Die Wasserbauten des Berneroberlandes
Die Wasserbauten des Berneroberlandes.
Von
H. Aebi ( Section Oberland ).
Das Gebiet, über das ich mich heute zu verbreiten gedenke, umfaßt das Flußgebiet der Aare bis zum Thunersee, nebst dem Lombach und der Kander ( exclusive Simme ), die beide in jenen münden, und entspricht den drei oberländischen Aemtern Oberhasle, Interlaken und Frutigen.
Verfolgen wir den Lauf der Aare von ihrem Ursprung am Aaregletscher thalabwärts, so finden wir, daß sie stetsfort vergrößert wird durch Gletscherbäche oder Schmelzwasser von Lawinen, die sich von links und rechts mit ihr vereinigen. Alle diese Bäche sind jedoch im Verhältniß zum Hauptfluß unbedeutend und bewirken in dem steilen, meist engen Thale wenig Veränderungen, selbst wenn eine Lawine oder eine Schuttwalze das Aarebett ausfüllt.
Bei Innertkirchen fließt die Aare durch den ebenen Hasle-Grund und nimmt hier von links das Urbach- wasser, von rechts das Gadmenwasser auf, die beide der Aare ähnliche Verhältnisse aufweisen. Nachdem unser Fluß die Lamm zwischen Innertkirchen und Meiringen durchströmt hat, gelangt er in das untere Haslethal, nimmt hier rechts als bemerkenswerthe Zuflüsse den Alpbach und den Hausenbach, und links den Reichenbach auf, um sich endlich in den Brienzersee zu ergießen, welcher, nebst frühern Zuflüssen der Aare aus dem Haslethal ( Oltschibach etc. ), auch noch die ganze Reihe der Brienzerbäche, den Gießbach und die Lütschine aufnimmt. Letztere theilt sich in Zweilütschinen in die Weiße oder Lauterbrunnen- und die schwarze oder Grindelwald-Lütschine.
Unterhalb des Brienzersee's durchzieht die Aare das sogenannte Bödeli und ergießt sich in den Thunersee, ohne weitere Nebenflüsse aufzunehmen. In diesen selbst fallen aber von den in Betracht kommenden Gewässern von rechts der Lombach und der Sundbach, von links die Kander, welche circa 3 km. oberhalb ihrer Ausmündung die Simme aufnimmt und bei Frutigen sich in die Kander und Engstligen verzweigt.
Das durch den Lauf der obengenannten hauptsächlichsten Gewässer bestimmte Gebiet zerfällt geologisch in drei Hauptabtheilungen, deren Grenzen sich, wie übrigens im Allgemeinen die geologischen Hauptzüge in der Schweiz zu thun pflegen, von Südwest nach Nordost ziehen.
Die erste liegt südlich der Linie Balmhorn-Titlis und gehört zu dem großen schweizerischen Gneiß-gebiet.
20 Die zweite grenzt an dasselbe an, geht bis auf die allgemeine Linie Wildstrubel-Brienzerrothhorn und gehört der secundären Periode an.
Endlich ist der Letztern als der nordwestlichste Theil die tertiäre Formation anliegend.
Durch die geologische Verschiedenheit ist schon die Gebirgsformation bestimmt, diese aber und die Art des Gesteins geben wiederum den Bächen in den verschiedenen Abtheilungen einen eigenthümlichen Charakter, der zwar theilweise auch durch die absolute Höhenlage bedingt ist. lieber diesen Punkt wird bei Betrachtung der einzelnen Gewässer zu sprechen Gelegenheit sein.
Dieser Betrachtung schicke ich hier voraus, daß ich weder eine Abhandlung über Wasserbau zu schreiben gedenke, noch im Geringsten von der Idee ausgehe, das betreffende Gebiet, in welchem ich amtlich wirke, als Muster hinzustellen; was ich bezwecke,, ist, den Lesern unseres Jahrbuches, die sich mit Wasserbauten nicht zu beschäftigen haben, auf einem kleinen, den Meisten bekannten Abschnitte unseres-Vaterlandes ein Bild zu geben von den mannigfachen Arbeiten, die unsere Gewässer verursachen, und damit zugleich einen Anhaltspunkt über die jährlich zu leistenden Arbeiten, die nothwendig sind, um ihnen entgegenzutreten.
So lange Menschen unsere Höhen und Thäler bewohnten, hatten dieselben mit dem Wasser zu kämpfen, jedoch änderte sich die Kampfesweise und das Kampfobject mit zunehmender Cultur bedeutend.
Anfänglich war der Kampf von Seite des Menschen mehr passiver Natur, indem derselbe vom Wasser geschützte Orte aussuchte, um sich dort anzusiedeln. Es mochte genügen, seinerseits mit seinem Hauswesen in Sicherheit zu sein; eine noch so gewaltige Katastrophe konnte der Jagd nicht viel Abbruch thun, und auch für den kleinen Viehstand mußte sich noch Atzung finden.
Bei dichterer Bevölkerung und dem Platzgreifen der Landwirthschaft mußten aber die fruchtbaren Niederungen und die üppigen Schuttkegel an Werth gewinnen, sie wurden daher in Besitz genommen und bewohnt.
Es galt nunmehr, nicht nur dem Wasser zu entfliehen, sondern demselben durch Entgegensetzen von Widerstand den Besitz streitig zu machen.
Aber es konnte nicht lange dauern, so kam man zu der Einsicht, daß der Einzelne nichts auszurichten vermöge, und schon sehr früh wurden gemeinsame Arbeiten von größerem Belang ausgeführt.
Hiebei machte sich die Nothwendigkeit geltend, durch gesetzliche Bestimmungen die Leistung der einzelnen Pflichtigen je nach dem zu erwartenden Nutzen zu bestimmen, überhaupt das ganze Unternehmen zu organi siren.
Hiemit war indeß noch nicht genug gethan; da bei Flußcorrectionen von einem ökonomischen Effecte nur sehr selten die Rede sein kann, von den Interessenten daher bedeutende Opfer erheischt werden, so mußte Staatshütte eintreten. Zur Ausführung nothwendiger Bauten mußten die Kantone Beiträge geben und bald betheiligte sich auch der Bund mit namhaften Subventionen.
Gegenwärtig werden die Wasserbauten auf Grund des eidg. Wasserbaupolizeigesetzes vom 22. Juli 1877 und des kantonalen vom 3. April 1857 ausgeführt.
Der Bund übt die Oberaufsicht über die Wasser-polizei im Hochgebirge aus. Er verpflichtet die Kantone, an den betreffenden Gewässern die nothwendigen Arbeiten auszuführen, dagegen betheiligt er sich an Bauten mit Beiträgen. Einen ähnlichen Standpunkt nimmt der Kanton gegenüber den Gemeinden ein, welchen wiederum ein Rückgriffsrecht auf die Pflichtigen Corporationen und Çrivaten eingeräumt ist.
Bei Ausführung einer Wildwasserverbauung stellt sich das Beitragsverhältniß gewöhnlich folgendermaßen: Es leisten Bund40% Kanton Va oder... 33Vs°/o Schwellengemeinde den Kest oder 262la°lo wobei unter der Schwellengemeinde die Vereinigung sämmtlicher interessirter Corporationen und Privaten verstanden ist.
Trotz den bedeutenden Beiträgen, die Bund und Kanton an solche Bauten geben, werden die Pflichtigen oft noch sehr stark belastet. Kommt es doch vor, daß die Pflichtigen Grundstücke bis auf 25°/o ihres Werthes bezahlen müssen!
Dies ist in kurzen iZttgen der Standpunkt, auf dem sich der Wasserbau im Berneroberland befindet, und ich kann nunmehr die einzelnen ausgeführten, in Arbeit befindlichen und projectirten Bauten, soweit ich sie Interesse bietend glaube, besprechen.
Die Aare vom Ursprung bis zum Brienzersee.
Die Wasserbauten in diesem Theil zerfallen in:
Correction der Aare, Entsumpfung des Haslithals und Verbauung der Zuflüsse.
Die Correction der Aare beginnt zu oberst- im Haslegrund, wo der Boden von Innertkirchen seinen Anfang nimmt.
Der Gebirgsfluß verliert hier sein starkes Gefälle und zeigt das Bestreben, sich seiner schweren Geschiebe zu entledigen.
Vor der Correction lag das Flußbett kaum tiefer als das gute Land und war nur durch Dämme begrenzt, die bei Hochwassern fast regelmäßig- überfluthet wurden. Nebst den Zerstörungen, die das ausgetretene Wasser verursachte, ergab sich daraus noch der weitere Uebelstand, daß, in Folge Verlustes der Schiebkraft an der Ueberbordungsstelle, das Bett des Flusses sich wiederum erhöhte und damit den allgemeinen Zustand verschlimmerte. Um sich des Wassers zu erwehren, wurden schon seit langen Zeiten allerlei Bauten ausgeführt, die theilweise günstig wirkten, die aber aus Mangel an Zusammenhang häufig dem Fluß nicht zu widerstehen vermochten.
Nach dem gewaltigen Hochwasser von 1868 und dessen Verheerungen wurde beschlossen, die Correction rationell durchzuführen.
Die eigenthümlichen Verhältnisse, weniger technischer Natur, aber immerhin solcher Art, wie sie sich dem Techniker oft entgegenstellen, Mißtrauen gegen die Durchführbarkeit, allerlei mögliche und unmögliche Projecte, ausgeheckt von speculativen Köpfen, die glauben, die speciellen Eigenschaften des betreffenden Wassers zu kennen, und darauf ihre Theorien gründen etc., ließen von einer sofortigen Durchführung der Correction abstrahiren und es wurde successiver Bau in Aussicht genommen. Zu diesem Zwecke wurden die Correctionslinien der Aare, des Urbachwassers und des Gadmenwassers festgestellt und nun durch jährliche Bauten, die den Mitteln und Arbeitskräften der Pflichtigen entsprachen, das Wasser mittelst Sporen auf diese Linien fixirt. Durch das Einengen mußte sich der Fluß vertiefen, so daß nunmehr sehr bedeutende Hochwasser abzufließen vermögen, ohne Schaden zu verursachen.
Das Ende dieser Correction führt die Aare in die Finstere Aarschlucht, in welcher enge felsige Kinnsale mit Erweiterungen abwechseln, die als Eegulator für die Geschiebeführung sehr gute Dienste leisten, indem sie dem nun folgenden Theile des Aarelaufes schwere Geschiebe abnehmen und ihn so vor Ueberlastung mit solchen schützen.
Die Aare von der Lamm, wie die Schlucht zwischen Meiringen und Innertkirchen heißt, bis zum Brienzersee, floß früher in unregelmäßigem Laufe « durch das circa 13 km. lange und 1,5 km. breite Thal, dasselbe fast regelmäßig, auch bei nicht extremen Hochwassern, in seiner ganzen Ausdehnung überfluthend und versumpfend.
Da das Thal bei einem durchschnittlichen Gefälle von 3,4°/oo sich von 5,5°/oo auf l,5°/oo abflacht, so wurde die Breite des Canals so festgestellt, daß sich dieselbe nach unten verjüngt. Diese, gewöhnlichem Gebrauche entgegengesetzte, Maßregel hatte zum Zwecke, dem Fluß seine Schiebekraft, die sich mit abnehmendem Gefälle natürlich vermindert, durch Verschmälerung seines Bettes zurückzugeben und so zu verhindern, daß sich die Sohle durch die ständige Geschiebeführung erhöhen könne. Diese Anordnung hat denn auch die gewünschte Wirkung geäußert, indem sich die Aare gegenüber dem Projecte etwas, jedoch nicht in ungünstigem Maße, vertieft hat. Die Correction kann überhaupt als vollständig gelungen betrachtet werden, denn seit ihrer Vollendung sind sämmtliche Hochwasser, worunter sehr bedeutende, ohne jeden Schaden zu verursachen, verlaufen.
Um diese Correction für den ganzen Thalboden nutzbar zu machen, mußte zu gleicher Zeit ein zweites Werk, die Entsumpfung desselben, durchgeführt -werden. Dies geschah durch ein System von Entwässerungscanälen, das parallel dem Aarecanal angelegt ist. Von diesen Canälen haben mehrere den Zweck, zugleich mit dem Entsumpfungswasser das Wasser der Seitenbäche des Haslethales abzuleiten. Viele von diesen Bächen führen aber so viel Geschiebe, daß die Entsumpfungscanäle nicht im Stande wären, dasselbe zu bewältigen, es muß daher mittelst Schuttfängen am Fuße der Berge zurückgehalten werden.
Wo der Geschiebsandrang zu groß ist kann von einer solchen Zurückhaltung der Massen nicht die Kede sein, da die nothwendigen Ausräumungen fast unerschwingliche Kosten verursachen müßten. Ia diesem Falle muß der Bach im Gebirge verbaut werden, in dem Sinne, daß seine Geschiebsführung; möglichst reducirt wird.
So finden wir es beim Alpbach und dem Wandelbach. Die Mittel, um den gewünschten Zweck zu erreichen, sind jedoch bei beiden ganz verschiedene.
Die hauptsächlichste Geschiebsquelle des Alp-baches liegt von 500 bis 800 m über Meiringen, wo » sich der Bach theilweise bis auf 60m Tiefe in den Berghang eingefressen hat, und ein Gefäll aufweist, das 5O°/o übersteigt. Die losen Börder, von denen das linke überdies stark wasserhaltig ist, lieferten seit Jahrhunderten Schuttmassen in 's Thal, die zwar Meiringens Wiesen und Felder sehr fruchtbar gemacht, das Dorf selbst aber schon oft dem Untergänge; nahe gebracht haben. Die colossalen Schutzmauem längs dem Dorfe Meiringen zeigen, wie viele Müha es gekostet hat, sich des gefährlichen Nachbarn za erwehren, aber auch dieser Schutz wäre in nicht za ferner Zeit ungenügend geworden, wenn das Uebel nicht an der Wurzel angefaßt und dort beseitigt worden wäre. Die dazu nothwendigen Arbeiten bestehen aus einem System von großartigen steinernen Thalsperren, mittelst deren die Sohle bis auf 10™ erhöht wurde und die in der steilsten Partie durch schalenartige Sohlenversicherungen verbunden sind, sowie in Entwässerung des wasserhaltigen linksseitigen Hanges durch sehr tief geführte Sickerschlitze. Obschon diese Bauten in gewünschter Weise wirken, so hat sich doch gezeigt, daß noch einige Ergänzungen, die hoffentlich in nicht zu ferner Zeit zur Ausführung kommen können, von Nutzen wären.
Der Wandelbach entspringt an der Wandelalp und erhält von den sehr steilen Hängen derselben durch eine Masse kleinerer Zuflüsse seine Geschiebe, die er nun in seinem felsigen, durch verschiedene Wasserfälle unterbrochenen Bette zu Thale führt. Es wäre ein nutzloses Beginnen, in diesem mehr als 2000m über Meer gelegenen Gebiete gegen die Erosion kämpfen zu wollen. Die Natur selbst bietet indeß hier ein Mittel, die Abwitterung für den untern Bachlauf unschädlich zu machen. Eine vorhandene Thalverengung macht nämlich das Anbringen einer Thalsperre vor dem Absturz vom obersten zum mittleren Staffel der Wandelalp möglich, wodurch eine solche Masse von Geschieben zurückgehalten werden kann, daß es sich sehr wohl rentirt, die zwar ziemlich theure Sperre ( die Baustelle liegt circa 1800 m über Meer ) auszuführen, statt fast alljährlich die ebenfalls kostspieligen Ausräumungen des Schuttfanges im Thale vornehmen zu müssen.
Die Brienzerbäche.
Unter diesem Namen fasse ich eine ganze Reihe von Bächen zusammen, die sich von Brienzwyler abwärts an dem Südhange der Brienzerrothhornkette befinden. Ihr allgemeiner Charakter ergibt sich aus demjenigen des Berghanges. Die südliche Lage und im Allgemeinen schwache, selten über 1500™ absolute Höhe gehende Bewaldung, die steilen Hänge in den obern Lagen und tief eingeschnittenen Schluchten in den untern bewirken, daß die Bäche bei trockenem Wetter kein oder fast kein Wasser führen, dagegen aber bei Gewittern oder wenn Föhnregen in den Schnee fällt, mit unglaublicher Schnelligkeit anschwellen und dann massenhaft Geschiebe führen, die sehr häufig als eigentliche Muhrgänge niedergehen. Dies der allgemeine Charakter, im Speciellen finden sich aber noch beträchtliche Unterschiede, je nach dem relativen Vorschreiten der Erosion gegenüber den nicht abschwemmbaren Schichten. Drängen schon diese Unterschiede den Verbauungsarten ihren Stempel auf, so thut es fast noch mehr die Lage der Bäche in Beziehung zu Ortschaften oder cultivirtem Land. Man kann zwei Verbauungsarten unterscheiden:
1 ) Die seitlich am Schuttkegel gelegenen Ortschaften suchen sich, ähnlich wie Meiringen durch die Alpbachmauer, direct gegen die Muhrgänge zu schützen, dem Bache ein gewisses Ablagerungsgebiet für seine Geschiebe überlassend. Dieser Fall findet sich bei dem Eistlenbach und im obern Theile des Lammbach schuttkegels.
2 ) Der Wildbach wird zu oberst auf seinem Schuttkegel gefaßt und mittelst einer Schale in den See abgeführt. Dies findet bei allen jenen Bächen statt, welche direct durch Ortschaften oder cultivirtes Land fließen. Als Typus mag der Trachtbach bei Brienz gelten.
Diese Art der Unschädlichmachung der Muhrgänge hat sich aber im Laufe der Jahre nicht überall als zulänglich gezeigt, woran die fortschreitende Verwilderung der Bäche in den obern Gebieten jedenfalls mit Schuld ist. Es sind deßhalb in den meisten dieser Bäche durch forstliche Verbauungen und Thalsperren Anstrengungen gemacht worden, die Muhrgänge zu verkleinern und zu verzögern. An einigen Orten sollen die oberen Gebiete überhaupt durchgehends verbaut werden.
Ich kann die Besprechung der Brienzerbäche nicht abschließen, ohne dem Schwandenbach, der durch seine Gefährdung des Dorfes Schwanden in letzter Zeit viel von sich reden macht, einige Worte zu widmen. Als Wildbach gehört er zwar in dieselbe Kategorie mit den Brienzerbächen, aber seine Gefährlichkeit beruht auf ganz andern Umständen.
Es fanden nämlich im Laufe dieses Jahrhunderts und zuletzt im Herbste letzten Jahres ( 1887 ) sehr bedeutende Erdrutsche statt, deren Grund lehmige, durch Bergfluß seifig gemachte Schlipfflächen waren. Diese Abrutschungen sind von dem eigentlichen Bachbette unabhängig, gelangten aber auf ihrem Thalwege in dasselbe und haben sich kurz vor Austritt des Baches auf seinen Schuttkegel darin gestaut. In dieser Schuttmasse liegt Gefahr zu Muhrgängen, die einen Theil des Dorfes Schwanden zudecken könnten. Soll dieser gesichert werden, so müssen folgende Arbeiten ausgeführt werden:
Entwässerungen, um weitere Rutschungen zu verhüten, Thalsperren, um das abgestürzte Material festzuhalten, und endlich Eindämmung des Baches auf dem gegenüber den bedrohten Häusern schon jetzt bedeutend erhöhten Schuttkegel.
Die Lütschine und ihre Zuflüsse.
Die Lütschine nimmt ihren Ursprung als Weiße Lütschine zu hinterst im Lauterbrunnenthal und als mächtigerer Arm, Schwarze Lütschine genannt, an den beiden Grindelwaldgletschern. Ihrem Ursprünge gemäß hat sie den Charakter eines Gletscherwassers, sie zeigt die normalen täglichen und jährlichen Schwankungen im Wasserstand, wie sie durch das Zu-und Abnehmen der Temperatur und das daherige mehr oder weniger starke Schmelzen der Gletscher bedingt werden. Neben diesen normalen Einflüssen reagirt sie natürlich auch auf alle andern. Warme Regen, wenn Schnee liegt, und Hochgewitter bringen auch hier die höchsten Wasserstände hervor.
Die Weiße Lütschine kann nicht als Wildwasser bezeichnet werden, obschon auch an ihr ziemlich viele Schutzbauten erstellt werden, um angrenzende Grundstücke oder die Straße, soweit sie dem Laufe des Flusses folgt, vor Angriffen zu schützen.
Die Schwarze Lütschine erhält ihren Wildwasser-charakter durch die Zuflüsse von der Faulhornkette, welche auch an ihrem Namen die Schuld tragen, denn sie führen ihr eine Masse der schwarzen schiefrigen Geschiebe zu, welche der Faulhornkette eigen sind.
Für dieses Gebiet sind schon verschiedene Ver-"bauungsprojecte ausgearbeitet worden, allein die Kosten der Ausführung stunden zu dem vorauszusehenden Nutzen in zu ungünstigem Verhältniß, als daß etwas zur Ausführung gekommen wäre.
Wie bei der Weißen Lütschine beschränkt sich der vorhandene Wasserbau auch hier auf localen Uferschutz, wo solcher für nothwendig befunden wurde.
Ueber die vereinigte Lütschine ist dasselbe zu sagen, bis zu ihrem Austritt aus dem eigentlichen Thal der Lütschine in das Bödeli, bei Wilderswyl, wo sich wieder Wasserbauten verschiedener Art vorfinden, darunter auch die älteste des in Betracht gezogenen Gebietes, nämlich die Ableitung der Lütschine von Gsteig in den Brienzersee.
Auf der Karte erkennt man leicht, daß das Bödeli durch zwei Schuttkegel gebildet wird, deren einer der Lütschine, der andere dem Lombach gehört. zwischen beiden fließt, von den Wildwassern je auf die entgegengesetzte Thalseite gedrängt, die Aare.
Im Anfang des 12. Jahrhunderts wurde auf dem Lütschinen-Schuttkegel das Kloster Interlaken erbaut. Der wilde Gebirgsfluß zeigte sich aber als unangenehmer Nachbar; unstätig auf seinem breiten Schuttkegel hin- und herschwankend brach derselbe bald links bald rechts aus und zerstörte die sich vorfindenden Culturen; mit seinen Schuttmassen füllte er die Aare auf, so daß auch sie überfluthete und die Gegend versumpfte. Wohl erkennend, daß, so lange die Geschiebsablagerung im Bödeli selbst statt- finden mußte, an eine Besserung der Zustände nicht zu denken sei, grub man daher ein Bett längs dem Fuße der Faulhornkette und leitete durch dasselbe die Lütschine in den Brienzersee, in den sie auch heutigen Tages noch fließt und in welchem sie nunmehr ihre Geschiebe unschädlich ablagern kann. Daß-sie deren viele führt, bezeugt die bedeutende Deltabildung, deren Zunahme jetzt, nachdem der Ausfluß durch seitliche Dämme fixirt ist, sich deutlich wahrnehmen läßt.
In den untersten Theil der Lütschine fallen noch zwei Wildbäche, in welchen bemerkenswerthe Verbauungen ausgeführt wurden.
Der Saxetenbach entspringt an der Schwalmeren zu hinterst im Saxetenthal, und ist bis zunächst oberhalb des Dörfchens Saxeten ein Quellbach, welchem auch die Wasserversorgung von Interlaken zu verdanken ist. Erst nachdem sich der Renggligraben zu ihm gesellt, nimmt er den Charakter eines Wildbaches an, indem er sich mit den groben Geschieben des genannteil Grabens beladet und von Saxeten abwärts bis Wilderswyl, wo er in 's Hauptthal tritt, ein sehr großes Gefälle vorfindet. Für Wilderswyl, das auf dem Schuttkegel des Baches erbaut ist, bietet derselbe eine stete Gefahr. Zum Schütze des Dorfes wird gegenwärtig der Lauf des Wassers über den Schuttkegel regulirt und zwischen Parallelwehre gefaßt. Aber nebst dieser Regulirung sind noch Verbauungen auf der Strecke von Saxeten bis Wilderswyl, wo Rutschhalden vorkommen ', welche eine Unmasse von Geschiebe liefern successive auszuführen. Die ge- fährlichste dieser Halden ist verbaut, nämlich die sog. Große Riesete. Diese hat bei einer horizontalen Länge von 215 m eine Breite von circa 80 m, der Höhenunterschied des obersten und untersten Punkte » ist 142 m, die durchschnittliche Steigung beträgt daher 66°/o, steigt aber im obern Theil bis auf 45° d.h. 100°/o.
Eine solche, stark in Erosion begriffene Fläche mußte eine Masse Geschiebe liefern, die zurückzuhalten große Vortheile bot. Die fortschreitende Verwitterung drohte zudem für den umliegenden Wald, sowie auch für die Gemeindestraße nach Saxeten verhängnißvoll zu werden, so daß sich eine Verbauung empfahl, selbst wenn bedeutende Kosten darauf verwendet werden mußten.
Die Schutthalde oder Riesete hat die typische Form der meisten solchen: oben breit und steil, mit vielen Rinnen durchzogen ( das eigentliche Erosionsgebiet ), die sich zu Hauptästen und schließlich zu unterst, im schmälsten Theil, zu einem einzigen Rinnsal vereinigen.
Zur Verbauung dieser Fläche waren in den siebzig, allerdings meist kleine, Thalsperren oder Querschwellen nothwendig, von denen aber diejenigen der Hauptzüge immerhin bedeutende Dimensionen an- nehmen. Die untersten Sperren wurden aus Stein erstellt, die obern aber, aus Mangel an anderem Material, aus Holz. Dieses Material scheint für solche Bauten in Folge seiner kurzen Dauerzeit nicht eben das zweckmäßigste zu sein; an Orten aber, wo man, wie hier, durch die Verbauungen in nicht zu ferner Zeit eine vollständige Aenderung des Charakters einer Schutthalde voraussehen kann, darf Holz ohne Zweifel verwendet werden. Eine solche Veränderung darf aber hier erwartet werden, weil zwischen den Sperren die gute Erde durch Plechtzäune befestigt und die ganze Fläche aufgeforstet wurde, so daß sich in kurzer Zeit ein dichter Jungwald auf der sonst kahlen Fläche einstellen wird.
Der Sagislauizug fällt von der Schönegg, am Weg nach der „ Schynigen Platte ", in die Lütschine, die er circa 700 m unterhalb Gsteig erreicht. Früher ein ziemlich unschuldiger Bach, hat sich derselbe im Laufe der letzten Jahre immer tiefer in dem Berghang eingefressen und das entnommene Material in 's Thal geführt, wo es cultivirtes Land zerstörte und die Gefahr einer so starken Stauung der Lütschine erkennen ließ, daß ein Ueberfluthen ihrer Dämme und demit die Ueberschwemmung eines großen Theiles des Bödeli zu befürchten war.
Die Untersuchung des Baches ergab, daß das Niederschlagsgebiet desselben theilweise schlecht bewaldet sei, namentlich im obersten Trichter und in seitlichen Zügen, die, ohne zu Graben ausgebildet zu sein, Schnee und Regen sehr schnell dem Bachbett zuführten.
Das Bett selbst liegt an vielen Stellen vollständig in festem Felsen,* an anderen Orten aber zeigten sich bedeutende, im Fortschreiten begriffene Sohlenver-tiefungen, sowie einige Stellen, an denen die seitlichen Hänge angegriffen und zu Rutschungen geneigt waren.
Das Project zur Verbauung zerfiel, entsprechend den Uebeln, die sich geltend machten, in drei Theile: Erstens einen forstlichen zur Aufforstung des Einzugsgebietes und Sicherung der Sohle im obersten Theil.
Zweitens mußte durch Querbauten die weitere Vertiefung verhindert werden, was durch Sperren gemischten Systems ( Verwendung von Holz und Steinen ) geschah. Drittens mußten die seitlichen Rutsche unschädlich gemacht werden, was theilweise durch einfache Seitenwehren mit Anlehnung an die Sperren geschehen konnte, andererseits dadurch erzielt wurde, daß dem Bache, wo es sich thun ließ, in dem einen, felsigen Bord ein Bett ausgesprengt und damit das andere den Einwirkungen des'Wassers entzogen wurde.
Der Lombach, dessen schon früher in Betreff der Bildung des westlichen Theils des Bödeli gedacht wurde, fließt, ähnlich wie die Lütschine in den Brienzersee, längs dem Fuße des Kienberges in den Thunersee. Da diese Linie dem Bache das größte Gefäll bietet, also die natürliche Abflußlinie ist, zu welcher der Bach trotz Ausbrüchen nach links stets in kurzer Zeit wieder zurückkehrte, so läßt sich vermuthen, der Lombach habe für die Ableitung der Lütschine als Vorbild gedient, indem er den Vortheil ad oculos demonstrirte, den die Ableitung eines stark Geschiebe führenden Wildwassers in ein Seebecken bietet.
Um Ausbrüche des Baches nach links gegen Unterseen und seine Fluren zu verhindern, wurden seit langer Zeit schon Bauten aller Art erstellt, 21 unter Anderem auch eine bedeutende Mörtelmauer ( Pflasterdamm ), welche die gefährlichsten Stellen abdämmt.
Die Unregelmäßigkeit des Bettes bewirkt, daß trotzdem immer wieder neue Bauten gemacht werden müssen und bei Hochwassern Ausbrüche Stetsfort zu befürchten sind. Diese Zustände riefen einer vollständigen Verbauung des Baches, die gegenwärtig in Aussicht genommen ist.
Im obersten Theil sind die Quellbäche Lombach, Bohlbach und Habbach in der Art und Weise der meisten andern Wildbäche zu verbauen. Dann folgt die Strecke von der Habkernbrücke bis zur Straßenbrücke nach St. Beatenberg, in welcher der Bach sich stets zu vertiefen strebt und hiedurch große Schuttmassen in Bewegung bringt. In dieser soll durch Anlage von Thalsperren das Gefäll vermindert und die Sohle erhöht, zugleich sollen aber mittelst Fußmauern und Ableitung des Wassers vom Fuße der Berghänge seitliche Rutschungen verhindert werden.
Diese Anlage erfordert 44 Thalsperren, durch welche das 300 m betragende Gefälle der Strecke ups circa 80 m reducirt wird.
Sobald der Bach auf seinen Schuttkegel kommt, wird er, zwischen zwei Parallelwerken eingedämmt, in der Kichtung seines jetzigen Laufes zum See geführt.
Die ganze Verbauung wird mit sehr großen Kosten verbunden sein, läßt aber den gewünschten Erfolg mit Sicherheit voraussagen.
Eine interessante Erscheinung bietet der Holzet-bach zu Därligen, wo sich im Jahre 1885 ungefähr 400 m über dem Dorfe eine 120m lange und 70™ breite, mit schönem Walde bewachsene Fläche ablöste und theilweise in das Bachbett stürzte, währenddem der andere Theil auf der Rutschfläche sitzen blieb. Der Bach wurde gestaut und fuhr nun, nachdem er Kraft gesammelt hatte und die Masse soweit nothwendig durchweicht war, als Muhrgang zu Thal. Glücklicherweise wechseln auf diesem Wege felsige Engpässe mit ebenem Erweiterungen des Bachbettes ab, so daß sich der Schlammstrom zertheilen mußte und nicht mit seiner ganzen verheerenden Wucht unten ankam. Immerhin richtete er bedeutenden Schaden an und bietet mit dem zurückgebliebenen Geschiebe immer noch eine Gefahr für das Dorf, so daß ein Project für dessen Verbauung aufgenommen wurde, das jedenfalls in nächster Zeit zur Ausführung kommt. Die Katastrophe fand an einem hellen warmen Tage während der Schneeschmelze statt und hatte jedenfalls Stauungen des Bergflusses im Massive des Berghanges zur Ursache, welche die Grundfläche der Rutschmasse so durchweichten, daß sie auf dem ziemlich steilen, felsigen Untergrund in 's Gleiten gerieth. Daß sich an dem zurückgebliebenen Theile keine Bewegungserscheinungen wahrnehmen lassen, ist eine Folge der natürlichen Drainirung durch die Bewegung.
Das Project sieht vor:
Eine Stützmauer, um die liegengebliebene Schuttmasse zurückzuhalten und zu befestigen, ferner an te.*-, günstigen Orten im Bachlaufe Thalsperren, um Ablagerungsplätze zu schaffen, und endlich auf dem Schuttkegel ein corrigirtes Bett, das in der untersten, flachsten Partie einen schalenförmigen Ausbau erhält.
Ungefähr 3 km. unterhalb Därligen liegt Leißigen, in dessen Nähe sich verschiedene Wildbäche befinden. Verbauungen sind jedoch nur in den das Dorf direct bedrohenden, dem Riedbach und dem Tuffbach, ausgeführt worden. Der ganze Berghang ist sehr stark wasserhaltig, daher an steilen Stellen zu Ausr-brüchen geneigt. Finden solche Kutsche statt, so dehnen sie sich immer weiter aus und bieten, wenn sie nicht verbaut werden, eine ständige Gefahr. Je früher die Verbauung stattfindet, desto leichter ist dieselbe durchzuführen. Gehörige Entwässerung und Stützen des Fußes der eigentlichen Abbruchstelle führen hier am besten zum Ziele. Das Wasser aus den Sickerschlitzen muß aber in einer Rinne über das lockere Abbruchmaterial weggeführt werden, auch ist es gut, wenn der Bruch mit Flechtreihen befestigt und mit geeigneten Holzarten ausgepflanzt wird.
Nebst solchen Anlagen, deren in den letzten Jahren zwei gebaut wurden, ist noch eine Correction des Riedbaches durch das Dorf nothwendig, die im Laufe dieses Jahres mittelst einer Schale ausgeführt werden soll.
Die Kander und ihre Zuflüsse Von ihrem Ursprung zu hinterst im Gasternthal bis zum Zusammenfluß mit der Engstligen ist die Kander nicht gefährlich. Bei dem Dorf Frutigen nimmt sie aber die Engstligen auf, deren oberster Lauf vom Abwasser des Wildstrubelgletschers gespeist wird und nirgends Schaden verursacht, bis ihr von der Niesenkette eine Menge von Wildbächen zufließen, die ihr bei Hochgewittern alle zugleich ihre Wasser und Geschiebemassen in das Flußbett werfen und so die Engstligen in einen der wildesten Ge-birgsfltlsse verwandeln, der sich mit furchtbarer Gewalt in das Kanderthal ergießt. An diesen Bächen ist im Allgemeinen noch wenig verbaut worden, doch sind auch da einzelne Anrisse mit Schutzbauten versehen, ohne welche die Geschiebeführung noch bedeutend größer wäre. Im Fernern sollen im Adelboden einige Bäche verbaut werden, wodurch die Geschiebeführung wieder vermindert wird, allein gegenüber der Masse von Bächen, die zu verbauen die Verhältnisse nicht erlauben, kann die Verbauung dieser einzelnen für das Regime der Engstligen kaum in Betracht kommen. So lange dieselbe im eigentlichen Engstligenthal fließt, kommen Wasserbauten nicht vor, da sie wenig werthvolles Land bespült; sobald sie sich aber bei Frutigen in die Thalebene ergießt, gefährdet der Fluß den ganzen Boden mit seinen Fluthen. Schon früher wurde versucht, durch Schutzbauten aller Art dem Fluß ein festes Bett zu geben, um sich vor dessen Austreten zu sichern, allein es gelang mit den angewandten einzelnen Werken nicht. Nunmehr wurde beschlossen, nach einheitlichem Plan den Fluß einzudämmen und zu corrigiren.l Die Arbeiten wurden von der schwerbelasteten Bevölkerung Jahr für Jahr nach den vorhandenen Mitteln gefördert und hatten schon sehr günstig gewirkt, als das Hochwasser vom Winter 1885 an dem unfertigen Werke sehr vieles wieder zerstörte. Dasselbe wird nunmehr mit Bundes-und Kantonsbeiträgen in möglichst kurzer Zeit ausgebessert und zu Ende geführt werden.
Sobald sich die Engstligen mit der Kander vereinigt, drückt sie derselben den Stempel der eigenen Wildheit auf. Von Frutigen bis unterhalb Mühlenen ist das Bett der Kander ein breites Schuttfeld, das derselben überlassen bleibt und auf dem sie ihre Fluthen beliebig, nach jedem Hochwasser den Stromstrich ändernd, herumwälzt. Hier würde durch eine rationelle Correction der verwüstete Theil des Thalbodens der Cultur wieder gewonnen; gleichwohl finden die Betheiligten den ökonomischen Effect der Correction nicht sicher und reichlich genug. Um zn einer durchgreifenden Regulirung des Flußes zu gelangen, müssen noch andere Umstände die Correction wünschbar machen, und diese werden eingetreten sein, sobald sich das Bett, wie dies unter den gegebenen Umständen naturgemäß geschehen muß, so viel erhöht hat, daß auch werthvolleres Land und Häuser von dem Flusse gefährdet werden.
Auf dieser Strecke nimmt die Kander von links verschiedene Bäche auf, die mit denjenigen des Engstligenthales und dem Leimbach bei Frutigen ähnliche Eigenschaften haben. An der Niesenkette entspringend, deren Hänge im obern Theil unbewaldet, an vielen Orten selbst mit einer schlechten Grasnarbe bewachsen sind, erhalten sie bei Hochgewittern aus ihren großen und steilen Einzugsgebieten Die Wasserbauten des BeAieroberlandes. 827 rasch und viel Wasser, das sich in den erdigen Sängen einfrißt und dem auch der weiche Schiefer, aus dem die Kette aufgebaut ist,i nur geringen Widerstand leistet. Werden durch das Einfressen oder durch Abspülung des Fußes Rutsche in den Bördern verursacht, so bilden diese Muhrgänge, die, durch keine ebenen Stellen oder Erweiterungen des Bach- bettes verzögert, mit voller Gewalt zu Thal fahren. Da die Schuttkegel der meisten dieser Bäche nicht bewohnt und schlecht bebaut sind, so sind keine Verbauungen an denselben vorgenommen worden, außer was zum Schütze der Straße nothwendig schien.
Eine Ausnahme macht der Leimbach, auf dessen Schuttkegel das Dorf Frutigen liegt und an welchem Mauern und Dämme gebaut wurden, um das Austreten zu verhindern. Leider vermögen dieselben nicht immer ihrem Zweck vollständig zu genügen, so daß der Bach im Dorfe schon zu verschiedenen Malen sehr großen Schaden angerichtet hat. Auch hier ist eine Verbauung im Gebirge in Aussicht genommen.. Von rechts erhält die Kander noch die schon bedeutend großen Bäche Kien, Reichenbach und Suld, die im Laufe der Zeit alle große Verwüstungen der Thalsohle bewirkt haben. Die angewandten Verbau-angen bestehen in Regulirung und Eindämmung des Baches auf dem Schuttkegel. Diese Arbeit ist £n der Suld zu Mühlenen am vollständigsten durchgeführt, daselbst wurden aber noch Grund-schwellen eingesetzt, um der Vertiefung der Sohle, wie sie in Folge der Eindämmung stattfand, ein Ziel zu setzen und damit das Fundament der Bö-schungsmauern zu sichern.
Verfolgt man das Bett der Kander von hier weiter abwärts, so bemerkt man gleich unter den » Heustrichbad Spuren einer Vertiefung desselben, die sich immer mehren, auffallender werden und sich endlich als kolossale Auswaschungen darstellen.
Solche Erscheinungen deuten auf Veränderungen künstlicher oder natürlicher Art im Flußlaufe, die eine starke Vermehrung des Gefälls zur Folge hatten » Auch in unserm Falle haben wir es mit einer solchen zu thun.
Bis zu Anfang des 18. Jahrhunderts floß die Kander hinter der Moräne, die sich, von Spiez bis Almendingen hinzieht, hinunter und ergoß sich in die Aare circa 4 km. unterhalb dem Ausflusse derselben aus dem Thunersee. Die Uebelstände, die solche Verr hältnisse bringen, sind schon früher namhaft gemacht worden. Hier fanden sie in so ausgedehntem Maße statt, daß sich die Verwüstungen infolge der Kander-ausbrüche und der Stauung der Aare bis nach Thun hinauf erstreckten. Es wurde beschlossen, Abhülfe zu schaffen durch Ableitung der Kander in den Thunersee, wozu ein Einschnitt von circa 900 m Länge und 40 m größter Tiefe nothwendig war. Die Arbeiten wurden im Jahre 1711 in Angriff genommen und 3 Jahre später konnte die Kander zum ersten Mal durch den angebrachten Stollen in den See gelassen werden. Bei dem starken Gefälle, das sie nun hatte, vertiefte und erweiterte die Kander ihr Bett in dem Maße, daß der Stollen einstürzte, wodurch zwei bernische Experten, die auf der Oberfläche des Durchstichs standen, um Alles besser übersehen zu können, ihren Tod fanden. Gegenwärtig fließt die Kander in offenem Einschnitt und scheint sich das natürliche Gefälle eingestellt zu haben. Die Vertiefung, die sich in Folge der Verkürzung des Flußlaufes und der damit bedingten Gefällsvermehrung ausbildete und naturgemäß nach oben fortsetzte, ist auf eine Länge von 9 km. bemerkbar; durch sie wurden bedeutende Flächen guten Culturlandes trocken gelegt und vor Ueberschwemmungen gesichert.
Indem ich hiemit schließe, erlaube ich mir noch einige Bemerkungen.
Die Behandlung des vorliegenden Stoffes für das Clubbuch ist eine ziemlich schwierige. Während Viele auch diese gedrängten Notizen zu weitschweifig finden werden, möchten Andere die technische Seite eingehender behandelt wissen, und endlich wird es Solche geben, die diese oder jene Verbauung, die ihnen bekannt ist, nicht aufgeführt finden und ungerne vermissen.
Ich habe diesen Aussetzungen Folgendes entgegenzuhalten:
Die Beschränkung des Mitgetheilten konnte füglich nicht weiter getrieben werden, wenn das Ganze seinem Eingangs erwähnten Zwecke treu bleiben sollte, ich habe mich aber auch überzeugt, daß bei auch nur einigermaßen technischer Behandlung der einzelnen Verbauungen so viel Detail hätte mitgetheilt werden müssen, daß die Arbeit den mir gebotenen Baum weit überschritten hätte. Aus diesem Grunde und um Wiederholungen zu vermeiden, habe ich denn auch nur die hauptsäehlichsten und namentlich die typischen Verbauungen in Betracht gezogen.