Hat «Alpenlandschaft Zukunft» eine Zukunft?
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Hat «Alpenlandschaft Zukunft» eine Zukunft? Basis für Schutzzonen schaffen

Soll der SAC eine Karte der Regionen über der Baumgrenze schaffen, welche die Erhaltenswürdigkeit der noch unerschlossenen Schweizer Alpenlandschaft klassifiziert? Diese Frage beantworten die Abgeordneten an ihrer Versammlung Anfang Juni, wenn sie über die Fortsetzung des Projektes «Alpenlandschaft Zukunft» abstimmen. Ein Überblick über den Stand des Projektes.

«Das Projekt ist sehr ambitiös», steht im Beschrieb des SAC-Landschaftsprojekts «Alpenlandschaft Zukunft». Es sei vergleichbar mit einer langen, grossen Bergtour. Das Ziel sei zwar klar, doch unterwegs sei «mit Unabwägbarkeiten, Umwegen und Gefahren» zu rechnen – und wie auf jeder anspruchsvollen Bergtour auch «mit der Möglichkeit des Scheiterns».

Nach langer Vorbereitungszeit sind inzwischen zwei Seilschaften, sprich Pilotregionen, aufgebrochen – eine in der Deutschschweiz, eine in der Romandie –, um zu sondieren, ob das Ziel überhaupt erreichbar ist. Trotz zahlreichen Meinungsverschiedenheiten bei der Routenwahl und Grundsatzdiskussionen über Sinn und Zweck der Tour haben sie nach intensiven Gesprächen erste Musterkar-ten erstellt. Diese umfassen eine «Zone Gold», die aus SAC-Sicht unan getastet bleiben sollte, und eine «Zone Silber», die weitgehend zu erhalten wäre. Damit ist aber erst der Vorgipfel erreicht vor dem Hauptziel «Alpenlandschaft Zukunft». Dieses Ziel ist vom SAC an der Abgeordnetenversammlung 2007 ins Auge gefasst worden: Der SAC «erarbeitet eine gemeinsame Sicht zum Schutz und zur Entwicklung der alpinen Landschaften». Der Sinn der Karte ist folgender: Sind sich alle Sektionen einig über den jeweiligen Schutzstatus, den der SAC vertritt, wird es für alle einfacher, zum Beispiel auf neue Erschliessungsprojekte zu reagieren. Heute muss jedes Bauprojekt sowohl von den Sektionen als auch vom Zentralvorstand von Grund auf begutachtet werden. Das braucht viel Zeit und führt immer wieder zu Grundsatzdiskussionen.

Unbestritten ist im SAC das, was in seinem Leitbild 2005 steht: dass er sich «aktiv für die nachhaltige Entwicklung der Alpen einsetzt und den Wert der letzten unerschlossenen Gebirgslandschaften respektiert» – sich dabei aber auch «seiner Doppelrolle als Fürsprecher eines angemessenen Schutzes und als respektvoller Nutzer der Gebirgswelt bewusst ist».

Clubintern umstritten ist allerdings, wie der SAC konkret diese Fürsprecherfunktion für die Gebirgslandschaften wahrnehmen soll – ob und wie er in der Öffentlichkeit Stellung beziehen soll, wenn über die räumlich-wirtschaftliche Zukunft des Alpenraums diskutiert und über Projekte entschieden wird. Umstritten ist deshalb nun auch die Frage, ob das Projekt «Alpenlandschaft Zukunft» fortgesetzt werden soll.

Doch um was geht es genau? In einem Brief an die Gemeindebehörden der beiden Pilotregionen in der Romandie und im Berner Oberland haben Zentralpräsident Frank-Urs Müller und Christian Gysi, Ressortleiter Umwelt im Zentralvorstand, präzisiert: «Der SAC als Verband mit über 120 000 Mitgliedern will sich ein Bild darüber machen, welche der Gebiete über der Waldgrenze die Sektionen und somit die Mitglieder des SAC langfristig unberührt erhalten möchten und welche für weitere touristische und sonstige Erschliessungen und Entwicklungen im Rahmen der rechtlichen Möglichkeiten offenstehen sollen.» Sie erklären weiter, der SAC führe diese Diskussion «bewusst innerhalb des Verbandes». Es gehe ihm darum, «in Bezug auf den Schutz der Gebirgslandschaften die SAC-interne Haltung zu erarbeiten und zu klären». Der Dialog zwischen SAC-Sektionen aus Gebirgsregionen und Sektionen aus dem Mittelland stehe dabei im Vordergrund.

Thomas Gurtner, der Bereichsleiter Umwelt des SAC und Projektleiter, bekräftigt dies. Es sei ein «partizipatives Projekt, um innerhalb des SAC eine gemeinsame Sicht zur Erhaltung der unerschlossenen alpinen Landschaften zu entwickeln». Der Bergsport fände schliesslich in den Bergen statt – und sei dann attraktiv, wenn die Gebirgslandschaft attraktiv und möglichst unberührt bleibe. Weil der Erschliessungsdruck aber zunehme, sei es eine zentrale und immer wichtigere Aufgabe des SAC, auch «Anwalt der Alpenlandschaft» zu sein.

Die gemeinsam erstellten Karten sollen Grundlagen liefern, um die Stossrichtung dieser Anwaltschaft SAC-intern möglichst breit abzustützen: «Am Projekt ‹Alpenlandschaft Zukunft›, das in 13 Regionen umgesetzt werden soll, arbeiten deshalb ortsansässige und hüttenbesitzende Sektionen unter professioneller Moderation zusammen.»

So werde der SAC in Landschaftsfra-gen «gegen aussen zu einem glaubwürdigen, vertrauenswürdigen und auch berechenbaren Akteur» und gewinne in der Öffentlichkeit noch mehr an Profil, meint Gurtner. «Und intern stärkt der Dialog den Zusammenhalt zwischen den Sektionen des Berggebiets und des Unterlands.»

Am Pilotprojekt teilgenommen haben zwei Regionen und die zugehörigen Sektionen: Berner Hochalpen zwischen Grimselpass und Kandersteg und die Romandie im Dreieck Bulle-Martigny-Montana. Die ersten Erfahrungen in den beiden Pilotregionen hat Thomas Gurtner als «spannend, kontrovers, aber sehr positiv» erlebt. Zuerst habe er einige Skepsis gespürt, doch diese sei im Laufe der je vier Forenveranstaltungen «einer konstruktiven Diskussion» gewichen. In der Westschweizer Pilotregion habe er letztlich «eine sehr hohe Zufriedenheit» festgestellt. Die Forumsteilnehmerin und ehemalige Präsidentin der Ortsgruppe Monthey der Sektion Monte Rosa, Arlette Rouiller, glaubt, dass die Karte ein effizientes und glaubwürdiges Mittel für den Zentralverband ist, wenn sie die Anliegen der Basis verlässlich wiedergibt. In der Deutschschweiz sind gemäss Gurtner am Schluss mehr kritische Einwände geblieben. Dabei habe sich deutlich «die unterschiedliche Optik der Berg- und Unterlandsektionen» gezeigt.

Diese bringen die Präsidenten von elf Berner Oberländer Sektionen in einer Stellungnahme zum Ausdruck. Sie beantragen den Projektabbruch oder zumindest eine Denkpause. Sie würdigen zwar Positives. Walter Egger, Präsident der Sektion Grindelwald und Mitglied der Projektsteuergruppe, sagt: «Die Gespräche bei der Ausarbeitung der Karten waren interessant und aufschlussreich.» Er fügt aber an, dass die unterschiedlichen Ansichten zwischen «Berg- und Talsektionen» nicht bereinigt werden konnten. Diese Ansicht teilt auch Peter Mani, Präsident der Sektion Blümlisalp: «Dabei machen es aber Extrempositionen und vorgefasste Meinungen auf beiden Seiten schwierig, tragfähige Kompromisse zu finden.» Man müsse aber weiter daran arbeiten, sagt Mani. Als heikel wird auch erachtet, dass der Zentralvorstand mit den Karten die Sektionen künftig jederzeit übergehen könne – und überhaupt: Das Projekt koste zu viel.

Dem widerspricht Thomas Gurtner. Aus der Befragung der Forenteilnehmenden geht hervor, dass in beiden Pilotregionen «ein gewisses Zusammenwachsen der Sektionen» stattgefunden hat. Die intensiven Gespräche in den beiden Pilot regionen hätten gezeigt, dass man mit dem gewählten Vorgehen zu einem breit abgestützten, konkreten Ergebnis kommen könne. Der SAC komme nicht da rum herum, auch in Zukunft zu Projekten im noch unberührten Alpenraum öffentlich klar Stellung zu beziehen – auch in seinem ureigensten Interesse. «Deshalb sollte ihm der Aufwand für dieses Projekt von gesamthaft rund einer halben Million Franken Wert sein», sagt Gurtner.

Michael Caflisch, Mitglied der Pro-jektsteuergruppe, findet: «Der SAC-Zentralverband soll zusammen mit seinen Sektionen seine Haltung zur künftigen Nutzung des Alpenraums klären und verbandsintern verbindlich auf einer Karte festhalten. Ich bin überzeugt, dass der SAC hinsichtlich Umweltverständnis und Selbstverständnis gestärkt aus diesem Prozess hervorgehen wird. Es wird sich lohnen.» 

«Alpenlandschaft Zukunft» mit Zonen Gold und Silber

Auslöser des Projektes ist der zunehmende Erschliessungsdruck in den Schweizer Bergen. Fernziel des Projektes ist eine Karte der unbewaldeten alpinen Zonen über 1500 Meter, die aus SAC-Sicht zu bewahrende Zonen zeigt. In zwei Pilotregionen sind Musterkarten erstellt worden mit « Zonen Gold » und « Zonen Silber ». Aus Sicht des SAC sollen in den Zonen Gold und Silber keine Grossinfrastrukturen wie Bergbahnen sowie Wind- und Wasserkraftwerke erstellt werden. In Zone Gold wird zudem stärkere Zurückhaltung bei der Erstellung von Berg- und Wanderwegen sowie von neuen Klettergärten und Klettersteigen gefordert. Die AV am 6. Juni 2009 in Biel entscheidet darüber, ob das Projekt weitergeführt und auf elf weitere Regionen des Schweizer Alpenraums ausgedehnt werden soll. Der Zentralvorstand befürwortet das Projekt grundsätzlich, will aber noch « konzeptionelle und institutionelle Fragen » prüfen: Er schlägt der Abgeordnetenversammlung deshalb vor, erst 2010 über ein ergänztes Konzept und somit über die definitive Weiterführung zu entscheiden. Das detaillierte Konzept und weitere Projektunter-lagen können unter www.sac-cas.ch/alpenlandschaft eingesehen werden.

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