Gipfelsturm und Medienecho
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Gipfelsturm und Medienecho Neue Ausstellung im Alpinen Museum

Wie Extremalpinismus und Medienpräsenz eine ­Seilschaftbilden, zeigt die neue Ausstellung «Himalaya Report» im Alpinen Museum der Schweiz. Das Kura­toren­team hat dafür eine 2013 in Neuchâtel gezeigte Ausstellung über die erste Schweizer K2-Expedition auf spannende Weise erweitert.

«Ich fühle mich wie der glücklichste Mensch der Welt», schrieb der Japaner Yuichiro Miura im Mai 2013 auf seiner Website. Miura bezwang damals nicht nur den Mount Everest, sondern stellte auch einen neuen Altersrekord auf. Er war 80-jährig. Das war nicht sein erster Rekord: 1970 fuhr er als erster Extremsportler mit den Ski den höchsten Berg der Welt hinunter – wovon der mit einem Oscar ausgezeichnete Film The Man Who Skied Down Everest von 1975 erzählt. Später errang Miura einen neuen Rekord, als er als erster 70-jähriger den Berg bezwang.

Rekorde wie diese sorgen immer wieder für Schlagzeilen. Oder besser: Die Rekordhalter sorgen dafür, dass ihre Rekorde in die Massenmedien kommen. Dazu gehören mittlerweile selbstverständlich auch Blogs, Tagebücher, Vorträge, Filme und Fotoshows. Extrembergsteigen ist zwar eine einsame Sache, sucht umgekehrt jedoch ein möglichst grosses Publikum: Die Ausnahmesituation soll eine ausnahmslose Aufmerksamkeit schaffen.

Das erste Foto vom K2

Genau diesem Phänomen geht die neue multimediale Ausstellung «Himalaya Report» nach, die vom 25. April an im Alpinen Museum in Bern gezeigt wird. «Himalaya Report» öffnet einen weiten Bogen und geht zurück bis ins Jahr 1902, als der Neuenburger Arzt und Alpinist Jules Jacot Guillarmod mit anderen Teilnehmern der Expedition um Oscar Eckenstein den K2, den zweithöchsten Berg der Welt, zu bezwingen versuchte, allerdings den Gipfel (8611 m) nicht erreichte, sondern auf 6700 Metern umkehren musste.

Drei Tonnen Material schleppten Pferde und dann 150 Träger in die unwegsame Gegend. Am 19. Juni schoss ­Guillarmod um 6.15 Uhr die erste Fotografie überhaupt, die es vom K2 gibt. Er notierte in seinem Tagebuch: «Den K2 zum ersten Mal gesehen. Imposant, macht Angst und dennoch Freude, den Berg zu sehen.»

Vom Bergsteiger zum Okkultisten

Der Arzt und Fotograf dokumentierte die ganze Expedition minutiös, auch die Forschungsarbeiten auf 6000 Metern Höhe. Die Resultate veröffentlichte er 1904 in einem Buch: Six mois dans l’Himalaya, le Karakorum et l’Hindu-Kush. Voyage et explorations aux plus hautes montagnes du monde. Eine der Fotografien zeigt einen durch die Strapazen ausgemergelten Expeditionsteilnehmer: den englischen Dichter und Okkultisten Aleister Crowley, der mit seiner Egomanie für viele Turbulenzen sorgte.

Bei einer nächsten Himalaya-Expedition 1905 sah Crowley ohne Gefühlsregung dabei zu, wie vier Teilnehmer unter einer Lawine begraben wurden. Er stilisierte sich später selbst zum aus­ser­ordentlichen, ja seherischen Alpinisten empor, liess sich gerne als ­apokalyptisches «grosses Tier 666» bezeichnen und war wegen seiner Drogen- und Sexexzesse berühmt und berüchtigt. Crowley wurde in den 1960er-Jahren mit seinen kruden Theo­rien zu einem Idol der Popkultur und vor allem der Heavy-Metal-Szene.

«Natural High» statt Mannesmut

Zurück in die Bergwelt. Meister oder Rekordhalter in der medialen Selbst­inszenierung ist vermutlich noch immer Reinhold Messner. So schrieb der «Spiegel» 1979: «Reinhold Messner gehörte zur ersten Reihe junger Alpinisten, die gegen Kommissbetrieb, Kameradschaftskult und heldische Phrasen rebellierten und den neuen Geist der Zeit auch auf den Bergen wehen liessen – freilich auch neue Phrasen, die nun psychologisch waren, von ‹Motivation› und von ‹natural highs› tönten statt von Ehre und Mannesmut. Messner machte sich ein Vergnügen daraus, die geheiligten Tabus der Kletterwelt zu brechen.» Messner stellte die psychische und physische Grenzerfahrung des Extremsports in den Mittelpunkt und verbreitete diese Botschaft in mehr als 70 Büchern, von Vorträgen und politischen Auftritten nicht zu sprechen.

Die Welt des Bergsteigens ist also nicht nur schneller, extremer, gefährlicher geworden, sondern auch lauter – und dadurch wohl einträglicher.

Himalaya Report

Alte Bilder, neuer Kontext

«Himalaya Report»: b

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