Hochflut der Reliefkunst zwischen 1870 und 1914
Unterstütze den SAC Jetzt spenden

Hochflut der Reliefkunst zwischen 1870 und 1914

Hinweis: Dieser Artikel ist nur in einer Sprache verfügbar. In der Vergangenheit wurden die Jahresbücher nicht übersetzt.

Bis etwa zum Jahre 1870 war es soweit. Einige Kantone und der junge eidgenössische Bundesstaat hatten ihre Gebiete topographisch kartieren lassen. Auf Grund dieser Aufnahmen publizierte auch der Schweizer Alpen-Club Karten einiger Gebirgsgruppen. Alle Blätter der « Dufourkarte » waren erschienen, und die Herausgabe von Siegfriedblättern hatte begonnen. Solche Grundlagen bildeten nun einen starken Anreiz zum Herstellen von Bergmodellen.

Albert Heim ( 1849-1937 ) war von 1873 bis igi 1 Professor für Geologie am Eidgenössischen Polytechnikum und an der Universität in Zürich. Er war ein leidenschaftlicher topographischer und geologischer Beobachter. Als Siebzehnjähriger hatte er, schlecht und recht, ein kleines Relief des Tödi modelliert. Während sechs Jahrzehnten durchforschte er dann als Geologe unsere Bergwelt, wobei er das Gesehene in Ansichtsskizzen, Panoramen und geologischen Profilen und Karten festhielt. Er schärfte seinen Schülern Auge und Sinn für die geologischen Strukturen der Landschaft und schuf einige dem Unterricht dienende Typenreliefs: Wildbachkessel, alpiner Gletscher und andere. Später modellierte er kaum mehr selber, förderte aber die Herstellung alpiner Reliefs durch Aufmunterung, Beratung oder durch Erteilung von Aufträgen. Auf das grosse, um 1900 entstandene Säntisrelief kommen wir unten zurück.

Zu den Meistern des nun intensiv einsetzenden alpinen Reliefbaues zählen zunächst die drei In-genieur-Topographen Xaver Imfeid, Fridolin Becker und Simon Simon. Sie hatten am Eidgenössischen Polytechnikum studiert und waren durch ihren fast gleichaltrigen Geologieprofessor stark gefördert worden.

Der fähigste dieser jungen Kämpfer war Xaver Imfeid ( 1853-1909 ) von Samen. Er entwickelte sich zum hervorragendsten Hochgebirgstopogra- phen seiner Zeit. Schon als Luzerner Kantonsschüler hatte er ein Modell des Pilatus gebastelt, als Student ein solches des Gotthardgebietes, beide im Massstab 1150000. Nach Abschluss seines Studiums arbeitete er von 1876 bis 1888 für das Eidgenössische Topographische Bureau. Einundzwanzig der besten Siegfriedblätter, solche der Urner, Walliser und Berner Alpen, wurden von ihm teils neu aufgenommen, teils revidiert. Neben diesen Arbeiten entstand 1878 das schöne Relief der Zermatter Alpen i :25000 ( heute ein Exemplar als Depositum der Sektion Uto des SAC im Schulhaus Itschnach/Küsnacht bei Zürich ).

Nach zwölfjähriger Tätigkeit im Bundesdienst betätigte sich Imfeid als frei erwerbender Topograph in Zürich. Er bearbeitete topographische Pläne, Linienführungsprojekte für Bergbahnen, zeichnete zahlreiche Panoramen, schuf Bergreliefs, landschaftliche Dioramen, Karten und anderes.

In jenen Jahren wurde die Gotthardbahn eröffnet. Darob gerieten die halbe Welt und die ganze Schweiz in einen Bewunderungstaumel. Um die Region dieses Wunderwerkes der Öffentlichkeit anschaulich zeigen zu können, beauftragte die Bahndirektion unseren Meistertopographen mit der Herstellung eines Modelles im Massstab 1: 25000. Dieses sollte eine breite Region von Zug—Luzern bis nach Bellinzona-Locarno umfassen. Arbeitsaufwand und verfügbare Zeit überstiegen Imfeids Möglichkeiten, daher zog er seinen Freund Fridolin Becker bei. Dieser war damals bereits Lehrbeauftragter am Polytechnikum. Imfeld bearbeitete nun die nördlichen Gebiete bis zur West-Ost-Linie durch Göschenen, Becker die südlichen Teile von dort bis Ascona—Monte Ceneri. Beide Teile zusammen umfassen im Modell eine Fläche von etwa 2 auf 4,5 Meter. Das herrliche Werk wurde 1889 an der Weltausstellung zu Paris ausgestellt. Seit Jahren entzückt es nun die Besucher des Gletschergartenmuseums in Luzern. Es war wohl zu jener Zeit das naturähnlichste aller alpinen Modelle in der Schweiz.

Von solchen Modellen oder einzelnen Teilen wurden in der Regel mehrere Gipsabgüsse hergestellt. Ein Teilstück des genannten Reliefs, das Gebiet der Urschweiz, schenkte Imfeid der Schuljugend des Kantons Obwalden. Es stand dann lange Jahre im Rathaus zu Sarnen und wanderte schliesslich in die dortige kantonale Berufsschule.

Ingenieur Eiffel, der Erbauer des nach ihm benannten Turmes in Paris, plante damals die Errichtung eines Observatoriums auf dem Gipfel des Mont Blanc. Er beauftragte Xaver Imfeid, hierfür auf der höchsten Firnkuppe Messungen und Sondierungen vorzunehmen. Zu diesem Zwecke arbeitete Imfeid mit seinen Leuten drei Wochen, vom 5. August bis 12. September 1891, bei Sonnenschein und Wetterschlag, auf dem hohen Berge. Man trieb Stollen tief in die Firnkuppe, ohne auf Fels zu stossen. Während guter Stunden machte Imfeid auch Aufnahmen für ein von ihm geplantes Panorama. Das 400 Meter unter dem Gipfel, auf den Rochers des Bosses gelegene, damals recht primitive Observatorium Vallot bot ihm und seinen Gehilfen Unterkunft für die Nacht und Schutz vor Sturm. Während dieser Wochen stieg Imfeid dreimal von Chamonix auf den hohen Berg. Seine Schilderung des dramatisch ausklingenden Unternehmens ist heute noch lesenswert ( Jahrbuch des SAC, 27.Jg., 1891-1892, und Neue Zürcher Zeitung 1892 ).

Im darauffolgenden Winter arbeitete Imfeid zu Hause an seinem Mont-Blanc-Panorama und an anderen Werken. Im Sommer 1892 war er wieder, eifrig aufnehmend und zeichnend, im Felde. Es entstanden u.a. die ausnehmend schönen Panoramen vom Niederbauen bei Seelisberg und vom Mettelhorn bei Zermatt.

Der Xaver Imfeid jener Jahre wird uns geschildert als ein starker, gewandter Bergsteiger, als offener, klar denkender, anspruchsloser Mann, aber auch als schlagfertiger, mit Humor begabter Gesprächspartner.

Nun aber, zu Ende des Sommers 1892, war es aus mit seiner Rüstigkeit. Eine schwere Rückenmarkslähmung fesselte ihn ein ganzes Jahr ans Bett. Erst Ende 1893 gelangen ihm wieder Gehversuche, und seit 1895 arbeitete er wieder im Felde, doch war seine Bärenkraft endgültig gebrochen. Als Halbinvalider zwang er sich zur Arbeit im Atelier, teils gar im Krankenbett. Während solch leidvoller Zeit entstanden aber einige seiner grossartigsten Werke, unter anderem das Mont-Blanc-Panorama. Er zeichnete es nach eigenen einstigen Aufnahmen und wohl auch nach anderen verfügbaren Dokumenten. Den Entwurf übertrug er selber auf die Druckplatten. Der Schweizer Alpen-Club gab dieses Prachtswerk als Beilage zum Jahrbuch 1895 heraus. An topographischer Treue und künstlerischer Vollkommenheit wird es bis zum heutigen Tag durch kein anderes Bergpanorama übertroffen. Ein skizzenhafter Entwurf ist im Besitz des Kartographischen Instituts der ETH Zürich, die Reinzeichnung bildet eine Kostbarkeit des Schweizerischen Alpinen Museums.

Seit seiner denkwürdigen Mont-Blanc-Expedi-tion arbeitete Imfeid auch an einer neuen topographischen Karte 1150000 der gesamten Kette dieses gewaltigen Berges. Die Art und Weise, wie sie topographisch entstand, geht aus überlieferten Dokumenten nicht mit Sicherheit hervor. Zweifellos hat Imfeid nicht das ganze, grosse und schwer zugängliche Gebiet mittels der damaligen Messtisch-Methode selber aufgenommen. Hierzu mangelte es ihm an Zeit und bald auch an Gesundheit. Zur geometrischen Grundlage dienten ihm wohl die jüngsten damaligen amtlichen französischen, italienischen und schweizerischen Karten. Louis Kurz ( 1854 1942 ) aus Neuchâtel, Musiker von Beruf, Alpinist aus Leidenschaft, Verfasser eines hervorragenden Touristenführers jenes Gebietes, hatte dort in jahrelanger Arbeit jeden Winkel durchstiegen, photographiert, und er hatte mittels eines Theodoliten offenbar auch Lage und Höhen einzelner Gipfelpunkte ermittelt. Dass er aber im Detail topographiert hätte, ist auch für ihn nicht anzunehmen. Auf Grund aller zur Verfügung stehenden Dokumente verbesserte und verfeinerte nun Imfeid das kartographi- sehe Antlitz des herrlichen Gebirges und gestaltete sein erstaunliches Werk. In Rudolf Leuzinger fand er den kongenialen Lithographen zur Übertragung auf die Druckplatten. Imfelds Entwurfs-zeichnung enthielt zweifellos auch die Höhenkurven. In der erstmaligen Ausgabe des Jahres 1893 wurden sie aber, vermeintlich aus ästhetischen Gründen, leider weggelassen. Infolge dieser Unterlassung lehnte damals die Delegiertenversammlung 1893 des SAC den Ankauf der Karte ab. Hierauf aber wagte Albert Barbey ( 1852-1926 ), ein bekannter Verleger und Alpinist in Lausanne, eine neue Herausgabe, nun aber ausgestattet mit den Höhenkurven. In dieser Form fand die Karte dann später bei unseren SAC-Delegierten Gnade. Sie erschien in vier Teilblättern in den Beilagen zu den Jahrbüchern der Jahre 1906 bis 1909.

Diese Karte war, wie das genannte Panorama, ein unvergleichliches Werk, wohl auf Jahrzehnte hinaus die schönste, naturtreueste aller Hochgebirgskarten ähnlichen Massstabes.

Gegen Ende des Jahrhunderts schuf Imfeid wieder zwei bedeutende Werke: Das « schönste Modell des schönsten Berges der Welt », des Matterhorns, im ungewohnt grossen Massstab 1:5000, errichtet nach seinen eigenen Aufnahmen. Er bediente sich der damals neuartigen sog. Messtisch-Photogrammctrie ( Abb. 97 u. 98 ). Ferner entstand sein Grossmodell von Eiger, Mönch und Jungfrau t :2500. Von Imfeids Matterhorn-Relief finden sich da und dort in Museen oder Instituten landschaftlich oder geologisch bemalte Abgüsse. Das grosse Jungfrau-Modell aber ist unwiederbringlich dahin. Es hatte nur in einem einzigen Exemplar bestanden, einem Propagandastück für die damals im Bau befindliche Jungfraubahn. Nach Jahren gelangte es endgültig in das Alpine Museum zu München. Dort bildete es das unvergleichliche Glanzstück des Hauses, fiel aber gegen Ende des Zweiten Weltkrieges der Bombardierung zum Opfer.

Unentwegt, trotz Kur- und Spitalaufenthalten, arbeitete Imfeid weiter, in den letzten Lebensjah- ren unterstützt durch seinen Schüler und Gehilfen Carl Meili. Zu den letzten Werken zählen ein Reliefder Berner Alpen ( Abb. tot ) und ein solches des Rigi, beide im Massstab 1: 25000. Ans Atelier oder gar an den Krankenstuhl gebunden, legte er seine ganze Sorgfalt, sein Herz und sein grosses Könnenindiese Stücke. Siezeichnen sich aus durch eine Feinheit und Genauigkeit der Modellierung, wie sie in Modellen dieses Massstabes bisher kaum erreicht worden waren. Carl Meili hatte, angeleitet durch seinen Meister, zwei Abgüsse des Berner-Alpen-Modelles, diejenigen des Alpinen Museums zu Bern und des Naturhistorischen Museums Winterthur, in hellen Tönen landschaftlich bemalt und uns damit nachahmenswerte Beispiele hingestellt.

Kurz vor seinem Tode hatte Imfeid den Bau eines Reliefs des Pilatus und ein solches der Mont-Blanc-Kette in Angriff genommen, beide im Massstab 1: 10000. Das Pilatusrelief wurde dann auf Veranlassung von Heim durch Carl Meili fertiggestellt. Viele Jahre später hatte ich mich um die Liquidation von Imfeids Relief-Atelier zu bekümmern. Da fand ich den völlig zerhackten Torso des Mont-Blanc-Modelles. Sein Schöpfer hatte es, wohl in verzweifelnder Einsicht, es nicht mehr fertig stellen zu können, durch Pickelschläge zertrümmert.

Im Jahre 19°9 riss der Tod den Unermüdlichen heraus aus der Arbeit an unvollendeten Werken.

Jede Würdigung Imfeids bliebe lückenhaft ohne Hinweis auf seine Panoramen. Es sind 39 Bildstreifen, und sie alle sind topographische und künstlerische Kostbarkeiten. Hervorgehoben seien besonders diejenigen folgender Aufnahme-Standorte: Monte Rosa, Eggishorn, Schilthorn, Mettelhorn, Pilatus ( neue Bearbeitung 1888 ), Niederbauen, Jungfrau, Weissenstein, sowie das bereits genannte Mont-Blanc-Panorama. Einige dieser Panoramen wurden vom Schweizer Alpen-Club als Beilagen zu den Jahrbüchern herausgegeben. Sie fanden dadurch bei den Bergsteigern weite Verbreitung.

Im Wesen von Imfeid völlig verschieden, ähn- lieh aber im beruflichen Streben, war sein Freund Fridolin Becker ( 1854-1923 ) von Linthal. Nach seinem Studium war er, wie Imfeid, einige Jahre für das Eidgenössische Topographische Bureau tätig, wurde dann ( 1887 ) an das Eidgenössische Polytechnikum geholt, zunächst als Assistent, dann nach einigen Jahren befördert zum Professor für Topographie und Kartenzeichnen. Als solcher war er dreissig Jahre später mein anregender und wohlwollender Lehrer. Der kleine, schmächtige Mann mit seinem Geiergesicht war eine gepflegte, etwas aristokratische Erscheinung. « Von der Parteien Gunst und Hass verwirrt, schwankt sein Charakterbild in der Geschichte. » Schwarmgei-ster hielten ihn für einen weisen Philosophen, Bösewichte aber für einen eitlen Schwätzer. Becker war nicht nur ein begabter Topograph, sondern auch ein lebensvoller Erzähler, und er führte eine gewandte Feder. Er war nicht nur in seine hübsche italienische Frau verliebt, sondern ebensosehr in die zackig-krause Welt der Karren dort zwischen Glarus und Schwyz. Früher, als Topograph, hatte er in jenen Gebieten gearbeitet, daher war er bei seinen Glarner Landsleuten bekannt als der«Charrebegger ». Wohl selten wurde eine Karstlandschaft lebendiger geschildert, als er es einst in seinem Aufsatz « Die Karrenfelder des Exkursionsgebietes » im Jahrbuch des SAC, Jg. 1877-1878 getan hat. Beckers Hauptverdienste liegen jedoch auf kartographischem Gebiete. In jungen Jahren schuf er auch einige recht beachtenswerte Gebirgsreliefs. Es sind Modelle 1: 5000, 1125000 und 1 150000 folgender Gebiete: Kanton Glarus, Umgebung von Montreux, Luganersee, Gotthard, Tessin-Täler. Die letzteren entstanden in Zusammenhang mit der oben erwähnten Herstellung eines Reliefs der Gotthardbahn-region. In seinen späteren Jahren hat Becker nicht mehr selber modelliert, sondern sich der Hilfe von Angestellten bedient.

Der Dritte der oben genannten Topographen-gruppe war Simon Simon ( 1857-1925 ) von Allschwil bei Basel. Man kann aber nicht sagen « der Dritte im Bunde »; denn sein eigenbrötlerisches Wesen schien ihn von seinen Kollegen zu distanzieren. Nach dem Studium war er als Topograph im Eidgenössischen Geniebureau tätig, hierauf kurze Zeit im Eidgenössischen Topographischen Bureau. Im Alter von 28 Jahren quittierte auch er den Bundesdienst, um sich fortan so wie Imfeid als freierwerbender Topograph betätigen zu können. Während einiger Jahre arbeitete er dann mit grossem Erfolg für den Deutschen und Österreichischen Alpenverein. In dessen Auftrag topogra-phierte er die Ötztaler und Stubaier Alpen 1:50000, 4 Blätter, die 1893-1897 erschienen. Hierauf, zusammen mit Leo Aegerter, das Gebiet Schiern-Rosengarten 1: 25000, erschienen 1898. Dann kehrte er in die Schweiz zurück und schuf ein Relief t: 25000 der Berninagruppe, ausgestellt unter anderem im Museum Alpin in Pontresina. Ferner erstellte er ein Relief des Gebietes Altels-Gemmi 1: 10000 mit Eintragung des Gletschersturzes vom 1 September 1895 ( Schweizerisches Alpines Museum Bern ).

Das hohe Ansehen, das sich Xaver Imfeid erworben hatte, war offenbar nicht nach Simons Geschmack. Er dachte daher, sich durch ein geo-plastisches Mammutunternehmen ebenfalls kräftig nach vorn zu schieben. So machte er sich an den Bau eines Reliefs des gesamten Berner Oberlandes, Massstab i: 10000. Während vieler Jahre legte er seine ganze Kraft und Begabung in dieses Werk. Grundlagen waren die entsprechenden Blätter des Siegfried-Atlasses, überdies Hunderte von Geländeansichten. Das Ergebnis, ein imposantes Grossmodell, bestehend aus 16 Teilblöcken. Es bedeckt eine Grundfläche von 4,80 auf 5,25 Meter und ist damit das grösste in der Schweiz je hergestellte alpine Modell. Erstmals gelangte es zu öffentlicher Präsentation an der Schweizerischen Landesausstellung 1914 in Bern. Seit vielen Jahren bildet es eine Hauptsehenswürdigkeit des Schweizerischen Alpinen Museums in Bern. Abgüsse befinden sich auch in verschiedenen anderen Museen und Instituten.

Simons Leistung darf nicht genannt werden, ohne sich seines Mitarbeiters Joseph Reichlin zu er- 80 Gesamt-Rechteck: Gebiet von J. E. Müllers erstem Relief der Schweizer Alpen r :60000, fertiggestellt ijgy. Es ist nicht mehr vorhanden. Abgegrenztes östliches Rechteck: Gebiet des Reliefs der Schweizer Alpen I :40000, fertiggestellt 1818. Rekonstruktion: E. Imhof 81 J. E. Müllers Relief des Tales von Engelberg :20000. 1811. Teilstück Benediktinerkloster Engelberg. Photo Urs Huber, Littau innern. Dieser treue, stille « unbekannte Soldat » ( wir begegneten ihm bereits im Mont-Blanc-Ge-biet ) hatte nahezu zwei Drittel von Simons Ber-ner-Oberland-Relief modelliert. Dieses grosse Modell t: 10000 ist eines der imposantesten Werke alpiner Plastik. Es zählt aber in der Detail-bearbeitung nicht zum Besten, was schweizerische Reliefkunst hervorgebracht hat. Die Qualität der Modellierung ist regional recht unterschiedlich, an Felskämmen vielenorts gut, an anderen Teilen wieder grosszügig zusammengebastelt. Spaltengewirre in Gletscherbrüchen sind meist wie mit einem Spinat-Wiegenmesser in die Oberfläche gewalzt. In der Übersicht fasziniert es durch seine Grosse und Weite. Es zeigt einprägsamer als jede Karte das markante, stufenweise Ansteigen des Gebirges aus dem Alpenvorland zu den hohen Eisregionen.

Joseph Reichlin ( 1872-1927 ) war, wie oben erwähnt, lange Jahre Simons rechte Hand als es galt, das Relief des Berner Oberlandes zu schaffen. Aber auch seine übrigen Leistungen sind sehr beachtenswert. Er stammt aus Arth im Kanton Schwyz. Im Collège du St-Bernhard in Troyes ( Frankreich ) lernte er das Modellieren. In die Schweiz zurückgekehrt, arbeitete er acht Jahre bei Simon am Modell des Berner Oberlandes. Hierauf bastelte er auf eigene Rechnung zunächst einige kleinere Modelle: Aegerisee 1 15000, Eiger, Mönch und Jungfrau t :50000, Balmhorn und Alteis 1:30000, Blüemlisalpgruppe 1:30000, Rigi 1:50000, Pilatus 1:25000, Aiguille Verte i: 30000. Hierbei erwarb er eine solche Meisterschaft, dass er sich an einige grosse, monumentale Stücke heranwagen durfte: Grosser und Kleiner Mythen I: 10000 und 1:5O0o, Aiguille de Charmoz 1:50oo, Aiguille Verte 1 :5ooo, alle u.a. im Schweizerischen Alpinen Museum zu Bern.

Mit diesen Grossmodellen durchbrach Reichlin als einer der ersten die Tradition, ausgedehnte Regionen in kleinen Massstäben zu modellieren. Wie in Imfeids Matterhorn stehen da nun einzelne, isolierte Berggestalten vor uns. Als Neuerer solcher Art stellt sich Reichlin würdig in die Reihe 82 J. E. Müllers Relief der Schweizer Alpen i: 40000, fertiggestellt 1818. Teilstück. Zentralschweiz, Blick nach Süden Gletschergartenmuseum Luzern. Photo awp, Luzern 83 J.E. Müllers Relief der Schweizer Alpen r: go 000, fertiggestellt 1818. Teilstück. Berner Alpen und östliche Walliser Alpen Gletschergartenmuseum Luzern. Photoawp, Luzern 84 J. E. Müllers Relief der Schweizer Alpen r: Io 000, fertiggestellt 1818. Teilstück. Walensee - Linthebene -Oberer Zürichsee. Lauf der Linth vor der Korrektion Glctschergartcnmuseum Luzern. Photo awp, Luzern seiner innerschweizerischen Landsleute Pfyffer, Müller und Imfeid.

Zu den bedeutendsten schweizerischen Topographen und Reliefkünstlern zählt auch Leo Aegerter ( 1875-1953 ). In Paris geboren, wuchs er in Bern auf und absolvierte hier eine technische Lehre ( offenbar als Bauzeichner oder Geometer-Gchilfe ?). Im Jahre 1897 verliess er die Schweiz und trat als Topograph in den Dienst von Simon Simon. Wie wir oben hörten, hatte dieser damals für den Deutschen und Österreichischen Alpenverein eine topographische Kartierung der Region Schlern—Rosengarten 1: 25000 durchzuführen. Es folgten, unter der Leitung von Fridolin Becker Aufnahmen der Gebiete Ferwallgruppe I: 50000, veröffentlicht 1899, und Adamcllo-Pre-sanella-Gruppc 1:50000, 1903 herausgegeben. Durch solche Tätigkeit gut geschult, entwickelte er sich zu einem hervorragenden Gebirgstopographen. Aegerter trat dann endgültig in die Dienste des Deutschen und Österreichischen Alpenvereins und besorgte bis zum Jahre 1935 die Aufnahmen folgender Gebiete ( in Klammern jeweils die Jahreszahlen der I. Veröffentlichung der Karten ): Sella 1 :12500 ( 1903 ), Langkofel und Sellagruppe 1:25000 ( 1904 ), Marmolatagruppe 1:25000 ( 1905 ), Allgäuer und Lechtaler Alpen 1:25000 ( 1906/07 ), Brentagruppe 1:25000 ( 1908 ), Ankogel-Hochalmspitz-Gruppc 1:50000 ( 1909 ), Lechtaler Alpen 1:25000 ( 1911-1913 ), Klostertalergruppe 1:25000 ( 1927 ), Dachsteingruppe 1:25000 ( 1915 ), Kaisergebirge 1:25000 ( 1917 ), Gesäuseberge 1:25000 ( 1918 ), Brennergebiet I :50000 mit Nebenkarte Kalkkögelgruppe 1:25000 ( 1920 ), Palagruppe 1:25000 ( 1931 ), Karwendelgebirge, 3 Blätter, zusammen mit Rohn 1:25000, 1933, 1935 und 1936. In den Ostalpen wirkte er als Bahnbrecher für die schweizerische Art kartographischer Felsdarstellung. Während all der Jahre schuf er folgende ostalpine Bergmodelle: 1905: Fünffingerspitze 1:5000, Hochvogel, Höfats, Langkofel, Cima Tosa, alle t: 25000. 1909: Rosengarten und Vajolettürme 1:5000. 1921: Dachstein 1:5000.

85 Exchaquet: Relief des District Aigle i: 16000. Hergestellt um ij86 Schweizerisches Salzmuseum Aigle. Photo Walter Studer, Bern 86 Exchaquet: Frühestes Relief des Mont- Blanc-Gebietes, etwa 1:44000 bis 1 -.50000. Fertiggestellt ij88 Eigentum der Sektion Genève des SAC. Photo Gérard Zimmermann, Genf 87 Relief des Mont-Blanc-Gebietes d' après Exchaquet, hergestellt kurz vor oder nach 1800 Im Besitz von Herrn de Saussure, Geni 1927-1930: Palagruppe 1:5000. Dachstein und Langkofel-Modelle sind erhalten geblieben und heute in Innsbruck im Alpenvereins-Museum ausgestellt. Seine Leistungen waren so aussergewöhnlich, dass wir sie, obgleich grösstenteils in den Ostalpen vollbracht, in die hier vorliegende kleine schweizerische Topographie- und Reliefge-schichte miteinbeziehen.

Nach 1945 arbeitete Aegerter als ein zu Unrecht fast Vergessener in seinem Heimatlande. Er bearbeitete Pläne für die Schweizerische Grundbuchvermessung, schuf ein Relief des Glärnisch 1: 10000 ( Standort Alpines Museum in Bern ), ferner Modelle für Kraftwerksunternehmungen. Leider zählt gerade das Glärnisch-Relief nicht zu seinen besten Arbeiten. Es ist stark überhöht und dadurch verunstaltet.

Wahrscheinlich musste es auf Wunsch eines himmelstrebenden Auftraggebers in überhöhter Form hergestellt werden. Leo Aegerter aber lebt in unserer Erinnerung fort als einer der begabtesten und treuesten Hochgebirgstopographen und Reliefpias tiker.

Gegen Ende des 19.Jahrhunderts trat Charles Eugène Perron ( 1837-1919 ) als Reliefkünstler hervor. Er war Zeichner, Graveur und Emailleur in Genf. Im vorgerückten Alter von 53 Jahren wagte er sich an die grosse Aufgabe, ein Reliefder ganzen Schweiz im Massstab 1 :100 000 herzustellen. Als Basis dienten ihm die damals jüngsten amtlichen Karten der Schweiz und der angrenzenden Länder. Durch den im Instrumentenbau sehr erfahrenen Mechaniker Thury in Genf liess er sich einen Pantographen mit angeschlossener Fräse bauen. Die Höhenkurven der verschiedenen Karten wurden in den einheitlichen Massstab 1: 100 000 transformiert. Fuhr nun der Operateur mit dem Fahrstift des Gerätes einer solchen Höhenkurve entlang, so durchschnitt die angekoppelte Fräse ( Bohrer ) die entsprechende Schicht des untergelegten Gipskörpers. Das so entstandene Treppenstufenmodell wurde dann weiter ausmodelliert. Dies verlangte besonders auch im Fels sorgfältigste Naturbeobachtung, da ja die zugrunde gelegten damali- 88 Kopie des Mont-Blanc-Reliefs von Exchaquet, hergestellt ißoy von Charles Dupuy, etwa l: 40000 Schweizerisches Alpines Museum Bern. Photo Markus Liechti, Liebefeld 89 Exchaquet: Relief des Gotthardgebietes. Massstab West-Ost 1 :4000 bis 1:68000, Nord-Süd etwa 1:45000. Fertiggestellt ijgi. Frühestes Relief dieser Region. Vordergrund: Val Bedretto - Valle Leventina. Bildmitte: Passübergang Airolo - Andermatt. Hintergrund: Rhonegletscher - Galenstock - Urnerloch - Fellilücke Eigentum der Sektion Genève des SAC. Photo Gérard Zimmermann, Genf gen Karten im Fels keine Höhenkurven enthielten. All das geschah zunächst aufgeteilt auf 100 Teilblöcke von je 24 x 35 Centimeter Grundfläche ( Siegfriedkartenblätter ). Durch Zusammensetzen entstanden dann 20 grössere Blöcke. Bei der Formung des Ganzen wurde die Erdkrümmung berücksichtigt. Das so konstruierte, hervorragend genaue Modell entstand in den Jahren 1896—igoo. Zuerst wurde es an der Weltausstellung des Jahres 1900 zu Paris gezeigt. Zusammengefügte Abgüsse des Ganzen oder einzelne Teilgebiete befinden sich in vielen Museen und Instituten, so in Genf, Bern und Zürich.

Nun aber zurück in die Zeit der Herstellung des Reliefs der Schweiz. Im Jahre 1895, als erst Proben und unfertige Teilstücke vorlagen, gelangte Perron an die Landesregierung mit dem Gesuch um einen grösseren finanziellen Beitrag. Dieses Gesuch wurde in Bern zunächst gut aufgenommen. Am 4. Dezember 1896 richtete der Bundesrat eine empfehlende Botschaft an das Parlament. Darob aber geriet man an der Limmat in Harnisch. Man fürchtete, dass der Genfer Geier dem Zürcher Löwen den « Happen » vom Maule wegschnappen könnte.Veranlasst durch das Geolo-gen-Topographen-Triumvirat Heim/Becker/Im-feld hatte nämlich schon im Jahre 1888 die Sektion Uto des SAC bei der Landesregierung um eine finanzielle Hilfe des Bundes zur Herstellung von Reliefs der ganzen Schweiz in viel grösserem Massstab 1:25000 ( oder gar 1: 10000 ?) gebeten. Auch dieses Gesuch scheint bei unseren Landes-vätern nicht auf taube Ohren gestossen zu sein. Die Sache der Zürcher war dann aber im Bundeshaus vorläufig schubladisiert worden. Aus heutiger Sicht: Gott sei Dank! Denn was damals unsere lieben Uto-Mannen erstrebt hatten, war eine Utopie! Man hätte die unzähligen, schweren « lästigen Klötze » kaum sinngerecht unterbringen und verwenden können. Auch waren die damaligen topographischen Grundlagen, die Karten, an Genauigkeit und Inhalt noch äusserst unterschiedlich und die Modell-Herstellungstechnik noch nicht genügend entwickelt.

Nun also rumorte man an der Limmat und erklärte den Genfern den Krieg. Die Alpen-Club-Sektion Uto richtete am 30.Januar 1897 ein Pro-testschreiben gegen Perrons Gesuch an die « hohe schweizerische Bundesversammlung » und untermauerte es durch ein Gutachten von Professor Albert Heim. Man bezeichnete Perrons Relief infolge seines kleineren Massstabes als blosse Spielerei, als ein Ding ohne wissenschaftlichen Wert, den verlangten Geldbetrag als zu hoch usw. Professor Heim im besonderen bemängelte das Fehlen vieler Einzelheiten; dem « Fabrikanten » mangle es an tieferem Verständnis. Er schalt Perrons Werk als ein Dilettantenprodukt. « Möge unser liebes Vaterland hiervon bewahrt bleiben! » Man wollte in Zürich nicht einsehen, dass für jede Landesbetrachtung neben den Details auch der Blick aufs Ganze notwendig und lehrreich ist. Die Genfer aber liessen sich nicht schrecken, sie feuerten zurück, und sie ziehen sehr präzis. Wer nun aber von meinen lieben Lesern Näheres über diesen Bruderkrieg erfahren möchte, der findet das Wesentliche in den Zeitschriften des Schweizer Alpen-Clubs « Alpina », Jahrgang 1897, und « L' Echo des Alpes », 1897, besonders dessen Supplement Nr. I, 1897. Hingewiesen sei insbesondere auf folgende Zitate unseres Literaturver-zeichnisses: Becker 1884-1885, Imfeid und Becker 1896, Becker 1897, Claparède 1897, Golliez 1897, Früh r897, Heim 1897.

Die Folgen dieser Balgereien: Wenn zwei sich streiten, spart der Dritte! Dieser Dritte war die Bundeskasse. Die Bundesbehörden lehnten schliesslich den nachgesuchten Beitrag ab. Der tatkräftige Genfer aber verzweifelte nicht, er führte sein Werk auch ohne solche Hilfe zu einem guten Ende ( Abb. 99 und 100 ).

Abgüsse des Reliefs der Schweiz i :100000 von Perron können auch heute noch gekauft werden, und zwar beim Muséum d' histoire naturelle de Genève, Case postale 284, CH-1211 Genève 6. Angaben betreffend Grosse und Preise sind dort zu erfahren.

Perrons Relief bietet einen grossartigen Über- blick über die verschiedenen Regionen: Hochalpen, Voralpen, Mittelland, Jura, Südschweiz und ausländisches Umland. Im Rahmen des mass-stäblich Möglichen ist alles einwandfrei gestaltet. Ist es nicht ein Bocksprung der Geschichte, dass ein späterer Lieblingsschüler von Albert Heim, ein Nachfolger auf seinem Lehrstuhl, Professor Rudolf Staub, einen Abguss des Perron-Reliefs geologisch bemalen und in Heims einstigem Institut aufstellen liess! Der damit ermöglichte geologische Überblick ist einzigartig. ( Freilich wurde in der dortigen Modell-Legende der Name Perron als Hersteller des Modelles verschwiegen. ) Der kämpferische Albert Heim aber liess es nicht bei seinen Protesten bewenden. Nun wollte er zeigen, wie ein « rechtes, wissenschaftliches » Gebirgsmodell aussehen solle. Im Jahre 1898 fasste er den Plan, ein Modell des Säntisgebirges im grossen Massstab i :5000 herzustellen. Der Säntis! Ein unvergleichliches Motiv. Vier oder fünf schroffe, parallele Felsenkämme, dicht hintereinander, wie hoch aufspritzende Meereswogen von Südosten her die molassischen Nagelfluhbänke überflutend. Die Oberflächenformen offenbaren hier in seltener Kongruenz das innere geologische Gesteinsgefüge. Der Säntis! Weit schaut man von seinem Gipfel in die Alpen hinein und weit über den Bodensee in die grau verdämmernden Niederungen des Schwabenlandes. Der Säntis, Lieblingsberg unzähliger Schweizer!

Wie aber machen? Albert Heim hatte seit Jahrzehnten nicht mehr Berge modelliert, er war zudem durch seine geologische Forschungs- und Lehrtätigkeit voll beschäftigt. Nun aber willfuhr ihm das Glück, zur rechten Zeit den rechten Mann als Gehilfen zu finden.

Dies war Carl Meili ( 1871-1919 ). Er stammte aus Weisslingen im Kanton Zürich, war von Beruf ursprünglich Stickereizeichner in St. Gallen. Dank starker Begabung und Neigung betätigte er sich gelegentlich auch als Illustrator alpinistischer Publikationen, z.B. von « Clubführer-Büchern » des SAC. In den neunziger Jahren, als Imfeid sein Gross-Relief der Jungfrau und andere Werke schuf, trat er als Gehilfe in dessen Dienst. Nie hatte ein Lehrling einen besseren Meister. Nie hatte ein Meister einen fähigeren Lehrling. Carl Meili wuchs völlig in Imfeids Kunst hinein. In ihm fand nun Albert Heim den rettenden Mann.

Eine Vergrösserung der damaligen Blätter der Siegfriedkarte i: 25000 diente als geometrisch-to-pographisches Gerüst. Heim und andere Geologen hatten das Aufnahmematerial durch Photos, geologische Skizzen, Profile und Karten ergänzt.

Nun baute, modellierte und bemalte Carl Meili als Angestellter seines Meisters zwischen 1898 und 1903 das grosse Werk ( Abb. 102 ).

Im Jahre 1903 wurde es erstmals den jubelnden Zürchern gezeigt. Es besitzt eine Grundfläche von 184 auf 192 Zentimeter und ist eines der vollendetsten Kunstwerke alpinen Reliefbaues, ein Grossmodell 1:5000 von kaum zu überbietender Naturtreue. Je ein in hellen geologischen Farben vorzüglich bemalter Abguss befindet sich im Alpinen Museum Bern, im Gletschergartenmuseum Luzern, im Kirchhoferhaus ( Wildkirchli-Mu-seum ) St. Gallen, in der Geologisch-mineralogi-schen Ausstellung des Naturwissenschaftlichen Gebäudes der Eidgenössischen Technischen Hochschule Zürich. Seit 1980 steht ein unbemal-tes Exemplar in der Eingangshalle der Säntis-Schwebebahn auf der Schwägalp ( als Depositum des Geologischen Institutes der ETH Zürich ).

Leider müssen wir unsern Bericht über dieses Modell mit einem Tropfen Wermut begiessen: Der Name des tatsächlichen Herstellers ist meistenorts in den Hintergrund gedrängt oder gar verschwiegen. Zwar schrieb Albert Heim darüber im Jahrbuch der St. Gallischen Naturforschenden Gesellschaft für das Jahr 1903 recht selbstgefällig: « Um nicht Uneinheitlichkeit zu erzeugen, habe ich an der Ausmodellierung und Bemalung nicht Hand angelegt, sondern nur Gruppe für Gruppe mit Herrn Meili nach ihrem Bau besprochen, das Beobachtungsmaterial erläutert, die Ausführung kontrolliert und geleitet. » - Auf den oben genannten, öffentlich ausgestellten Exemplaren findet sich in der Regel die folgende oder eine ähnli- 35 che Titelei: « Säntis 1:5ooo, 1899-1903, nach den Untersuchungen und Aufnahmen von Albert Heim ( gross gedruckt ) und in dessen Auftrag und unter seiner Leitung ausgeführt von Carl Meili ( klein gedruckt ). » Unter « Aufnahmen » wird jedermann zunächst die topographische Vermessung verstehen. Es wird aber in obiger Titelei verschwiegen, dass diese seinerzeit durch den Graubündner Leonz Held ( 1844-1925 ) durchgeführt worden war. Held war ein hervorragender Topograph der Eidgenössischen Landestopographie und später deren Direktor. Als solcher hatte er das schweizerische Vermessungs- und Kartenwesen in neue Bahnen gelenkt ( Literatur Zölly 1925 ). In jüngeren Veröffentlichungen und Ausstellungs-katalogen wird der Hersteller des berühmten Modelles, Carl Meili, meist überhaupt nicht mehr genannt. Das Relief segelt fast allgemein unter dem alleinigen Namen Albert Heim. Dieser hatte freilich die Herstellung nicht nur « geleitet », er hatte auch als Unternehmer gewirkt. So war er wohl auf einen gewissen Verkaufserfolg angewiesen. Als Produkt des berühmten Gelehrten liess es sich verkaufen, als Leistung eines unbekannten Meili hätte niemand viel dafür bezahlen wollen. Hat wohl der Zürcher Dichter Heinrich Leuthold ( 1827-1879 ) solches vorausgeahnt, als er einen seiner berühmten Verse schuf:

Ergreift den Becher und lasst das Schelten. Die Welt ist blind.

Sie fragt, was die Menschen gelten, nicht, was sie sind!

Einige Jahre später modellierte Xaver Imfeid, ebenfalls unter Meilis Mithilfe ein grosses Relief des Pilatus im Massstab 1: 10000. Der Tod riss ihm aber den Modellierstichel aus der Hand. Da waren es wieder Heim als Unternehmer und Meili als Modellierkünstler, die sich um die Fertigstellung bemühten.

Carl Meili schuf hierauf auf eigene Rechnung ein fein ausgearbeitetes kleines Relief des ganzen Säntisgebietes im Massstab i :2500c », ferner eines des Säntisgipfels im Grossmassstab i: 2500. Auch diese beiden Modelle galten später meist als Werke des « alten Heim »; denn offenbar ist der Säntis nun einmal Heims Arbeitsrevier.

Feedback