Einige gediegene, zu Unrecht gemiedene Sektionstouren in den Glarner Alpen
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Einige gediegene, zu Unrecht gemiedene Sektionstouren in den Glarner Alpen

Hinweis: Dieser Artikel ist nur in einer Sprache verfügbar. In der Vergangenheit wurden die Jahresbücher nicht übersetzt.

Von Jakob Brauchli.

Es soll hier nicht die Rede sein von den verdienterweise immer wieder ausgeführten Touren im Glarnerlande. Also nicht von den leichten, dankbaren Gratwanderungen Hirzli-Melchterli, Tierberg -Bockmattlistock- Schein berg-Hohfläsch, Saasberg-Bützistock-Hahnenstock-Kärpf, Stuhlegg-Fahnenstock-Foostock, auch nicht von den klassischen Ausflügen Sooler Achseli-Äugsten und Oberblegisee-Braunwald ( erste Sektionstour der Sektion Tödi 1863 ) mit der Fortsetzung Nussbühl-Klausen ( Berglistüber ). Es soll auch nicht gesprochen werden von den allgemein bekannten Gletscher- und Klettertouren im Bereiche unserer « Höchsten ». Ausser acht bleiben ferner alle Touren, welche wohl selten ausgeführt werden, sich aber infolge objektiver Gefahren ( Steinschlag etc. ) oder zu grosser Schwierigkeiten für Sektionen kaum eignen. Unser Augenmerk gilt ausschliesslich einigen dankbaren, aber unbekannten oder verkannten Sektionstouren im Glarnerlande. Zu den verkannten Sektionstouren gehören:

1. Die Eckstöcke 2450-2459 m.

Die Aufstiegsrouten sind im Clubführer beschrieben und in Alpinistenkreisen bekannt. Merkwürdigerweise wird aber diese Tour von Sektionen verhältnismässig selten ausgeführt, trotz der guten Unterkunftsmöglichkeit im Ortstockhaus und der schönen Gelegenheit, Schwierigkeitsgruppen zu bilden. Für Senioren bildet der hintere Eckstock ein dankbares Ziel, grössere Anforderungen stellt der mittlere, und Abseillustige traversieren zum vorderen. Nur besonders tüchtigen Klettergruppen sei der Aufstieg über das Leitereck empfohlen.

2. Kammlistocktraversierung. P. 3238—P. 3160 m.

Zwischen den Günstlingen Scheerhorn und Claridenstock erhebt sich der verfemte Kammlistock. Die beiden Vielbesuchten bieten aber keine Tour, die nur einigermassen an die von Privaten und Sektionen selten ausgeführte Kammlistocktraversierung heranreichte. Im Aufstieg von der Klausenpasshöhe entzücken die stark zerklüfteten Gletscherpartien unterhalb der Kammlilücke, beim Weg zum Gipfel bereiten die glatten Platten dem Kletterer Freude.Vom höchsten Punkte 3238 m aus strebt man, indem man sich infolge Gwächtenbildung etwas unterhalb des Grates hält, zur Einsattelung und turnt dann auf dem anschliessenden Felsgrat in massig gutem Gestein, bald aufrecht, bald rittlings über Zacken und Höcker zum NE-Gipfel, P. 3160 m. Darauf wird in anregender Kletterarbeit der nach Norden abfallende Grat weiter verfolgt, bis eine Kehle den Abstieg zum Kammlijoch gestattet.

3. Vorderer Selbsanft 2755 m.

Kaum ein Gipfelbuch dürfte weniger Eintragungen aufweisen, als das auf dem Vorderen Selbsanft. Es ist dies um so seltsamer, als der Vordere Selbsanft wohl der auffälligste Berg des Glarner Hinterlandes ist. Jedermann kennt ihn, aber selten besteigt man ihn; einer der bekanntesten, ist er zugleich einer der verkanntesten. Nicht bergsteigerische Schwierigkeiten, nein, die Mühseligkeiten des Zuganges machten ihn zu einem Gemiedenen. Seit der Erstellung der schmucken Bifertenhütte fällt dieser Grund nicht mehr im gleichen Masse ins Gewicht. Richtig erschlossen wird dieses Gebiet allerdings erst durch den Bau der Kistenstrasse, welche es wohl über Nacht zu einem Lieblingsziele von Privat- und Sektionstouren machen wird. Verdienterweise! Denn die Wanderung über den Plattalvagletscher, mit der grossartigen Sicht zum Bifertenfirn und Tödi und dem Tiefblick auf die Sandalp, sucht ihresgleichen. Am Ende des Selbsanftplateaus angelangt, versäume man nicht den Abstieg zur Scharte mit der Gegensteigung zum Vordem Selbsanftgipfel in Kauf zu nehmen, und mache auch nicht kehrt, falls sich die Abstiegsmöglich- keit nicht auf den ersten Blick offenbart. Auf dem Rückweg kann die Vorsicht erheischende Route durch die Scheibenrunse gewählt werden. Zu den unbekannten Sektionstouren gehört die Besteigung 1. Des Rautispitzes 2286 m durch das « Schnürli ».

Vom Unterstafel der Auernalp folgt man der obersten Wegspur, welche an Tannengruppen vorbei, Richtung NNE zum Trosegg, und von dort auf dem Grate zur Felswand führt, an deren Fusse man nordwärts wandert. Ungefähr 500 m nach Überschreitung der ersten grösseren Runse ( Altigerruns ) steigt und klettert man auf einem von Rasen durchsetzten, sich schräg hinaufziehenden Felsbande Richtung Rautispitz. Am Ende dieses vom Tal aus sichtbaren « Schnürli » findet sich eine Blechbüchse mit Touristenbuch. Über ein Rünslein und über leichte Felsen gewinnt man das untere Bockband. Dieses wird in leichtem Anstieg nach rechts unter die Felswand verfolgt bis zum Kamin, welcher zum oberen Bockband führt und mittelschwere Kletterei in massig sicherem Gestein bietet. Vom oberen Bockband gewinnt man nach rechts den Rautispitzostgrat und verfolgt diesen unschwer bis zum Gipfel ( von der Auernalp ungefähr vier, von Netstal oder Glarus sechs Stunden bis zum Gipfel ). Der Abstieg erfolgt durch das Wildasyl Rautitros ins Oberseetal nach Näfels oder nach Gratwanderung zur Hochnase und Wiggis über Auernalp nach Netstal oder Glarus. Steigeisen und Seil sind empfehlenswert, Kletterschuhe, da man immer wieder Rasenpolster antrifft, zwecklos. Im Aufstieg ist Vorsicht geboten, weil durch Gemsen gelegentlich Steine losgelöst werden. Trotzdem die Tour nicht nur bergsteigerisch interessant ist, sondern sich auch auszeichnet durch einen grossartigen Tiefblick auf die Dörfer des Glarner Unter- und Mittellandes, wird sie, weil in der Literatur bisher nicht erwähnt, fast ausschliesslich von Netstalern und Näfelsern ausgeführt. ( Wo sich der Kamin verzweigt, muss der rechtsseitige gewählt werden !) 2. Jägernstöcke über den Salitritt.

Der Glarner Clubführer schreibt: « Details über diesen Zugang, der den direkten Aufstieg auf die Grathöhe erlaubt, konnte ich nicht in Erfahrung bringen. » Durch die folgende Beschreibung soll diese Lücke nach Möglichkeit ausgefüllt werden, handelt es sich doch um eine abwechslungsreiche Klettertour. Von der « Sonne » auf dem Urnerboden steigt man auf einem Weglein, Richtung Jägernstöcke, an. Rechts haltend folgt man dem Laufe einer Runse. Über das erste Felsbändchen führt bequem ein Pfad, welcher kurz vorher vom Wege zur Salialp rechts abzweigt. Eine Geröllhalde wird weglos schräg rechts erstiegen. Man hält auf die Stelle zu, wo die Felswand der Jägernstöcke am weitesten zurückweicht. Dort zeigen sich zwei Kamine, einer links in der Felswand, einer rechts in einer Mulde. Der Kamin rechts, welcher auch daran zu erkennen ist, dass er beim Einstieg mehr Schnee aufweist als der linksseitige, ist zu wählen. ( Nur selten verschwindet hier der Schnee im Herbste ganz. ) Anfänglich hält man sich nach links, erst wo der Kamin enger wird, weicht man über ein vorspringendes Felsköpflein nach rechts aus und gelangt, wenig ansteigend, zum rechtsseitigen Kaminzug. Ein abweisendes Wändchen bietet genügend Griffe, es wird, ohne den rechts- seitigen Kamin zu queren, auf dessen linker Seite überwunden. Im sich verengernden Kamin bieten zwei Stellen dem Einzelgänger beträchtliche Schwierigkeiten, welche sich auf einer Sektionstour durch Schulterstand wesentlich verringern lassen. Nachdem man den zweiten Klemmstein hinter sich hat, traversiert man rechts in ein Rasenband hinaus und gelangt schliesslich auf diesem fast horizontal zu einem andern, tiefen Felsenrisse. Nach kurzem Anstieg im Kamin erreicht man links den Rasen, von hier leicht den Grateinschnitt und links den Gipfel. Vom Urnerboden bis zum Gipfel 4-5 Stunden. Die Traversierung der Jägernstöcke bietet leichte bis schwere Kletterei. Da die Entfernung bis zum erstmöglichen Klausenabstieg über das Zingel-alpeli beträchtlich ist, wird man, um nicht in Zeitnot zu geraten, je nach Umständen einige Türme umgehen. Näher und ebenso dankbar ist es, vom Salitrittgrat über Karren, Geröll und eine auffällige Moräne zur Ortstockfurkel zu traversieren, mit der Jägernstocktour die Besteigung des Hohen Turmes zu verbinden und über Braunwald nach Linthal abzusteigen.

3. Vorderer Ortstock über den Ostgrat.

Diese Tour wurde von Dr. Peter Tschudi in den « Alpen », Mainummer 1935, beschrieben.

Keine dieser verkannten oder unbekannten Touren ist leicht. Wir nehmen deshalb auf solche Sektionstouren, trotzdem es sich um « unsere » Berge handelt, stets einen Führer mit. Dieser Vorsicht und einem guten Sterne haben wir es wohl zu verdanken, wenn in den 77 Jahren des Bestehens unserer Sektion wir noch nie auf einer Sektionstour von einem ernsten Unfall betroffen worden sind.

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