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Die Landschaft erhören, ertasten und erfühlen. Mit Blinden und Sehbehinderten auf den Grossen Mythen

Die Idee entstand im Rahmen der Ausstellung «Sightseeing» von Tim Sharp im Forum der Schweizer Geschichte: mit blinden und sehbehinderten Menschen den Schwyzer Hausberg, den Grossen Mythen, zu besteigen. Unterstützung bei der Durchführung dieser Idee bot u.a. auch der SAC.

Trotz regnerischem Wetter herrscht auf dem Bahnhof in Schwyz eine aufgeräumte Stimmung. Elf blinde und sehbehinderte Frauen und Männer zwischen 30 und 66 Jahren sind hier, um unter erfahrener Führung den Grossen Mythen (1898 m) zu besteigen. Erwartet wird die Gruppe von Bergführer Dölf Fröhlich und seinem Team sowie von Stephan Aschwanden, dem Leiter des Forums der Schweizer Geschichte in Schwyz.

Mit dem Bus gehts dann nach Rickenbach und von dort mit der Seilbahn weiter auf die Rotenf luh (1525 m). Mit von der Partie ist auch Toni Heinzer aus Ibach. Vor 45 Jahren war er als 17-Jähriger bereits einmal auf dem Grossen Mythen. Er kann sich aber nur noch schwach an diesen Tag erinnern. «Das Einzige, was ich noch klar vor Augen habe, ist die Mauer unterhalb des Gipfels, wo die Eisenhalterungen für das 1 .August-Feuerwerk angebracht sind», sagt der heute vollständig blinde Toni Heinzer. «Es freut mich riesig, dass ich trotz meiner Behinderung diesen Berg noch einmal besteigen kann.» Diese Freude ist nicht überall gleich gross. Bedenken wie der Berg sei für dieses Unternehmen nicht geeignet, der Weg zu schmal und herunterfallende Steine könnten andere Wanderer gefährden, werden auch in SAC-Kreisen geäussert.

Die «Aufwärmrunde» führt von der Rotenfluh über den Panoramaweg, eine leicht abfallende Naturstrasse, zur Holzegg ( 1405 m ). Es hat aufgehört zu regnen, der Himmel aber zeigt sich nach wie vor wolkenverhangen. « Wir werden auf der Holzegg die Wettersituation noch einmal prüfen und dann entscheiden, ob wir die Besteigung in Angriff nehmen oder ob wir uns mit einer Umrundung des Grossen Mythen zufrieden geben müssen », sagt Bergführer Dölf Fröhlich. Den Sicherheitsbedenken seiner Bergkollegen gegenüber zeigt ersieh unbeeindruckt: «Ich kenne diese Menschen, und ich weiss, dass wir das schaffen werden.» Der erfahrene Bergführer führt schon seit mehreren Jahren Blinden-Gebirgs-kurse durch und klettert mit behinderten Menschen bis und mit IV. Schwierigkeitsgrad. «Verglichen mit diesen Touren ist der Grosse Mythen sehr einfach.» Auf der Holzegg entscheidet Bergführer Dölf Fröhlich: « Wir werden die Besteigung in Angriff nehmen !» Die Behinderten werden von je einer Führerin oder einem Führer, alles erfahrene Alpinisten, ans Seil genommen, und paarweise gehts los- unter den skeptischen Blicken des Kellners. Anderthalb Stunden zeigt der weiss-rot-weiss markierte Wegweiser -nichts für Spaziergänger. In 47 Kehren führt der stotzige, teilweise direkt aus dem Kalkfelsen gehauene und an exponierten Stellen mit Stahlseilen gesicherte Weg auf den knapp 500 Meter höher gelegenen Gipfel.

Mit geschlossenen Augen versuche ich, den Blinden nachzufühlen, aber ich tappe nur orientierungslos herum und stolpere über die Steine. Eine Besteigung mit verbundenen Augen - unmöglich! Blinde und sehbehinderte Menschen orientieren sich ganz anders als Sehende. Mit den Händen ertasten sie Steine, sie riechen, ob sie sich im Wald, auf einer Wiese oder in einer Steinhalde befinden, und sie spüren die Thermik an den Felswänden. Wichtigstes Sinnesorgan aber ist das Ohr. Durch die Geräusche und deren Widerhall können sich Blinde die Umgebung vorstellen. «Wir befinden uns unter einem überhängenden Fels», sagt plötzlich der erfahrene blinde Alpinist Ruedi Ruchti aus Räterschen. Mein Blick war beim Aufstieg permanent auf den holprigen Weg fixiert, und ohne den Hinweis des Blinden hätte ich den mächtigen Überhang wohl kaum gesehen.

Bereits nach 75 Minuten erreicht die vollständig blinde Erika Steiner zusammen mit dem Führer und der Hündin «Mosuma» den Gipfel, stolz auf ihre Leistung. Auch die weiteren «Gipfelstürmer» freuen sich über ihren Erfolg. Gratulationen, Schulterklopfen, die Aussicht geniessen, picknicken - ein Gipfelerlebnis wie bei Sehenden. Acht der elf Teilnehmer haben den Gipfel mit einem grossen persönlichen Aufwand, aber ohne nennenswerte Schwierigkeiten erreicht. Drei sehbehinderte Menschen haben sich mit einem Rastplatz 200 Meter unterhalb des Gipfels zufrieden gegeben und machen sich darauf zusammen mit ihren Führern wied

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