ist das Geheimnis ihrer Erfolge vor allem in ihrer starken, bergverwachsenen Persönlichkeit zu suchen. Das fehlende objektive Fachwissen wussten sie durch beispiellose Kühnheit zu ersetzen. Ihr Unternehmungsgeist entzündete sich immer wieder am Forschereifer ihrer « Herren », und ihre Ortskenntnis war keineswegs gering. Denn als leidenschaftliche Jäger führte sie gar mancher Pürschgang in die entlegensten Winkel der Eis- und Felsregionen. So hatten sie schon längst die angeborene, damals noch weitverbreitete Scheu vor dem Hochgebirge abgelegt und sich mit dessen fremdartigen Erscheinungen voll und ganz vertraut gemacht.

Und nun sei der Versuch unternommen, die hauptsächlich in den Schriften der Neuenburger Gletscherforscher verstreuten Notizen über ihre Führer zu sammeln, um so zu einer Würdigung der alpinen Taten dieser Männer zu gelangen, die zu den ältesten Vertretern der Schweizer Führerschaft gehören und deren Namen ehrenvoll erwähnt zu werden verdienen, wenn eines Tages die schon längst fällige Geschichte der grossen Alpenführer geschrieben wird.

In Betracht kommen hier für unsere Zwecke Jakob Leuthold ( 1807 bis 1843 ), Johann Währen ( 1799-1860 ), Melchior Bannholzer ( geb. 1814 ) und Johann Jaun ( 1806—1860 ).

Hans Währen und Jakob Leuthold hatten zusammen ihre Sporen unter Hugi verdient. Währen, der ältere, war Maurer von Beruf und stammte aus Im Grund-Innertkirchen2 ). Leuthold, dessen Vater bis 1836 das Grimselhospiz verwaltete3 ), war ein noch blutjunger Bursche, als ihn der Solothurner Professor zum erstenmal als Führer mitnahm. Beide gehörten der Riesenexpedition Hugis ins Rottal an1 ). Beide — Leuthold als Hauptführer — begleiteten Hugi bei seinen drei Sturmangriffen auf das Finsteraarhorn. Beim letzten Versuch — am 10. August 1829 — erreichten sie miteinander den Gipfel, während der an einem Fuss leidende Hugi in der Nähe des nach ihm benannten Hugisattels mit dem Führer Zemt zurückblieb. Es war dies die zweite Ersteigung des höchsten Gipfels des Oberlands und eine der bedeutendsten alpinen Taten der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Hugi berichtet in seiner « Naturhistorischen Alpenreise », Leuthold und Währen seien bei ihrer Rückkehr von der Spitze blass wie der Tod gewesen und Leuthold habe öfters erklärt, « um keinen Preis würde er bei so tiefem Stande des Firnes das Getane erneuern ». « Das ist das erstemal, dass man diese beiden kühnen Führer erbleichen sah. Diese Behauptung des H. Hugi ist sehr zweifelhaft », bemerkt hierzu Dollfus-Ausset, der die beiden vorzüglich kannte und für sie eine an Bewunderung grenzende Hochachtung hegte2 ).

1831 treffen wir Währen mit einem Arnold Leuthold als Führer von Hugi und Gottlieb Studer bei einer der ersten Überschreitungen des Gauligrates an. Im folgenden Jahre 1832 führte Jakob Leuthold den unermüdlichen Hugi über das Mönchjoch zu einem Angriff auf die Jungfrau. Stürmisches Wetter verhinderte den Erfolg. 1839, am B. August, wurde Leuthold, als er Studer von der Grimsel nach Grindelwald geleiten wollte, auf der Strahlegg erneut durch schlechte Witterung und böse Gletscherverfassung zum Rückzug gezwungen 3 ).

Über die sonstige Führertätigkeit Leutholds und Währens bis 1840 wissen wir nichts Näheres. Bedeutende Ersteigungen haben sie bestimmt keine ausgeführt. Ihr Stern geht erst wieder auf mit dem Eintreffen der Neuenburger, um aber dann in um so hellerem Glänze zu erstrahlen.

Agassiz erschien im August 1840 auf der Grimsel, die er bereits im Vorjahre zur Operationsbasis für seine Gletscherforschungen auserkoren hatte. Er begegnete dort, so berichtet Desor, dem Schwager des Spittlers, Jakob Leuthold, und nahm « diesen Lieblingsführer Hugis sofort in seine Dienste sowie seinen Kameraden Hans Währen. Wir hatten so zu Führern die beiden besten Steiger des Hasli... Niemand kannte besser als sie die Gletscher. » Zwischen den Glaziologen und ihren Führern bildete sich rasch ein auf gegenseitige Achtung, ja auf Freundschaft aufgebautes Verhältnis heran. Leuthold war ein Guide-Chef von unbestrittener Autorität. Er besass zudem noch eine weitere Eigenschaft, die ihm nur Sympathien einbringen konnte: er war ein vorzüglicher Koch. Währen, « einer der intelligentesten Führer des Hospizes », dessen Geschicklichkeit im Errichten von improvisierten Hütten den Forschern sehr zustatten kam, fungierte als Leutholds Stellvertreter. War letzterer abwesend, dann war er es, der kommandierte.

Das pittoreske Leben und Treiben, das sich nunmehr um das « Hotel des NeucMtelois » und später um den Pavillon Dollfus abspielte, ist in den ansprechendsten Farben zum Teil schon an dieser Stelle 1 ) geschildert worden. Forscher und Führer bildeten eine einzige, grosse Familie. Man lebte ganz der Wissenschaft. Von morgens früh bis abends spät wurde experimentiert, gemessen, gebohrt, beobachtet und gerechnet. So viele Fragen hatten ja die Gelehrten — wie Dollfus-Ausset in seiner bildhaften Sprache sagte — an die Natur zu richten, und so viele Antworten waren zu registrieren!

Ein weiter Kranz noch jungfräulicher oder erst wenige Male betretener Gipfel umschloss mit seinen Silbermauern das Freiluft-Laboratorium auf dem Unteraargletscher. Diese Höhen lockten. Warum sollte man nicht auch die Instrumente zu ihnen hinauftragen und die Wissenschaft durch neue Beobachtungen bereichern? An kundigen Führern fehlte es ja nicht. Gedacht, getan.

Mit einer Strahleggbegehung — damals noch ein seriöses, erst einige Male gelungenes Unternehmen — wurde am 17. August 1840 unter Leutholds und Währens Führung die Reihe dieser wissenschaftlich-alpinen Hochfahrten in Angriff genommen.

Im folgenden Sommer, am 28. August 1841, führte Leuthold Agassiz und dessen Gefährten — unter ihnen Prof. Forbes — vom Märjelensee aus auf die erst dreimal bestiegene Jungfrau. Mit einem wirklich bewunderungswürdigen Orientierungssinn, wie er nur grossen Führern eigen ist, wusste er sich in dem noch unklaren Gipfelgewirr zurechtzufinden. Auf dem Konkordiaplatz kam es zu einer regelrechten Diskussion, da man sich nicht einig war, welches eigentlich, von dort aus gesehen, der Jungfraugipfel sei. Ein Walliser behauptete, es sei der Gipfel zur Rechten, während sich Leuthold für den höchsten Gipfel zur Linken einsetzte. Als er nun sah, dass Desor eher zur Ansicht des Wallisers neigte, da geriet er in einen solchen Zorn, dass er ihm seine sieben Sachen vor die Füsse schleuderte und kategorisch erklärte, an seiner Bergkenntnis zweifeln, sei ihm Schande antun. Er kenne die Jungfrau, obwohl er noch nicht dort gewesen. Und sollte noch weiter von jenem anderen Gipfel die Rede sein, dann würde er die Gesellschaft auf der Stelle verlassen.

Das war deutlich gesprochen und zeugte von nicht alltäglichem Selbstbewusstsein und Berufsstolz. Agassiz schlichtete den Streit zugunsten Leutholds, und die Folge brachte den Beweis, dass dieser recht gesehen hatte. Der falsche Jungfraugipfel erhielt aber an jenem Tage seinen Namen: er wurde von Desor Trugberg getauft.

Von den Führern, die bei dieser Besteigung mitwirkten, seien Bannholzer und Hans Jaun noch besonders erwähnt. Währen, der sich unpässlich fühlte, hatte auf dem Rottalsattel zurückbleiben müssen. Wäre es auf Agassiz angekommen, dann hätte er überhaupt nicht mitgehen dürfen. Er litt nämlich seit einigen Tagen an einer schweren Knieentzündung, und es war ausgemacht gewesen, dass er auf der Grimsel bleiben würde. Agassiz'Verbot zum Trotz hatte sich Währen aber unterwegs der Karawane angeschlossen mit der Erklärung, er habe sich die Sache gut überlegt und an alle Gefahren, denen er sich aussetze, gedacht. Er ziehe aber vor, eher zu sterben, als nicht mit von der Partie zu sein.

« Was hatte sich in der Brust dieses sonst so ruhigen und fügsamen Mannes abspielen müssen, bevor er einen solchen Entschluss fasste », bemerkt Desor, der diese Anekdote anführt, um den Charakter seiner Führer zu schildern und gleichzeitig den Grund zu erklären, warum die Glaziologen ein solch unbegrenztes Vertrauen in sie hatten.

Der gleiche Sommer sah Leuthold noch mit Desor auf dem Ewigschneehorn, dessen Erstbesteigung tags zuvor zwei Baslern geglückt war.

Im folgenden Jahre 1842 wurde wieder unter Anführung Leutholds das Lauteraarhorn 4043 m, das man irrtümlicherweise für das Schreckhorn hielt, in einem kühnen Ansturm erobert ' ). Nach der Jungfrau und dem Finsteraarhorn war der dritte Viertausender des Oberlandes gefallen.

Es sollte Leutholds letzter grosser Bergsieg sein. Er starb im folgenden Jahre, just zu Beginn der dritten Sommerkampagne der Neuenburger, die dem vom Tod Gezeichneten noch einige Tage vor seinem Hinscheiden einen letzten Besuch abgestattet hatten.

« Im Alter von 37 Jahren », schreibt Desor, « verschied so der geschickteste und kühnste Führer des Oberlandes, derjenige, der uns die Wege zu den Hochgipfeln gewiesen und dem wir einen grossen Teil unserer Erfolge verdanken. Geboren und aufgewachsen inmitten der Hochregionen besass er eine ausserordentliche Kenntnis der Berge, ja ich möchte fast sagen können, er besass die Fähigkeit, die Berge intuitiv zu erkennen. Niemals hatte man gesehen, dass er sich verirrt hätte, selbst nicht in Gegenden, die er zum ersten Male betrat, und niemals hatte er, im Augenblick der Gefahr, seine Ruhe verloren. Alle übrigen Führer anerkannten deshalb auch seine Überlegenheit und nahmen ihn gerne als Chef an. Möge ihm die Alpenerde leicht sein. » Zweifellos war Leuthold die markanteste Führergestalt auf dem Unteraargletscher. Als eine imponierende, autoritäre Chefnatur ragte dieser kühne Sohn der Berge, ein Draufgänger wohl, dem aber Vorsicht und Kaltblütigkeit ebenso angeboren waren wie Abenteuerlust und Verwegenheit, aus seiner Umgebung hervor. « Er hätte gewiss eine bedeutende Rolle in der Geschichte der Eroberung der Alpen gespielt, wäre er nicht durch den Tod aus seiner Tätigkeit herausgerissen worden, denn er verkörperte in sich all jene Eigenschaften, die die berühmten Führer auszeichneten. » Dieses Urteil eines Vertreters der modernen Führerschaft, L. Spiro2 ), ergänzt aufs trefflichste Desors noch ganz unter dem tiefen Eindruck des schmerzlichen Erlebnisses niedergeschriebenen Nachruf und deutet den Rang an, der Leuthold in der Galerie der ersten Führerpioniere zukommt3 ).

Hans Währen, Leutholds unzertrennlicher Kamerad, wurde sein Nachfolger als Hauptführer. Auch ihm, der sich bereits der zweiten Besteigung des Finsteraarhorns rühmen konnte, sollten noch einige glänzende Bergerfolge beschieden sein: im Sommer 1843 die Erstersteigung des Dossenhorns 3140 m mit Desor und dem Rosenlauiwirt Brunner; am 28. August 1844 die Erstersteigung des Rosenhorns 3691 m, dessen jungfräulichen Scheitel Dollfus-Ausset als erster betrat und — es ging damals bei derartigen Anlässen noch romantisch her — mit der Siegesfahne schmückte1 ); am 30. Juli 1845 die zweite Besteigung — die erste turistische — des Wetterhorns 3703 m als Führer von L. Agassiz2 ); und am 18. August 1845 die Erstersteigung des Galenstocks 3597 m, die beinahe ein tragisches Ende nahm. Eine abbrechende Wächte riss nämlich beim Abstieg Dollfus jun. in die Tiefe. Wie durch ein Wunder blieb er an einem der Wand entragenden Felskopf im Lawinenschnee stecken und konnte, fast unverletzt, von Währen und Bannholzer geborgen werden 3 ). Mit der Galenstockbesteigung scheint Währen seine Führertätigkeit abgeschlossen zu haben. Sein Name taucht nicht mehr in der alpinen Literatur auf. Er starb 1860, im Alter von 61 Jahren.

Ähnlich wie Leuthold und Währen bildeten Bannholzer und Jaun ein Zweigespann in der ständigen Führerschaft der Glaziologen.

Melchior Bannholzer, aus Im Boden bei Guttannen, geboren 1814, zeichnete sich durch eine grenzenlose, keine Gefahr scheuende Verwegenheit aus. Dollfus-Ausset4 ) nennt ihn « den unerschrockensten, den kühnsten und hals-brecherischsten aller vergangenen, gegenwärtigen und kommenden Führer. Flink wie ein Affe weiss er sich aus allen schlimmen Lagen herauszu-winden. » Mit dieser pittoresken Charakterisierung stimmt auch das Urteil Gottlieb Studers überein, der Bannholzer als einen « jungen Wagehals » be-zeichnet5 ).

Er hat die meisten grossen Hochturen der Neuenburger 6 ) mitgemacht und sich besonders auf dem Lauteraarhorn hervorgetan, wo er durch einen kecken Sprung aus vier Meter Höhe auf einen schmalen Schneegrat der Karawane den Weg zum Gipfel wies. Seine bedeutendste Leistung war aber wohl die Erstersteigung der Hasle-Jungfrau, allein mit Jaun, am 31. August 1844, drei. ' " 336DIE FÜHRER DER NEUENBURGER GLETSCHERFORSCHER.

Tage nach der Eroberung des Rosenhorns. Wir werden auf diese Parforcetur noch an anderer Stelle zurückkommen.

Bannholzer wanderte mit dem Koch der Neuenburger, Bossli, nach Amerika aus. Seine hoffnungsvoll begonnene Führerkarriere fand so einen jähen Abschluss x ).

Johann Jaun ( 1806—1860 ), aus dem Dörf lein Stein bei Meiringen, « Schnitzler von Beruf im Winter, Gemsjäger im Frühling und im Herbst, Bergführer im Sommer»2 ), seit dem Jahre 1840 Knecht auf der Grimsel, war von allen Führern der Gletscherforscher der einzige, dessen Laufbahn sich in die Blütezeit des klassischen Alpinismus hineinschob. Er gehörte bereits zu den von den ersten im Oberland auftretenden Engländern begehrten Begleitern, und sein Name ist deshalb auch mit verschiedenen britischen Bergsiegen verbunden.

Doch übergeben wir zuerst Dollfus-Ausset das Wort, der uns am besten seinen Lieblingsführer vorzustellen vermag: « Dieser intelligente Mann besass in allen Lagen eine unvergleichliche Geschicklichkeit und einen ungewöhnlichen Scharfblick, zu denen sich jene Kaltblütigkeit gesellte, die den Oberländer Führern zu eigen ist; er hat sich von 1841—1859 an allen Gletscher-besuchen, an allen Gletscherwanderungen und Gipfelbesteigungen der Glaziologen des Aare-Pavillons beteiligt. Im Jahre 1846 wurde Jaun zum Guide-Chef erklärt. Unter seiner Führung haben alle Fahrten und Besteigungen mit einer glücklichen Heimkehr der beharrlichen Beobachter geendet. Bevor man sich auf den Weg machte, pflegte Jaun alle Teilnehmer mit den Worten zu mahnen: Hübscheli, hübscheli vorwärts! Es handelt sich nicht allein darum, fortzugehen, man muss auch wieder zurückkommen. Jaun hat mit mir die Vogesen, die Pyrenäen und Spanien, anno 1847, die Maladetta, die Sierra Morena und die Sierra Nevada durchwandert3 ). » An anderer Stelle rühmt Dollfus-Ausset Jauns ausserordentliche Geschicklichkeit in der Durchführung von Wetter- und Gletscherbeobachtungen auf dem Aaregletscher, mit denen er namentlich 1844 und 1845 betraut war.

Soweit Papa-Gletscher-Dollfus über seinen Leibführer, auf den er überaus grosse Stücke hielt.

Durchgehen wir Jauns Turenliste, so stossen wir nach einer Besteigung des Gerstenhorns mit G. Studer im Jahre 1841 bereits Anno 1842 auf eine hochbedeutsame Leistung: die zweimalige Ersteigung des Finsteraarhorns innerhalb dreier Wochen. Jaun stand damals im Dienste des Basler Studenten Rudolf Sulger, der sich die Eroberung des höchsten Oberländer Gipfels — er war bisher erst zweimal, jeweils von Führern, aber noch von keinem Turisten betreten worden — zum Ziele gesetzt hatte. Bei einem ersten Versuch am 16. August gelangte nur Jaun mit seinem Kollegen Heinrich Lorenz aus Wasen auf den Gipfel, wo sie einige kleine Eisenstäbe, ein Knäuel Faden und Nadeln fanden, die Leuthold und Währen 1829 hier zurückgelassen

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136 Johann Jaun137 Jakob Leuthold Zeichnung von Burckhardt, aus Desor: Excursions et séjours dans les glacier« et les Hautes Régions des Alpes. 1844 Nach einer Daguerreotypie aus einem Album von Edouard Dollfus-Ausset: A la mémoire de Daniel Dollfus-Ausset. 1893 ytr met138 - Zeichnung von 1876 Neuer Pavillon am Unteraargletscher Erbaut von Daniel Dollfus-Ausset von Mulhausen Brunner & Cie. A. G. Zürich Die Alpen - 1938 - Les Alpes hatten. Sulger selber hatten die Reisestrapazen derart erschöpft, dass er mit dem dritten Führer, Melchior Bircher aus Guttannen, Knecht auf der Grimsel, auf den Gipfel verzichten musste 1 ). Am 6. September, bei einem neuen Angriff, gelang es dann Jaun, auch seinen Herrn auf den Gipfel zu bringen, der, als erster Turist, in dieser luftigen Höhe ein Fähnlein « aus Blech von 15 Zoll Länge und 8 Zoll Breite mit der Inschrift Gloria Deo in Ex-celsis»2 ) aufpflanzen konnte.

In den gleichen Sommer fällt auch die von Jaun geführte erste Ersteigung und Überschreitung des Tierbergs durch Desor, Escher von der Linth und Sulger.

Das Jahr 1844 sieht Jaun mit Desor und Dollfus-Ausset auf dem Rosenhorn 3691 m. Da man die auf der Spitze gehisste Fahne von Grindelwald aus nicht erblicken konnte und um zu verhindern, dass die gelungene Ersteigung in Zweifel gezogen werde, erboten sich Jaun und Bannholzer, eine neue Fahne auf die Hasle-Jungfrau 3703 m, die zweithöchste, von Grindelwald gut sichtbare Spitze der Wetterhörner zu tragen. Die beiden brachen am 31. August bei prächtigstem Wetter von Rosenlaui auf und erreichten glücklich die jungfräuliche Spitze, auf der sie die ihnen von Dollfus-Ausset mitgegebene Fahne flattern liessen. Den Rückweg nahmen sie über den Grindelwaldfirn und den Lauteraarsattel, der bei dieser Gelegenheit erstmals überschritten wurde. Die ganze Reise vom Rosenlaui bis zum Pavillon Dollfus hatte nur 13 Stunden in Anspruch genommen; den beiden kühnen Männern waren also nicht nur zwei Erstbesteigungen, sondern auch noch ein Schnelligkeitsrekord gelungen, der so bald nicht unterboten wurde.

Im Jahre 1845, am B. Juli, führte Jaun mit dem Engländer Speer die Erstersteigung des Mittelhorns 3708 m, des höchsten Gipfels der Wetterhörner aus. In dieselbe Saison gehört dann noch die Teilnahme an der ersten turistischen Besteigung der Hasle-Jungfrau und der Eroberung des Galenstocks. 1847 begleitete er Dollfus-Ausset, dessen Sohn Gustav und den berühmten Botaniker der Strassburger Universität W. Ph. Schimper auf eine Spanienreise. Während vier Tagen kampierte die Gesellschaft in der Sierra Nevada am Fusse des Pico de Veleta in 2400 m Höhe 3 ).

Jaun war auch einer jener Spassvögel, die die famose russische Fürstin Dora d' Istria im Juni 1855 irgendwo in die Nähe des Mönchjochs schleppten und ihr den Attest ausstellten, sie hätte die « allererste Besteigung » des Mönchs vollbracht. Man lese seine amüsante Schilderung dieser in den Annalen des Alpinismus einzig dastehenden « Première»4 ).

Die letzten bergsteigerischen Taten Jauns fallen in das Jahr 1857. Am 13. August dieses Jahres führte er mit J. B. Croz und Aug. Simond die Kory-phäen1 ) des im Werden begriffenen Alpine Club auf das Finsteraarhorn, womit dessen zweite turistische und erste englische Besteigung verwirklicht wurde. Am 24. August gelang ihm noch als Führer des Engländers Whately die erste Überschreitung des Mitteljochs.

Jaun starb im Januar 1860 im Alter von 54 Jahren. Zu seinem Nachfolger ernannte Dollfus-Ausset den ebenfalls aus Meiringen stammenden Melchior Blatter.

Eine besondere Erwähnung verdienen noch die bereits angeführten Fahrtenschilderungen Jauns, die eine Autorität wie Heinrich Dübi als « eine Primärquelle erster Güte»2 ) empfiehlt. Einer Bitte Dollfus-Aussets Folge leistend, hatte er diese Berichte niedergeschrieben. Sie wurden dann in den Matériaux3 ) veröffentlicht und Papa Dollfus versichert, daran kein Wort geändert zu haben. In der Hauptsache beziehen sich diese Berichte auf nachstehende der alpinen Geschichte angehörende Bergfahrten: Jungfraubesteigung durch Agassiz; Finsteraarhornbesteigung durch Jaun und Sulger; Erstersteigung der Hasle-Jungfrau und erste Überschreitung des Lauteraarsattels; Erstersteigung des Mittelhorns; « Mönchbesteigung » der Dora d' Istria; erste englische Besteigung des Finsteraarhorns; erste Überschreitung des Mitteljochs.

Eine stark persönliche Note zeichnet diese Schilderungen aus. Jaun nimmt kein Brett vor den Mund, um seiner Meinung über das bergsteigerische Können seiner « Herren » Ausdruck zu verleihen. Typisch ist in dieser Beziehung der drastische Bericht über die Mitteljoch-Überschreitung. Jauns Herr, Mr. Whately, benahm sich, wenn man seinem Führer Glauben schenken will, derart täppisch, bis er schliesslich « gleich einem Klopfel in einer Glocke » in einem Schrunde hing. Mit den Daten nimmt es Jaun allerdings nicht immer allzu genau. Man merkt es seinen Schilderungen an, dass sie nachträglich aus dem Gedächtnis niedergeschrieben wurden.

Leuthold-Währen-Bannholzer-Jaun! Ihr Viergestirn leuchtet hell und klar aus der Frühzeit des Schweizer Führerwesens zu uns herüber. Vergessen wir ihre Namen und ihre Taten nicht. Denn wir sind ihnen Dank schuldig, weil sie zu jenen wagemutigen Pionieren gehören, die uns — wie Desor vom toten Leuthold sagt — « die Wege zu den Hochgipfeln gewiesen haben ».

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