Die Waadtländer Alpen. Käse, Touristen und Ballonfahrten
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Die Waadtländer Alpen. Käse, Touristen und Ballonfahrten

« Diables », die kegeln

Der kleine Zug schleicht von Aigleeinem Ausgangspunkt für den Besuch der Waadtländer Alpen – an der orografisch rechten Seite der Grande Eau talaufwärts, die Strasse liegt auf der gegenüberliegenden. 1840 wurde diese gebaut, wie die Lokalhistorikerin Mary-Claude Busset erzählt – « eine anspruchsvolle Arbeit in einem schwierigen Terrain ». Erst 1914 folgte die Eisenbahn. Sie sollte eigentlich über den Col de Pillon bis nach Gstaad führen,

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Käse, Touristen und Ballonfahren

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der Erste Weltkrieg machte der Planung aber einen Strich durch die Rechnung.

Endstation für Zugreisende ist denn noch immer Les Diablerets – das Touristenzentrum in der Talschaft von Ormont. Über dem Dorf erhebt sich das gewaltige Massiv der Diablerets mit dem höchsten Punkt des Waadtlandes, dem Sommet des Diablerets, 3209,. " " .7 m. Sein Name ist mit einer Legende verknüpft: Nachdem ein hartherziger Hirte einer armen Frau seine Hilfe verweigert hatte, verwandelten sich die Alpweiden in eine karge Fels- und Eislandschaft, die zum Treffpunkt der Teufel – der « diables » – wurde. Hinter dem Getöse von Felsstürzen werden seither kegelnde Teufel vermutet. Das Dorf « Les Diablerets » existiert erst seit rund 100 Jahren. Vorher gab es nur einige Häuser, die den Weiler Le Plan des Isles bildeten. Mit dem Bau der Strasse in der Mitte des 19. Jahrhunderts kamen auch Touristen in die Gegend. 1856 baute man das Grand Hôtel des Diablerets, das hundert Jahre später bei einem Brand zerstört wurde. Auf Druck der Post musste dann Anfang des 2O. Jahrhunderts der Weiler Le Plan des Isles in Les Diablerets umbenannt werden: Es hatte immer wieder Verwechslungen mit dem südlich des Diablerets-Massivs gelegenen Les Plans sur Bex gegeben.

Die Rebberge von Yvorne im Rhonetal, am Südwestfuss der Waadtländer Alpen. A votre santé!

Die Türme von Leysin, Tour de Mayen ( l. ) und Tour d' Aï ( 2330 m ), gehören zu den bekanntesten Gipfeln der Waadtländer Alpen. Fotos: Ulrich Ackermann Deren höchster Gipfel, die Diablerets ( 3209,. " " .7 m ), lugt rechts von ihnen hervor. Rechts hinten die Tête à Pierre Grept ( 2904 m )

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Keine Sanatorien

Zuerst reisten die Touristen vorwiegend während der Sommermonate in die Talschaft von Ormont und blieben meist einige Monate. Aber nur Gesunde waren erwünscht: Lungenkranke mussten, so Historikerin Busset, in die Sanatorien nach Leysin reisen. Später machten dann englische Touristen zuerst mit Schlitten- und Bob- und später mit Skifahren auch den Wintertourismus populär. Heute fährt man auf dem Glacier de Tsanfleuron auch im Sommer Ski – das Skigebiet erstreckt sich bis ins Bernbiet und

Auf dem Oldenhorn, französisch Becca d' Audon ( 3122 m ), treffen die Kantone Bern, Waadt und Wallis aufeinander. Die felsige Spitze rechts davon, der Sex Rouge ( 2971 m ), kann vom Col du Pillon mit einer Seilbahn erreicht werden; die Mittelstation zeigt sich am linken Bildrand auf der Kuppe der Tête aux Chamois.

Le Rubli ( 2285 m ), Rocher à Pointes und Rocher Plat im Gummfluh-Massiv zwischen Rougemont und Gstaad-Saanen

nach Villars. Der Tourismus ist denn auch die wichtigste Einnahmenquelle der Region. In Les Diablerets wohnen während des ganzen Jahres rund 1400 Personen, dazu kommen 5000 Betten für Touristen, die durchschnittlich fünf bis sieben Tage in der Region verbringen.

Früher bildeten Milchwirtschaft und Viehzucht die Existenzgrundlage der Einheimischen. Die Bauern besassen bis zu acht Hütten auf verschiedenen Höhenlagen. Schon früh im Jahr zogen sie in die erste hinauf, dann ging es mit dem Vieh immer höher, um gegen den Winter hin wieder talwärts abzusteigen. Das raue Klima mit kurzen Sommern und langen Wintern machte das Leben im engen Tal sehr hart – die Käseproduktion reichte meist gerade zum Eigengebrauch. Dazu kam im Winter die Angst vor Lawinen.

Unberechenbare Schneemassen

Lawinen – unberechenbare Schneemassen – bahnten sich ihren Weg bis ins Tal hinunter. Auch Orte mit dreihundert Jahre alten Häusern blieben nicht verschont. Seit Beginn der Aufzeichnung im 18. Jahrhundert wurden

Fotos: Ulrich Ackermann Tour de Mayen ( 2326 m ) und Le Diamant mit seiner sonnenbeschienenen Wand hoch oberhalb von Leysin Dent de Corjon ( 1967 m ) im Schnittpunkt der Haute-Gruyère und des Pays d' Enhaut. Hinten von links die eher grasigen Gipfel Entre Deux Dents, La Vudalla ( 1670 m ) und Vanil Blanc ( 1573 m )

über 430 Gebäude ganz oder teilweise zerstört, etliche Menschen verloren dabei ihr Leben. Die letzte Serie mit acht Lawinen datiert aus dem Jahre 1984. Danach wurden an der nördlich gelegenen Kette vom Pic Chaussy bis zu La Para Lawinenverbauungen errichtet.

Auch politisch hat die Talschaft eine bewegte Ge- schichte. Die Region zwischen dem Wallis und Bern gehörte zuerst den Savoyern, ging 1476 an die Berner über und wurde während der Reformation protestantisch. Ende des 18. Jahrhunderts setzten sich die Waadtländer gegen den Widerstand der Talbewohner mit Gewalt durch. « Heute ist das Tal immer mehr nach Aigle ausgerichtet », sagt die Lausannerin Mary-Claude Busset, die mit einem Einheimischen verheiratet ist. So besucht ihr zwölfjähriger Sohn die Sekundarschule im Bezirkshauptort Aigle – der Schulweg mit dem Zug dauert fünfzig Minuten.

Über den Col des Mosses

Statt wieder zurück nach Aigle geht die Reise mit dem Postauto weiter über den Col des Mosses, 1445 m. Diese beliebte Sommerstrecke für Passfahrten führt ins Pays d' Enhaut, die zweite bekannte Region der Waadtländer Alpen. Die weite Ebene verengt sich erst wieder mit der Schlucht Le Pissot, an deren südlichem Anfang L' Etivaz liegt: einige Bauernhäuser, ein Hotel und eine alte Post. Vor einem neuen Haus ist ein gelbes Schild « Caves à fromages l' Etivaz – Magasin » angebracht. Auf dem Parkplatz stehen neben Autos mit Schweizer Kennzeichen auch solche mit französischen. Im Laden ist feiner Käseduft auszumachen. Ein älteres Paar bestellt ein Stück vom « doux » und ein gleiches vom « salé », Jahrgang 2004.

Innovation aus der Krise heraus

Wie sonst in Bergregionen produzieren auch hier die Bauern seit je Käse – die Milch musste schliesslich direkt auf der Alp haltbar gemacht werden. Im Gegensatz zur Ormont-Talschaft exportierten aber die Käsehersteller im Pays d' Enhaut bereits ab dem 16. Jahrhundert ihre Produkte nach Frankreich. Den Bauern ging es wirtschaftlich besser als ihren Nachbarn jenseits des Passes. Anfang des 2O. Jahrhunderts kam es zu einer Krise. Wegen Platzmangels in ihren Hauptgebäuden liessen die Bauern den Käse auch über den Winter auf der Alp. Im

Fotos:

Ulrich Ackermann

Frühling gab es dann oft böse Überraschungen: Einen Teil des Käses hatten die Mäuse gefressen, ein anderer Teil war verfault. Dieser Missstand nahm solche Ausmasse an, dass sich die Bauern der Region L' Etivaz 1932 zu einer Genossenschaft, die für die Lagerung des Käses verantwortlich war, zusammenschlossen. Zwei Jahre später wurde der erste Keller für 3500 Laibe fertig gestellt. Nach dem Zweiten Weltkrieg folgte ein Dachboden für Hobelkäse. In der Folge musste der Keller mehrmals erweitert werdenletztmals 2005. Nun ist Platz für 20 000 Laibe vorhanden. Dass die Genossenschaft die Produktion derart vergrössern konnte, lag auch an ihrer Vertriebs- und Herstel-lungsstrategie. Sie löste sich bereits früh von der Käse-Union, später vom kantonalen Milchverband und stellte stattdessen einen Verwalter an. 1988 bekam der noch namenlose Käse die Bezeichnung « L' Etivaz », und vier Jahre später verfasste die Genossenschaft zur Qualitätssicherung ein Reglement. Dieses schreibt vor, dass der Käse in einem Kupferkessi über dem Holzfeuer hergestellt werden muss und nur zwischen dem 1O. Mai und 1O. Oktober ausschliesslich auf einer waadtländischen Alp zwischen 1000 und 2000 m ü. M. produziert werden darf. Die Kühe dürfen nicht zusätzlich gefüttert werden, und für die Reifung muss Salz aus der Mine von Bex verwendet werden. Trotz diesen strengen Regeln ist die Zeit auch in L' Etivaz nicht stehen geblieben: Zwei Roboter haben das Waschen des Käses im Käsekeller übernommen.

Als erstes Lebensmittel in der Schweiz erhielt der « L' Etivaz » im Jahr 2000 die geschützte Ursprungsbezeich-nung AOCAppellation d' Origine Contrôlée. Der « L' Etivaz » ist aber ein Nischenprodukt geblieben, wie Jean-François Bielmann, Direktor der Genossenschaft, erzählt. Jährlich werden 380 Tonnen hergestellt, von denen ein Drittel exportiert wird. Verglichen mit dem Greyerzer Käse ist diese Menge verschwindend klein: Vom Cousin des « L' Etivaz » werden 28 000 Tonnen produziert. Aber nichtsdestotrotz: Die Käseproduktion ist für 67 Produzenten und ihre Familien die grösste Einkommensquelle.

Piccard und Château-d'Oex

Vom Maison de l' Etivaz fährt das Postauto durch die Gorge du Pissot, wo sich die Torneresse tief in den Fels eingefressen hat. Dann öffnet sich das Tal, und das Pays d' Enhaut liegt in seiner ganzen Weite vor einem. Grösstes

Der Genfersee ist verdeckt; die Montagne des Mémises oberhalb von Evian wirkt ganz nah, der Genfer Jura weit weg.

Schattiger Le Chamossaire ( 2112 m ) links und gleissend heller Dunst im Rhonetal; dahinter ( v. l. ) das Montblanc-Massiv, die Dents du Midi und die Les-Aravis-Kette Hinter den waldigen Anhöhen der Riviera erstreckt sich das Nebelmeer über dem Genfersee. Am Horizont in der Mitte die Cornettes de Bise Literatur für alpine Aktivitäten Bergwandern Metzker Philippe: Randonnées en montagneJura–Fribourg– Vaud, SAC-Verlag, 2001. Labande, François: Dans les montagnes de Suisse romande, Edition Olizane, 2003.

Klettern Brandt Maurice: Alpes et Préalpes vaudoises, Clubführer, SAC-Verlag, 1985. Rémy Claude et Yves: Escalades – Vaud–Chablais– Bas-Valais–Sanetsch, SAC-Verlag, 2004. von Känel Jürg: Plaisir West, Filidor Verlag, 2004. Piola Michel: Le Calcaire en Folie 1, Editions Equinoxe, 1995.

Schneeschuhwandern Ackermann Ewald, Wandfluh Albrecht: Schneeschuh-Tourenfüh-rer – Genfer- bis Thunersee, SAC-Verlag, 2005.

Dorf und auch gleich Endstation des Postautokurses ist Château-d'Oex. In der Mitte des ersten Kreisels steht ein metallenes Heissluftballonmodell. Am Strassenrand hängt ein Plakat mit dem Konterfei von Bertrand Piccard. Dieser startete am 1. März 1999 in Château-d'Oex den dritten Versuch zur ersten Non-Stop-Ballonfahrt rund um die Erde. 19 Tage, 21 Stunden und 47 Minuten später und nach einer zurückgelegten Distanz von 46 000 Kilo-

Montreux am Genfersee, darüber Glion und Caux, ganz oben die Rochers de Naye ( 2041 m ), leicht erreichbar mit der Zahnradbahn von Montreux Die bebauten Sonnenterrassen von Caux ( r. ) und Les Avants oberhalb von Montreux. Die Gipfel von rechts: Die Kette von Les Coursis bis Cape au Moine und Vanil des Artses, in der Mitte die Pyramide der Dent de Lys ( 2014 m ) und links die Höcker des Moléson Die Bucht von Le Pâqueret am gestauten Lac de l' Hongrin Vorne von links die felsigen Sex des Nombrieux ( 1805 m ), Sex des Paccots ( 1806 m ) und Sex du Parc aux Feyes ( 1866 m ); dahinter die drei grünen Kuppen Malatraix ( 1931 m ), Pointe d' Aveneyre ( 2026 m ) und Pointe de Montérel ( 2011 m ), dann hoch und breit die Rochers de Naye ( 2041 m ) und zuletzt die waldigen Hügel Le Folly ( 1730 m ) und Le Molard ( 1752 m ) hinten links

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metern landete er in Ägypten. Château-d'Oex stand aber schon vor diesem Weltrekord für Heissluftballone: Seit knapp dreissig Jahren finden hier jährlich im Januar Heiss-luftballonwochen statt. In diesem Jahr reisten 147 Piloten aus 18 Nationen an.

Normalerweise verlassen die Besucher das Tal aber nicht auf dem Luftweg, sondern per Bahn. Täglich verkehren zwischen Zweisimmen und Montreux mehrere Züge der Montreux-Berner-Oberland-Bahn ( MOB ). Um den Reisenden mit der schönen Natur zu verbinden, setzt die MOB seit 1979 Panoramawagen ein – notabene als erste Bahngesellschaft weltweit. a

Fotos:

Ulrich Ackermann Im Vordergrund die waldige Corbetta, dann links Teysachaux, rechts die drei Gipfel Vanil Blanc ( 1828 m ), Grand Sex und Dent de Rechts von ihm der Vanil Noir ( 2388 m ), der höchste Gipfel der Freiburger Alpen, mit dem Nachbarn Vanil de l' Ecri ( halb verdeckt ) Lys, in der Mitte zuhinterst dann das Duo Dent de Brenleire und Dent de Folliéran, gefolgt vom grasigen und stumpfen Tsermon.

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Leben und Freizeit im Berggebiet

Vita e tempo libero in montagna

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