Gefahren beim Bergwandern. Nur scheinbar harmlos
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Gefahren beim Bergwandern. Nur scheinbar harmlos

Nur scheinbar harmlos

Gefahren beim Bergwandern

Keine andere alpinistische Sportart ist so beliebt wie das Bergwandern: Kletterer wandern zu den Wänden, Hochtourengänger auf die Hütten, und jedes Jahr sind etwa 1,9 Millionen Menschen in der Schweiz wandernd unterwegs. Die Kehrseite davon: Bei keiner anderen Disziplin in den Bergen ereignen sich so viele Unfälle wie beim vermeintlich « gefahrlosen Promenieren ». 1

Wandern gehört eigentlich zu den harmlosen Tätigkeiten in den Bergen. Trotzdem weisen die einschlägigen Statistiken Erstaunliches auf: Über ein Drittel aller Todesfälle in den Bergen ereignet sich beim Bergwandern. Die Statistik über die Notfallursachen beim Bergwandern zeigt, dass « Sturz/Absturz » mit beinahe der Hälfte der Ereignisse seit Jahrzehnten das Schwergewicht bildet, gefolgt von « Erkrankung », « Blockierung » und « Verirren ». Über die Hälfte der Notfälle sind akut lebensbedrohend und/oder verlangen eine Hospitalisierung. Ein Fünftel der Notfälle kommt mit einem blauen Auge davon, und eine ambulante Behandlung ist ausreichend. Ein Viertel der Betroffenen bleibt unverletzt oder benötigt keinen ärztlichen Beistand. 2

Objektive und subjektive Gefahren

Jedem Unfall liegen Gefahren zu Grunde, sowohl objektive – gegenständliche, tatsächliche Ereignisse, die von der Natur ausgehen – als auch subjektive, deren Verursacher der Mensch selbst ist. Eine scharfe Trennlinie zwischen diesen beiden kann nicht gezogen werden, da sich ein Notfall aus der Kombination von beiden ergibt: Unfälle entstehen in der Regel durch das Vorhandensein von natürlichen Bedrohungen und Hindernissen und einer Fehleinschätzung oder einem Fehlverhalten des Betroffenen. Fehlentscheide können durch Stress- Keine alpinistische Sportart ist so beliebt wie das Bergwandern. Trotzdem ereignen sich dabei viele Unfälle. Selbst auf einem Weg kann Bergwandern sehr unterschiedlich gefährlich sein.

Bergwandern in gebirgigerer Umgebung stellt bereits höhere Anforderungen an die Gehtechnik.

Bergwandern in Absturzge-lände verlangt nicht nur entsprechende Trittsicherheit, sondern auch Ausdauer, gute Kenntnis der Gebirgswelt ( Wetter, Orientierung ) und eine geeignete Ausrüstung. Bergwandern auf einem breiten Weg ohne Absturzgefahr. Risiken ergeben sich hier vor allem bei Fehleinschätzungen der eigenen Kondition sowie aufgrund von klimatischen und gesundheitlichen Kriterien.

Fotos: Rober t Bösch 1 Vgl. ALPEN 5/1996, « Risiken und Sicherheit beim Bergwandern » von Ueli Mosimann 2 Vgl. ALPEN 5/2004, « Bergnotfälle Schweiz 2003 », und 6/2004, « Alpine Rettung 2003 » Foto: Ueli Mosimann situationen wegen mangelnder körperlicher Kondition oder Schwächung, aber auch durch Gruppendynamik beeinflusst oder verstärkt werden. Jede objektive Gefahr setzt deshalb auch eine Fehlinterpretation voraus. Zu diesem Thema hat sich schon Goethe geäussert: « Die Natur versteht gar keinen Spass, sie ist immer wahr, immer ernst, immer strenge; sie hat immer Recht und die Fehler und Irrtümer sind immer die des Menschen. »

Bewusstsein

Die so hohe Zahl der Todesfälle beim Bergwandern hat verschiedene Gründe: Erstens ist die Anzahl der Bergwanderer unvergleichlich grösser als jene der Hochtouristen, Fels- und Eiskletterer, Alpinskifahrer, Gleitschirmflieger, Canyoning- und Wassersportler zusammen. Zweitens bewegt sich, bedingt durch die Popularität des Wanderns, zumindest saisonal eine grosse Anzahl Menschen in den Bergen, die schlecht oder ungenügend ausgerüstet sind und nur wenig über die elementaren Verhaltensregeln und die Gesetze der Berge wissen. Zudem sind die sportlich-gesundheitlichen Voraussetzungen nicht immer optimal oder werden überschätzt. Kommen bei einer ungenügenden körperlichen Verfassung noch mangelhafte Gehtechnik und geringes Orientierungsvermögen dazu, geraten solche Menschen bald einmal in Schwierigkeiten, insbesondere dann, wenn sich im Verlauf einer Tour erschwerte äussere Bedingungen einstellen. Sie werden Opfer von Hindernissen und Gefahren, die sie nicht rechtzeitig erkennen und nicht richtig einschätzen können, oder dann wissen sie sich nicht zu helfen bzw. sie entscheiden falsch.

Natürliche Schule, professionelle Ausbildung

Um die Zeichen der Natur sehen und erkennen zu können, muss man sie ständig beobachten. Aus der Auseinandersetzung mit der Gefahr erwächst jene Erfahrung, die auf bewusstem Handeln basiert. Menschen aus urbanem Umfeld widmen sich mit Vorteil zu Beginn der Saison eher gemütlichen Wanderungen, bevor sie, konditionell gereift und an einschlägigen Gerade in den Bergen kann sich ein Gewitter ungeahnt rasch einstellen. Eine bei Schönwetter einfache Bergwanderung kann sich dann plötzlich zu einem ernsthaften Unternehmen mit unwägbaren Risiken entwickeln.

Die Zeichen der Natur müssen ständig beobachtet werden. Amboss einer sich rasch ausbil-denden Gewitterwolke Das gedankliche Vorwegneh-men und Erkennen von Gefahren gehört zum wichtigsten Erfahrungsschatz. Nebel zählt zu dieser Palette von Gefahren, die es rechtzeitig einzubeziehen gilt.

Erfahrungen reicher, sich in höher gelegene Gebiete wagen und längere Touren in Angriff nehmen. Die Auswahl des Materials spielt dabei ebenso eine Rolle wie die Bereitschaft, ständig dazuzulernen. Das gedankliche Vorwegnehmen und Erkennen von Gefahren gehört zum wichtigsten Erfahrungsschatz. Die Palette dieser Gefahren ist gross: Wechtenbruch, Lawinen, Gletscherspalten, vereiste oder verfirnte Runsen, Steinschlag, Erdrutsche, ausgesetzte und nicht abgesicherte Wegstellen, gefährliche Wasserläufe, Sonne, Wetterumschlag, Wind- böen, Blitzschlag, Hagel, Nebel, Kälte, Nässe und gesundheitliche Risiken. Die meisten Gefahren kündigen sich rechtzeitig an. Entscheidend ist, dass ihre Zeichen gesehen und richtig interpretiert werden. Da der Alltag im städtischen Umfeld aber häufig von der Natur abge-koppelt ist, wird diese Auseinandersetzung mit den Naturphänomenen in den Bergen erschwert, was der Überforderung Vorschub leistet. Eine kontinuierliche Annäherung an ein « schutzloses » Dasein, wie sie beispielsweise die Ge-birgskurse der SAC-Sektionen und die zahlreichen Ausbildungskurse des SAC vermitteln, ist deshalb sehr wichtig.

Gelände und Wege beurteilen

Sehr wichtig ist auch das Training im Gelände. Nur wer sich immer wieder im alpinen Gelände bewegt, kann auch bei eher ungünstigen Verhältnissen relativ gefahrlos von A nach B gelangen. Um Unfällen vorzubeugen, braucht es Trittsicherheit, eine gute Orientierung, einwandfreies Beurteilungsvermögen des Geländes und des Wegs und eine passende Ausrüstung. Begeben Sie sich nie in einen Gefahrenbereich, ohne vorher eine klare Analyse der Risikosituation zu machen. Beobachten Sie stets den weiteren Wegverlauf, das Gelände oberhalb und unterhalb des Wegs und das sich daraus unter Umständen ergebende Gefahrenpotenzial. Wege sind zum Benutzen vorhanden. Abseits guter Wege können die Risiken sprunghaft steigen. Ein Rückzug auf einem bekannten Pfad ist immer besser als ein Abenteuer im unberechenbaren Neuland. In diesem Zusammenhang ist auch die SAC-Wanderskala bei der Planung und Beurteilung einer Strecke sehr hilfreich sein. a Bernhard Rudolf Banzhaf, Saas Fee 3 3 Der Autor bedankt sich bei Ueli Mosimann für die aktive Mitarbeit an diesem Artikel.

Begeben Sie sich nie in einen Gefahrenbereich, ohne vorher eine klare Analyse der Risikosituation zu machen. Abseits guter Wege können die Risiken sprunghaft steigen.

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