Die Gletscher der Schweizer Alpen im Jahr 1991/92
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Die Gletscher der Schweizer Alpen im Jahr 1991/92

Hinweis: Dieser Artikel ist nur in einer Sprache verfügbar. In der Vergangenheit wurden die Jahresbücher nicht übersetzt.

Auszug aus dem 113. Bericht der Gletscherkommission der Schweizerischen Akademie der Naturwissenschaften ( GK/SANW ).

Markus Aellen, GK/SANW und Versuchsanstalt für Wasserbau, Hydrologie und Glaziologie an der Eidgenössischen Technischen Hochschule Zürich ( VAW/ETHZ )

Einleitung Ein starkes, jedoch nicht extremes Schwundjahr Der Gletscherschwund in den Schweizer Alpen, der von 1985 an von Jahr zu Jahr deutlicher in Erscheinung trat, hat im Berichtsjahr 1991/92 angedauert. Mit ähnlichen klimatischen Gegebenheiten, d.h. meistenorts normalem Jahresniederschlag und allerorts überaus hohen Sommertemperaturen, war das Berichtsjahr wie das Vorjahr ein starkes, jedoch keineswegs extremes Schwundjahr. Den Witterungsverhältnissen entsprechend verlief der Jahresgang im Massenhaushalt der Gletscher von Ende September bis Mitte Juli, d.h. während der ganzen Zuwachsperiode und in der ersten Hälfte der Schwundperiode, meistens innerhalb des normalen Schwankungsbereichs. Erst im überaus warmen und trockenen Hochsommer führte intensives Schmelzen, das auch die höchstgelegenen Firnregionen erfasste und in kurzer Zeit sehr viel Gletschermasse verflüssigte, zu einem erheblichen Defizit in der laufenden Haushaltsrechnung und in der Jahresbilanz. Die Wärmeperiode ging Anfang September unvermittelt zu Ende, als bei einem Kälteeinbruch das ganze Gletschergebiet vorübergehend eingeschneit wurde. Die Wärmeperiode um die Monatsmitte brachte die Schmelze nochmals in Gang, bis die Gletscher in der folgenden Kälteperiode grösstenteils noch im September dauernd eingeschneit wurden.

Erhebung der Daten und deren Publikation Die Gletschermessungen, die im Herbst 1992 durchgeführt worden sind, lieferten die Datengrundlagen für den 113. Bericht über die jährliche Veränderung der Gletscher in den Schweizer Alpen. Durch ihr Mitwirken bei der Datenbeschaffung haben kantonale Forstdienste, Bundesämter und -forschungs-anstalten, Kraftwerkgesellschaften und Privatpersonen die Gletscherkommission wiederum massgeblich unterstützt im Erfüllen ihrer Hauptaufgabe, die sie seit ihrer Gründung im Jahre 1893 im Sinne einer Landesaufnahme wahrnimmt und der sie seither vornehmlich dank dem stetigen Einsatz der Förster bei der Feldarbeit nachzukommen vermag. Einen wesentlichen Beitrag leistet auch die Abteilung Glaziologie der VAW, die das Organisieren der jährlichen Erhebungen, das Sammeln, Sichten und Veröffentlichen der Ergebnisse seit 1964 besorgt.

Die Statistiken des vorliegenden Berichts beziehen sich auf das Messnetz mit derzeit 121 Gletscherzungen, deren Längenänderung in der Regel jährlich, in einzelnen Fällen mehrjährlich erfasst wird. Davon gehören 12 zum Messnetz, an dem Änderungen der Fliessgeschwindigkeit, der Dicke, der Fläche, des Volumens oder der Masse ermittelt werden. Hiezu dienen Messungen an einzelnen Punkten ebenso wie Vermessungsaufnahmen des ganzen Gletschers, die grossenteils im Rahmen laufender Projekte für Grundla-gen- oder Auftragsforschung der VAW stattfinden. Angaben über Wetter, Klima, Schnee oder Wasserabfluss und -haushält im näheren und weiteren Umfeld der Gletscher beruhen auf Beobachtungen und Messungen der zuständigen Landesdienste oder Forschungsinstitute. Der vorliegende 113. Bericht ergänzt die Reihe der in der Zeitschrift DIE ALPEN als Kurzfassung veröffentlichten Gletscherberichte mit den Hauptergebnissen des Beobachtungsjahrs 1991/92. In der Reihe der erweiterten, mit zusätzlichen Zahlentabellen und Graphiken sowie ergänzenden Angaben zu einzelnen Gletschern ausgestatteten Berichte, die die VAW als Jahrbuch der Gletscherkommission herausgibt, ist soeben der Doppelband mit dem 109. und dem 110. Bericht für die Jahre 1987/88 bzw. 1988/89 erschienen.

Witterung und Klima Klima und Massenhaushalt im Jahresüberblick Der Witterungsablauf im Berichtsjahr ist gekennzeichnet durch vorwiegend überdurchschnittliche, oft hohe bis sehr hohe, zeitweise sogar extrem hohe Werte der Lufttemperatur und - verglichen mit den meisten der letzten zehn Jahre - ziemlich gleichmässig über das Jahr verteilte Niederschläge. Auch die räumliche Verteilung des Jahresniederschlags ( Fig. 2a ) erscheint weniger deutlich nach Regionen gegliedert als in früheren Jahren. Dagegen treten regionale Muster bei den Sommertemperaturen ( Fig.2b ) ungewohnt deutlich in Erscheinung. In Bezug auf den Massenhaushalt der Gletscher weist das Bilanzjahr 1991/92 folgende aus den Berechnungen des täglichen Wasserhaushalts im Aletschgebiet ermittelte Eigentümlichkeiten auf. Die Zuwachsperiode begann am 26. September ( eine Woche früher als im Durchschnitt der Periode 1931/87 ), endete vorzeitig am 3. Mai ( statt 1 .Juni ), dauerte 220 ( statt 239 ) Tage und ergab knapp überdurchschnittliche Rücklagen. In der Schwundperiode, die am 4. Mai ( vier Wochen zu früh ) begann und nach einer Dauer von 147 ( statt 126 ) Tagen am 26. September ( eine Woche zu früh ) endete, war der Abtrag um 20 Prozent grösser als im Mittel und etwa gleich gross wie 1990 ( in 153 Tagen ) oder 1991 ( in 100 Tagen ). Der natürliche Jahreszyklus des Wasserhaushalts ( 26.9.1991-26.9.1992 ) stimmte nahezu überein mit dem hydrologischen Jahr ( kalendermässig festgelegter Beginn am 1. Oktober ). Die laufende Haushaltsrechnung pendelte mit vorwiegend geringen Abweichungen um den Normalwert, bis im August das Massendefizit entstand, das die Jahresbilanz bestimmte. Gemäss der Jahresbilanz haben die natürlicherweise im Aletschgebiet gespeicherten Wassermengen im Berichtsjahr etwa gleich viel abgenommen wie im Durchschnitt der beiden letzten Jahre.Vorausgesetzt, sie sei vollumfänglich durch den Gletscherschwund bedingt, entspricht diese Zehrung an den Wasservorrä-ten einer durchschnittlichen Absenkung der Gletscheroberfläche um rund 0,7 Meter.

Witterungs verlauf Der Witterungsverlauf des Berichtsjahrs vom September 1991 bis Oktober 1992 ist veranschaulicht in der Figur 1 auf den Seiten 230 - 331 anhand der folgenden Beispiele: Tagesmittel der Lufttemperatur auf Jungfraujoch ( 3580 m ü. M. ), Tagesmenge des Niederschlags auf dem Säntis ( 2490 m ü. M. ) und täglich durch Radiosondierung um 13 Uhr ermittelte Meereshöhe der Nullgradisotherme über Payerne. Graphisch dargestellt sind die aktuellen Werte, als Ver-gleichsgrösse bei den Temperaturreihen auch die langjährigen Mittelwerte.

Die Temperaturwerte des Berichtsjahrs überstiegen den Normalwert vor allem im Hochwinter extrem weit und im Hochsommer fast dauernd sehr weit. Während dieser Wärmeperioden stieg die Nullgradisotherme zu wiederholten Malen in ungewöhnlich grosse Höhen auf; im Winter lag sie verschiedentlich über 3000 Metern, im mittleren Höhenbereich der Gletscher und der Gleichgewichtslinie des Massenhaushalts; im Sommer verharrte sie längere Zeit über 4000 Metern, oft sogar über der Gipfelhöhe der Hochalpen, so dass auch in den höchstgele- Abb. 1 bis 3 Griesgletscher ( Ägina ) Abbau der Kalbungsfront am Zungenende. Im September 1988 steht die Stirnwand noch durchgehend am Wasser des gefüllten Stausees ( 1 ). Sie überwölbt die Buchten zwischen den Ufern und den Geländerippen, genen Firngebieten intensives Schmelzen einsetzte und ungewöhnlich lange anhielt. Kälteperioden traten in allen Monaten mit sehr unterschiedlicher Häufigkeit und Intensität auf. Dauerhaft kühl war es im Juni und in der ersten Julihälfte, ein Kälteeinbruch Anfang September brachte Schneefall bis unter die Waldgrenze. Auf den Massenhaushalt der Gletscher wirkten sich die Wärmeperiode im Mai und die Kälteperiode im Frühsommer zunächst ausgleichend aus, indem die verfrüht in Gang gekommene Schneeschmelze im Hochgebirge wieder verzögert, der vorzeitige Abtrag durch Schneezuwachs auf das Normalmass vermindert wurde. Massgebend für das Defizit die bei niederem Wasserstand im August 1990 gut zu sehen sind ( 2 ). Hier fusst sie, inzwischen deutlich abgeflacht, im Oktober 1992 bei vollem See auf trockenem Boden ( 3 ).

in der Bilanz war in erster Linie die überaus intensive Gletscherschmelze im Hochsommer, die von Mitte Juli bis Ende August fast ununterbrochen wirksam war. Die Temperaturwechsel im September hatten auf das Bilanzergebnis wenig Einfluss, der Schneezuwachs am Monatsanfang und die Gletscherschmelze um die Monatsmitte glichen sich weitgehend aus. Das Monatsmittel der Lufttemperatur lag in den meisten Monaten an allen Stationen mehr oder weniger weit über dem Normalwert. Zu kalt war es im Dezember überall ausser an den Bergstationen, im Januar nur in den Niederungen und in den Alpentälern, wo sich Kaltluft ansammelte, sowie im Juni allgemein in der Westschweiz und im Südtessin. Die grössten Wärmeüberschüsse wurden im Januar in Berglagen ( bis 4,5 Grad; wärmster Januar seit 1901 auf dem Säntis ) und im August in den nördlichen und östlichen Landesteilen verzeichnet ( bis 5,1 Grad; wärmster August seit Messbeginn in Zürich, anno 1864, und Basel, anno 1808 ).

Niederschlag Die dargestellte Niederschlagsreihe des Säntis ergibt eine leicht unterdurchschnittliche Jahressumme wie an den meisten Stationen in den nördlichen Voralpen und im Mittelland. Die Niederschlagsmengen der Monate waren sehr unterschiedlich und oft gegensätzlich auf die verschiedenen Regionen verteilt. Im September erhielten die Westschweiz und die Alpensüdseite viel Niederschlag. Im Oktober war es im Westen zu nass, im Osten zu trocken, im November auf der Alpennordseite zu nass, im Süden und Osten zu trocken. Nach einer trockenen ersten brachte die zweite Monatshälfte im Dezember der Nordschweiz viel, dem Alpengebiet sehr viel, der Südschweiz wenig Niederschlag. Trockenheit auf der Alpennordseite und Nässe auf der Südseite im Januar wurden abgelöst durch gegensätzliche Verhältnisse im Februar. Im März erhielt vor allem das östliche Alpengebiet sehr viel Niederschlag, der Süden die normale Menge erst am Monatsende, nach 38 niederschlagsfreien Tagen. Ziemlich trocken war der April grossenteils im Alpengebiet und allgemein im Süden, sehr trocken der Mai in der Deutschschweiz.B.esonders nass war der Juni im Westen und Süden, der Juli am Genfersee und im Wallis. Im August fiel wenig Niederschlag in allen Landesteilen mit Ausnahme der zentralen und östlichen Alpen, wo Gewitterstürme mit Hagelschlag normale Regenmengen brachten. Im September ergab sich wie im Vorjahr ein starkes Niederschlagsgefälle vom Überfluss in der Südschweiz zum Mangel in der Nordschweiz. Dieses wechselhafte Niederschlagsregime trug wesentlich bei zu einem ziemlich ausgeglichenen Jahresgang im Massenhaushalt der Gletscher während der Zuwachsperiode und in der ersten Hälfte der Schwundperiode. In dieser Zeitspanne waren das Manko vor und der Überschuss nach den ergiebigen Schneefällen im Dezember die grössten Abweichungen vom Normalwert der laufenden Bilanzrechnung. Das Massendefizit, das sich im Laufe des trockenen Hochsommers einstellte, wurde durch Schneefälle Anfang September nur vorübergehend vermindert.

Klima faktoren im Vergleich Das Klima des Berichtsjahres ist in Figur 2 auf Seite 232 veranschaulicht durch die Grossen Jahresniederschlag und Sommertemperatur, die den Massenhaushalt der Gletscher massgebend bestimmen. Sie sind dargestellt durch ihre Abweichung vom Normalwert, die für 110 Stationen des Niederschlagsmessnetzes und für 56 Stationen des automatischen Temperaturmessnetzes der SMA als statistische Indexzahl berechnet und gemäss diesem Index den Klassen geringer, starker oder sehr starker Abweichung nach oben ( positiv ) oder nach unten ( negativ ) zugeteilt ist. Aufgrund der klassierten Werte sind die Zonen gleicher Abweichung abgegrenzt und in stark vereinfachender Weise wiedergegeben. Da sich bei den Sommertemperaturen 1992 ausschliesslich positive und vielfach ausserordentlich grosse Abweichungen ( Indexwerte über 3, in einzelnen Fällen bis 5 ) ergaben, sind auch die Zonen + 3 und +4 ausgeschieden. In einer normal verteilten Stichprobe mit 1000 Einzelwerten enthalten die Klassen —3 und +3 ( Indexwerte zwischen 3 und 4 ) je 18 Einzelwerte, die Klassen —4 und +4 ( Indexwerte kleiner als -4 bzw. grösser als +4 ) je 4 Einzelwerte. In einer Zeitreihe mit Jahreswerten sind demgemäss Werte der Klasse +4 im Durchschnitt etwa einmal in 250 Jahren zu erwarten. Nach der Terminologie von Uttinger ( 1966 ) sind Temperaturwerte der Klasse +3 als ( ungewöhnlich ) warm, solche der Klasse +4 als ( ausserordentlich ) warm zu werten.

Die Summe der Niederschläge von Oktober 1991 bis September 1992 lag im allgemeinen innerhalb des Normalbereichs, im nördlichen und östlichen Alpenraum mehrheitlich über, in den übrigen Gebieten mehrheitlich unter dem Mittelwert. Viel Niederschlag erhielten einzelne Stationen in den westlichen Berner Alpen ( Gsteig, Kiental, Ried ), im oberen Reusstal ( Göscheneralp ), in den Bündner Alpen ( Vals, Klosters, Martina ) und im Tessin ( Brusio ). Wenig Niederschlag fiel im Alpen- und Voralpengebiet der Zentralschweiz ( Haslital, Engelberg, Kanton Schwyz ), im Sarganserland und an einzelnen Orten im Mittelland. Sehr trocken war es am Bodensee.

Vom Mai bis September 1992 war es -trotz kühlem Sommeranfang - im ganzen Land viel wärmer als normal. Auch Zermatt mit dem kleinsten Wärmeüberschuss aller berücksichtigten Stationen erlebte einen ausgesprochen warmen Sommer. Vom Waadtland bis ins westliche Tessin war es wie im Puschlav sehr warm, am Genfersee, im Unterwallis, im Nordjura und vom Neuenburgersee durch die Zentralschweiz bis in die Bündner und Tessiner Alpen ungewöhnlich warm. In den übrigen Gebieten, vom Bielersee durch das Mittelland und die Nordostschweiz bis ins Prättigau wie auch im Oberengadin, war der ausserordentlich warme Sommer 1992 einer der wärmsten dieses Jahrhunderts.

Gletscherveränderungen Massenhaushalt Im Haushaltsjahr 1991/92 hat die Gletschermasse in den Schweizer Alpen durchwegs und kräftig weiter abgenommen. Vom Herbstbeginn bis zur Sommermitte lösten sich Niederschlags- und Trockenperioden ziemlich regelmässig ab, der Massenhaushalt der Gletscher folgte dem normalen Jahresgang mit mehrfach wechselnden positiven und negativen, zumeist geringen bis mässigen Abweichungen vom termingemäs-sen Mittelwert. Im warmen und trockenen Mai war die Schneeschmelze vorzeitig auch im Hochgebirge in Gang gekommen. Schneefälle im nasskalten Juni und Anfang Juli glichen den Abtrag immer wieder aus, bis andauernd intensives Schmelzen im trockenen und überaus warmen Hochsommer ein beträchtliches Massendefizit erzeugte. Dieses ist im September durch Schneefall am kalten Monatsanfang leicht vermindert, durch erneut kräftig einsetzendes Schmelzen um die warme Monatsmitte jedoch gleichermassen wieder vermehrt worden. Am Schluss des Haushaltsjahrs ergab sich bei allen Gletschern, deren gesamte Massenänderung als Bilanz über Zuwachs im Nährgebiet und Abtrag im Zehrgebiet ( Gries, Giétro, Silvretta ) oder als Bilanz über Niederschlag, Abfluss und Verdunstung im hydrologischen Einzugsgebiet ( Aletsch ) berechnet wird, ein starker Massenschwund. Im Aletschgebiet hat der Schwund - gemessen am Vorjahres-wert - um rund 20 Prozent zugenommen, bei den anderen Gletschern um rund 30 Prozent abgenommen. Die Ergebnisse der Jahresbilanzen unterschieden sich im Berichtsjahr wesentlich weniger als in den Vorjahren, was wohl hauptsächlich auf die gleichmässigere Verteilung des Jahresniederschlags zurückzuführen ist. Auf allen Gletschern ist die Winterschneedecke im Hochsommer sehr rasch und weit zurückgeschmolzen, auf einigen sogar restlos verschwunden ( z.B. Kessjen, Tälliboden, Ofental ). In den niederschlagsreicheren Gebieten dagegen waren auch auf kleinen Gletschern, die in den Vorjahren vollständig ausgeapert waren, im Herbst 1992 wieder bescheidene Firnrückla-gen vorhanden ( z.B. Paneirosse, Grand Plan Névé ).

Am stärksten war der Massenverlust wiederum beim Griesgletscher, der in der Dicke um durchschnittlich 1,0 m abgenommen hat. Dieser Dickenschwund entspricht einer Verminderung des Rauminhalts um rund 6 Millionen Kubikmeter und ist seit 1961 in neun ( von 31 ) Haushaltsjahren übertroffen worden. Er ist jedoch im Gegensatz zu den Vorjahren nur wenig grösser als bei den Haushaltsgletschern im zentralen und nördlichen Alpenraum. Der Silvrettagletscher, der im Berichtsjahr um 0,9 m dünner geworden ist, hat seit 1959 in vier ( von 33 ) Haushaltsjahren stärker abgenommen. Mit Schwundbeträgen zwischen 1,55 und 0,95 m waren 1964, 1973 und 1992 sowie 1963 die extremen Schwundjahre dieser Messreihe. Für Limmern und Plattalva fehlen ( zumindest vorläufig, in Erwartung der photogrammetrischen Auswertung der jährlich aufgenommenen Luftbilder ) genaue Zahlenangaben für das Berichtsjahr. Beide Gletscher lagen Mitte September unter einer Neuschneedecke, die bis 2500 m und damit weit unter die Höhe der Altschneegrenze herunterreichte. Nach den Wahrnehmungen des Beobachters waren sie im Sommer wesentlich weniger stark ausgeapert als in den beiden vorangehenden Jahren. Ihr Massenschwund dürfte somit ebenfalls etwas geringer gewesen sein als im Vorjahr. Die Beobachtungen über den Firnzuwachs auf dem nahe gelegenen Claridenfirn, wo am oberen Pegel, auf 2900 m Meereshöhe, im Berichtsjahr eine 1,1 m dicke, im Vorjahr eine 0,35 m dünne Firnrücklage gemessen wurde, stützen diese Annahme.

Die Ansicht vom 7. September 1992 zeigt in der Bildmitte die Felskante, die den Gletscher seit Jahrzehnten immer mehr eingeschnürt, im letzten Sommer vollends zerteilt hat.

Das neue Zungenende oberhalb der Felsstufe ist 705 m weit vom vorjährigen entfernt. ( 5 ) Abb. 6 Vedreit da Camp ( Paradisino ). Längenzuwachs durch Firnanlagerung. Auf der Aufnahme vom 12. September 1992 ist der angelagerte Firn oder Lawinenschnee durch die hellere, weniger unebene und fast schuttfreie Oberfläche im Vordergrund abgegrenzt gegen das blanke Eis der Gletscherzunge.

Für die Aletschgletscher ist eine Verminderung der mittleren Eisdicke um 0,7 m aus der Jahresbilanz über den Wasserhaushalt im Einzugsgebiet der Massa errechnet worden. In diesem Gebiet war der Schwund im Berichtsjahr etwas stärker als im Vorjahr, etwa dreimal so stark wie im jährlichen Durchschnitt seit 1931. Im Extremjahr 1947 war der Schwund rund viermal so gross wie 1992. Diese Beobachtungsreihe mit 61 Haushaltsjahren enthält 36 Schwundjahre, in deren Mitte das Berichtsjahr an 17., das Vorjahr an 19. Stelle vorkommen. Unter den 32 Haushaltsjahren seit 1960 ist das Berichtsjahr als fünftstärkstes Schwundjahr nach 1964, 1990, 1976 und 1971 eingereiht. Der Jahresniederschlag im Aletschgebiet wich im Berichtsjahr mit 220 cm wie im Vorjahr ( 224 cm ) wenig vom Normalwert ( 217 cm ) ab. Bei den übrigen Wasserhaushaltsgrössen der letzten drei Jahre ist der geringe Unterschied in den Abflussmengen ebenso bemerkenswert wie der grosse Unterschied in der Dauer der Schmelzperiode. Der nachstehende Vergleich dieser Jahre mit dem Extremjahr 1947 und dem Durchschnittsjahr der Periode 1931-1991 wie auch mit den an der SMA-Sta-tion Säntis auf 2500 m Meereshöhe ermittelten Sommertemperaturen gibt einen Hinweis auf charakteristische Unterschiede in der Beziehung der Gletscherschmelze zur massgebenden Klimagrösse der einzelnen Jahre.

Bemerkenswert erscheint vor allem, dass der Abfluss im Verhältnis zu den Tempera-turwerten im Berichtsjahr wesentlich kleiner 1989/90 1990/91 1991/92 1946/47 1931-91 Massa Abflusshöhen - Jahresabfluss ( cm ) 234 238 239 330 211 - Sommerabfluss ( cm ) 225 196 224 302 187 Dauer der Schmelzperiode ( Tage ) 153 100 147 135 126 Säntis Sommertemperatur ( Mai-SeptemberTagesmittel ( °C ) 3,9 3,9 5,3 5,7 3,4 - Gradtagsumme ( in °C ) 624 748 830 890 613 war als in allen Vergleichsjahren, was hauptsächlich darauf zurückzuführen sein dürfte, dass die Gletscherschmelze durch Schneefälle am Anfang und am Ende des Sommers zeitweise stark gedrosselt war. An der Dauer der Schmelzperiode gemessen, war der Abfluss in den Jahren 1990 und 1992 etwa durchschnittlich, ausnehmend gross dagegen im Vorjahr und im Extremjahr 1947, als die Schmelzwirkung der Wärme während des ganzen Sommers durch eine ungewöhnlich dichte Saharastaublage an der Gletscheroberfläche verstärkt war.

Die Angaben über Volumen- und Dickenänderungen im Zungengebiet der Aaregletscher stützen sich auf die Berichte über die Vermessungen 1991 und 1992, die das Vermessungsbüro Flotron im Auftrag der Kraftwerke Oberhasli ausgeführt hat. Anstelle der bisher praktizierten Profilvermessung ( 1924-1968 terrestrisch, ab 1969 luftphotogrammetrisch ) wird neuerdings die Methode der digitalen Geländeaufnahme eingesetzt. Dabei wird die Höhenkote der Gletscheroberfläche an den Knotenpunkten des Lan-deskoordinatennetzes im Abstand von 50 m luftphotogrammetrisch bestimmt, automatisch gespeichert und elektronisch weiterverarbeitet zur Berechnung der Dicken- und Volumenänderung oder zur Darstellung der Pläne und Profile. Die Volumenänderung lässt sich mit dem neuen Verfahren auf etwa 0,2 Millionen Kubikmeter genau berechnen, d.h. wesentlich genauer als mit dem alten Verfahren, das in einem über drei Jahre geführten Vergleich Abweichungen bis 4 Millionen Kubikmeter ergab. Die Aaregletscher haben in den beiden letzten Jahren sehr stark abgenommen, und zwar - wie die Aletschgletscher - im zweiten Jahr stärker als im ersten. Im vermessenen Bereich sind im Vorjahr 28, im Berichtsjahr 38 Millionen Kubikmeter Eis verschwunden, wobei sich die Gletscherdicke im Mittel um 1,4 bzw. 1,9 m verminderte. Die grössten Schwundwerte der 23 Jahre seit 1969 waren 1990 verzeichnet worden, als das Volumen um 40 Millionen Kubikmeter, die Dicke um 2,4 m abnahm. In der Rangliste der 17 Schwundjahre dieser Periode folgen die Jahre 1992, 1971, 1991 und 1976 an zweiter bis vierter Stelle. Mit den photogrammetrischen Aufnahmen wird das Zehrgebiet auf einer Fläche von rund 20 km2 - je nach Lage der Gleichgewichtslinie mehr oder weniger vollständig -erfasst. Aus der terrestrischen Profilvermessung in der Periode 1924-1969 ist für den flachen, unterhalb rund 2600 m gelegenen Talbereich ( rund 14 km2 ) in den Extremjahren 1947, 1949 und 1950 ein Volumenverlust um Tabelle 1 Längenänderung der Gletscher - Zusammenfassung 1989/90 bis 1991/92 Klassen Anzahl Gletscher und Prozentanteil der Klassen 1989/90 1990/91 Anzahl Prozent Anzahl Prozent 1991/92 Anzahl Prozent Beobachtungsnetz 121 121 121 nicht beobachtet 10 12 121 beobachtet 111 109 109 nicht klassiert 32 Stichprobe 111 100,0 109 100,0 106 100,0 wachsend 14 12,6 8 7,3 73 6,6 stationär 6 5,4 1 0,9 54 4,7 schwindend 91 82,0 100 91,8 945 88,7 Mittlere Längenänderung Mittelwert -9,7 m -12,4 m -11,7 m Anzahl Werte 89 89 846 Klassierung 1991/92 Den Klassen zugeordnet sind folgende durch ihre Nummer aus der Tabelle 2 bezeichnete Gletscher "

6 33 71 72 77 80 82 108 112 113 115 116. Eingeschneit: 103 118 Cr.

4 12 19 35 81 101 105.

7 21 44 45 114.

1 2 3 5 8 9 10 11 13 14 15 16 17 18 20 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 34 36 37 38 39 40 41 42 43 46 47 48 49 50 51 52 53 54 55 56 57 58 59 60 61 62 63 64 65 66 67 68 69 70 73 74 75 76 78 79 83 84 85 86 87 88 89 90 91 92 93 94 95 96 97 98 99 100 102 104 106 107 109 110 111 117 119 120. Im Durchschnittswert sind die Ergebnisse von 22 Gletschern nicht berücksichtigt:

- Zahlenwert für mehrere Jahre: 9 14 30 73 75 76 84Einwirkung eines künstlichen Sees: 3 50; -Zahlenangabe ungenau oder fehlend: 13 22 37 46 47 49 55 56 58 65 83 107 110.

40, 46 und 41 Millionen Kubikmeter und eine mittlere Dickenabnahme um je 3,3 m berechnet worden.

Im Berichtsjahr waren die Gletscher der Schweizer Alpen durchwegs und ziemlich gleichmässig starkem Schwund unterworfen. In den meisten Regionen ausser im Aarmassiv, wo wenig Niederschlag fiel, hat die Gletschermasse weniger abgenommen als im Vorjahr. Gemessen an den klimatischen Gegebenheiten - meistenorts normaler Jahresniederschlag, überall grosse oder sehr grosse bis extreme Sommerwärme und lange Dauer der Schmelzperiode - ergab die Jahresbilanz allgemein ein gemässigtes Massendefizit. Im wechselhaften Verlauf der Witterung erfolgte der Massenzuwachs im Winter schubweise fast stets innerhalb des normalen Rahmens, wogegen der Massen-abtrag, durch vorzeitigen Beginn im Frühjahr und intensive Gletscherschmelze im Hochsommer beschleunigt, den normalen Rahmen überschritt, jedoch verhältnismässig wenig, da Schneefall am Anfang und Ende des Sommers einschränkend wirkte. Infolge- Tabelle 2 Längenänderung der Gletscher in den Schweizer Alpen 1991/92 Nr. a ) Gletscher Kt.

b ) Längenänderui in Metern 1990/91 c ) ig 1991/92 c ) Höhe m ü. M 1992 Messdatum Tag, Monat 1990 1991 1992 Einzugsgebiet der Rhone ( II ) 1 Rhone VS - 31 - 10 2169 17. 8.

10.

8.

22. 8.

2 Mutt vs - 5 - 7 2583 17. 8.

10.

8.

23. 8.

3e Gries vs - 8,8 - 18,2 2384,8 22. 8.

10.

9.

18. 9.

4 "

Fiescher vs - 6,2 + 7,4 1673,2 6.10.

8.

9.

11. 9.

5e Grosser Aletsch vs 9 - 18 1549,3 8.10.

20.

8.

18. 9.

106 "

Mittelaletsch vs - 16 - 8 2283,5 6. 9.

5.

9.

18. 9.

6 Oberaletsch vs n n 2143,5 7.10.

n n 7 "

Kaltwasser vs + 3,6 + 0,6 2660 13. 9.

11.

9.

17. 9.

8 "

Tälliboden vs 7,9 - 2,3 2631,0 1.10.

1.

10.

1.10.

9 "

Ofental vs — X - 42,22 2692,6 1.10.

1.

10.

1.10.

10 Schwarzberg vs - 6,0 5,0 2651,7 28. 9.

11.

9.

18. 9.

11 Allalin vs - 34,6 - 63,0 2311,5 23. 8.

11.

9.

18. 9.

12 "

Kessjen vs - 28 + 11,6 2871,6 29. 9.

3.

10.

30. 9.

13 "

Fee ( Nord ) vs - 10ca.

- 5ca.

1920,3 22. 8.

10.

9.

28. 9.

14e Gorner vs 4 - 64,03 2106,9 20.10.

20.

10.

24. 9.

15 Zmutt vs + 3 2 2242 16. 8.

12.

8.

24. 8.

16 "

Findelen vs - 61,2 - 22,3 2483,9 22. 8.

4.

9.

18. 9.

107 "

Bis vs — X — X - 22. 8.

28.

8.

18. 9.

17 Ried vs - 6,2 - 12,3 2058,6 26. 9.

30.

9.

24. 9.

18 Lang vs 7 - 2,5 2029 27.10.

16.

10.

16.10.

19e Turtmann ( West ) vs + 7,2 + 2,5 2261 18. 9.

18.

9.

24. 9.

20 Brunegg ( Turtm. Ost ) vs 5,2 2,7 2451 18. 9.

18.

9.

2.10.

21 "

Bella Tola vs - 13,1 - 0,5 - 12. 9.

11.

9.

9.10.

22 e Zinal vs - 15 - 30ca.

2030 13. 9.

27.

9.

8.10.

23 Moming vs 9,6 - 29,5 2355 13. 9.

27.

9.

8.10.

24 Moiry vs - 5,5 - 4,2 239083 4.10.

9.

10.

9.10.

25 Ferpècle vs - 19,4 - 7,8 209583 6.10.

4.

10.

17.10.

26 Mont Miné vs - 25,3 4,7 196383 6.10.

4.

10.

17.10.

27 Arolla ( Mt. Collon ) vs - 26,4 - 10,4 213583 11.10.

5.

10.

17.10.

28 Tsidjiore Nouve vs - 3,5 7,6 220583 11.10.

5.

10.

17.10.

29 Cheillon vs - 79,3 - 60 263083 4.10.

23.

10.

13.10.

30 e En Darrey vs + X 82 249083 3.10.

23.

10.

13.10.

31 Grand Désert vs - 732 7,4 2760 n 25.

09.

20. 9.

32 Mont Fort ( Tortin ) vs - 2213 - 8,4 2780 n 3.

10.

15.10.

33 Tsanfleuron vs - 15 n 241769 11.09 25.

9.

n 34 "

Otemma vs - 13,3 - 13,3 2460 10. 9.

18.

9.

30. 9.

35 e Mont Durand vs + 23 + 6 2340 11. 9.

19.

9.

1.10.

36 "

Breney vs - 11 - 23,5 2575 10. 9.

18.

9.

30. 9.

37 "

Giétro vs - X — X 2480 ca.

23. 8.

28.

8.

9. 9.

38 "

Corbassière vs - 15 - 14 2169 7. 9.

12.

9.

5.11.

39 Valsorey vs - 9,0 - 19,0 2395 22. 8.

11.

10.

9.10.

40 Tseudet vs - 11,8 - 22,3 2440,6 22. 8.

11.

10.

9.10.

41 "

Boveyre vs - 25,0 - 37,1 2611,7 29. 8.

11.

10.

8.10.

42 Saleina vs - 23,5 - 9,8 1701,7 10. 9.

16.

10.

6.11.

108 Orny vs n n 23. 8.

n n 43 "

Trient vs - 19 - 15 1754 14.10.

8.

10.

7.11.

44 "

Paneyrosse VD - 6,8 + 0,4 10.10.

19.

9.

14.10.

Nr a ) Gletscher Kt.

b ) Längenänderun in Metern 1990/91 g 1991/92 Höhe m ü. IVI.

1992 d ) Messdatum Tag. Monat 1990 1991 1992 45 = Grand Plan Névé VD - 10,4 - 0,3 28.

20.

9.

13.

10.

46 e Martinets VD n — X6 n n 25.

9.

47« Sex Rouge VD - 21,6 — X 27.

9.

24.

9.

16.

8.

48 = Prapio VD - 15ca.

- 10 30.

9.

26.

10.

25.

10.

49« Pierredar VD — X — X 11.

10.

6.

9.

25.

9.

Einzugsgebiet der Aare ( la ) 50e Oberaar BE 4,1 - 18,1 2300,0 20.

8.

22.

8.

16.

9.

51e Unteraar BE - 16,6 - 29,6 1919 22.

8.

22.

8.

16.

9.

52 = Gauli BE - 11 - 21 2150 18.

10.

19.

9.

30.

9.

53 Stein BE 5 7 1934 30.

9.

21.

9.

25.

9.

54 Steinlimmi BE - 12 - 11 2093 30.

9.

21.

9.

25.

9.

55 = Trift ( Gadmen ) BE — X — X 167080 6.

9.

22.

8.

16.

9.

56« Rosenlaui BE — X — X 1860 ca.

20.

8.

6.

9.

18.

9.

57 Oberer Grindelwald BE - 53 - 50 1250 ca.

26.

10.

19.

10.

14.

10.

58« Unterer Grindelwald BE — X — X - 6.

10.

21.

9.

14.

10.

59« Eiger BE - 28,4 - 15,9 211583 20.

9.

24.

9.

17.

9.

60« Tschingel BE - 9,0 - 3,8 226584 21.

9.

25.

9.

18.

9.

61 Gamchi BE - 3,1 - 6,4 1990 14.

9.

5.

9.

15.

9.

109« Alpetli BE 1,7 - 9,2 2250 11.

9.

12.

9.

16.

9.

110 = Lötschberg BE n X3 - n n 21.

8.

62« Schwarz VS - 8,4 2,5 223091 14.

9.

5.

10.

18.

9.

63 = Lämmern VS - 10 7,8 2522 15.

9.

1.

10.

19.

9.

64 Blümlisalp BE - 11,2 5,8 2250 14.

9.

24.

9.

17.

9.

111e Ammerten BE 5,9 3,7 2345 ca.

3.

10.

22.

10.

27.

10.

65« Rätzli BE - 20 ca.

— X 243091 22.

10.

9.

10.

18.

9.

112 Dungel BE n n - n n n 113 Gelten BE n n — n n n Einzugsgebiet der Reuss ( Ib ) 66« Tiefen UR - 14,1 6,8 2500 8i> 12.

9.

17.

9.

18.

9.

67 = Sankt Anna UR - 12,2 - 4,9 258091 n 17.

9 18.

9.

68 = Kehlen UR - 14,0 - 12,2 2078 8S> 13.

9.

11.

9.

9.

10.

69 Rotfirn ( Nord ) UR 5,0 - 12,0 203189 13.

9.

11.

9.

9.

10.

70« Damma UR + 2,3 - 8,9 204464 13.

9.

11.

9.

9.

10.

71 Wallenbur UR 6 n 2238 26.

9.

9.

10.

n 72 Brunni UR n n - 13.

9.

n n 73 = Hüfi UR n - 26,42 1640 14.

9.

n 9.

10.

74« Griess UR - 34,0 2,4 2219 2.

10.

4.

10.

9.

10.

75« Firnalpeli ( Ost ) OW n - 14,52 2165 10.

8.

n 17.

9.

76e Griessen OW n - 8,62 2460 ca.

24.

8.

n 20.

8.

Einzugsgebiet der Linth/Limmat ( Ic ) 77 Biferten Gl4 n 1901,2 29.

9.

14.

8.

n 78 = Limmern GL 4,9 2,0 2260 16.

10.

25.

9.

17.

9.

114 = Piattalva GL - 10 + 0,6 2565 17.

10.

25.

9.

16.

9.

79« Sulz GL - 9,72 - 4,6 1785 n 26.

10.

30.

9.

80 Glärnisch GL - 5,4 n 2291,6 20.

8.

27.

8.

n 81e Pizol SG - 22,4 + 5,2 2600 18.

9.

26.

9.

26.

9.

Nr. a ) Gletscher Kt. b ) Längenänderung in Metern 1990/91 1991/92 e ) e ) Höhe m ü M.

1992 Messdatum Tag, Monat 1990 1991 1992 Einzugsgebiet des Rheins/Bodensees ( Id ) 82 Lavaz GR n n 228589 3. 8.

n n 83 Punteglias GR - 22 X 2365 28. 9.

4.

10.

84 "

Lenta GR n — 92,22 2310 28. 9.

n 21. 9.

85 "

Vorab GR - 29,1 - 19,0 29. 9.

4.

9.

30. 9.

86 e Paradies GR - 21,2 - 80,5 2681 10. 9.

18.

9.

7. 9.

87 "

Suretta GR + 47,5 - 43,3 2211 18. 9.

11.

9.

12. 9.

115 Scaletta GR X6 n — n 20.

8.

n 88 "

Porchabella GR - 9,3 - 10,2 2640,4 3.10.

26.

9.

24. 9.

89 "

Verstankla GR - 6 - 9,5 2390 28. 8.

28.

8.

27. 8.

90 "

Suvretta GR - 9,2 - 13,2 2438,8 19. 9.

30.

8.

16. 9.

91 "

Sardona SG - 22,6 - 7,6 2500 14. 9.

18.

9.

25. 9.

Einzugsgebiet des Inns ( V ) 92 " Roseg GR + 0,3 - 11,5 2159 10.10.

13.

8.

25. 9.

93 "

Tschierva GR - 8,7 - 19,4 2143 10.10.

13.

8.

25. 9.

94 "

Morteratsch GR - 4,8 - 6,4 2031 19. 9.

10.

10.

30. 9.

95 "

Calderas GR - 17,0 - 8,5 2731 26. 9.

1.

10.

6.10.

96 "

Tiatscha GR - 10 13 2500 3.10.

5.

10.

15.10.

97 e Sesvenna GR 6,9 - 5,0 2760 22. 9.

31.

8.

24. 8.

98 "

Lischana GR - 4,9 - 7,3 2750 15. 9.

17.

8.

27. 9.

Einzugsgebiet der Adda ( IV ) 99 " Cambrena GR 4,5 - 11,9 2520 27. 9.

4.

10.

16. 9.

100 "

Palü GR - 12,0 - 7,2 2330 18.10.

29.

10.

27.10.

101 "

Paradisino ( Campo ) GR - 12,0 + 2,8 2825 29. 9.

14.

9.

12. 9.

102 Forno GR - 18,7 - 21,6 2225 3.10 10.

10.

30. 9.

116 Albigna GR — X6 n 2163 n 16.

8.

n Einzugsgebiet des Tessins ( III ) 120e Corno TI 6,5 - 13,1 2570 30. 8.

30.

8.

18. 9.

117e Valleggia TI — x — 10 2420 7. 9.

25.

9.

16. 9.

118e Val Torta TI 9,1 sn 2535 10. 9.

6.

9.

15.10.

103 "

Bresciana TI - 12,0 sn 2730 25. 9.

24.

9.

26.10.

119 "

Cavagnoli TI - 16,0 - 21,3 2590 12. 9.

11.

9.

17. 9.

104 "

Basòdino TI 1,9 - 3,3 2522,4 11. 9.

10.

9.

15.10.

Cre Croslina TI - 6,0 sn 2670 6. 9.

18.

9.

26.10.

105e Rossboden VS + 2,4 + 9,6 1950 13. 9.

11.

9.

17. 9.

Abkürzungen + wachsend st stationär - schwindend Allgemeine Bemerkungen a In Tabelle 1 und Figur 3 des vorliegenden Berichts sind die Gletscher mit ihrer Nummer aus dieser Tabelle bezeichnet.

b Liegt ein Gletscher auf dem Gebiet mehr als eines Kantons, ist der Kanton angegeben, in dem sich das beobachtete Zungenende befindet.

c Gilt die Angabe für eine mehrjährige Zeitspanne, ist die Zahl der Jahre angezeigt wie folgt: — 13,42 = Schwund um 13,4 Meter in 2 Jahren.

d Ist die Höhenkote des Zungenendes oder des Gletschertors nicht im Berichtsjahr gemessen, ist das Jahr der Messung folgenderweise angezeigt: 2253,086 = Kote 2253 m ü. M., gemessen im Jahr 1986.

e Eine Bemerkung mit der Nummer dieses Gletschers wird im vollständigen 113. Bericht der Gletscherkommission veröffentlicht.

ca. ungefährer Wert x Betrag nicht bestimmt sn eingeschneit unsichere Angabe nicht beobachtet dessen entwickelte sich das Berichtsjahr mit einem der wärmsten Sommer dieses Jahrhunderts - ausser bei den Aaregletschern -zu einem mittelmässigen Schwundjahr statt zu einem der stärksten Schwundjahre dieses Jahrhunderts. Dennoch erhielten die Kraft-werkspeicher aus der reichlichen Gletscher-spende genügend Zufluss für eine ertragreiche Nutzung der Betriebskapazitäten. In tiefergelegenen Gletscherskigebieten dagegen musste der Sommerbetrieb nach allzu-raschem und vollständigem Schwinden der Schneedecke vorzeitig eingestellt werden.

Gletscherbewegung An den meisten Orten, wo die Fliessgeschwindigkeit an der Gletscheroberfläche durch Messungen an den Pegelstangen im Gelände oder durch Luftbildvermessung am Stereoautographen ermittelt wird, hat sich die Bewegung des Eises im Berichtsjahr weiter verlangsamt, die minimalen Geschwindigkeiten des Vorjahrs sind erneut unterschritten worden. Da die Gletscherbewegung in hohem Masse abhängig ist von der Eisdicke, ist ihre Verzögerung grossenteils als normale Folge des allgemeinen Dickenschwundes zu betrachten. Sehr deutlich erscheint dieser Zusammenhang in den Ergebnissen der Bewegungsmessungen an den Pegelstangen im Zungengebiet des Allalin-und des Giétrogletschers. An beiden Orten haben sich Geschwindigkeit und Dicke seit 1967 im gleichen Sinn und ähnlichen Mass verändert, auf dem Allalin jeweils ein Jahr früher als auf dem Giétro. Die Messstelle auf dem Allalin befindet sich im hinteren Zungenbereich. Auf dem Giétro traten die Geschwindigkeitsschwankungen im ganzen Zungenbereich gleichzeitig auf. Die Geschwindigkeiten waren im Berichtsjahr rund 10 Prozent langsamer als im Vorjahr, etwa 15-20 Prozent langsamer als im Anfangsjahr 1967/68 und nicht einmal halb so schnell wie die Höchstgeschwindigkeiten im Jahr 1980/81 bzw. 1981/82.

Ein weiteres gemeinsames Merkmal in der Bewegung dieser beiden Gletscher ist die für steile Gletscherzungen typische, durch verstärktes Gleiten erzeugte Beschleunigung im Spätsommer, die beim Allalin - im Gegensatz zum Giétro - verschiedentlich zu augenfälligen, von Eisabbrüchen am Zungenrand begleiteten Rutschungen geführt hat, wie sie in früheren Berichten beschrieben und in Bildern dargestellt sind. Auf dem Mattmark- damm ist eine automatische Kamera aufgestellt, um solche Rutschungen durch tägliche Bildaufnahmen zu erfassen. Auf den Aufnahmen vom 11. und 30.9.1992 sind kleine Eisabbrüche zu erkennen, die für das Berichtsjahr eine gemässigte, als Rutschung wenig ausgeprägte Beschleunigung anzeigen. Am Giétro wird die Bewegung jeweils von der Sommermitte bis in den Spätherbst mittels einer registrierenden Messanlage ( Kryokinegraph ) als Weg-Zeit-Diagramm aufgezeichnet. Daraus ist ersichtlich, dass die Geschwindigkeit im Spätsommer regelmässig etwa 20-40 Prozent über dem am Pegelnetz bestimmten Jahresdurchschnitt liegt und somit von Jahr zu Jahr ähnliche Schwankungen aufweist wie dieser. Im Sommer 1992 blieben die registrierten Geschwindigkeitswerte stets unter 15 cm/Tag, entsprechend dem minimalen Jahresmittel von 11 cm/Tag ( knapp 40 m/Jahr ) beim nächstgelegenen Pegel. Die höchsten Tageswerte hatten im Sommer 1982 gut 30 cm/Tag erreicht, der höchste Durchschnittswert im Jahr 1981/82 betrug 25 cm/Tag ( 94 m/Jahr ).

Bei den Aaregletschern hat die Fliessgeschwindigkeit in den letzten zwei Jahren ebenfalls nachgelassen, im Mittel um 2 Prozent im ersten, um 4 Prozent im zweiten Jahr, jedoch sehr unterschiedlich in den verschiedenen Messprofilen. In den hintersten und in den vordersten Profilen hat sich die Bewegung fortwährend verzögert, in den mittleren vorübergehend beschleunigt. Von 1990 auf 1991 nahm sie in der Umgebung des Abschwungs, wo Finsteraar- und Lauteraar-sich zum Unteraargletscher vereinigen, um rund 5-20 Prozent zu, im folgenden Jahr ebensoviel wieder ab. Von 1991 auf 1992 beschleunigte sie sich im talwärts anschliessenden Teil des Unteraars, am meisten in der Umgebung des Pavillon Dollfus ( bis 25% ). Ob die Beschleunigung sich in gleicher Weise weiter fortpflanzt bis ans Zungenende und es allenfalls sogar zum Vorstossen veranlasst, wird sich in wenigen Jahren weisen.

Längenänderung Die Längenänderung der Gletscher in den Schweizer Alpen ist wie jedes Jahr am Messnetzder Gletscherkommission mit derzeit 121 Gletscherzungen ermittelt. Hievon sind 106 im Herbst 1992 erfasst worden im 12 Abb.7bis14 Glacier de Giétro. Registrierung der Gletscherbewegung. Bei hohem Gletscherstand entsteht am Zungenende eine Abbruchwand, rund 600 m über dem Seespiegel ( 7 ). Am 19. August 1978 war sie gegen 200 m breit und 50 m hoch ( 8 ). Die Bewegung des Eises im steilen vordersten Zungenbereich wird bei hohem Wasserstand im Stausee Mauvoisin ( Mitte Juli bis Ende Oktober ) mit einer im August 1968 eingerichteten kryokinegraphischen Messanlage aufgezeichnet. Auf einem vorbereiteten Fundament ( 9 ) ist ein Messturm mittels Helikopter ( 10 ) zentimetergenau abgesetzt und von den Kraftwerkange-stellten festgeschraubt worden ( 11 ). Ein Stahlkabel wird jedes Jahr neu im Eis verankert ( 12 ) und über Umlenkrollen in den Messturm geführt, wo die Bewegung des Spanngewichts mit einem umgebauten Pegel-schreiber ( Limnigra- 227 phen ) aufgezeichnet wird ( 13 ). Im Winter 1975 wurde der Messturm durch eine Schneelawine weggefegt. Die Registrieranlage ist seither an einem Felsüberhang aufgehängt ( 14 ), mit Blitzschutz versehen und durch ein Fernmelde-system ergänzt. In der Zentrale Chanrion wird die Gletscherbewegung laufend aufgezeichnet und von den Wehrwär-tern täglich kontrolliert.

Rahmen der 113. Erhebung, deren Ergebnisse in Tabelle 1 zusammengefasst und mit den Ergebnissen der beiden vorangehenden Jahre verglichen sind. In Tabelle 2 sind die Ergebnisse der 112. und 113. Erhebung für jeden Netzgletscher einzeln aufgeführt. Figur 3 ergänzt Tabelle 2 mit einer geographischen Übersicht für das Berichtsjahr. In Figur 4 sind die Hauptergebnisse aus Tabelle 1 eingefügt in die Reihe der 113 Jahresstatistiken seit 1880. Darin sind für jedes Jahr die Anzahl ( N ) der beobachteten Gletscherzungen angezeigt und die Prozentanteile der wachsenden, stationären und schwindenden so eingetragen, dass sie sich auf 100 Prozent ergänzen. Die mittlere jährliche Längenänderung ist berechnet aus der Zahl ( M ) der berücksichtigten Messwerte. Aus verschiedenen ( in Anmerkung 6 zu Tabelle 1 für das Berichtsjahr angezeigten ) Gründen ist die Zahl M kleiner als die Zahl N.

Die Ergebnisse des Berichtsjahres unterscheiden sich gesamthaft wenig von denen des Vorjahrs. Die Gletscherzungen sind in beiden Jahren etwa gleich viel, um durchschnittlich rund 12 m, kürzer geworden. In der Stichprobe haben zahlen- und anteilmäs-sig die wachsenden und auch die schwindenden ein wenig abgenommen, die stationären leicht zugenommen. In der 113 Jahre umfassenden Beobachtungsreihe seit 1880 wiegen Schwundjahre bei weitem vor. Der Anteil der wachsenden Gletscher war in 99 Jahren kleiner, der Anteil der schwindenden in 92 Jahren grösser als 50 Prozent, der durchschnittliche Schwundbetrag in 94 Jahren grösser als 1 Meter. Dementsprechend ist das Normaljahr, das ( mit 21 % wachsenden, 71 % schwindenden Zungen und einem mittleren Schwund um 7,1 m ) auf Platz 57 genau in der Mitte der nach der Grösse des Schwundes aufgereihten Zahlenwerte liegt, ein ausgesprochenes Schwundjahr. Das Berichtsjahr, das in den betreffenden Reihen die Ränge 15, 17 und 28 belegt, ist wie das Vorjahr ( Rang 18, 9 und 25 ) der Klasse der starken Schwundjahre zuzuordnen. An der Spitze dieser Ranglisten stehen die Jahre 1905, 1947 und 1952 mit je einem einzigen wachsenden Gletscher, die Jahre 1942, 1947 und 1950 mit mehr als 95 Prozent schwindenden Gletschern sowie die Jahre 1947 und 1949 mit einem durchschnittlichen Längenschwund um 27 bzw. 20 m. Als stärkstes Schwundjahr der letzten drei Jahrzehnte folgt auf Rang 12, 9 und 12 das Jahr 1964, das in jeder Reihe vor dem Berichtsjahr liegt. Die unterschiedliche Tendenz zu verstärktem Schwund am Zungenende und nachlassendem Schwund im Massenhaushalt der Gletscher, die im letzten Bericht als Kennzeichen der 112. Messperiode eingehend besprochen ist, hat im Berichtsjahr angedauert. Das Nachlassen des Massenschwunds zeigt sich - ausser in den Haushaltszahlen - auch in der Längenänderung kleiner Gletscher, die auf Klimaeinflüsse unverzüglich reagieren. Bei solchen war 1992 in 3 Fällen ( Kessjen, Pizol, Paradisino ) ein Längenzuwachs und in 5 Fällen ( Kaltwasser, Bella Tola, Paneirosse, Grand Plan Névé, Plattalva ) ein Stillstand festzustellen, nachdem im Vorjahr ausser beim wachsenden Kaltwassergletscher ein Längenschwund stattgefunden hatte. Allerdings ist darauf hinzuweisen, dass der Zuwachs beim vollständig ausgeaperten Kessjengletscher vermutlich durch eine Rutsch-bewegung, beim Paradisino offensichtlich durch den am Zungenende angelagerten Lawinenschnee zustande kam.

Der gegensätzliche Fall, in dem der Massenzuwachs eines Gletschers mit mehrjähriger Verzögerung als Längenzuwachs an dessen Zungenende erscheint, trat im Berichtsjahr nur noch bei drei Gletschern auf. Der mittelgrosse Rossboden und zwei grosse, Turtmann und Mont Durand, haben den vorjährigen Vorstoss fortgesetzt, wogegen der grosse Zmutt und zwei mittelgrosse, En Darrey und Damma, nach mehrjährigem Vorstossen erstmals wieder zurückgegangen sind. Am Fieschergletscher ergab sich der Längenzuwachs weitgehend zufällig, da das Zungenende ungleichmässig auf der Ostseite durch schuttbedeckte Lawinenablagerungen verlängert, auf der Westseite durch Schmelzung verkürzt wurde. Beim Suretta dagegen ist der vorjährige, durch Lawinen-anlagerung entstandene grosse Zuwachs fast vollständig wieder abgeschmolzen.

Mindestens ebensoweit, z.T. bis zweimal so weit zurückgeschmolzen wie der Suretta sind im letzten Jahr folgende Gletscher: Allalin, Zinal, Moming, Cheillon, Boveyre, Oberer Grindelwald und Paradies, abgesehen von Ofental, Gorner und Lenta mit grossen Mehrjahreswerten. Die Zunge des Paradiesgletschers ist rund 600 m hinter dem Gletschertor durch eine ausapernde Felsstufe in den Vorjahren immer stärker eingeschnürt, im Berichtsjahr vollständig durchtrennt worden. Das neu entstandene dünn ausfla-chende Zungenende ist bereits um gut 80 m zurückgeschmolzen und liegt nun 704 m weiter hinten und 270 m höher als das vorjährige, das auf rund 2410 m ü. M. am talseitigen Rand der abgetrennten Toteismasse um etwa 40 m zurückgeschmolzen ist. Der Hinterrhein fliesst von seiner neuen Quelle durch das vormals von einer gut 200 m mächtigen Gletscherzunge, heute nur noch teilweise von einer dünnen Toteisplatte überdeckte Vorfeld zur rund 3 km entfernten und fast 500 m tiefer gelegenen Stelle, wo er dem Gletschertor bei den neuzeitlichen Eis-hochständen letztmals um 1850 entströmte.

Wie schon in früheren Jahren ist am zurückschmelzenden Zungenende des Tschiervagletschers ein Stück Holz zum Vorschein gekommen, das der Beobachter, Kreisförster G. Bott, zur Untersuchung und Altersbestimmung der Eidgenössischen Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft übergeben hat. Am Ufer des Grossen Aletschgletschers hat der Fachspezialist der Universität Zürich, H.P. Holzhauser, im vergangenen Sommer Humusschichten mit teilweise im Boden verwurzelten Holzresten entdeckt, die der absinkende Eisrand in den letzten Jahren freigegeben hat. Aus der Altersbestimmung geht hervor, dass an dieser Stelle während der Römerzeit mehrere Jahrhunderte lang Wachstumsbedingungen herrschten, unter denen sich ein stattlicher Baumbestand entwickeln konnte. Das lässt darauf schliessen, dass der Gletscher damals erheblich kleiner, wahrscheinlich gegen 100 m dünner und ungefähr 1 km kürzer war als heute, d.h. rund 4 km kürzer als bei den Hochständen im 17. und 19. Jahrhundert. Die Vermutung, die Gletscher seien während gut 5 Jahrtausenden nie kleiner gewesen als heute, mag für die normalerweise im Firngebiet gelegene Fundstelle des Eismannes am Hauslabjoch im Ötztal zutreffen. Offenbar ist sie kaum, jedenfalls nur mit Vorbehalt übertragbar auf das Zungengebiet der grossen Talgletscher, die in den Westalpen weit unter die Waldgrenze herunterreichen. Im Hinblick auf die Ermittlung der minimalen Ausdehnung der Alpengletscher in der Nacheiszeit wäre ein Andauern des gegenwärtigen Gletscherschwunds von Nutzen, der mehr als akademischen Wert hat, wenn dadurch die Grundlagen vermehrt werden, die für eine sachliche Analyse und Interpretation der Klimaentwicklung in der Vergangenheit und in der Gegenwart und erst recht für eine wirklichkeitsnahe Vorhersage der künftigen Entwicklung notwendig sind.

Zusammenfassung Im Herbst 1992 hat die jährliche Erhebung über die Veränderungen der Gletscher in den Schweizer Alpen zum 113. Mal stattgefunden. Die Längenänderung ist an 106 Gletscherzungen ermittelt. In 94 Fällen ist ein Längenschwund, in 7 Fällen ein Längenzuwachs und in 5 Fällen ein Stillstand festzustellen. Dieses Ergebnis, das sich vom vorjährigen wenig unterscheidet und das Berichtsjahr den Jahren mit starkem Längenschwund zuweist, ist seit 1880 in mindestens 14 Jahren im Sinne stärkeren Schwundes übertroffen worden. Die Massenänderung ist in 3 Fällen für den ganzen Gletscher berechnet, in 6 Fällen für Teilgebiete bestimmt oder an einzelnen Messpunkten ermittelt. In allen Gebieten ausser im Aarmassiv hat der Schwund seit dem Vorjahr etwas nachgelassen, in den südlichen mehr als in den nördlichen, was die vormals grossen regionalen Unterschiede weitgehend ausglich. Im Rahmen der letzten drei, zeitweise durch Gletscherwachstum geprägten Jahrzehnte erscheint das Bilanzjahr 1991/92 als eines der stärksten Schwundjahre. Im Rahmen der letzten sechs, vorwiegend durch Gletscherschwund geprägten, Jahrzehnte erscheint es als mässig starkes Schwundjahr, in dem die jahreszeitliche Massenänderung mehr oder weniger normal verlief, ausser im Hochsommer, als in kurzer Zeit ein beträchtliches Massendefizit entstand. Vorzeitiger Beginn und lange Dauer der Schnee- und Gletscherschmelze, die durch Schneefall am Anfang und Ende des Sommers stark gehemmt, durch ungewöhnliche Wärme im Hochsommer überaus stark gefördert war, führten allerorten zu sehr starkem Ausapern und Abschmelzen der Gletscher. Geringer Firnzuwachs im Nährgebiet und grosser Eisabtrag bei extrem niedriger Fliessgeschwindigkeit im Zehrgebiet ergaben einen defizitären Massenhaushalt mit entsprechend starkem Dickenschwund in allen Teilen der Gletscher.

Schlussfolgerungen In klimatischer Hinsicht unterscheidet sich das Berichtsjahr wie das Vorjahr von den vorangegangenen sieben Jahren durch normalere Schneeverhältnisse im Winter und grössere Ausgeglichenheit in der Verteilung des Jahresniederschlags auf die verschiede- Figur 1 Witterung 1991/92 an einigen automatischen Stationen der SMA ( ANETZ ) a ) Jungfraujoch ( SMA-ANETZ ) 3580 m ü. M.

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nen Regionen. Mit Wärmeüberschüssen in fast allen Monaten, Wärmerekorden im Januar und August war es eines der wärmsten Jahre, sein Sommer manchenorts der wärmste dieses Jahrhunderts. Hinsichtlich des Wasserhaushalts im Hochgebirge und des Massenhaushalts der Gletscher jedoch gehört es keineswegs zu den stärksten Schwundjahren dieses Jahrhunderts, da die Gletscherschmelze durch Schneefall mehrmals unterbrochen oder gehemmt war. Dies bestätigt die Erfahrung, dass der Massenhaushalt der Gletscher sich aus summarischen Klimawerten, die über Monate, Jahreszeiten oder ganze Jahre gemittelt oder kumuliert sind, nur näherungsweise und ebenso summarisch berechnen lässt. Der Vergleich der letzten Jahre oder unterschiedlicher Perioden des Berichtsjahrs zeigt, dass die Wirksamkeit des Niederschlags oder der Wärme nicht allein von deren Gesamtmenge abhängt. Massgebend sind auch deren zeitliche Verteilung und Intensität neben weiteren, in den Klimadaten nicht erfassten Grossen, insbesondere der Beschaffenheit der Gletscheroberfläche ( Schnee-, Staub- oder Schuttbedeckung und Rauhigkeit ). Das Nachlassen des Massen-schwundes in den beiden letzten Jahren hat die langfristige Tendenz zu allgemeinem Gletscherschwund kaum vermindert. Noch wenigerweisen die Ergebnisse der Zungenmessungen auf eine Abschwächung, geschweige denn Wende der säkularen, seit rund 140 Jahren vorherrschenden Entwicklungstendenz hin. Vermutlich wird sogar die für Gletscherwachstum viel günstigere Witterung des Sommers 1993 in dieser Hinsicht noch wenig ändern.

5000 4000 2000 1000 490 0 Verdankungen Die Gletscherkommission ist in der 113. Messperiode wie jedes Jahr tatkräftig unterstützt worden von vielen Helfern, auf deren regelmässigen Beitrag sie seit Jahren und Jahrzehnten zählen darf. Sie dankt gerne und aufrichtig fürMitarbeit bei den Feldaufnahmen: dem Forstpersonal der Kantone Bern, Glarus, Graubünden, Obwalden, Sankt Gallen, Uri, Tessin, Waadt und Wallis, dem Personal der Kraftwerke Ägina, Mattmark, Mauvoisin und Oberhasli, den Feldglaziologen der VAW und den privaten Mitarbeitern Y. Biner, J.L. Blanc, H. Boss, A. Godenzi, E. Hodel, G. Kappenberger und P. MercierDurchführung zahlreicher Vermessungsflüge: dem Bundesamt für Landestopographie und der Eidgenössischen VermessungsdirektionErgebnisse von Forschungsaufträgen: der Leitung der auftraggebenden vorgenannten Kraftwerkgesellschaften und dem beauftragten Vermessungsbüro A. Flotron wie auch den Sachbearbeitern der VAWKlima, Schnee, Abflussdaten: der Schweiz. Meteorologischen Anstalt und ihrem früheren Mitarbeiter G. Gensler, dem Eidg. Institut für Schnee und Lawinenforschung, der Abteilung Hydrologie am Geographischen Institut der ETHZ sowie der Landeshydrologie und -geologieBetreuung, Bearbeitung und Veröffentlichung der Gletscherbeobachtungen: der Direktion und zahlreichen Mitarbeitern der VAW/ETHZ.

Figur 2 Abweichung der Jahresniederschläge 1991/92 und der Sommertemperaturen 1992 von den Normalwerten 1901-1960 a ) Jahresniederschläge 1991/92 Summe der Niederschläge vom 1. Oktober 1991 bis 30. September 1992 Wertung der Klassen:

KlasseJahresniederschlag + 2sehr gross +1gross 0normal -1klein — 2sehr klein Figur 3 Die Gletscher der Schweizer Alpen Lageänderung der Zungenend.en 1992 unbestimmtnicht beobachtet Legende: VorstossStationär8 Rückzug b ) Sommertemperaturen 1992 Durchschnittliche Lufttemperatur vom 1. Mai bis 30. September 1992 Wertung der Klassen:

KlasseSommertemperatur + 4ausserordentlich warm + 3ungewöhnlich warm + 2sehr warm +1warm 0normal Figur 4 Längenänderung der Gletscher in den Schweizer Alpen 1879/80 bis 1991/92 a ) Anzahl beobachtete Gletscher ( N ) und gemittelte Messwerte ( M ) ni Qwfi mil N ir rjjjj un ri

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wachsend 1880 1890 1900 1910 1920 1930 1940 1950 1960 1970 1980 1990 2000 c ) mittlere jährliche Längenänderung ( in m -30 1880 1890 1900 1910 1920 1930 1940 1950 1960 1970 1980 1990 2000 Quellen:

Annalen ( in Vorb. ), Quartalshefte und Monatsberichte der SMA 1990-1992 Berichte 1992 der\lk\N an Kraftwerke Ägina, Mattmark und Mauvoisin ( unveröffentlicht ) Berichte 1991 und 1992 des Vermessungsbüros Flotron an Kraftwerke Oberhasli ( unveröffentlicht ) 150 100 50 100 75 50 25 Holzhauser H. ( 1993 ): Schwankungen ausgewählter Alpengletscher innerhalb der letzten 2700 Jahre ( in Vorbereitung ) Hydrologisches Jahrbuch der Landeshydrologie und -geologie 1990-1992 ( in Vorbereitung ) Jahresbericht der yAW 1992 Uttinger H. ( 1966 ): Die Veränderlichkeit der Niederschlagsmengen 1901-1960

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