Ein Mekka für Liebhaber des Wiederaufstiegs
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Ein Mekka für Liebhaber des Wiederaufstiegs Im Auf und Ab dem Arnesee entlang

Das Gebiet rund um den Arnensee im Saanenland bietet viele Skitourenmöglichkeiten in allen Expositionen. Für Fans von alten Seilbahnen empfiehlt sich der Einstieg ins Gebiet über das stillgelegte Skigebiet Isenau oberhalb von Les Diablerets.

Die Tour beginnt auf dem Col du Pillon hinter der grossen Luftseilbahn, die ins gegenüberliegende Skigebiet Glacier 3000 führt. Unser heutiges Ziel, der Arneseekessel, könnten wir rasch, rechts haltend, über den Col de Voré erreichen. Doch wir wollen dem stillgelegten Skigebiet Isenau oberhalb von Les Diablerets einen Besuch abstatten und drehen nach links ab.

Die Sonne steigt gerade über das Sanetschhore auf. Die Luft ist klar, der Schnee glitzert und die Stimmung ist märchenhaft. Nach einer halben Stunde kommen wir nach Isenau. Mit jedem Schritt, den wir den stillgelegten Anlagen näherkommen, weicht das Märchenhafte einer gruseligen Faszination - so wie es aufgegebene und halb zerfallene Orte ausstrahlen. Die Lifte sind demontiert, die Masten stehen noch, Mahnmale für den Klimawandel. Auch die dicken Stahlseile hangeln sich noch von Mast zu Mast und denken nicht ans Loslassen. Einige rote rundliche Gondeln, die an übergrosse Ostereier erinnern, stehen verstreut umher. 

Eine Zeitreise in die Vergangenheit

Diese Gondeln aus den 1970er-Jahren, die von Les Diablerets ins Skigebiet Isenau führten, waren legendär. Ich fuhr zum ersten und letzten Mal 2012 mit ihnen und wähnte mich in einem Seilbahnmuseum. Klapptüren, die man noch von Hand öffnen musste, die Viererkabinen mit Holzbänken so eng, dass klar wird, dass früher ein anderer Body Mass-Index Norm war. Ihre letzten Runden drehten die Gondeln 2017. Zuerst dachten einige, die Zwangspause dauere nur so lange, bis eine neue Betriebsbewilligung und Finanzierung für einen Neubau vorliegt. Offenbar gibt es auch tatsächlich solche Pläne. Wie realistisch das ist, angesichts des Klimawandels und der nach Süden ausgerichteten sanften Kessellage auf rund 1500 m ü.M, ist allerdings fraglich.

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«Die Lifte sind demontiert, die Masten stehen noch, Mahnmale für den Klimawandel.»

Inzwischen stehen wir in der Bergstation. Eine leere Betonhülle, ausgenommen wie ein erlegtes Reh. An den Wänden prangt ein hingekritzelter Schriftzug in knalligem Gelb: «Rien ne va plus». Offensichtlich hatte jemand das Bedürfnis, diese Botschaft einer ungläubigen Nachwelt einzutrichtern und dann das Weite zu suchen.

Teuflische Aussichten

Genug Verwesung. Wir sehnen uns nach Lebendigkeit und steigen weiter auf Richtung «La Palette». Die Hänge gehören seit der Stilllegung der Lifte nur noch denjenigen, die sich aus eigener Kraft hier hocharbeiten. Die Aussicht vom Gipfel auf die Berner und Waadtländer Alpen ist grandios. Vor uns beeindrucken die schroffen Felswände des Massivs Les Diablerets. Kein Wunder galt es im Mittelalter als gefährlicher und verfluchter Ort, wo der Teufel sein Unwesen trieb. Daher leitet sich auch der Ortsname – Les Diablerets – vom französischen Diable, Teufel, ab. Angst braucht man heute nicht mehr zu haben, teuflisch gut hingegen sind viele der Kletterrouten, die sich durch das Felsmassiv ziehen.

Doch heute möchten wir so wenig Steinkontakt wie möglich und schauen in den verschneiten Kessel unter uns.  Wir haben die Gipfel rechts von uns im Visier: Seeberghore, Stuedelistand, Blattistand, Walighürli. Das Gebiet ist ein Mekka für Liebhaber des Wiederaufstieges. Zwar sind die Hänge zwischen Gipfel und Wald mit rund 400 Höhenmeter bescheiden, dafür aber häufig unverspurt.

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«Weil diese Abfahrt so gut ist, steigen wir gleich ein zweites Mal auf und lassen dafür den nächsten Gipfel aus.»

Wir rauschen den ersten Hang hinunter und werden erst vom dichten Tannenwald oberhalb des Arnesees ausgebremst. Es folgt der erste Aufstieg auf das Seeberghore. Weil diese Abfahrt so gut ist, steigen wir gleich ein zweites Mal auf und lassen dafür den nächsten Gipfel aus. Das ist das Schöne an dieser Tour, man kann so viele Gipfel miteinander kombinieren, wie es Fitness und Motivation zulassen. So lassen wir auch den letzten Gipfel aus, das Walighürli (von Feutersoey aus vielbesucht, ausserdem ein Helilandeplatz) und fahren stattdessen vom Blattistand in den Nordhang zum Arnesee runter. Von dort gelangen wir runter nach Feutersoey, durch die tiefverschneite Wunderwelt des Tschärzistals, wo uns zu guter Letzt das Märchenhafte wieder einholt.

Praktische Infos

La Palette (2171 m)–Seeberghore (2071 m)–Blattistand (2019 m)

Eckdaten

WS, 5 bis 6 h, ↗ 1650 Hm, ↘ 2060 Hm

Route

Vom Col du Pillon entweder über das stillgelegte Skigebiet Isenau La Marnèche und den Col des Anderets auf den Gipfel La Palette oder direkter über den Col de Voré und Chalet Vieux. Abfahrt auf die Seebergalp, von dort Aufstieg auf das Seeberghore, Abfahrt bis Waldgrenze, Aufstieg auf den Stuedelistand, Abfahrt über Obers Stuedeli bis an die Waldgrenze, Aufstieg auf den Blattistand, Abfahrt über Alp Blatti und Unders Stuedeli runter an den Arnesee. Von dort durch das Tschärzistal nach Feutersoey.

Anreise

Mit dem Zug nach Gstaad, von dort mit dem Bus auf den Col du Pillon oder mit dem Zug via Aigle nach Les Diablerets und von dort mit dem Bus auf den Col du Pillon.

Beste Jahreszeit

Dezember bis März

 

Autor / Autorin

Sibyl Heissenbüttel

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