«Jeder sollte sich in seinen Bedürfnissen respektiert fühlen»
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«Jeder sollte sich in seinen Bedürfnissen respektiert fühlen»

Anne-Claude Rossier Ramuz ist Paartherapeutin. Hier ein paar Ratschläge für eine harmonische Beziehung zwischen Paar und Berg.

Wie kann eine gemeinsame Leidenschaft Vorteile für die Beziehung bringen?

Eine Leidenschaft zu teilen, bedeutet, gemeinsam Zeit zu verbringen, im Schönen, aber auch in Momenten des Scheiterns. Das schweisst zusammen und führt zu einem positiven Gefühl der Annäherung und Intimität.

Und wenn diese Leidenschaft die Berge sind?

Wenn man bei unerwarteten Ereignissen oder in physisch schwierigen Momenten die Unterstützung des Partners erfährt, kann das eine Aufwertung der Partnerschaft bedeuten. Man könnte sogar sagen, dass der Bergsport zwei unerlässliche Faktoren einer Partnerschaft fordert: das Unerwartete und das Vertrauen.

Was passiert, wenn sich nur einer der Partner den Gipfeln verschrieben hat?

Der Bergsport fordert mehr Zeit und grösseres Engagement als Joggen oder Schwimmen. Ausserdem muss der Partner, der nicht in die Berge geht, sich ständig mit der Möglichkeit einer Gefahr auseinandersetzen. Wenn man nun beim Wandern oder Bergsteigen dazu tendiert, Risiken einzugehen und seine Grenzen auszutesten, kann dies beim Gegenüber Ängste und Sorgen hervorrufen. Wenn man auch noch schlecht mit Trennungen umgehen kann, kann ein Ausflug in die Berge durchaus zu Spannungen führen.

Ist das der Grund, warum sich Paare an Sie wenden?

Die Berge an sich sind kein Grund, sich an mich zu wenden, aber es kann vorkommen, dass sie als Quelle eines Konflikts genannt werden. Manchmal können sie Eifersucht hervorrufen, als ob der Partner eine andere Geliebte hätte, die in Konkurrenz zur Partnerschaft steht.

Was können Sie in solchen Fällen raten?

Zuerst rate ich, die Ursachen der Spannungen herauszufinden. Wenn es sich um Befürchtungen oder Gefühle der Ausgeschlossenheit handelt, wäre es gut, sich zu fragen, wie man den anderen beruhigen könnte. Es ist wichtig, dass jeder eine Leidenschaft oder individuelle Interessen ausleben darf und trotzdem Mittel und Wege findet, der Beziehung und dadurch dem Partner die nötige Aufmerksamkeit zu schenken. Abgesehen von den geäusserten Vorwürfen ist es ausserdem notwendig, darüber zu sprechen, was der andere empfindet. Kann es sein, dass derjenige, der zu Hause bleibt, sich davor fürchtet, auszusprechen, was er beim anderen vermisst? Findet er es ungerecht, sich alleine um die Alltäglichkeiten kümmern zu müssen? Auf der anderen Seite: Fühlt sich der Berg­enthusiast überwacht und in seiner Freiheit eingeschränkt? Seinen Partner zu verstehen, stimuliert die Kreativität, dem anderen zu zeigen, dass er wertvoll ist.

Worauf muss man auf der Suche nach einem Kompromiss achten?

Jeder sollte seine Leidenschaften und Interessen behalten dürfen, da eine Beziehung auch durch das persönliche Leben beider Partner Aufwertung erlebt. Wichtig ist auch die Gegenseite: Was für den einen möglich ist, sollte auch für den anderen machbar sein.

Bedeutet es immer ein Hindernis, wenn man die ­Leidenschaft des Partners nicht teilt?

Nein. Wenn die Partner unterschiedliche Leidenschaften haben, können sie trotzdem andere gemeinsame Aktivitäten finden, um sich anzunähern und Zeit miteinander zu verbringen. Andererseits kann es geschehen, dass bei einem Bergsportlerpaar eine Krankheit, ein Unfall oder die Geburt eines Kindes den einen Partner limitiert, und das kann ebenfalls zu Frustrationen führen.

Was passiert, wenn einer der Partner die Leidenschaft für die Berge verliert?

Der andere könnte das als Interessenverlust an der Partnerschaft wahrnehmen. In diesem Fall ist es wichtig, dass Ersterer dem Partner versichert, dass es keine partnerschaftlichen Gründe gibt, sondern dass sich lediglich die persönlichen Bedürfnisse geändert haben. Eventuell ist es erforderlich, sich eine gemeinsame Ersatzaktivität für die Partnerschaft auszudenken, um dadurch die Beziehung zu pflegen.

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