Gletscherkönigin mit unechtem Schmuck
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Gletscherkönigin mit unechtem Schmuck Das Edelweiss

Das Edelweiss ist ursprünglich gar keine Alpenpflanze und sein auffälliger Stern nur eine Scheinblüte. Doch nach wie vor fasziniert diese zähe Pflanze, die einen speziellen UV-Strahlen-Schutz besitzt sowie medizinische und kosmetische Wirkstoffe enthält.

Was beim Edelweiss am meisten auffällt, ist nur eine Scheinblüte. Der auffällige, mehrzackige Stern ist keine Blüte, weil ihn nicht Blütenblätter, sondern fünf bis fünfzehn weiss schimmernde, filzige Hochblätter bilden. Mit ihrer Auffälligkeit lenken diese Hochblätter die Aufmerksamkeit der bestäubenden Insekten auf die eigentliche Blüte in der Sternmitte. Diese Blüte besteht aus zwei bis zwölf kleinen Blütenkörbchen (Teilblütenstände), die je zwischen 60 und 80 weiss-gelbe Einzelblüten enthalten. In der Regel sind die schmalen Fadenblüten am Rand weiblich. Weiter blüteneinwärts befinden sich grössere männliche Röhrenblüten. Es gibt aber auch Blütenkörbchen nur mit männlichen oder nur mit weiblichen Blütchen. Die Blüte des Edelweiss besteht also aus 120 bis maximal 960 kleinen Einzelblütchen. Die Einzelblütchen im mittleren Blütenkörbchen blühen am frühsten.

Ihren silbrigen Schimmer verdankt die sternförmige Scheinblüte Tausenden kleiner Luftbläschen zwischen den Filzhärchen, die das einfallende Licht reflektieren. Dieser Schimmer ist für bestäubende Insekten ein optisches Signal, das ihnen den Weg zum Pollen zeigt. Hauptsächlich bestäuben Fliegen, seltener Bienen, Schwebfliegen, Käfer oder Schmetterlinge die einzelnen kleinen Edelweissblütchen.

Je nach Höhenlage und Standort blüht das Edelweiss zwischen Juli und September. Der Stern, die Scheinblüte, bleibt bis in den Winter erhalten. Wie beim verwandten Löwenzahn sind Edelweisssamen Schirmchenflieger (Achänen) und werden vom Wind verweht. 

Touristen aus aller Welt kaufen Samen und werden meist enttäuscht, weil keine Edelweiss wachsen. Mit einigen Wochen im Gefrierfach wäre dem jedoch abgeholfen. Edelweisssamen sind Frostkeimer und brauchen eine bestimmte Dauer von Frosteinwirkung, damit sie überhaupt keimen können. Dies ist im Hochgebirge sinnvoll, weil so die Samen davor geschützt sind, zu einem ungünstigen Zeitpunkt im Herbst zu keimen.

Die filzige Behaarung, welche die ganze Pflanze bedeckt, schützt vor zellschädi-gender UV-Strahlung und Verdunstung, ist aber kein Kälteschutz. Diesen bieten vor allem im Zellsaft gelöste Inhaltsstoffe. Eine Arbeitsgruppe um den belgischen Physiker Jean Pol Vigneron von der Universität Namur fand 2005 heraus, dass die Filzbehaarung des Edelweiss eigentlich aber auch zu dünn ist, um ausreichend gegen die schädlichen UV-Strahlen zu schützen. Die Filzhärchen reflektieren zwar das gesamte Licht des sichtbaren Spektrums – deshalb erscheinen die Blütensterne weiss –, nicht aber die UV-Strahlung. Trotzdem ist die Pflanze vor dieser Strahlung geschützt. Eine elektro-nenmikroskopische Untersuchung führte überraschenderweise zur Entdeckung folgender Struktur: Jedes Härchen besteht aus 0,18 Mikrometer dicken, parallelen Fasern. Dies ist die Grössenordnung der Wellenlänge der UV-Strahlung. Die Rillenstruktur an der Oberfläche der Härchen bricht die UV-Strahlung und leitet sie der Länge nach durch die Härchen. Auf dieser Strecke von einigen Mikrometern wird die UV-Strahlung absorbiert und kann so die Zellstruktur nicht mehr schädigen.

Die Edelweisspflanzen in tieferen geografischen Lagen sind aber nicht mehr so aufwendig ausgestattet. Weil die starke Strahlung und andere extreme Lebensbedingungen fehlen, wird die dichte Behaarung überflüssig – Edelweiss im Unterland verkahlen und werden grünlich. Dazu stängeln sie in die Höhe. Der UV-Schutz ihrer alpinen Artgenossen hat es aber den Forschern angetan: Sie sehen in ihm ein Schutzschicht-modell für alle möglichen Oberflächen, zum Beispiel von alten Gemälden, Gebäudefassaden oder Plastik. Nach dem gleichen Prinzip könnten auch Oberflächen konstruiert werden, die nur wenige Wellenlängen absorbieren und einfarbig strahlen, ohne gefärbt zu sein.

In Europa kommt das Edelweiss ausser in den Alpen auch in den Pyrenäen, Abruzzen, Karpaten und im Balkan vor. Die Vorkommen in Mittelgebirgen, zum Beispiel in Deutschland, sind auf Pflanzungen zurückzuführen. Das Hauptverbreitungsgebiet des Edelweiss liegt aber in Regionen des Himalaya, in Sibirien, China, der Mongolei, Nordkorea und Japan. Weltweit gibt es etwa 40 Arten.

Das Edelweiss der Alpen gehört zur Familie der Korbblütler (Asteraceae), zu denen zum Beispiel auch das Gänseblümchen oder die Sonnenblume gehören.

Leontopodium bedeutet Löwenfüss-chen. Das Edelweiss wird auch Löwen-tatze, Stella alpina, Gletscher-, Silber- und Schneestern oder Gletscherkönigin genannt. Weitere Bezeichnungen wie Bauchwehkraut und Durchfallblume weisen auf seine Verwendung als Heilpflanze hin. Chinesische und europäische Bergbauern kochten früher die weissen Sterne in Milch als Mittel gegen Bauchschmerzen und Durchfall. Auch gegen Tuberkulose, Angina und Rheuma soll Edelweiss geholfen haben. In der Zwischenzeit hat auch die moderne Kosmetik- und Heilmittelindustrie das Edelweiss entdeckt. Edelweiss enthält 48 sogenannte sekundäre Pflanzenstoffe (Gerbstoffe, Flavonoide, Cumarin und andere flüchtige Verbindungen). Darunter befinden sich solche mit antibakteriellen, schmerzlindernden und entzündungshemmenden Eigenschaften. Zusätzlich konnte nachgewiesen werden, dass Edelweisssäure antioxidativ wirkt. Sie kann also bei Sonnenstrahlung entstehende freie Radikale unschädlich machen, die für eine vorzeitige Hautalterung verantwortlich sind. Sonnenschutzprodukte und Anti-Faltencremes aus Edelweiss sind deshalb mehr als nur ein Vermarktungstrick. Der aufwendige Anbau lohnt sich deshalb: In der Schweiz kultivieren Walliser Bergbauern Edelweiss und ernten von Hand bis zu zehn Tonnen jährlich (siehe folgenden Artikel).

Die zierliche, zähe Pflanze, mit der Eigenschaften wie Ausdauer, Tapferkeit, Mut und Aussergewöhnlichkeit verbunden werden, haben nicht nur Alpenvereine als Symbol gewählt. Der silbrige Stern blüht auch auf Alltagsgegenständen, auf Geld, Schokolade und Briefmarken, im Tourismus, im Militär, in der Mode und sogar bei einer Fluggesellschaft. Trotz gewissen Abnutzungserscheinungen als Markenzeichen – zu oft begegnet einem das Edelweiss im Alltag – fasziniert diese zähe, weit gewanderte Pflanze noch immer. Nicht nur Insekten fühlen sich von der sternförmigen Scheinblüte angezogen – auch Menschen gefällt sie nach wie vor. Doch längst sind die Zeiten vorbei, als das Pflücken eines Edelweiss noch als kühne Tat galt. Heute kann die attraktive Alpenpflanze gefahrlos im Blumentopf gekauft werden. Aber auch wer sie in wilder Natur betrachten will, braucht sich nicht mehr in Lebensgefahr zu begeben. Denn zuweilen leuchten die schneeweissen Sterne direkt am Berg-wanderweg – vielleicht dank den Schutzbemühungen: Wilde Edelweiss sind nämlich seit Ende des 19. Jahrhunderts in der Schweiz, in Österreich, Deutschland und Italien geschützt, und, sie zu pflücken, ist verboten.

Fundorte

Das Edelweiss wächst auf kalkhaltigen Böden in alpinen Rasen. Nicht nur an exponierten, heiklen Stellen, sondern oft gleich büschelweise wächst es auch entlang von Bergwegen. Oft sind die weissen Sterne jedoch ziemlich unauffällig, sodass sie leicht übersehen werden. Das Edelweiss wächst fast immer zusammen mit der Alpenaster, deren lila Blüten schon von Weitem auffallen. Es lohnt sich deshalb, in der Umgebung von Alpenastern noch etwas genauer hinzuschauen. Oft entdeckt man dann auf den zweiten Blick auch Edelweiss. Wo Edelweiss besonders reichhaltig wachsen: Graubünden: Nationalpark: Munt la Schera, Avers; Wallis: Val de Bagnes: Lac und Col de Tsofeiret; Berner Oberland: Iffighorn

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