Geht es kaputt, dann flicke es!
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Geht es kaputt, dann flicke es! Noelle Brühwiler, Schneiderin

Ein beschädigtes Kleidungsstück wegwerfen? Für Schneiderin Noelle Brühwiler ein Tabu. Wir besuchten sie im Untergeschoss des Patagonia-Shops Zürich.

In Sachen Wegwerfkultur bietet IKEA seit Jahrzehnten bemerkenswerten Anschauungsunterricht. Kein Möbelstück muss halten, es soll cool aussehen. Und in ein paar Jahren ist anderes noch cooler. Dass Noelle Brühwiler in eine Zeit hineingeboren wurde, in der das schwedische Einrichtungshaus den Gegenstand wie selbstverständlich als Verbrauchsobjekt propagierte (ehemaliger offizieller Slogan: «Benutze es und wirf es weg»), steht rückblickend für das krasse Umdenken binnen zweier Generationen.

1987 kam sie zur Welt. Und viele Jahre später, heute ist sie 35, versucht die gelernte Damenschneiderin mit ihrem Handwerk jene Leute zu inspirieren, denen die Müllabfuhr noch immer nähersteht als die Umwelt. Ihre Botschaft: Schätze das Material. Geht es kaputt, flicke es!

Revolution von Kalifornien aus

Klingt verlockend. Nur: Wer kann heute schon selbst einen Reissverschluss einnähen oder ein Loch stopfen? Und wegen eines Risses gleich Mutter anrufen, passt auch nicht in jeder Lebenslage. «Bei uns im Laden steht eine Nähmaschine», sagt Noelle Brühwiler. «Hier reparieren wir kaputte Kleider, die uns die Leute bringen. Manche Arbeiten sind schwierig und dauern lange. Aber he: Ich schneidere aus Leidenschaft, das ist mein Beruf. Und dass die Leute das Angebot nutzen und mir ihre Jacken und Hosen anvertrauen, zeigt, dass wir auf dem richtigen Weg sind.»

Dieses beiläufige «wir»: Man kann es zweideutig verstehen. Wir Menschen, wir alle sind auf dem richtigen Weg. Vielleicht wars unbewusst sogar so gemeint. Aber natürlich geht es dann doch erst einmal «nur» um diesen kleinen, aber feinen Patagonia-Shop im Herzen von Zürich. Dort, wo Noelle Brühwiler seit letztem Sommer arbeitet. Die Marke Patagonia? Ist das nicht …?

Natürlich ist sie es. Es ist jenes Label, das in den 1970er-Jahren mit seinem neuartigen Outdoorsegment von Kalifornien aus eine kleine Revolution startete, weil es bei seinen Produktionen konsequent den ökologischen Gedanken miteinbezog. Das war über die Jahre nicht immer einfach. Weil die Konkurrenz wuchs, und weil in der konkreten Umsetzung eben vieles kompliziert war.

Einmal, als Gründer Yvon Chouinard in den 1990er-Jahren komplett auf Biobaumwolle umsteigen wollte, ging seine Firma beinahe zugrunde. Man prophezeite ihm vieles, kaum Gutes, und trotzdem hielt der Frankokanadier an seiner Linie fest. Heute erwirtschaftet Patagonia einen Jahresumsatz von einer Milliarde Dollar. Und Millionen von anderen Start-ups auf der Welt fahren seine Philosophie. Denn sie ist angesagter denn je.

Legendärer Reparaturbus

Wer auf frische und unkonventionelle Ideen angewiesen ist, weil es die Vision der Chefs so vorgibt, dem fällt auch hin und wieder etwas richtig Gutes ein. Dazu zählt sicher die Patagonia Worn Wear Tour. Auf dieser fährt ein kleines Team mit einer rollenden Werkstatt durch die Welt und gibt den Leuten an ausgewählten Standorten (am Meer, im Schnee oder in der Stadt) die Möglichkeit, Kleider aller Marken kostenlos reparieren zu lassen. Vom 4. bis 6. März 2022 steht der Wagen in Andermatt auf dem Parkplatz der Gemsstockbahn.

Noelle Brühwilers Hände gleiten flink über den Stoff. Sie blickt von der Nähmaschine auf, wiegt nachdenklich den Kopf und sagt: «Mein Vater war Schreiner. Er ärgerte sich immer darüber, wie die Leute ständig alles wegschmissen, wie sie die alten Möbelstücke aus Holz nicht würdigten und rausstellten. Dann brachte er wieder mal etwas nach Hause, setzte sich hin und machte aus einem Tisch etwas anderes. Das hat mich beeindruckt. Einfach wegwerfen? Nein, das geht bei mir nicht.»

Dem SAC liegen aktuelle Umweltthemen am Herzen. 2019 hat er beschlossen, die Gletscher-Initiative zu unterstützen, die zum Ziel hat, dass die Schweiz bis 2050 klimaneutral wird. Viele tragen dazu bei. Ihnen ist diese Serie gewidmet.

Autor / Autorin

Alan Schweingruber

Der Umwelt zuliebe

Brauche ich dieses T-Shirt oder diesen Pullover wirklich? Wenn Sie beim nächsten Mal auf einen entsprechenden Einkauf verzichten, helfen Sie, 2000 Liter Wasser zu sparen. So viel braucht es nämlich, um ein T-Shirt aus Baumwolle herzustellen.

Zum Umgang mit Kleidern

Es gibt viele Alternativen zum Mülleimer. Alte Kleidung kann in den Texaid- und Contex-Container entsorgt oder am Flohmarkt verkauft werden. Noch besser: Eines der 178 Repair-Cafés in der Schweiz besuchen.

Tipps für einen nachhaltigen Umgang mit Kleidern

→ Kleider weniger waschen und nur bei niedrigen Temperaturen.

→ Kaputte Kleider zur Schneiderei bringen oder sogar selbst reparieren.

→ Fleckige Kleider nicht wegwerfen, sondern mit guten Fleckentfernern behandeln.

→ Kleidung aus natürlichem Gewebe (Baumwolle, Leinen, Hanf, Wolle) bevorzugen. Eine faire, regionale und ökologische Produktion beachten.

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