In den Bergen der Götter
VON WALTER SCHMID, BERN
Mit 4 Bildern des Verfassers ( 102-105 ) und 1 Karte Man darf sich nicht wundern, wenn man, mit Pickel und Seil bewaffnet und dem Ziel Athen, im Zürcher Flughafen zahlreichen fragenden Blicken ausgesetzt ist. Selbst die hübsche griechische Hostess fühlte sich veranlasst, mit einem schelmischen Lächeln die Frage zu stellen, was wir « mit dem Zeug » in Griechenland anzustellen gedächten. Erst in Litochoron, im Grenzgebiet von Thessalien und Mazedonien, hatten die besagten alpinistischen Utensilien ihre Attraktion verloren. Was die Leute, die auf dem Dorfplatz herumstanden oder in einem anliegenden Café sassen, noch wissen wollten, war nur noch unsere Herkunft; denn wer mit einem Rucksack nach Litochoron kommt, kann es nur auf den Olymp abgesehen haben.
So leicht, wie sich das liest, erreicht man Litochoron allerdings nicht. Manches Reisebüro hätte wahrscheinlich etwelche Mühe, das zweckmässigste Billett und am Fuss des Olymp ein Hotelzimmer zu besorgen. Nachdem kürzlich der Flugpreis nach Saloniki demjenigen nach Athen gleichgesetzt worden ist, löst man am besten eine Flugkarte nach Saloniki, fährt von dort mit 16 Die Alpen- 1966 - Les Alpes einem Schnellzug nach Katerini oder mit einem Bummler nach Litochoron. Von beiden Stationen bringt einen der Autobus nach Litochoron, das fünf Kilometer abseits der Bahnlinie liegt. Der Hauptplatz des Dorfes, das auch schon das griechische Zermatt - wohl des mittleren 19. Jahr-hundertsgenannt worden ist, verrät trotz seiner Dimensionen keineswegs die Grosse des Ortes. Mit seinen 5200 Einwohnern breitet es sich links und rechts einer steil ansteigenden Dorfstrasse aus, deren Fundament dem ausgetrockneten Bachbett eines Bergbaches nicht ganz unähnlich ist. An diesem Platz liegt einer der beiden Gasthöfe, das « Touriste », wo eine um das Wohl ihrer Gäste besorgte Patronne einige saubere Zimmer mit fliessendem Wasser verwaltet. Litochoron zählt aber nicht nur 5200 Menschen, es hat auch 800 Maultiere und Esel, die in orientalischer Unbekümmertheit am Rande des Dorfes, auf dem grossen Platz und in den Gässchen des Nestes herumstehen, während an den kleinen Tischen vor den Cafés, meistens vor dem griechischen Nationalschnaps Ouzo, temperamentvoll die Politik übers Leder gezogen wird.
Am Dorfplatz befindet sich auch das Büro des Hellenischen Alpenclubs. Man tut gut, seine Hilfe in Anspruch zu nehmen, sofern man nicht mehr zu den jugendlichen Unentwegten gehört, für die das Leben seinen Reiz verliert, wenn man ihm das Ungewisse und Abenteuerliche zu ersparen versucht. Das Büro vermittelt vor allem die für den achtstündigen Aufstieg zur Olymphütte unerlässlichen Maultiere und - was besonders zählt - auch die Männer, die zur angesetzten Stunde mit ihren Tieren erscheinen. Man wird auch darüber orientiert, was der Hüttenwart an Kost zu bieten vermag und was man, je nach der Dauer des Ausfluges, an zusätzlichem Proviant mitnehmen sollte. Das sind vor allem frische und gedörrte Früchte, Fleischkonserven und Biscuits als Zwischenverpflegung auf den Touren, während Suppe, Teigwaren, Reis, Bier, griechischer Rezinawein und Fruchtsäfte meistens in ausreichender Menge und zu erschwinglichen Preisen in der Hütte erhältlich sind.
Der griechische Alpenclub ( E. O. S. ) ist in zuvorkommender und gastfreundlicher Weise bemüht, den ausländischen Bergsteigern den Aufenthalt zu erleichtern. Die Sektionen pflegen ein intensives Clubleben nach englischem Stil, während sich der Gesamtclub vor allem mit dem Bau von Hütten und dem Anlegen von Zugangswegen befasst, wobei er von der nationalen Fremden-verkehrsorganisation grosszügig unterstützt wird. Nur so ist die Existenz von 35 Hütten bei einem Mitgliederbestand von 5000 Clubisten verständlich, auch wenn die Errichtung einer alpinen Unterkunft hier etwa ein Viertel von dem kostet, was wir heute in den Alpen zu budgetieren pflegen.
Über den Anmarsch zum Olymp ist wenig Schlechtes und viel Gutes zu sagen. Zum ersteren gehört der zweistündige Aufstieg von Litochoron nach Stavros auf einem Weg, dessen monströse Reichhaltigkeit an Steinen und Blöcken unvergesslich bleibt. Das maquishafte Gehölz, das den « Seufzerweg » flankiert und gelegentlich einen angenehmen Duft ausströmt, erweckt Erinnerungen an Korsika. Stavros, 1000 Meter hoch, ist die erste Etappe der Kolonne. Die Maultiere verpflegen sich auf der Weide, ein Brunnen liefert Trinkwasser. Die nicht professionellen Maultierreiter sind froh, ihre schmerzenden Oberschenkel vom Druck der kantigen Holzsättel erlösen zu können. Nach Stavros besinnt sich die Fährte bald eines besseren. Sie wird sogar ausgesprochen gut, eine herrliche Promenade, wie sie der in diesen Dingen vorbildliche St.Moritzer Kurverein nicht besser anlegen und unterhalten könnte. Da der Weg zudem grösstenteils durch Wald führt und mehr horizontale als vertikale Tendenz hat, bringt man die dreistündige Etappe zum zweiten Rastplatz vergnüglich und trotz ihrer Länge ohne grossen Kräfteverschleiss hinter sich. Das Ganze spielt sich am Hang eines Tales ab, durch das der Olymp ein glasklares Bergwasser zu Tale schickt. Es ist üblich, dass man hier, in Prionia, eine lange Rast einschaltet und sich für das letzte Drittel tüchtig retabliert.
Das Olymp-Gebirge ( Karte von Marcel Kurz, 1923, mit z.T. abgeänderter, gegenwärtiger Nomenklatur ) Die Sonne stand denn auch bereits hoch am Himmel, als unsere Kolonne sich wieder in Bewegung setzte, denn es gehört zu den unabdingbaren Gepflogenheiten der muletiers, den Halt mit einem einstündigen Mittagsschläfchen abzuschliessen. Um so unverdrossener packen sie alsdann die letzte Etappe an, die nochmals drei Stunden in Anspruch nimmt. Da dabei 1000 Meter Höhendifferenz zu überwinden sind, gerät das Fussvolk gegenüber den Vierbeinern bald in Rückstand.
Die Hütte, Refuge A genannt, entspricht in ihrer Anlage und mit ihrem Komfort unseren SAC-Unterkünften. Im Aufenthaltsraum flackert ein Kaminfeuer. Es sind 60 ordentliche Schlafplätze vorhanden, die jährlich von 700-800 Personen belegt werden. Die Lage des Hauses auf einer mit Föhren bewaldeten Rippe ist einzigartig. Gegen Osten reicht der Blick über das bewaldete Tal bis nach Litochoron und die Küste des Meeres, während man auf der entgegengesetzten Seite die Zackenkrone des Olymp über dem Kopf hat.
Nachdem wir bereits in Athen und Saloniki eine auffällige Mehrsprachigkeit der Clubmitglieder festgestellt hatten, verwunderte es nur noch wenig, vom Hüttenwart in ausgezeichnetem Deutsch angesprochen zu werden. Der sympathische junge Mann mit dem wohlklingenden Namen Kostas Zolotas blieb einem die Erklärung nicht lange schuldig: während des Winterhalbjahres arbeitet er in Deutschland und hat - wahrscheinlich demzufolge - eine blonde Germanin zur Frau. Zolotas geniesst von Seiten des Hellenischen Alpenclubs die Würde eines « offiziellen Olympführers ». Für Bergsteiger mittel- und westeuropäischer Prägung bieten die Gipfel des Olymp auf den üblichen Routen an sich keine oder nur geringe technische Schwierigkeiten. Der Mangel an Detailkarten und exakten Tourenbeschreibungen einerseits, die sprichwörtliche Vernebelung des Massivs um die Mittagsstunden anderseits machen die Mitnahme eines Ortskundigen aber zu einem Gebot der Vernunft, zumal seine Ansprüche als recht bescheiden bezeichnet werden dürfen.
Das begehrteste Ziel ist naheliegenderweise die höchste Spitze des Olympgebirges, der 2917 Meter hohe Mytikas oder Pantheon. Bescheideneren Geblüts sind seine beiden südlichen Vorgipfel, Skala ( 2866 m ) und Skolio ( 2905 m ), von denen man einen imposanten Blick auf die Hauptgipfel geniesst. Anspruchsvoller ist der zweithöchste Punkt, der Stefani oder Thron des Zeus ( 2909 m ), dessen Gipfel man in einer Kletterei zweiten Grades erreicht. Im Vorsommer 1966, Mitte Juni, war der Anstieg zur Skala in der oberen Hälfte noch eine mühsame Stampferei durch schweren Frühlingsschnee, während der Übergang zum Mytikas wegen der Traversierung schneegefüllter Runsen einige Vorsicht erheischte. Auf den Stefani musste aus diesem Grunde nicht ganz leichten Herzens verzichtet werden. Sogar der Besuch der « Götterwiese » im Norden des Gebirgsstockes war noch über weite Strecken eine Schneewanderung. Die legendäre Stätte, die ihre Geheimnisse noch unter einem makellosen weissen Teppich verbarg, breitet sich längs des 2776 Meter hohen, breitgezogenen Profitis Ilias aus, auf dessen Gipfel eine Miniaturkapelle eingebaut ist. Zwei Hütten, eine des Hellenischen Alpenclubs, das Refuge C, und eine der Bergsteigervereinigung Saloniki, lassen einen regen Touristenverkehr vermuten. Dem ist offensichtlich noch nicht ganz so; denn der Besuch der ersteren erreicht jährlich erst 50-60 Personen. Mit der Popularisierung des Bergsteigens, insbesondere des Kletterns, stehen den beiden Unterkünften sicher regere Zeiten bevor, denn der nahe Stefani präsentiert auf dieser Seite eine Wand und einen Grat, die in der oberen Hälfte der Schwierigkeitsskala einzureihen sind. Aber auch ohne hochgesteckte Ambitionen gehört ein Besuch der Götterwiese und des Profitis Ilias eigentlich in jedes ordentliche Olympprogramm; denn erst von hier aus rundet sich der bisherige Einblick in das Massiv zu einem vollständigen, gültigen Bild.
Die günstigste Zeit für Touren im Olymp dürften die letzten Juniwochen und ersten Tage des Juli sein, womit man zugleich den heissesten Hochsommertagen und den höchsten Besucherfrequenzen aus dem Wege geht. Noch sind die Berge der Götter vom menschlichen Rummel verschont, doch weist vieles darauf hin, dass der nach Neuem und Unbekanntem sich sehnende homo sapiens sich mehr und mehr auch ihrer bemächtigt. Griechenlands Uhren stehen nicht still. Die Romantik seines Berglandes geht den Weg, den unsere Täler und Höhen längst gegangen sind. Ungetrübt aber bleibt der mythische Glanz über den Gipfeln, auf denen ein reiches Kulturvolk seinen Göttern und Unberührbaren einst einen überirdischen Wohnsitz zugewiesen hat.
Reisebericht der bernischen Spitzbergen-Expedition 1965
DIE REISE IN DEN HOHEN NORDEN Mit 8 Bildern ( 106-113 ) und 1 Kartenskizze « In wenigen Minuten Abflug der DC 6 nach Tromso. Wenn Sie zum Flugzeug gehen, rauchen Sie bitte nicht! » - Kaum konnten wir unsere Aufregung unterdrücken, während wir zum Silbervogel schritten. Als wir dann die gut gepolsterten Sitze belegt hatten und die Motoren aufheulten, wussten wir alle, dass unsere Expedition Wirklichkeit geworden war, dass die lange Vorbereitungs- zeit ihr Ende gefunden hatte und wir geradewegs in das grosse Abenteuer Spitzbergen hinein-flogen.
Die Teilnehmer dieser Expedition waren Hansruedi Dietrich, Peter Bürgisser, die Brüder Erhard und Walter Mosimann, Andreas Ryser - alles Mitglieder des Schweizer Alpenclubs - sowie der Photograph Walter Imber.
Während die Maschine rasch an Höhe gewann und unter uns die Erde immer mehr im Nebel verschwand, hing jeder von uns seinen eigenen Gedanken nach. Plötzlich schreckte uns eine Windböe aus unseren Träumereien auf. O Schreck, rund um uns schwarze, schwere Sturmwolken! Schlecht gelaunte Winde rüttelten unser Flugzeug hin und her und stiessen es von einem Luftloch ins andere. Als sich dann noch eine leichte Vereisung auf den Flügeln zeigte, war ich überzeugt, dass anderntags die Presse über einen Flugzeugabsturz in Süddeutschland berichten würde, und Walter meinte, dass wir wohl besser mit dem Zug gereist wären, als uns diesem todgeweihten Kasten anzuvertrauen. Doch allen düstern Vorahnungen zum Trotz landeten wir wohlbehalten in Hamburg.
Anderthalb Stunden später ging der Flug weiter. War er vorher beängstigend unruhig, so begann jetzt ein herrlich sanftes Gleiten durch die Lüfte.Von unten grüssten die Sunde und Schären der norwegischen Küste, und das Meer leuchtete wie flüssiges Gold. Langsam, ganz langsam versank die Sonne, um nach kurzer Finsternis mit einer Explosion von Licht und Farben wieder über den Horizont zu steigen.
Kurz vor der Landung erfasste uns wieder der Nebel, und um 2.00 Uhr früh standen wir fröstelnd auf dem Flugfeld von Tromso. Ein Autobus brachte uns ins Hotel, wo herrlich weiche Betten auf uns warteten. Da wir zwei Tage in dieser Stadt bleiben wollten, verschoben wir die administrativen Expeditionsarbeiten auf den nächsten Tag.
Zuerst wollten wir ungestört das Städtchen besichtigen. Wir wanderten durch die Reihen bunter Häuser, die in mancherlei Farben an den Osthang der Insel Tromsöya gebaut sind. In einer Parkanlage steht auf einem wuchtigen Sockel das Denkmal von Roald Amundsen; breitspurig und entschlossen blickt er hinaus aufs nördliche Eismeer. Ein Denkmal, das ihn und Norwegen zugleich ehrt.
Den Appetit auf das Nachtessen holten wir uns in der Walfischschlächterei. Obschon früher Spitzbergen als Heimat dieser Riesentiere galt, fängt man sie heute eher selten. Aber uns lachte das Glück. Ausgerechnet an diesem Abend brachte ein Fangschiff ein Prachtsexemplar in die Metzgerei, und - zwar mit « gerümpften » Nasen - verfolgten wir das schaurige Schauspiel des Schlachtens bis zum Ende.
Anderntags um 17.00 Uhr verliessen wir Tromso an Bord der « Biaköy », um uns auf eine Kreuzfahrt zwischen den Inseln und in den Lyngenfjord zu begeben. Die Fahrt war ein herrliches Erlebnis. Unter wolkenlosem Himmel « tuckerte » unser Schiff durch Sunde und Schären. Die tiefblauen Fjorde waren gesäumt von saftig grünen Wiesen, auf denen hie und da ein verträumter Bauernhof zu entdecken war. Als um 12.00 Uhr nachts die berühmte Mitternachtssonne am Himmel stand, etwas tief und blutrot zwar, doch in voller Leuchtkraft, standen wir Schweizer, die wir gewiss an Naturschönheiten gewöhnt sind, staunend an Deck und liessen uns den rauhen Seewind durch die Haare wehen. Hie und da legte unsere « Biaköy » in einem Hafen an. Dann wurde es auf unserem sonst so ruhigen Kutter lebendig. Drehkrane surrten, Ballen, Säcke, Kisten und Fässer wurden ein- und ausgeladen, ja, einmal wurden sogar Kühe über die Reling gehisst. Am Samstagnachmittag dampften wir unter der gewaltigen Brücke von Tromso durch, und die eindrucksvolle Fahrt fand nach zwei Tagen ihren Abschluss.
Doch kaum hatten wir festen Boden unter den Füssen, mussten wir uns auf der « Lyngen », einem alten, leichten Eisbrecher von 500 Tonnen, einquartieren. Um 20.00 Uhr verliessen wir Tromso Richtung Spitzbergen. Der Nebel trieb uns bald in unsere Kabinen, wo wir nicht ernstlich seekrank zu werden hofften; doch am nächsten Morgen hatte es uns alle schon mehr oder weniger erwischt. Gegen Mittag erholten wir uns langsam, nur Peter und Hansruedi waren noch nicht munter. Hansruedi wurde direkt Meister der Seekrankheit, brachte er es doch fertig, sich zu erbrechen und fast gleichzeitig einen Teller Kartoffelstock mit Fleisch genussreich zu verschlingen.
Kurz nach Mitternacht schälte sich das Kap Bull der Bäreninsel aus dem Nebel. Dieses öde Eiland erhielt seinen Namen 1596 von holländischen Seefahrern, die hier von Eisbären angegriffen worden sein sollen. Der Anblick der schroffen Felswände, der spitzen Riffe und runden Türme mit den riesigen Felsenfenstern fesselte uns dermassen, dass wir nicht bemerkten, wie die Matrosen Schnur und Angel brachten und die Passagiere zum Fischen aufforderten. Da aber ein kalter Wind blies und die See stürmisch war, zeigte niemand rechte Lust dazu. Der Kapitän liess die Bäreninsel im Süden liegen und wendete sein Schiff gegen Svalbard.
Tags darauf - so um 14.30 Uhr - döste ich auf dem Oberdeck. Plötzlich sprang ich auf und schaute gespannt in die Ferne; mir war, es könnte vielleicht... Kurze Zeit später wusste ich, dass es kein Trugbild gewesen war: wir hatten das Südkap von Spitzbergen erreicht und fuhren bereits der Westküste entlang, dem Prinz-Karl-Vorland zu. Aber mit der Küste von Svalbard erreichten wir auch das Treibeis, das in den rätselhaften Polarzonen durch Stürme vom Packeis gelöst und von den Meeresströmungen einmal hierhin und einmal dorthin getrieben wird. Sicher und entschlossen bahnte sich jedoch unsere « Lyngen » einen Weg durch das Eis. Berstend und krachend zermalmte sie mit ihrem starken Bug die Schollen. Das war für uns Passagiere natürlich ein besonderes Schauspiel, zu welchem das Küstengebirge, zwischen das sich flache Gletscher drängen, die einzig richtige Kulisse bildete. Ich staunte, als befände ich mich auf einem andern Gestirn.
Am Mittag des nächsten Tages erreichten wir Longyearbyen. Orte wie dieser sind nicht gerade einladend: Kohlenstaub am Boden, Schuppen zwischen Schotterhängen eingebettet, überall Unrat; einzig das Kirchlein mit seinem spitzen Giebeltürmchen heitert das trübe Dorfbild etwas auf. Nach dem obligaten Besuch beim Gouverneur der Insel schlenderten wir zwischen den Baracken umher. Wir waren froh, als die « Lyngen » mit dumpfen Hornstössen zur Besammlung rief.
Das nächste Ziel hiess Ny-Alesund. Auf einem flachen Küstenstreifen des Königsfjords liegt diese nördlichste Siedlung der Welt. Der erste Rundblick bot auch hier nichts Anziehendes. Obschon nach der Schlagwetterkatastrophe von 1962 die Kohlengruben stillgelegt wurden, liegt der Kohlenstaub immer noch am Boden. Die meiste Zeit unseres dortigen Aufenthaltes verbrachten wir mit Frankieren der einigen hundert Ansichtskarten, die von vielen Gönnern in der Schweiz bestellt worden waren, doch verfehlten wir auch nicht, den Gedenkstätten der verschiedenen Expeditionen die Ehre zu erweisen. Man las Namen wie Amundsen, Byrd, Scott, Nobile, Andrée und noch viele andere.
Dann fuhr die « Lyngen » zur Gräberhalbinsel in der Magdalenenbucht. Obschon sie die schönste Bucht von Svalvard sein soll, besahen wir sie nur noch mit halbem Interesse. Unsere Gedanken eilten voraus zum Smeerenburgfjord, von wo aus wir unser eigentliches Expeditionsgebiet erreichen wollten.
Am 30. Juli 1965, um 15.00 Uhr, war es dann soweit. Das Beiboot wurde zu Wasser gelassen, Gepäck und Mannschaft eingeladen, um im hintersten Winkel des Smeerenburgfjords an Land gesetzt zu werden.Res Ryser IL NORDSPITZBERGEN, DAS EXPEDITIONSZIEL Nun sind wir also da, auf uns selbst angewiesen in einem unbekannten, arktischen Land: Spitzbergen. Was ist es? Spitzbergen oder Svalbard, wie diese Inselgruppe auf norwegisch genannt wird, gehört zu Norwegen und liegt zwischen dem 74. und 80. nördlichen Breitengrad und dem 10. und 35. östlichen Längengrad, als letzter Vorposten Europas gegen den Nordpol. Ein arktisches Land mit schroffen Felsgipfeln, umgeben von Fjorden und ungeheuren Gletschern, die sich vom Landesinnern bis ins Meer hinab erstrecken.
17 Kisten, gute 700 Kilo schwer, stehen am Strand. Sie glotzen uns an - und wir sie. Lange! Also los, greifen wir an! Zuerst haben wir die Kisten über eine lange Moräne zu schleppen. Einen solchen Fall haben wir vorausgesehen und können unsere kleinen Kufenschlitten als « Räf » benützen. Noch am selben Abend richten wir ein Zwischenlager, vier Kilometer vom Landeplatz entfernt, auf einer Moräne ein. Die erste « Nacht » unter freiem Himmel ist für uns etwas verwirrend; denn wir sind nicht gewohnt, dass die Sonne uns beim Schlafen zusieht. Anderntags beladen wir den grossen Schlitten ( eine Spezialkonstruktion ) mit dem wichtigsten Lagermaterial und machen uns auf den Weg über den Smeerenburggletscher. Die Schnee- und Eisverhältnisse lassen uns nur mühsam vorwärtskommen, so dass wir uns entschliessen, zehn Kilometer vom Landeplatz entfernt und 230 Meter ü. M. ein Basislager zu errichten. Am dritten Tag ist es dann soweit. Es war ein hartes Stück Arbeit; alles ohne Sherpas! Da gerade der 1. August ist, hissen wir offiziell unsere Lagerfahne. Um uns genau über unsern Standort und die weitere Umgebung zu orientieren, teilen wir uns in drei Gruppen und rekognoszieren zuerst die Richtungen Norden, Osten und Süden ins Landesinnere. Es gelingt dabei, drei kleinere Gipfel im Hornemanntoppen zu besteigen, von wo aus wir auch eine freie Sicht über das Inland haben. Wir beschliessen, Lager I auf dem Plateau am Fusse des Hesteskoen zu errichten.
Von diesem ersten Vorstoss steht im Lagertagebuch folgendes: Das Wetter ist immer noch wunderbar. Die Sonne scheint Tag und Nacht und umkreist uns wie ein Karussell die Leierorgel.
Zwei Kameraden und ich beladen einen kleinen Schlitten mit Proviant für vier Tage, mit einem Dreierzelt und Biwakmaterial. Um Kräfte zu sparen, helfen uns unsere Kameraden durch den Gletscherabbruch, dessen Durchgang wir am Vortage mit roten Signalfähnchen ausgesteckt haben. Vom Pass zwischen der Aurivillius-Gruppe und dem Hornemanntoppen gehen wir allein weiter über das grosse Gletscherplateau und errichten das Lager I nach acht Stunden Fussmarsch und Schlittenziehen am Fusse des Hesteskoen. Ziemlich erschöpft vom mühevollen Anstieg legen wir uns zur Ruhe. Einige Stunden später nehmen wir den höchsten Gipfel des Hesteskoen in Angriff. Wir wählen den Aufstieg über den Westgrat. In schöner Kletterei erreichen wir den Gipfel und geniessen den wundervollen Rundblick bei Mitternachtssonne. Die aus dem Inlandeis ragenden Gebirge werfen lange Schatten über die weissen Eisflächen, und die zum Teil noch vereisten Fjorde greifen wie lange Arme nach den Gletschern im Landesinnern. Eine wunderbare Welt! Der ewige Tag gibt dem Bergsteigen im hohen Norden einen besonderen Reiz. Die Zeit wird ganz unwichtig; die Sonne geht ja nicht unter, und so wird man nie auf einer schweren Tour von der bei uns gefürchteten Dunkelheit überrascht. Man arbeitet, solange das Wetter gut ist, und retabliert, wenn das typische Spitzbergenwetter über das Land zieht: eine Nebeldecke, oft von Schneefall und starkem Wind begleitet.
Wie wir gegen das Lager I absteigen, stellen wir mit Schrecken fest, dass unser Zelt auf einer schneebedeckten, riesigen Gletscherspalte liegt. In der diffusen Beleuchtung des Vortages konnten wir diese Spalte vom Boden aus nicht erkennen; aus der Höhe aber zeigt sich ein deutlicher Schatten, der sich über das ganze sechs Kilometer lange Gletscherplateau zieht. Unten angekommen, sondieren wir mit den Skistöcken und finden die Schneedecke etwa drei Meter dick. Doch zur Beruhigung versetzen wir das Zelt trotzdem um 30 Meter. Man kann ja nie wissen, auf fremden Gletschern, die hier im Norden eine Fliessgeschwindigkeit von einigen Metern pro Tag aufweisen! Im Eisfjord von Ny-Alesund z.B. schiebt sich ein Gletscher pro Tag bis zu 30 Metern ins Meer vor, wo er in grossen Schollen abbricht: er « kalbt » Eisberge. Kaum haben wir das Zelt versetzt, fängt es an zu schneien und zu stürmen, dass die Zeltleinwand wie ein Maschinengewehr knattert... Nach 40 Stunden klärt es endlich auf. Doch das Zelt sieht nun eher wie ein Iglu aus, und wir fühlen uns wie Eiszapfen; auch der Proviant ist zur Neige gegangen. Unser erster Vorstoss ins Landesinnere hat uns gleich zu Anfang gezeigt, wie es hier im schönen Norden her- und zugehen kann. Es bleibt uns nichts anderes übrig, als ins Basislager zurückzukehren, doch nicht ohne auf dem Heimweg noch zwei Gipfel zu besteigen, die beide noch unberührt zum Himmel ragen. Nach unserer Ankunft macht sich die zweite Gruppe zu einem Vorstoss an die warme Quelle im Bockfjord auf.
Hansruedi und ich nehmen nun den Hornemann in Angriff, von dem ein Gipfel 1960 vom AACB bestiegen wurde, zwei kühne aber noch unbezwungen sind. Eine Blockkletterei führt über die Westseite auf den Grat. Über einige Gendarmen erreichen wir in recht anregender Kletterei den ersten Gipfel. Mit zweimaligem Abseilen gelangen wir in die Scharte zwischen den beiden Erhebungen, von wo aus wir die zweite besteigen und über dieselbe Route zurückkehren, um dann von der Scharte aus in teilweise recht kitzliger Kletterei über die Westseite auf den Smeerenburggletscher abzusteigen. Somit sind alle fünf Gipfel des Hornemanntoppen bestiegen und zum Teil überschritten worden.
Am 12. August machen wir uns zum Lager I auf, Res, Hansruedi und ich. Da die Gruppe Walter, Erhard und Walti für sechs Tage abwesend ist, bleibt das Basislager nach unserem Aufbruch verlassen zurück. Hoffentlich machen sich die Polarfüchse nicht an unsere Vorräte heran! Wie wir zum Pass aufsteigen, kommt plötzlich Nebel auf. Es gelingt mir gerade noch rechtzeitig, mit dem Kompass das Azimut zu bestimmen. Mit Sichtweite Null tasten wir uns dann über den Gletscher vorwärts, den schweren Schlitten mit Ausrüstung und Proviant im Schlepptau. Von hinten rufe ich die Richtungskorrekturen. Nach zwei Stunden erreichen wir haargenau den anvisierten Felskopf, wo wir auf unsere alten Spuren treffen, die uns zum Lager I führen. Bei wildem Schneetreiben erreichen wir das Zelt. Zu unserem Erstaunen stecken drei Paar Skistöcke davor. Ein Kopf schaut durch den schmalen Reissverschlussschlitz. « Wir sind abgeschlagen worden; im Seeligerbrien verloren wir mehr als einen Tag in dem fürchterlichen Spaltengewirr! » ruft Walter, der Photograph. Schade, hätten wir doch nur mehr Zeit zur Verfügung! Weil wir zwischendurch schwere Sherpa-Arbeit leisten müssen, geht viel Zeit verloren. Aber das harte Lastenschleppen ist auch ein Erlebnis und gehört irgendwie zu einer arktischen Expedition. Welch grosse Leistungen haben doch Amundsen, Scott, Byrd und andere vollbracht!
Den Monacogletscher hat unsere Gruppe wenigstens erreicht. Das ist immerhin etwas bei diesen ausgesprochen schlechten Verhältnissen, bei diesem Spaltengewirr und den Gletschersümpfen. So fällt unser Wunsch, die warme Quelle zu erreichen, buchstäblich in den Gletschersumpf. Da das Wetter im Moment miserabel ist, bleiben wir zunächst alle sechs im Dreierzelt. Beim Aufhellen steigt Gruppe II ins Basislager ab. Wir aber brechen Lager I ab, um am Fuss der Aurivillius-Gruppe Lager II zu errichten. Oben am Aurivillius-Pass wachsen wir unsere « Schwendener » ( ein Kurzski der Firma Schwendener, Metall und 1,8 Meter lang, der sich auf unsern Gletscher- abfahrten ebenso bewährte wie auf den langen Märschen über grosse Schneefelder und durch Gletschersümpfe ). Wir wachsen, damit uns bei der Abfahrt der schwere Schlitten nicht einholt. Dann lassen wir sie laufen!
Nachdem wir Lager II errichtet haben, steigt Res ab, um Walter zu holen. Hansruedi und ich nehmen den Aurivillius « aufs Korn ». Schon von weit unten sehen wir verschiedene imposante Türme und Spitzen. Die grösste Überraschung erleben wir aber, wie wir auf einen Grat kommen. In 20 Meter Distanz erhebt sich uns gegenüber ein etwa 30 Meter hoher und drei bis vier Meter breiter Felsobelisk. Er muss durch einen Felsabrutsch entstanden sein. Von hoch oben sehen wir Res und Walter gegen das Lager II aufsteigen, und so beschliessen wir umzukehren und anderntags zusammen aufzusteigen. In den letzten Tagen unseres Aufenthaltes gelingen uns 16 Besteigungen in der Aurivillius-Gruppe. Somit ist unsere Bilanz gewaltig gestiegen. Zusammenfassend haben wir folgende Besteigungen ausgeführt: fünf Gipfel im Hornemanntoppen, vier im Hesteskoen Nord, drei im Havhestfiellet, 16 in der Aurivillius-Gruppe, eine im Elfborgtoppen und zwei im Tyskerfiellet.
Da das Wetter sich nach und nach verschlechtert und der kurze Arktissommer zur Neige geht, brechen wir Lager II ab und ziehen uns ins Basislager zurück. Hier stellen wir fest, dass auch die Mitternachtssonne tüchtig mitgeholfen hat, das Eis zu schmelzen. Der Gletscher ist eine einzige Schuttwüste; nur unsere Zelte stehen auf kleinen Podesten; denn das Eis ringsum ist verschwunden.
Der Rücktransport ans Meer beginnt. Diesmal geht es allerdings etwas leichter. Mit dem grossen Schlitten bringen wir Ladung um Ladung über den apern Gletscher an die untere Moräne. Beim Überfahren der oft fast meterhohen Eisbuckel, der klaffenden Spalten und beim Umfahren grosser Steine im Laufschritt müssen wir oft befürchten, unser einziger grosser Schlitten breche auseinander. Das hätte zur Folge, dass wir Kiste um Kiste auf dem Rücken zehn Kilometer weit ans Meer tragen müssten. Aber er hält sich brav, unser Schlitten. Einzig einer der kleinen Kufenschlitten geht entzwei. Nach zwei Tagen haben wir all unser Hab und Gut wieder ans Meer geschafft.
Wie schnell doch die Zeit vergangen ist auf der uns in ihrer Eigenart liebgewordenen Insel Svalbard, dem nördlichsten Vorposten Europas gegen den Nordpol. Ein wildes Land, aber faszinierend in seiner Beschaffenheit, mit seinen imposanten, wilden Gebirgen, umgeben von riesigen Gletschermassen, die sich bis ins Meer hinab erstrecken und dort mit ohrenbetäubendem Getöse blockweise in die tiefblauen Fjorde abbrechen. Ein Land, das wir alle so schnell nicht wieder vergessen werden.Peter Bürgisser
DIE RÜCKREISE Nach einer letzten regnerischen « Nacht » verpacken wir das restliche Material in die noch übriggebliebenen elf Kisten. Um 14.30 Uhr entdeckt Walter die « Lyngen », und bald hören wir das uns so vertraute Horn. Als Zeichen haben wir ein grosses Feuer am Strand angefacht - aus dem Holz der überzähligen Kisten. Peter beeilt sich, mit seiner Pistole und der restlichen Munition einige Salutschüsse abzugeben. Von Inge, dem Matrosen, der gerne mit den Kleidern ins Meer fällt, werden wir mit dem Motorboot abgeholt. Natürlich steht zum Empfang der Stoppelbärtigen alles an Deck. Wir schätzen es, nach 23 Tagen wieder andere Gesichter zu sehen. Die « Lyngen » ist uns ja längst vertraut, und so steigen wir sofort in unsere Kajüte hinunter, um uns für die nächsten vier Nächte zu installieren. Hoffentlich geht es uns die ersten zwei Tage besser als das letzte Mal. Nach einem ausgedehnten Zvieri mit Süssigkeiten und Tee, was bei uns sowieso Mangelware ist, erreichen wir den 80. nördlichen Breitengrad. Hier ändert die « Lyngen » ihren Kurs wieder Richtung Tromso. Am selben Abend fahren wir noch am Startplatz der Andrée-Expédition von 1897 vorbei. Andrée wollte den Pol mit einem Ballon erreichen, stürzte aber ab, und man fand die Leichen 30 Jahre später im Treibeis in Sibirien. Heute sieht man neben den Grundmauern und einigen Holzbaracken des Hangars nur noch Tonscherben und Eisenspäne der Gaszubereitung; denn sie gewannen damals das Gas durch Lösen von Eisenspänen in Säure.
Wie wir in Ny-Alesund ankommen, regnet es. Die Schneegrenze liegt auch schon ziemlich tief, beginnt doch der Winter in Spitzbergen schon jetzt, am 22. August. In Ny-Alesund kommt auch eine französische Glaziologie-Expedition an Bord, eine gemütliche Gesellschaft mit einer Köchin, welche bei uns fehlt. Einen kurzen Aufenthalt machen wir noch in Longyearbyen. Unser Besuch gilt dem Gouverneur, bei dem wir uns wieder zurückmelden müssen. Während wir um 23.00 Uhr in den Bellsund, einen Fjord weiter südlich, einfahren, um eine polnische Expedition abzuholen, die - wie die französische - Glaziologie studierte, sehen wir zum erstenmal nach zwei Monaten die Sonne untergehen. Peter wird wieder von seiner « Schlafkrankheit » befallen und bleibt für einige Zeit in seiner Koje liegen.
Am 26. August kommen wir in Tromso an und sind froh, dass wir die « Lyngen » verlassen dürfen. Dennoch tut es uns leid, haben wir doch etliche schöne Stunden auf ihr verbracht. Der Empfang in Tromso ist vor allem für Peter sehr liebevoll; denn seine Braut wartet hier auf ihn. Nach dem Ausladen unserer Kisten und dem Erledigen aller Formalitäten sind wir froh, nach langem wieder unsere Zivilkleider anziehen zu können. Der Aufenthalt in Tromso ist diesmal sehr kurz; um 1.00 Uhr am nächsten Morgen fahren wir bereits weiter, diesmal jedoch auf einem wesentlich grösseren Schiff, der « Polaris », einem Schiff von 5000 Tonnen der Hurtigroute, und verlassen Tromso via Lofoten Richtung Bergen. Für vier Tage sind wir also gut untergebracht. Es ist eine Pracht, an tausend und aber tausend Inseln und schroffen Felswänden vorbeizufahren. Überall sieht man kleine Fischerdörfchen, die sich malerisch in die Landschaft einfügen. Verschiedene Häfen werden angelaufen, und wir haben Gelegenheit, einige Dörfer kennenzulernen. In der letzten Nacht - wie könnte es auch anders sein - stürmt es noch einmal heftig; aber wir überstehen sie heldenhaft: also doch halbe Seemänner! In Bergen freuen wir uns vor allem auf eine Abwechslung in der Speisekarte; denn Fisch, Fisch und abermals Fisch, das hängt uns langsam zum Hals heraus. Nach einem Wienerschnitzel und Pommes frites besteigen wir um 22.15 Uhr frisch gestärkt den Nachtschnellzug nach Oslo. Eigentlich sehnen wir uns nach einem ruhigen Bett; doch im Schlafwagen ist es fast noch schlimmer als auf dem Schiff: wieder eine andere Art von Rütteln und Schütteln. Am 31. August morgens erreichen wir Oslo. Wenn es aber dermassen regnet, so ziehe ich Bern mit seinen Lauben vor. Nach einem Besuch der Museen Fram, Kontiki und der Wickingerschiffe werden wir von der Schweizer Botschaft zu einem Nachtessen auf dem Holmenkollen eingeladen, was uns sehr willkommen ist; denn unsere Geldbörsen sind bedenklich mager. Übrigens: Rentierpfeffer schmeckt ausgezeichnet!
Nach einer weitern Schüttelnacht sind wir bereits in Kopenhagen. Das Wetter ist genauso unfreundlich wie in Oslo. Leider befindet sich unser Regenschutz irgendwo in einer Kiste in Tromso! Auf der Fähre von Dänemark nach Deutschland gebärdet sich das Meer ziemlich stürmisch, und mit gemischten Gefühlen denken wir an die « Lyngen »; die würde wieder bedenklich schlingern!
Am 3. September, um 6.25 Uhr, kommen wir alle wohlbehalten in Basel an. In unseren Augen glänzt noch das klare Licht des Nordens. Wir sind glücklich, etwas Ausserordentliches geleistet und gesehen zu haben. So oft wir auch beim harten Lastenschleppen über grosse Gletscher geflucht haben, so oft werden wir in stiller Freude und mit innerer Befriedigung an die Expedition nach Svalbard denken, bei der wir Erfahrungen gesammelt und viel gelernt haben und die überdies für uns ein unendlich grosses Erlebnis war.
Wir möchten an dieser Stelle allen, die durch irgendeinen Beitrag unserem Unternehmen zum Erfolg verholfen haben, herzlich danken.Hansruedi Dietrich