Halb, ganz oder gar nicht?
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Halb, ganz oder gar nicht? Welches Seil das richtige für Gletschertouren ist

Einfachseil, Halbseil, Doppelseil, und das alles gibt es erst noch in verschiedenen Durchmessern. Wer im Winter sicher unterwegs sein will, hat die Qual der Wahl.

Der wohl berühmteste Seilriss in der Geschichte des Alpinismus ereignete sich am 14. Juli 1865 am Matterhorn nach dessen Erstbesteigung. Das Hanfseil zwischen den stürzenden Michel Croz, Robert D. Hadow, Charles Hudson, Lord Francis Douglas und den sichernden Taugwalders mit Edward Whymper hielt der Belastung nicht stand. Erstere stürzten in die Tiefe, die letzten drei überlebten das Unglück.

Ein Seilriss ist der Albtraum jedes Alpinisten. Das ist verständlich, denn ein solcher endet meistens tragisch. Umso wichtiger ist die Entscheidung für den richtigen Faden, an dem das Leben hängt. Dass heute für jede Spielart des Bergsports ein spezielles Seil hergestellt wird, erleichtert die Auswahl nicht immer. Für Aktivitäten im Klettergarten und für klassische Hochtouren sind die Regeln des Seilkaufs ziemlich klar. Anders sieht es bei Gletschertouren, sei es zu Fuss oder mit Ski, ohne Kletterstellen und Felskontakt aus. Hier gehen die Meinungen über das richtige Seil auseinander. Die europäische Seilnorm ( EN 892 ) unterscheidet drei Seilkategorien. Einfach-, Halb- und Zwillingsseile.

Die europäische Seilnorm enthält jedoch keine expliziten Angaben zur Verwendung von Seilen auf dem Gletscher.

Direkt bei den Herstellern nachgefragt, ergibt sich ein gemischtes Bild. In Frankreich bieten die beiden grossen Seilhersteller Béal und Edelweiss je ein 8-Millimeter-Zwillingsseil explizit als Gletscherseil an. Die Verwendung dieser Seile im Einzelstrang bei Gletschertouren ist toleriert, sofern es sich um einfache Anwendungen handelt. Doch eine Überquerung des Bergschrundes mit Standplatzsicherung beispielsweise gilt gemäss Béal nicht als einfache Anwendung und darf nur im Doppelstrang erfolgen. Im Gegensatz dazu empfiehlt Deutschlands bekanntester Seilhersteller Edelrid auf Anfrage sein Halbseil für einfache Anwendungen auf dem Gletscher. Gemäss dessen Tests ist die Festigkeit eines einzelnen Stranges genügend. Sobald aber Felskontakt vorkommen kann, muss das Seil doppelt geführt werden.

Der Schweizer Seilhersteller Mammut sieht die Sache ähnlich. Sein Gletscherseil ist ein Halbseil von 8,3 Millimetern Dicke. Es kann für einfache Gletschertouren verwendet werden, aber auch dieses muss zum Klettern doppelt geführt werden. Auf Anfrage weisen die Schweizer darauf hin, dass der grössere Durchmesser der Einfachseile grundsätzlich von Vorteil sein kann. Einer scharfen Kante ( z.. " " .B. Skikante ) hält ein dickeres Seil logischerweise mehr entgegen als ein dünneres. Dies gilt generell für alle Seiltypen. Konkret bringt ein dickeres Halbseil von etwa 8,5 Millimetern in diesem Fall eine ähnliche Leistung wie ein dünnes Einfachseil von etwa neun Millimetern.

Auf der Herstellerseite ist man also der Meinung, dass ein Halbseil – in Frankreich sogar ein blosses Zwillingsseil – im Einzelstrang für einfache Gletschertouren verwendet werden darf.

Der Schweizer Bergführerverband toleriert in der Bergführerausbildung im Einzelstrang nur Einfachseile mit einem Durchmesser, der grösser ist als 9,5 Millimeter. In der Ausbildung bestehen besondere Anforderungen, und dies verlange hohe Sicherheitsreserven, heisst es als Begründung. Das Seil müsse in jedem Fall genügend dick sein, damit bei einem Rettungseinsatz keine Probleme auftreten. Eine Empfehlung für den täglichen Gebrauch beim Führen gibt der Verband jedoch nicht ab.

Deutlicher sagen es die Autoren der Fachzeitschrift « bergundsteigen » ( 1/2010 ). In einem Artikel über Touren auf dem Gletscher heisst es, ein Halbseilstrang sei ausreichend. Allerdings mit der ergänzenden Bemerkung, dass ein dünnes Einfachseil deutlich vielseitiger verwendet werden kann, ein dickeres Seil aber bei einer Rettung besser handhabbar ist. Ähnlicher Meinung sind übrigens auch acht für diesen Artikel befragte Schweizer Bergführer. Sie verwenden entweder ein dickes Halbseil oder ein dünnes Einfachseil, was sich mit den Empfehlungen der Hersteller deckt.

Zusammenfassend lässt sich also sagen, dass für Touren über den Gletscher die Verwendung eines Halbseils im Einzelstrang sicher ist. Hingegen ist ein Zwillingsseil im Einzelstrang unzureichend, auch wenn das von einigen Herstellern angeboten wird. Als zweckdienlich, und das soll ein Seil primär sein, werden die etwas dickeren Halbseile ( 8,. " " .3 mm und dicker ) erachtet. Insbesondere für eine Rettung sind sie besser geeignet als dünne Modelle. Sobald Felskontakt möglich ist, also insbesondere beim Schlussaufstieg über einen Grat, muss das Halbseil doppelt geführt werden. Wem dies zu umständlich ist, der kauft sich besser ein dünnes Einfachseil.

Was ausserdem beim Seilkauf beachtet werden muss, ist die Seillänge. Hier liegen die Meinungen unter Praktikern und Herstellern um circa 20 Meter auseinander. Die sinnvolle Seillänge liegt demnach zwischen 30 und 50 Meter. Hier gilt es zu beachten, dass an ein 30-Meter-Seil maximal vier Personen angeseilt werden können. Ausserdem braucht man bei einer Spaltenrettung mit dem Österreicher Flaschenzug bis zur doppelten Sturzlänge als Seilreserve, was bei einem 30-Meter-Seil knapp werden kann. Ein 50-Meter-Seil bietet hier Reserven, ist aber auch um einiges schwerer.

Immerhin: Ein Seilriss wie damals am Matterhorn 1865 ereignet sich mit dem heutigen Material äusserst selten. In der Praxis ist das nur noch möglich, wenn ein Seil entlang einer scharfen Kante reibt. Diese Situation ist bei einem Pendelsturz am wahrscheinlichsten ( siehe z.B. www.bergundsteigen.at, Heft 2/2009 ). Ob in diesem Fall ein dünnes Einfachseil gegenüber einem Halbseilstrang den entscheidenden Vorteil bringt, ist aber unklar.

Die richtige Anwendung des Seils, egal welchen Typs, ist in jedem Fall der wichtigere Teil zur Verbesserung der Sicherheit ( siehe dazu auch Seite 19 ). Auf dem Gletscher heisst das: bei dünner oder aufgeweichter Schneedecke, zum Passieren einer Spaltenzone, bei Neuschnee, bei schlechter Sicht und ohne Ski immer anseilen. Das zumindest kann man mit jedem Seil richtig machen.

Seiltypen

Es gibt drei Sorten dynamischer Seile, die im Bergsport verwendet werden. Grafik: Bergsport: Sommer, SAC-Verlag, Bern 2010/villard.biz Einfachseile sind die Allrounder und werden in allen Disziplinen benutzt. Sie sind zur Anwendung im Einzelstrang konzipiert und werden mit einem Durchmesser von 8,9 bis 11,. " " .5 Millimetern angeboten. Im Klettergarten, auf Sommerhochtouren und auf Skitouren mit Gipfelaufstiegen im Fels ist das der gängige Seiltyp. Halbseile sind dünner, leichter und elastischer als Einfachseile und zur Anwendung im Doppelstrang konzipiert. Beim Klettern im Vorstieg werden zwei Stränge verwendet, die jedoch nicht gemeinsam in den Karabiner geklinkt werden müssen. Eine nachsteigende Person darf gemäss Norm an einem einzelnen Strang gesichert werden. Halbseile werden mit einem Durchmesser von 7,8 bis 9,1 Millimetern angeboten.. " " .Zwillingsseile sind nochmals dünner, leichter und elastischer und müssen ebenfalls im Doppelstrang verwendet werden. Die Seilstränge müssen aber stets parallel geführt werden, und auch die nachsteigende Person muss an beiden Strängen gesichert werden. Angeboten werden Zwillingsseile mit einem Durchmesser von 7,5 bis 9,1 Millimetern.

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