Ein Drittel weniger tödliche Unfälle
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Ein Drittel weniger tödliche Unfälle Bergnotfallstatistik 2012

Letztes Jahr gab es klar weniger Schönwettertage, was sich auf die Tourenaktivität und die Unfallzahlen ausgewirkt hat: Es sind in den Alpen und im Jura 2570 Menschen in Bergnot geraten, 3% weniger als im Vorjahr. Beim klassischen Bergsport verunfallten 95 Personen tödlich, ein Drittel weniger als im Jahr zuvor.

Das Jahr 2012 war gemäss Meteo Schweiz mit einem Temperaturüberschuss von 1,3 Grad wärmer als der langjährige Durchschnitt. Es gab etwas mehr Niederschlag als im Vorjahr und vor allem in den Alpen und im Jura deutlich weniger schöne Tage.

 

Wechselhaftes Wetter und früher Schnee

Zu Jahresbeginn lag in den Alpen viel Schnee. Nach einer längeren Phase mit sonnigem und mildem Winterwetter und sehr guten Schneesportverhältnissen wurde die Schweiz im Februar von einer massiven Kältewelle erfasst. So waren die Tourenaktivitäten vor allem in höheren Lagen wegen der Kälte, den starken Nordostwinden und der heiklen Triebschneesituation eingeschränkt. Danach setzte eine starke Erwärmung ein. Am 25. Februar wurde in Locarno mit gut 23 Grad die höchste Februartemperatur seit Messbeginn registriert. Bis in den Hochsommer war die Witterung wechselhaft. Im Mai wurden rekordhohe Temperaturen mit einer Nullgradgrenze von über 4100 m ü.M. gemessen, kurz darauf schneite es wieder bis fast ins Mittelland. Erst Mitte August hielt der Hochsommer auch in den Alpen Einzug. Auf dem Jungfraujoch wurde ein neues, absolutes Maximum von 12,8 Grad registriert. Ein kräftiger Kaltluftvorstoss beendete den Hochsommer Ende August rasch. Die Wetterküche schaltete dann wieder auf wechselhaft. Bis Mitte Oktober folgten sonnig-milde und nass-trübe Tage rasch aufeinander. Es folgten ein paar schöne Oktobertage mit einer zähen Hochnebeldecke, die nochmals schöne Bergtage in mittleren Höhenlagen ermöglichten. Ein massiver Kaltlufteinbruch brachte Ende Oktober für einen grossen Teil der Schweiz Schnee. Nach einer längeren Schönwetterphase im November hielt der Winter dann definitiv Einzug: Kräftige Niederschläge mit Schnee bis in tiefe Lagen sorgten in den Bergen bis zum Jahresende für eine ansehnliche Schneedecke.

 

Weniger Notfälle und Tote

Die Wetterkapriolen schränkten die Tourenaktivitäten ein. Zum Leidwesen vieler war das Wetter an den Wochenenden häufig schlecht. Günstig war dies hingegen für die Notfallbilanz 1: Insgesamt mussten in den Schweizer Alpen und im Jura 2570 Personen die Bergrettung in Anspruch nehmen, das ist im Vergleich zum Vorjahr ein Rückgang von knapp 3%. Auch die Zahl der Todesfälle sank von 217 auf 152.

Noch deutlicher widerspiegelt sich dieser Rückgang bei den tödlichen Unfällen beim klassischen Bergsport im engeren Sinne2. Hier sind bei 86 Ereignissen 95 Personen tödlich verunfallt, gut ein Drittel weniger als im Jahr zuvor. Besonders markant ist dies beim Bergwandern, hier hat sich die Zahl der Bergtoten mit 32 Betroffenen halbiert. Mit Ausnahme der Aktivitäten Klettern und Variantenabfahrten ist diese im Jahresvergleich günstige Entwicklung auch bei den anderen Bergsportarten festzustellen.

 

14 von 18 Toten auf Hochtouren nicht angeseilt

Das wechselhafte Wetter während der Hochsommermonate Juli und August sorgte oft für eher ungünstige Bedingungen und vereitelte manchen Tourenwunsch. Dies hat sich auch im Notfallgeschehen niedergeschlagen. 380 Alpinisten mussten aus einer Notlage gerettet oder geborgen werden, rund 10% weniger als im Jahr zuvor. Häufigste Ursache war ein Sturz oder Absturz mit insgesamt 132 Betroffenen. Dabei kamen 18 Personen ums Leben, 14 davon waren nicht angeseilt, darunter auch 2 Alleingänger. Als Folge eines Mitreiss-unfalls starben bei 3 Ereignissen auf den Normalrouten am Mönch, am Lagginhorn und am Eiger insgesamt 9 Alpinisten. Sehr ungewöhnlich war der Unfall am Lagginhorn: 6 Bergsteiger stiegen auf der Normalroute dieses Berges auf. Unterhalb des Gipfels blieb ein Mitglied der Gruppe wegen Unwohlsein zurück. Die restlichen 5 erreichten den Gipfel. Beim Abstieg stürzten alle fünf unangeseilt auf einem steilen Firnfeld in Gipfelnähe ab und fanden den Tod. Es ist davon auszugehen, dass die am Schluss absteigende Person ausgerutscht ist und ihre Partner mitgerissen hat. Mit viel Glück haben bei 2 weiteren Mitreissunfällen die angeseilten Beteiligten den Absturz überlebt. So eine Fünferseilschaft am Clariden und eine Dreierseilschaft am Fründenhorn. 3 weitere tödliche Unfälle mit je einem Opfer gab es wegen eines Wechtenabbruchs, durch einen Spaltensturz und durch das Versagen einer Abseilverankerung.

 

Weniger Notfälle beim Klettern, jedoch mehr Tote

Beim Klettern im Fels, in Klettergärten, auf Mehrseillängenrouten und im alpinen Gelände sind 128 Personen in eine Notlage geraten oder verunfallt (Vorjahr 152). Im Rahmen von abgesicherten Mehrseillängenrouten im «Plaisir-Bereich» waren 59 Kletterer betroffen, auf alpinen Touren 30, in Klettergärten 27 und im Extrembereich 12 Personen. Knapp die Hälfte der Beteiligten konnten gesund oder nur leicht verletzt gerettet werden. Verklemmte Seile beim Abseilen, Wetterverschlechterung, einbrechende Dunkelheit oder Verirren im Abstieg waren, wie jedes Jahr, die häufigsten Ursachen. Durch einen Sturz ins Seil verletzten sich 51 Personen. Die meisten davon (28) mussten mit Blessuren ins Spital gebracht werden, 16 erlitten schwere Verletzungen. Etwas ungewöhnliche Folgen hatte der Sturz eines Vorsteigenden: er fiel auf seine Seilpartnerin, die ihn sicherte. Sie brach den Unterschenkel, der Stürzende blieb unverletzt. Die Ursachen der 5 Todesfälle beim Klettern waren sehr unterschiedlich: Einen Vorsteiger kostete ein 10-Meter-Sturz in einem Klettergarten das Leben. Am Zwillingsturm im Salbit wurde eine Dreierseilschaft am Standplatz einer Abseil­piste von einer abbrechenden Altschneetafel getroffen, eine Frau wurde getötet. Nach einer Mehrseillängenroute am Zervreilahorn stürzte eine Frau beim Abstieg im weglosen Gelände ab. An der Rigi Hochflue stürzte ein Mann 70 Meter in die Tiefe, weil die beiden Abseilstränge ungleich lang in die Verankerung eingezogen waren. Dadurch schlüpfte ein Seilende durch die Bremse und das Seil wurde aus der Verankerung gerissen. Sehr aussergewöhnlich war der tödliche Unfall in einem Klettergarten, wo eine scharfe Kante am Karabiner der fixen Expressschlinge wahrscheinlich das Seil durchtrennte.3

 

Weniger Lawinenunfälle bei Skitouren

Gegenüber den Vorjahren lag bereits zu Jahresbeginn verbreitet viel Schnee. Mehrere Grossschneefälle liessen die Schneedecke weiter anwachsen. Dies führte zwar kurzzeitig zu einer stark erhöhten Lawinengefahr und eingeschränkten Tourenaktivitäten, sorgte aber nach der Setzung des Neuschnees jeweils wieder rasch für einen günstigen Schneedeckenaufbau. Dies wiederspiegelt sich auch deutlich im Not- und Unfallgeschehen bei Ski- und Snowboardtouren, bei denen im Berichtsjahr 2012 insgesamt 262 Personen betroffen wurden (Vorjahr 282). Diese Entwicklung ist auf den markanten Rückgang der Lawinenunfälle zurückzuführen. Insgesamt 34 Personen verunglückten, 23 weniger als im Jahr zuvor. Noch eindrücklicher ist der Vergleich mit dem Jahr 2010, wo insgesamt 94 Tourenfahrer verschüttet wurden, etwa dreimal mehr als 2012. Auch bei den tödlichen Unfällen ist ein deutlicher Rückgang zu verzeichnen (2012: 11, 2011: 21 Opfer). 4 Unfälle mit je einem Opfer ereigneten sich bei Gefahrenstufe, 5 Unfälle mit 6 Toten bei Stufe «erheblich», und ein Unfall mit einem Opfer bei Stufe «gross». Auch wenn die Unfallursache Lawinenverschüttung im Fokus ist, sollte man nicht übersehen, dass Unfälle durch Sturz oder Absturz deutlich zahlreicher sind. So verletzten sich 2012 insgesamt 123 Tourenfahrer wegen eines Sturzes, 3 verloren ihr Leben. Im Weiteren verstarb je eine Person an den Folgen eines Wechtenabbruchs und eines Spaltensturzes.

 

Mehr Unfälle beim Freeriden

Beim Variantenfahren oder neudeutsch Freeriden haben die Not- und Unfälle mit 255 Betroffenen (Vorjahr 195) deutlich zugenommen. Lawinenunfälle nach den Grossschneefällen im Dezember 2012 haben die Bilanz verschlechtert: 22 der 30 Opfer wurden von Lawinen erfasst. Zugenommen haben auch Unfälle durch Sturz oder Absturz und Blockierungen. Offensichtlich beeinflusst die Art des Sportgerätes die Unfallart: von 62 betroffenen Snowboardern sind nur 2 Personen, also rund 3%, in eine Lawine geraten. 40 Beteiligte oder 65% waren blockiert oder sie verirrten sich.

Bei den 193 Skifahrern wurden 28 Beteiligte oder knapp 15% von einer Lawine erfasst, blockiert oder verirrt waren 67 Personen. Gestorben sind 11 Freerider, je 5 in Lawinen und bei einem Absturz. 1 Betroffener starb bei einem Spaltensturz.

 

25 tödliche Unfälle beim Bergwandern

Nach dem goldenen Bergwanderjahr 2011 mit langen Schönwetterphasen im Frühling und vor allem im Spätherbst war 2012 alles anders. Ein nasskalter Frühling und verschneite, ungangbare Wege im Herbst haben die Wanderaktivitäten eingeschränkt. Dies hat sich auch im Notfallgeschehen niedergeschlagen. 1014 Personen waren in einer Notlage, 11% weniger als im Vorjahr. Die häufigste Unfallursache waren Sturz oder Absturz mit 428 Betroffenen (Vorjahr 487). 90 Personen konnten ambulant behandelt werden, 250 mussten mit mittelschweren und 59 mit schweren Verletzungen hospitalisiert werden. 25 Wandernde verunfallten tödlich, meistens infolge Stolperns oder weil sie ausgerutscht sind. Im weglosen Gelände ereigneten sich 11 Unfälle, auf rot-weiss-roten Bergwegen 6, auf alpinen Routen 4, auf unmarkierten Pfaden 2 und auf Wanderwegen 2. Genaue Angaben über die Ursachen sind schwierig zu machen, sehr oft reicht eine kleine Unachtsamkeit in exponiertem Gelände. Etwa als 3 Alpinwanderer durch eine steile Schrofenflanke abgestiegen sind. Eine Person rutschte aus und blieb am Stock des Kollegen hängen, dieser stürzte und brachte auch den Dritten zu Fall. Während 2 Opfer vor einer Felswand zum Stillstand kamen, stürzte einer rund 200 Meter in die Tiefe und fand den Tod. Die beiden Begleiter überlebten mittelschwer verletzt.

Häufige Notfallursache ist beim Bergwandern eine Erkrankung. 211 Personen waren betroffen (Vorjahr 204). Die Ursachen sind wie immer sehr unterschiedlich. Wegen Beinkrämpfen, Übelkeit, Gleichgewichtsproblemen oder allgemeinen Unwohlsein wurde die Bergrettung häufig alarmiert. Für 32 Personen kam jede Hilfe zu spät - sie verstarben, meist an den Folgen eines Herz-Kreislauf-Problems.

 

Mehr und mehr verletzte Mountainbiker

Mehr Unfälle gab es beim Mountainbiken mit 157 Beteiligten, gefolgt vom Gleitschirmfliegen (156), Klettersteig-Begehen (39) und Canyoning (33). Annähernd konstant waren die Zahlen beim Base-Jumping, auf der Jagd und beim Pilzsuchen. Weniger Unfälle unter dieser Rubrik gab es beim Schneeschuhlaufen.

 

Mehr Prävention und schlechtes Wetter

Im Vergleich zu den letzten Jahren verlief das Bergjahr 2012, vor allem in Bezug auf tödliche Unfälle, ausgesprochen günstig. Sichere Verhältnisse bei den Schneesportaktivitäten im Winter und Frühling, und die wegen der wechselhaften Witterung reduzierten Tourenaktivitäten im Sommer und Herbst dürften wesentlich dazu beigetragen haben

Aber auch die Präventionsanstrengungen der Alpinverbände zeigen offenbar Wirkung. Ihr Ziel ist, dass die Alpinisten ihre Touren sorgfältiger planen und unterwegs nicht zu hohe Risiken eingehen. Schliesslich gilt es hervorzuheben, dass die Rettungskräfte mit sehr grossem Einsatz und ihrer Professionalität oft verhindern können, dass aus einem Notfall ein schwerer Unfall wird.

Herkunft der Daten

Die Zusammenstellungen und Auswertungen dieses Berichtes stützen sich auf Angaben und Mitarbeit folgender Personen und Institutionen: Elisabeth Müller und Andres Bardill, Alpine Rettung Schweiz; François Hochstrasser, Daniel Breitenmoser und Mario Tissi, REGA; Pierre-Alain Magnin, KWRO; Bruno Jelk, Bergrettung Zermatt; Giannina Bianchi und Monique Walter, bfu; Marco Salis, Bergrettung Südbünden; Hans von Rotz, Bergrettung Engelberg; Peter Diener, Bergrettung Toggenburg; Bruno Durrer, Bergrettung Air Glaciers Lauterbrunnen und Gesellschaft für Gebirgsmedizin; Benjamin Zweifel, SLF; Peter Tresch, Kapo Uri; Florian Gassmann, Kapo Schwyz.

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