Die Steinwildkolonien im Berner Oberland
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Die Steinwildkolonien im Berner Oberland

Hinweis: Dieser Artikel ist nur in einer Sprache verfügbar. In der Vergangenheit wurden die Jahresbücher nicht übersetzt.

Von Hans Mühlemann

( Wengen ) Drei Jahre vor Ausbruch des ersten Weltkrieges sind im kurz zuvor gegründeten Jagdbanngebiet der Grauen Hörner, im St. Galler Oberland, die ersten fünf Exemplare Steinwild in Freiheit gesetzt worden. Es handelte sich dabei um Tiere, die im Wildpark « Peter und Paul » bei St. Gallen grossgezogen worden waren. Das war der erste Schritt, den man getan hat, um das kraftvolle, herrlichste Grosswild der Alpen, das zu Beginn des vorigen Jahrhunderts in den schweizerischen Bergen durch Menschenhand und Unverstand vollständig ausgerottet worden war, wieder heimisch zu machen. Ja, es war vielleicht noch mehr als nur ein blosser Wiedereinbürgerungsversuch eines längst verschwundenen Tieres; es war sogar ein brennendes Bedürfnis vorhanden, einen Fehler und eine einstmals begangene Sünde an einem Geschöpf unserer Alpenwelt wieder gutzumachen. Dem war recht so!

Seither sind, ausgehend von den ersten drei Jungtieren, welche im Jahre 1906 aus dem italienischen Aostatal dem oben erwähnten Wildpark eingeliefert wurden, einige weitere Gehege und Reservate geschaffen worden, denen wir die Entwicklung zum heutigen Bestand an Steinwild zum grossen Teil zu verdanken haben. 1906 also hat der Steinbock nach vielen Jahrzehnten der Abwesenheit wiederum Schweizerboden und 1911 die freie Bahn in unserem Lande betreten.

Es führte zu weit, wollten wir hier aller jener tatkräftigen Männer gedenken, die durch Kampf, Arbeit und mit selbstloser Hingabe den Versuch unternommen haben, den Steinbock aufs neue in unserem Gebirge anzusiedeln. Es waren ihrer anfänglich nur einige wenige, die aber desto leidenschaftlicher für die Erreichung ihres gesteckten Ziels eintraten!

Bis heute sind total zehn Steinwildkolonien in der Schweiz gegründet worden, von denen aber zwei wieder als erloschen zu betrachten sind. Um so erfreulicher haben sich aber die übrigen acht zu halten und teilweise sogar bedeutend zu entwickeln vermocht, so dass wir in allen Kolonien zusammen ( ohne die Tiere in Parkgehegen ) an die 1300 Stück Steinwild besitzen. Am besten gediehen ist die Kolonie vom Piz Albris im Berninagebiet, wo die Voraussetzungen für eine Wiedereinbürgerung vorbildlich gegeben waren und wo nun rund 600 Stück leben. Die nächstgrösste Kolonie befindet sich, mit einem Bestand von 200 Stück, am Mont Pleureur, im Kanton Wallis.

Uns sollen hier aber die Kolonien des Berner Oberlandes näher beschäftigen. Die bekannte Augstmatthornkolonie ist die drittgrösste der Schweiz. Sie wurde im Jahre 1921 geschaffen und das Gebiet zum Eidgenössischen Bannbezirk erklärt. Von 1934 weg ( Bestand 100 Stück ) hat sich diese Kolonie infolge der günstigen biologischen Verhältnisse und sorgfältiger Pflege gut entwickelt, so dass pro 1949 ein Bestand von 160 Stück ausgewiesen ist. Ja, es war nun neulich sogar möglich, in diesem Bezirk, unter Leitung der Eidgenössischen Jagdinspektion, zehn Exemplare einzufangen und nach der schwachen Rottalkolonie, an den Südwestabstürzen der Jungfrau, zu verbringen.

Damit kommen wir zur zweiten oberländischen Kolonie, der 1924 gegründeten Schwarzmönchreservation. Freilich haben die Tiere hier im Verlaufe der Jahre das ursprüngliche Aussetzungsgebiet von selbst verlassen und sich weiter taleinwärts nach dem Rottal verzogen. Entsprechend den ungünstigen Lebensverhältnissen am Schwarzmönch, hat sich dieser Bestand nur schwer halten und mühsam entwickeln können. In der Zeitspanne von fünfzehn Jahren verzeichnen wir dafür eine Vermehrung um lediglich 25 Stück, während andere schweizerische Schutzgebiete ihre Bewohnerzahlen um das Vierfache erhöhen konnten! Heute haben wir im Rottal ungefähr 40 Stück Steinwild. Die eben vollzogene Blutauffrischung durch Tiere vom Augstmatthorn wird hoffentlich ein beschleunigteres Anwachsen und Erstarken der Kolonie zur Folge haben.

Nicht viel besser ist es um den Bestand am Wetterhorn bei Grindelwald bestellt. Dieser wurde 1926 gelegt, wies 1934 rund 15 Stück, 1941 deren 60 und zu Anfang des laufenden Jahres nur noch ungefähr 45 Exemplare auf. Hier ist es wohl so, wie Eduard Tenger — der Delegierte des SBN für alpinen Wildschutz — glaubt, dass sich diese meistexponierte Kolonie, infolge der ringsum anzutreffenden Gletscher und vorherrschenden Steilwände, die mit DIE STEINWILDKOLONIEN IM BERNER OBERLAND ihren Lawinen, Eisbrüchen und Steinschlägen einen ständigen Gefahrenherd für das Leben der Tiere darstellen, wohl kaum jemals eines ansehnlichen Wachstums und Gedeihens erfreuen kann. Die Anforderungen, welche die hochalpine Natur hier an die Tiere stellt, sind zu gross. Alljährlich hat dieser Besatz bedeutende Opfer zu verzeichnen.

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