Frostbeulen müssen nicht sein
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Frostbeulen müssen nicht sein Trotz Kälte auf Tour

Die Ausrüstung für den Wintersport ist besser geworden. Trotzdem bleiben Ohren, Nase, Finger und Zehen empfindlich gegen Kälte, Wind und Feuchtigkeit. Gebirgsärzte warnen: Anzeichen von Erfrierungen dürfen nicht unterschätzt werden, sonst hört der Spass auf.

Bei Oswald Oelz sind es vier, bei Reinhold Messner sieben, und bei einem jungen Bergsteiger aus Kärnten, der in die Eiger-Nordwand eingestiegen ist, sind es gar alle zehn: zehn Zehen, die wegen der Kälte erfroren sind und amputiert werden mussten und nun – wie Messner sagt – zeitlebens «wirklich fehlen».

Welcher Bergsportler kennt es nicht? Die Freude am Draussensein lässt einen vergessen, dass Zehen, Finger, Nase und Ohren in der Kälte plötzlich taub oder sogar weiss werden. Wärmt man sie später wieder auf, werden sie rot, es sticht, prickelt und «chuenägelet». Das sind alles Zeichen einer Erfrierung, einer Schädigung der Haut und manchmal auch des darunterliegenden Gewebes.

Das Beispiel des Kärntners am Eiger, der 2013 trotz zerrissenen Hosen und feuchten Schuhen weitergeklettert ist, zeigt mit aller Deutlichkeit, was tiefe Temperaturen verursachen können: «Zu viel Kälte, oft kombiniert mit Wind und Feuchtigkeit, ist Gift für weniger gut durchblutete, herzferne Körperteile wie Füsse oder Finger», sagt Monika Brodmann Maeder, leitende Ärztin des Universitären Notfallzentrums am Inselspital. Durch die Risse in der Hose ist dem Kletterer am Eiger die Feuchtigkeit bis in die Schuhe vorgedrungen. Deshalb hat er so schwere Erfrierungen erlitten.

Männer sind gefährdeter als Frauen

Eine gute Ausrüstung, Feuchtigkeit absorbierende Kleidung sowie Wind und Wasser abweisende Materialien sind keine Garantie gegen Erfrierungen. «Entscheidend ist das Risikoverhalten, denn dieses steht nicht selten in Relation zur technisch vielversprechenden Kleidung», sagt Brodmann Maeder. Sie forscht auch am Institut für Gebirgsnotfallmedizin der Eurac Research in Bozen/Bolzano. Dort hat sie festgestellt, dass statistisch gesehen 63% aller notfallmässig behandelten Patienten mit Erfrierungen Männer sind, nur 37% der Patienten sind Frauen. «Nicht weil Frauen weniger schnell frieren, sondern weil sie wahrscheinlich besser für das Thema sensibilisiert und zurückhaltender sind und weil sie besser auf ihren Körper hören», vermutet Brodmann Maeder.

Wenn sichtbare Veränderungen und Gefühlsstörungen zum Beispiel an Füssen, Fingern oder der Nase aufträten, dürfe man sie nicht weiter der Kälte aussetzen. Exponierte Stellen müssten konsequent vor Wind und Feuchtigkeit geschützt werden. Ist das auf Tour nicht möglich und Farbe und Gefühl normalisieren sich nicht, empfiehlt die Ärztin, umzukehren und die betroffenen Extremitäten notfalls mit lauwarmem Wasser aufzuwärmen. Wenn sich das Empfinden auch dann nicht normalisiere, sei der Gang zum Arzt innert 24 Stunden auch bei vermeintlich leichten Erfrierungen zwingend. Das Gleiche gelte, wenn sich gar Schwellungen und schmerzhafte Blasen zeigten, die auf eine Verletzung der Zellstruktur hinwiesen.

Gegenseitige Kontrolle

Die Ärztin, die auch im Himalaya tätig ist, warnt davor, die Gefahr von lokalen Erfrierungen zu unterschätzen. Es gebe – neben Messner, Oelz und anderen Bergsteigern – genügend Beispiele von schweren, nicht wiedergutzumachenden Fällen. Bei kritischen Verhältnissen lohne sich deshalb auf Tour eine regelmässige gegenseitige Kontrolle von Gesicht, Ohren, Nase und Fingern. Und: Je höher man aufsteige, desto grösser sei auch die Gefahr von Erfrierungen, weil Durchblutung und Sauerstoffversorgung in der Höhe grundsätzlich reduziert seien. Auch Alkohol- und Zigarettenkonsum birgt nach Brodmann Maeder ein grosses Risiko. Entsprechend wichtig seien unterwegs und in belastenden Situationen alkoholfreie, warme Getränke aus dem Rucksack.

Die drei Schweregrade von Erfrierungen

Grad I: Eine leichte Erfrierung führt dazu, dass die betroffene Stelle abkühlt und besonders blass, geschwollen und schmerzhaft ist. Sofern die Erfrierung frühzeitig erkannt wird und es möglich ist, sollte man die Stelle an einem windgeschützten Ort am eigenen Körper wieder erwärmen. Aktive Bewegung fördert die Durchblutung. Nasse Kleidungsstücke unbedingt wechseln. Nach dem Auftauen sind Gefühl und Hautfarbe wieder normal. Gewöhnlich ist bei einer Erfrierung ersten Grades nach einer Abheilung nicht mit Spätfolgen zu rechnen.

Foto: Ines Papert / visualimpact.ch

Grad II: Bei einer Erfrierung zweiten Grades normalisieren sich Gefühl und/oder Hautfarbe nach der Wiedererwärmung nicht. Typische Symptome des Kälteschadens sind Rötung, Schwellung und Blasenbildung der Haut, in erster Linie an Füssen und Händen. Die Flüssigkeit in den Blasen kann hell oder dunkel (blutig) sein. Wenn sich die Blasen öffnen, können Bakterien in die offenen Wundflächen eindringen und zu einer Infektion führen. Deshalb sollte man die Blasen wenn möglich steril abdecken, den Patienten vor einer weiteren Kälteeinwirkung schützen und ärztlich behandeln.

Foto: Ines Papert / visualimpact.ch

Grad III: Typische Symptome der schwersten Form einer Erfrierung sind abgestorbenes Gewebe (Nekrosen) mit schwarzer, eingetrockneter Haut und hartem Unterhautzellgewebe. Das Ausmass von Erfrierungen dritten Grades lässt sich erst nach Tagen oder Wochen feststellen. Besonders betroffen sind Körperstellen, die neben der Kälte auch Druck aushalten mussten (z.B. durch enges Schuhwerk).

Foto: Thomas Ulrich / visualimpact.ch

Weiterlesen

Anna G. Brunello, M. Walliser, Urs Hefti, Gebirgs- und Outdoormedizin. Erste Hilfe, Rettung und Gesundheit unterwegs,SAC Verlag, 2011

Sofortmassnahmen bei Erfrierungen

Im Gelände:

• einengende Kleidung öffnen

• nasse Kleider wechseln

• die betroffenen Körperteile bewegen und trocken massieren

• etwas Warmes trinken

• die betroffenen Stellen nicht mit Schnee einreiben!

In geschützter Umgebung, zum Beispiel in der Hütte:

• die betroffenen Körperteile in einem lauwarmen Wasserbad auftauen, eventuell einige Tropfen Desinfektionsmittel zum Wasser geben

• Schmerzmittel/Entzündungshemmer (Ibuprofen) einnehmen

• keine Antibiotika einnehmen, ausser bei schweren Erfrierungen auf Expeditionen

• einen sterilen Verband anlegen

• bei Erfrierungen an Füssen den Patienten nicht selbst gehen lassen

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