Eisige Decke
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Eisige Decke

«Nahezu 99 % der Erstbegehungen hoher Gipfel werden von Männern gemacht», sagt Masha Gordon in einem Artikel für outsideonline.com, «ich bin Geschäftsfrau und Alpinistin. Wir hatten das in den Verwaltungsräten und im Management. Wir nennen das ‹die gläserne Decke›. Im Alpinismus haben wir eine ­‹eisige Decke›.» Frauen seien im Höhenbergsteigen krass untervertreten, findet Gordon und will das mit ­einem Fonds ändern. Belohnt werden sollen unter ­anderem von Frauen geführte Erstbegehungen hoher Gipfel.

Dagegen ist auf den ersten Blick nichts einzuwenden, oder? Dann aber kommt mir ein böser Gedanke: Spitzenbergsteiger haben auf den höchsten Gipfeln dieser Welt auch ein hohes Risiko zu sterben. Man sagt zuweilen, das Risiko betrage gar 50 %. Sind die Frauen also erst gleichberechtigt im Alpinismus, wenn sie ­genauso wie die Männer bereit sind, ihr Leben aufs Spiel zu setzen? Sind erst tote Alpinistinnen gute ­Alpinistinnen?

Es stimmt wohl, dass den Frauen im Bergsport generell viel weniger mediale Aufmerksamkeit zukommt. Sogar in der Zeitschrift «Die Alpen» zeigen wir viel weniger Frauen als Männer. Das muss ich beschämt zugeben.

Aber im Bergsteigeralltag sind sie längst angekommen. Dank Pionierinnen wie der Baronin Felicitas von Rez­nicek (S. 44) oder dem Schweizer Frauen-Alpenclub (SFAC). Aktuell führt der SAC zum ersten Mal ein Frauen-team ins Expeditionsbergsteigen ein. Vorbei sind die Zeiten, als reine Frauenseilschaften als «Mann­weiber» oder Schlimmeres beschimpft wurden. So erlebe ich es zumindest.

Hingegen scheint es in der Forschung tatsächlich noch eine «eisige Decke» zu geben. Junge Glaziologinnen ­haben deshalb die Aktion «Girls on Ice» gegründet (S. 44). Sie ermutigt junge Mädchen, Erfahrungen in Fels und Eis zu sammeln.

Und darum geht es. Die Frauen müs­sen nicht mit den Männern gleichziehen. Es reicht, wenn sie tun dürfen und können, wozu sie Lust haben. Auch in den Bergen. Und so werden wir in diesem Jahr ganz unspektakulär vermehrt über Frauen in den Bergen berichten. Weil sie schon lange da sind, auch wenn man sie manchmal gern übersehen hat.

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