Eine Alp im Winterschlaf
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Eine Alp im Winterschlaf Rassige Abfahrt auf der Südseite der Pointe de la Tsevalire

Die Pointe de la Tsevalire besteigt man oft en passant auf dem Weg in die Cabane des Becs de Bosson, oder man fährt ins Val de Réchy ab. Auf der gegenüberliegenden Seite führt eine etwas anspruchsvollere Abfahrt zu den kleinen Hütten der Alp L’A Vieille.

«Kommt rein, und trinkt ein Glas!» Als ich vor den kleinen Hütten von L’A Vieille meine Stöcke in den Schnee stosse, sehe ich die Szene vor mir, als wäre sie gestern gewesen. Ich arbeitete an einem Buch über Trekking im Wallis und machte mit meiner Frau hier halt. Wir kamen mit ein paar Einheimischen ins Gespräch. Als ich die Qualität der Renovierungsarbeiten an den Gebäuden lobte, lud uns einer von ihnen ein, die Hütte von innen zu besichtigen. Das ist Walliser Gastfreundschaft, wie wir sie lieben. Ähnlich einladend sind die Südhänge der Pointe de la Tsevalire, es scheint, als würden sie uns zu sich winken.

Sanfter Sommertourismus

Doch was für ein Kontrast! Wenn man im tiefen Winter in diese Gegend kommt, findet man sich in einer Szenerie wieder, die an Pompeji nach dem Ausbruch des Vesuvs erinnert. Nur die Dächer schauen noch unter der dicken Schneedecke hervor. Es herrscht eine fast unheimliche Stille. Man kann sich kaum vorstellen, was hier im Sommer los ist, wenn die Kuhglocken bimmeln und die Wanderer in der Buvette lachend am Tisch sitzen und lokale Spezialitäten geniessen.

Nachdem die Bundesbehörden in den 1980er-Jahren ein Projekt für Skiliftanlagen abgelehnt hatten, wandte sich die Gemeinde Saint-Martin dem sanften Tourismus zu. Der Agrotourismus entwickelte sich, und den Hütten von L’A Vieille stand ein zweites Leben bevor. Ab 1988 wurden sie umgebaut, und heute dienen sie ortsansässigen Eigentümern, Touristen und Jägern als Unterkunft. Eine klassische Umnutzung, die die alten, dem Untergang geweihten Gebäude rettete. Eine Buvette auf der Alp und ein Pendelbus, der von Saint-Martin aus verkehrt, ergänzen die touristische Infrastruktur im Sommer.

Beim zweiten Versuch

Ein erster Versuch mitten im Winter hat uns gelehrt, dass das Zeitfenster, in dem auf der gesamten Tour gute Bedingungen herrschen, sich als klein erweisen kann. Es gab frischen Neuschnee, und wir hatten keine Probleme beim Aufstieg von La Crettaz. Aber heikle Lawinenverhältnisse und ein oder zwei Wumm-Geräusche waren uns am Fuss des westlichen Hangs des Grand Bandon eine Warnung. Es war besser, auf die Tour zu verzichten und wiederzukommen, wenn sich die Schneedecke stabilisiert hatte. In der Regel ist der untere Teil der Route gegen Ende des Winters recht schnell schneefrei. Wenn der Winter schneearm ist, muss man gut zielen.

Beim zweiten Versuch haben wir Glück: Es gibt genug Schnee, der Westhang, durch den wir aufgestiegen sind, stellt keine Gefahr mehr dar, und wir gelangen in aller Ruhe bis zum Gipfelgrat. Von hier aus öffnet sich eindrucksvoll der Blick ins Val d’Hérens und ins Val de Réchy. Ein letzter Abschnitt mit sensationellem Panorama führt zum kleinen Gipfelkreuz.

Eine reiche Belohnung

Wir verzichten diesmal auf einen Besuch der Cabane des Becs de Bosson, obwohl sie ganz nah und vom Gipfel aus gut sichtbar ist. Stattdessen wollen wir früh genug die Abfahrt nach L’A Vieille anpacken, bevor die Sonnenstrahlen der Schneedecke zu stark zusetzen. Das erweist sich als eine umsichtige Vorkehrung, und wir werden reich belohnt: Die Breite dieser Rampe erlaubt weite Schwünge, und wir können uns je nach Exposition der verschiedenen Gegenhänge die besten Bedingungen aussuchen.

Am Fuss dieses prächtigen Hangs treffen wir auf die schöne Kapelle von Saint-Nicolas, die den Bergrettern geweiht ist. Sie wurde direkt über den Hütten von L’A Vieille errichtet und bereitet den Besuchern, die von oben kommen, einen wunderbaren Empfang. Die Hütten der Alp sparen wir uns für einen nächsten, sommerlichen Besuch auf. Jetzt gleiten wir zum Dorf von Eison mit seinen traditionellen Holzhäusern hinunter.

 Praktische Infos

Pointe de la Tsevalire (3025 m)

Eckdaten: ZS-, 4 h 30, ↗↘ 1350 Hm

Route: Von La Crettaz (1662 m) zu den Mayens d’Eison, dann nach Tsalet d’Eison (2138 m) aufsteigen. Weiter in Richtung O zu L’A Vieille (2369 m) und zwischen P. 2333 und P. 2348 hindurch, um im W-Hang des Grand Bandon (2834 m) aufzusteigen. Vom Sattel oder von einem Punkt etwas weiter südlich dem Grat bis zum Gipfel folgen.Abfahrt:

Abfahrt: Je nach der gewünschten Linie und den herrschenden Schneebedingungen ein wenig nach W zurückkehren und im S-Hang abfahren. Zurück bis nach L’A Vieille, dann weiter nach Tsalet d’Eison und La Crettaz.

Varianten: Man kann die Pointe de la Tsevalire auch von Suen aus über den Pas de Lovégno erreichen. Für die Abfahrt bieten sich im Val de Réchy im N zahlreiche Möglichkeiten.

Anreise

Mit dem Zug nach Sion, dann mit dem Postauto (Richtung Nax) nach Fontany und weiter nach Eison bis La Crettaz.

Beste Jahreszeit

Februar bis März

Karten

LK 1 : 25 000, Blätter 1306 Sion und 1307 Vissoie

LK 1 : 50 000, Blatt 273 Montana

Literatur

Georges Sanga, Ski de randonnée: Les classiques de randonnée à ski, Editions du CAS, 2016 (für die Varianten von Suen aus über den Pas de Lovégno)

F. Labande und G. Sanga, Ski de randonnée: Valais central, Editions Olizane, 2014

Eine Variante im SAC-Tourenportal

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