Johann Georg Sulzer und der Rigi
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Johann Georg Sulzer und der Rigi

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( SchlussVon Rudolf Gsell

( Chur ) Ihr Vorkommen war also nicht so leicht zu erklären, wie dasjenige von Fossilien, für welche ja die Transportfrage wegfiel.

So schreibt Scheuchzer schon 1705 in einem Reisebericht über den Pilatus, « der einer von den berühmtesten im gantzen Schweizerland / und von mir zum öftern bestiegen worden 1 »: «... eine andere Berghöhe / Widerfeld genant / auf welcher ganze Felsen zu sehen von lauter zermürbeten Steinernen See Muscheln zusammen gewachsen; ein sicheres beweissthum / dass die Wasser der Sündflut auch über die Spitzen dises hohen Pilatus-bergs hergefahren / und disere Muschelstein zu einem immerwährenden Gedenkzeichen hinterlassen 2. » Schon Herodot, der etwa 484 bis 425 vor Chr. lebte, schreibt: « Ich glaube also diese Nachrichten von Ägypten und es ist mir alles sehr wahrscheinlich... dass sich Muscheln auf den Gebirgen befinden... » Und Strabo, der etwa von 63 vor Chr. bis 19 nach Chr. lebte, sagt u.a.: « Man könnte demnach zugeben, dass ein grosser Teil des festen Landes eine Zeit lang überschwemmt gewesen », und ferner: « Eine der mir bei den Pyramiden aufgefallenen Sonderbarkeiten darf ich doch nicht übergehen. Es liegen einige Haufen Abfall des Steinbehaues vor den Pyramiden: unter diesen findet man Abfälle an Gestalt und Grösse den Linsen ähnlich; man stösst auch auf Graupen wie von halbenthülsten Körnern. Man sagt, dies seyen versteinerte Überbleibsel von der Speise der Arbeiter. Doch ist dies nicht wahrscheinlich; denn auch bei mir zu Hause ist ein länglicher Hügel in einer Ebbene; dieser ist voll von linsenähnlichen Stückchen Tuffstein... » Es handelt sich hier offenbar um Nummuliten, da Alveolinenkalke beim Bau der Pyramiden Verwendung fanden.

Übrigens spricht Scheuchzer vom « Kümmistein » und Fäsi vom « Lapis lenticularis », in beiden Fällen sind damit ebenfalls Nummulitengesteine gemeint.

Sulzer kommt weiter zum Schlüsse, dass das Meer nicht nur einmal, sondern zu wiederholten Malen unser Land bedeckt hatte. Er macht sich damit frei vom Glauben an eine einmalige Sündflut, welcher Glaube sich auch noch bei Scheuchzer hemmend auswirkte.

Eine weitere Folgerung ist, dass nicht alle Berge zur gleichen Zeit entstanden sein können. Denn bevor der Rigi in seiner heutigen Form dastand, 1 Siehe Note » auf Seite 386.

2 Das Zitat stammt also von Scheuchzer und nicht von Gesner, wie Heim in seiner Geologie der Schweiz irrtümlich berichtet. Aus dem Jura gibt " Wagner schon 1680 Fossilfundstellen an. Einen Catalogus Rerum fossilium von Kentman findet man schon 1565 in den Werken Gessners eingefügt. Derselbe Kentman bildet auch damals schon einen Sammelschrank für Mineralien und Versteinerungen ab.

JOHANN GEORG SULZER UND DER RIGI mussten doch die Gerolle, die ihn aufbauen, von einem bereits bestehenden Gebirge abgetragen worden sein.

Es sei hie- nur nebenbei erwähnt, dass Kolwecken in seinem « Tractat von Piefersbad » schon 1631 ve: sucht hat zu bestimmen, « wieviel Birgs unter Jahrfrist im Grund / von der Tammina ab: und aussgefressen wirdt /. » Diese wenigen Hinweise mögen genügen.

Ich habe bereits die Zone Seewen—Hochfluh—Bürgenstock angedeutet und vermerkt, dass Sulzer diese auf seiner Rigitour nicht berührt hat. Als er einige Tage später, auf der Fahrt nach Flüelen, mit dem Schiffe die « Nasen » passierte, war er infolge eines vorangegangenen Fieberanfalles daran verhindert, Beobachtungen zu machen. « Da ich aber die gantze Zeit, die wir auf dem See zubrachten, mich in einem Bette und in zimlicher Schwachheit befände, so habe ich auch auf dieser Schiffahrt wenig merckwürdiges beobachtet. » Dagegen sagt Escher schon 1795, dass « Dieses vom Rigi herabkommende Vorgebirge sowohl als die Insel Schwanau nicht mehr aus Nagelfluh, sondern aus einem etwas ins bräunliche fallenden dunkelgrauen, aus dem feinkörnigen ins Dichte übergehenden Kalksteine bestehen... Die Lagerung dieses Kalksteines ist der der bisherigen Nagelfluh völlig gleich... nur scheint die Fall Linie einen e~:was stärkern Winkel mit dem Horizonte zu machen, als die der nördlicher liegenden Nagelfluh. » Escher sagt, dass man daraus schliessen könnte, dass dieser Kalk der Nagelfluh aufliege, wodurch dann aber auch das höhere Alter der Nagelfluh gegenüber dem Kalke bedingt würde. « Die sich hieraus ergebende Folgerung, dass der graue Kalkstein von neuerer Entstehung sey, hat aber bey weiterer Übersicht des Ganzen grosse Schwierigkeiten: denn erstens bildet dieser hier erscheinende Kalkstein vermuthlich mehrere von ( Jen höchsten bis über 10 000 Fuss über das Meer sich erhebenden Gebirgsketten, deren Entstehung kaum der niedern Nagelfluhformation nach-gesetzt werden darf; zweytens enthält die Nagelfluh selbst Geschiebe, die wahrscheinlich aus dieser hier aufgesetzt scheinenden Kalkformation herkommen. » In einer Fussnote wird denn auch gesagt, dass das unmittelbare Aufliegen nirgends bestimmt sichtl ar sei, « wodurch also ein blosses Hinüberlehnen der ersten Alpen-Kalk-steinkette auf de Nagelfluhgebirge höchst wahrscheinlich wird, wodurch dann die Bemerkung, dass diese Lagerung das höhere relative Alter der Nagelfluhformation beweise, als unstatthaft ganz: wegfällt ».

Soweit Escher über den Kreide-Eocänzug der Rigi—Hochfluh. Von Auf-resp. Überschiebungen wusste man ja damals noch nichts. Oder liegt vielleicht doch ein solcher Gedanke vor in dem Satze « Hinüberlehnen der Kalksteinkette auf die Nagelfluhgebirge »?

Hirzel-Es eher schreibt 1829 in seiner Beschreibung einer Reise von Zürich nach cem Monte Rosa(gebiet ):

« Die Seefarrt von Weggis nach Buochs geht zwischen den sogenannten Nasen durch, welches zwey ei lander gegenüberliegende Felszungen sind, die aus südlich eingesenktem Alpenka?]ce bestehen. Wenn man die beyden, hier zunächst sich berührenden, wahrscheinlich aber in ihrem Alter sehr weit von einander entfernten, Felsgebilde der Rigi-Nagelfluh 1 Wo Eocän und Kreide, also ältere Gesteine, anstehen.

nördlich und des Alpenkalks südlich, in Verbindung mit einander betrachtet, und an beyden beynahe die gleiche südliche Schichtensenkung bemerkt, so sollte man, wenn diese Schichtung in die Höhe und Tiefe sich fortsetzend gedacht wird, glauben, den un-bezweifelten Schluss daraus ziehen zu können, der Alpenkalk müsse der Nagelfluh aufgelagert und daher jünger seyn als diese, und doch ist erwiesen dass gerade das Gegentheil der Fall ist. Ein Beweis, wie sehr man sich in Acht nehmen müsse, aus ähnlichen Schichten-stellungen, wie die obenangeführte, voreilige Schlüsse zu ziehen. » Hirzel-Escher spricht dann auch über die « vielen Granit- und Gneissblöcke », womit er die Moränen meint. « Man findet noch Granitblöcke an der halben Höhe des Rigi. » Ich will darauf nicht weiter eingehen, ebensowenig als auf die Gesteinsfältelung am Urner See, worüber schon in Scheuchzer, Ausgabe von 1752, berichtet wird.

Dagegen möge noch erwähnt werden, dass Fäsi im 2. Band, also 1766, von einem Relief berichtet, das der Obrist und Feld-Marschall Franz Ludwig Pfeifer herstelle. « Er bringt auch die Abmessungen selbst mit Wachs en Relief... Dieser Relief... auf welchem alle Höhen und Tiefen in mathematischer Verhältniss, alle Häuser, Strassen, Wälder, Schlösser behörigermassen bezeichnet und ebenfalls en Relief sind, begreift den ganzen Pilatus-Berg, einen Theil der Unterwaldner-Gebirge, den Rigiberg, samt allen den Gebirgen um den See, die Stadt Lucern... » Man vergleiche auch Imhof, Ed.: Ein grosser Alpen-Topograph... « Die Alpen », 1946. Er schreibt da: « zu jener Zeit schuf der Luzerner Generalleutnant Franz Ludwig Pfyffer sein grosses Relief der Zentralschweiz, das als ältestes und klassisches Werk schweizerischer Reliefkunst heute noch eine Sehenswürdigkeit des Luzerner Gletschergartens bildet... » Imhof nennt auch ein Rigi-Relief des Joachim Eugen Müller, « von hervorragender Qualität », das bald nach dem Goldauer Bergsturz von 1816 entstanden sein muss.

Sulzer hat sich also recht eingehend mit dem Problem der Nagelfluh beschäftigt und für seine Zeit bemerkenswerte Schlussfolgerungen gezogen.

So hat er das Seine beigetragen nicht nur zur Kenntnis des Rigi, sondern auch zur Kenntnis des geologischen Baues unserer Berge überhaupt.

Berichtigung zu S. 436, Fussnote: Heim hat in seiner « Geologie der Schweiz », Bd. I, S. 435, Zusätze und Korrekturen, diesen Irrtum richtiggestellt.

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