Jugend und Wandern
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Jugend und Wandern

Hinweis: Dieser Artikel ist nur in einer Sprache verfügbar. In der Vergangenheit wurden die Jahresbücher nicht übersetzt.

Von Otto Sempert.

Aus der Ferne grüssen blauschimmernd die Zinnen der Alpen, in die eben der Frühling mit all seinen Farben, seinem Leuchten und Blühen gestiegen ist, zu uns herunter ins Mittelland, wo schon der Sommer eingezogen ist und Wiesen, Wälder und Felder mit Duft, Summen, Gezirp und Gesang erfüllt.

Tausende und Tausende ziehen die Wanderschuhe an, schnüren den Rucksack, und die Scharen überfluten unsere Berge. Die einen reisen, weil sie Abwechslung suchen, Zerstreuung, ein Erlebnis, irgendeines. Sie tragen den Lärm der Städte, den grauen Alltag mit seiner Hast für einen Sonntag oder kurze Ferienwochen in die Stille des Bergwaldes, in den Frieden der Alpweide, und sie kehren wieder zurück, nicht besser, nicht schlechter, nicht klüger, nicht reiner, genau so, wie sie ausgezogen. Je nach Umständen schimpfen sie über den Regen, der alles verdorben, rühmen pflichtschuldig die reizende, wunderbare, grossartige, kolossale Aussicht, empfehlen schnalzend ein Bergwirtshaus mit besondern Spezialitäten und dem guten Grammophon, deuten ein pikantes Reiseabenteuer an und ahnen nicht, dass sie mit verbundenen Augen und stumpfer Seele an den Werken, den Gemälden des ewigen Meisters vorübergegangen sind. Bergfreunde werden sie nie.

Wer will ihnen einen Vorwurf machen, ihnen grollen? Sie verstehen es nicht anders, denn sie haben nie das Glück gehabt, einen Reisekameraden zur Seite zu wissen, der sie richtig wandern, der sie schauen und mit dem Er-schauten etwas anzufangen gelehrt hat. Das kann einer so wenig von heute auf morgen wie irgend etwas, und von selber gerät 's auch nur in seltenen Fällen. Es bedarf der gründlichen Anleitung und Einführung. Es ist eine grosse und dankbare Aufgabe des S.A.C., sich in vermehrtem Mass besonders der heranwachsenden Jugend anzunehmen. Die Schönheit unseres Heimatlandes verpflichtet uns, alles zu tun, um die Liebe seiner Kinder zu wecken und zu fördern.

Der S.A.C. beschäftigte sich erst seit dem Jahr 1915 mit der Schaffung von Jugendgruppen. Gelegentlich und sporadisch wurden Versuche unternommen. Der Grossteil der Sektionen stand der Sache fern und verhielt sich zurückhaltend. Die Ära des Aufblühens fällt in die Jahre 1927/28/29. Als die Jugend, die Trägerin der Zukunft, um ein zur abgeschliffenen Münze gewordenes Schlagwort anzuwenden — von allen Seiten umworben wurde, wollte der S.A.C. auch nicht länger tatenlos nebenaus stehen und sich den Nachwuchs wegnehmen lassen. In der Wegleitung zur Oltener Tagung vom 28. April 1929 heisst es: « Dem S.A.C., dem hervorragendsten Vertreter des Alpinismus in der Schweiz, liegt die ernste Pflicht ob, die angehenden Bergsteiger in seinem Sinn und Geist zu erziehen und dadurch zu verhindern, dass unsere Berge immer mehr von Leuten überflutet werden, denen jedes Rüstzeug für ein vernünftiges Bergsteigen fehlt. » Man hätte beifügen dürfen: Mit Vili24 allen ihm zu Gebote stehenden Mitteln sucht er auch der Abwanderung der Jugend zu einseitigen Sportarten mit fraglichem gesundheitlichem und ethischem Wert Einhalt zu gebieten, Stellen wir zunächst die Ziele fest, welche in den Junioren-Organisa-tionen erstrebt werden.

Der S.A.C. will der Jugend das mit unerschöpflichen Schönheiten gesegnete Heimatland erschliessen. So klein die Schweiz ist und so gut wir sie schon zu kennen glauben, wir können jede freie Stunde wandern und werden doch immer wieder und immer mehr neue Reize entdecken, denn das ans Schauen gewöhnte Auge wird in zunehmendem Mass von Schönheiten überrascht werden, an denen es früher achtlos vorüberglitt.

« Ich bin schon lange unterwegs und kenn'die Berge, Dorf und Tal; und doch, mit jedem neuen Tag seh ich die Welt zum erstenmal. » ( A. Huggenberger. ) Gewiss, jedes Land hat seine Reize. Aber an Mannigfaltigkeit der Formen und Arten im engbegrenzten Raum ist unser Vaterland von keinem übertroffen. Ich brauche das Hohelied der Schönheit der Alpenwelt nicht zu künden. Sie kennen es aus eigner Erfahrung und berufenerem Mund. Der Jugend aber wollen wir immer wieder zurufen: « Chum Bueb und lueg dis Ländli a! » und ihr als Berater und Weiser dienen.

Wir wollen einerseits Körperkräfte entwickeln und fördern, Zutrauen zum eigenen Können wecken, anderseits Gefahren vorbeugen und begegnen lehren und sinnlose Draufgängerei bekämpfen.

Weh'dem, der die Berge leichtfertigen Sinnes betritt und ihre Gefahren nicht achtet. Der bezwingt die Berge nicht, die Berge bezwingen ihn. Der Jugend aber ist Gefahr oft ein leeres Wort. Bei ihr haben kühles Abwägen, weises Zurückhalten, sorgfältiges Überlegen kein Heimatrecht. Sie will das Wagnis, den ganzen Einsatz, die unerhörte Spitzenleistung. Dagegen ist nichts einzuwenden, das möge ihr ungeschmälertes Vorrecht bleiben. Nebenbei bemerkt, ist aus dieser Einstellung heraus schon Grosses, Wertvolles geschaffen worden. Und dennoch müssen wir dem hemmungslosen Tatendrang Zügel anlegen: Es gilt, das Gefühl der Verantwortung zu wecken, gegenüber sich selbst, der Familie, der ganzen Umwelt. Wir wollen ausgiebige Wanderungen, Bergfahrten, die Anforderungen stellen, aber wir wollen auch all das verhindern, was auf Effekthascherei, Rekord, Protzentum hinausläuft, der Überhebung ruft und früher oder später die Entfremdung von unserer Sache oder — das Unglück zur Folge hat. Dabei denke ich nicht einmal an ein Ende mit Schrecken in Eis oder Fels, sondern an eine ganz ruhmlose Schädigung der noch nicht fertig ausgebildeten Organe, an der einer sein Leben lang zu tragen hat. Unsere jüngsten Mitglieder verschliessen sich der Mahnung des erfahrenen Bergfreundes nicht, wenn er ihnen sagt: Es ist falsches, lächerliches Heldentum, wenn einer ohne genügendes Rüstzeug und in falscher Einschätzung der Kräfte blindlings auf ein Ziel zusteuert, das er nicht oder nur mit unmenschlicher Anstrengung erreicht. Übertut euch nicht, unternehmt ' ..... /...

nichts, was euch schon bei normalem Verlauf der Dinge bis ans Ende der Leistungsfähigkeit bringt; leicht kann etwas Unvorhergesehenes eintreten, und dann seid ihr froh um die Kraftreserve.Vieles gibt 's noch zu lernen, von der zweckmässigen Ausrüstung — die könnt ihr nicht fixfertig im Sporthaus kaufen, jeder muss zuerst durch Erfahrung wissen, was sich für ihn als das beste eignet — von der Ernährung, vom Kartenlesen, von der Kompassverwendung, kurz, vom Wegsuchen im unbekannten Gelände. Das sind alles Dinge, die euch nicht eine gütige Fee über Nacht in den Schoss wirft, die müsst ihr euch selber erarbeiten, dann werdet ihr gute Bergkenner und Bergführer werden.

Und auch ein bisschen in Wissensbildung wollen wir machen. Der eine hat eine botanische Ader und ist begierig, möglichst viel Alpenblumen kennen zu lernen; der zweite ist bestrebt, Berge, Flüsse, Dörfer fein säuberlich geordnet in seine Gedächnisschubladen einzupacken; dem dritten kann man nicht viel genug über geologische Formationen erzählen. Die Belehrung mag nebenher mitgehen und im einen und andern Fall ganz wertvolle Erkenntnisse vermitteln und auf angenehme und lebenswahre Weise Bildungslücken ausfüllen, das Wesentliche aber ist sie nicht. Walter von der Vogelweide war ein botanisches und zoologisches Waisenkind; er kannte nur « bluomen unde gras » und « die kleinen vogellîn » und hat doch die Natur geliebt und besungen wie wenige nach ihm. Solche Belehrungen hängen übrigens ganz von der wissenschaftlichen Reife der Reisebegleiter ab. Für alle Fälle mag dem Führer wegleitend sein, dass er gegenüber allzu Wissenshungrigen lieber einen leeren Schulsack präsentiert, als wenn er auf Nomenklaturen reist, die nicht stimmen, oder seine Weisheit obenhin angelernter Wortschwall ist und der Gründlichkeit entbehrt.

Eines aber ist von grösster Bedeutung. Wo du hinkommst, schau dir die Leute an. Beobachte, was und wie sie arbeiten, wie sie leben; lerne ihre Sorgen und Mühen, ihre Leiden und Freuden kennen. Dann werden sich dem Wanderer und Bergfreund ungeahnte Einblicke eröffnen, und er wird heimkehren mit reichem innern Gewinn. Er wird seine Volksgenossen verstehen lernen und besonders den Wert derer erfassen, die in stillem, zähem Kampf mit der rauhen, kargen Bergnatur ihr äusserlich armselig Leben fristen. Vergiss nicht, dass die meisten von ihnen auf der Schattenseite des Lebens wandern und dass sie dir für einen freundlichen Gruss oder eine kleine Gefälligkeit dankbarer sind, als ihre verschlossenen Gesichtszüge verraten mögen.

Und noch etwas will die Jugendorganisation pflegen: treue Kameradschaft, jederzeitige Hilfsbereitschaft. Die heute oft geschmähte Jugend ist, von seltenen Ausnahmen abgesehen, in dieser Beziehung viel besser als ihr Ruf. Das gegenseitige Anpassen ist indes durchaus nicht immer leicht und verlangt oft viel Einsicht und grosse Opfer. Der physisch Starke fühlt sich durch den Schwächern gehemmt; bei diesem kommen leicht Minderwertigkeitsgefühle auf, die ihm die Ferientage, die doch frohe Sonnentage sein sollten, zur unsäglichen Qual machen können. Jeder muss sich anpassen, gern und freudig muss er einen Teil seines Ichs, des vielleicht schon sehr ausgeprägten Eigensinns, aufgeben. Ein feiner Wanderkamerad ist jedes andern Freund und Diener zugleich.

Dem heranwachsenden Geschlecht die Schönheiten unserer Heimat zeigen, seelische, geistige und körperliche Kräfte steigern, den Volksgenossen und die Natur kennen und das Leben all ihrer Kinder achten und lieben lehren, das will der S.A.C. mit seinen Jugendbergfahrten. Und wenn er dabei hofft, dass ihm später aus diesem Nachwuchs treue Mitglieder zufliessen werden, so ist dies ein Nebenzweck, den ihm niemand verargen wird.

Während die Zielsetzung kaum Schwierigkeiten bereitet, gehen die Meinungen über die " Wege zum Erfolg teilweise sehr auseinander.

Einigkeit herrscht wohl in allen Lagern des S.A.C. darüber, dass eine besondere straffe Organisation nicht vonnöten ist. Wir wollen keinen neuen Verein mit Paragraphen, Kommissionen, Stempeln, Briefpapier mit Firma-aufdruck. « Nicht Beglemente, Freude, warmblütige Herzensfreude muss her! » äusserte sich ein Teilnehmer an der erwähnten Oltenertagung. Ich bin der Ansicht, dass man selbst ohne Beiträge ganz gut auskommen kann. Auch das besonders geschaffene, in seiner Form recht hübsche Junioren-Abzeichen finde ich überflüssig, obschon ich ihm eine gewisse werbende Eigenschaft nicht absprechen möchte. Aber eine gute Idee, getragen und gefördert durch begeisterte Freunde, setzt sich auch ohne äussere Dekoration durch.

In der Durchführung der Jugendwanderungen war den Sektionen und Ortsgruppen von Anfang an weitgehende Freiheit eingeräumt. Das ist gut. Die Verhältnisse zu Stadt und Land, von Kanton zu Kanton, sind so grundverschieden, dass Zentralisierung und langweilige Gleichmacherei jede Weiterentwicklung verunmöglicht und den tödlichen Keim in die junge Bewegung gepflanzt hätten. Wesentlich ist allein, dass sich allüberall Bergfreunde finden, welche auf Grund guter Kenntnisse der Ortsverhältnisse den Weg einschlagen, der für ihren Wirkungskreis der rechte ist.

Wenn wir einige wichtige Fragen von allgemeiner Bedeutung näher erörtern werden, so geschieht es ausdrücklich unter dem gemachten Vorbehalt, dass sich eines nicht für alle schickt.

Welche Altersstufen soll eine Jugendgruppe umfassen? Als unterste Grenze könnten wir das zurückgelegte 15. Altersjahr festsetzen. Nun kann man aber den Leuten nicht wohl den Geburtsschein abverlangen. Zudem würde eine strikte Durchführung der Forderung zu Unzufriedenheit und Verärgerung führen. Irgendeine Linie müssen wir natürlich ziehen, denn allzu grosse Altersunterschiede gefährden das Gelingen einer Wanderung. Wir werden gut tun, das gesetzlich schulpflichtige Alter auszuschliessen. Dass das Obligatorium des Schulbesuches in einigen Kantonen 8 Jahre ( es ist die überwiegende Mehrzahl ), in andern 7, in einigen 9 Jahre umfasst, tut nicht viel zur Sache. Nach oben braucht man es noch weniger genau zu nehmen. Im allgemeinen werden Wandergefährten über 20 Jahre zur seltenen Ausnahme gehören.

An der Spitze des Arbeitsprogramms einer Jugendorganisation steht die Ferienwanderung von 7- bis Htägiger Dauer. Die Zahl der Teilnehmer ist vom Reiseprogramm und von der Zahl der erwachsenen Begleiter abhängig.

Je grösser sie ist, desto schwieriger gestalten sich Quartier-, Verpflegungs-, Disziplinfragen. Über 20 sollte sie nicht gehen. Ebenso weises Mass ist bei der Zahl ( und Wahl ) der Begleitpersonen nötig. Das günstigste Verhältnis erblicken wir darin, wenn es auf 4—6 Jugendliche einen Erwachsenen trifft.

Während bei der Einbeziehung von 15—20jährigen die Marschzeiten und Tagesleistungen für die Altern richtig dosiert sein mögen, können sie für die junge Garde die Grenzen der Leistungsfähigkeit streifen. Müde ist natürlich nie einer. Die tapfern kleinen Männer fielen eher um, bevor sie sich zu diesem Geständnis erniedrigten. Passt man sich den Jungen an, so kommen die Grossen nicht auf ihre Rechnung und bezeichnen unsere Bergfahrt als Schul-bummel in verbesserter Auflage. Es sollte, wenn immer möglich, eine Zweiteilung vorgenommen werden: 15. bis 17. Jahr, 17. bis 20. Jahr. Dann wäre allen geholfen, nicht zuletzt der Leitung. Bei Aufstellung der Wanderprogramme könnte in vermehrtem Mass Rücksicht auf die körperliche Leistungsfähigkeit der Teilnehmer genommen werden.

Überhaupt, was darf vom jungen Bergsteiger verlangt werden? Welche Marschleistung ist zuträglich bei einer Folge mehrerer Reisetage? Da tappen wir Laien im Dunkeln. Wir vermissen die Wegleitung des Kompetenten, des Arztes. Das mit dem Selbermerken ist so eine Sache. Leiter von Jugendwanderungen sind gewöhnlich begeisterte Alpinisten. Sie legen allzugern ihren eigenen Masstab an und nehmen zu wenig Bedacht auf die physiologische Beschaffenheit des Körpers des Jugendlichen. Andere sind wieder zu ängstlich, sie schalten Ruhepausen und Rasttage ein und müssen dann erleben, dass ihre Schutzbefohlenen ärger herumtollen und sich müder springen, als wenn sie mit ihnen einen währschaften Gipfel erobert hätten. Wo liegt die goldene Mitte?

Die Wanderungen können auf zwei verschiedene Arten durchgeführt werden. Die eine ist die Kreuz- und Querfahrt, die fortlaufende Fahrt von einem Ort zum andern. Sie setzt einigermassen geübte Gänger voraus und bedarf eines sorgfältigen Vorstudiums, einer Organisation bis ins kleinste. Weil der Wettergott nicht mit sich paktieren lässt, ist die Route zum vornherein so anzulegen, dass sie möglichst von jedem Tagesziel aus aufs Schlechtwetterprogramm umgestellt werden kann, so dass jeweils doch noch etwas herausschaut und man nicht verurteilt ist, in Weltabgeschiedenheit tatenlos auszuharren, bis die Zeit vorüber oder der Rucksack leer ist. Empfehlenswerter, besonders für die Jüngern Jahrgänge, ist die Wahl eines Standquartiers, das als « Operationsbasis » dient. Die Verproviantierung gestaltet sich auf diese Weise viel einfacher, das Kochen frisst weniger Zeit weg, Ermüdete und Un-pässliche müssen nicht mitgeschleppt werden, Schlechtwetterperioden wirken sich im allgemeinen weniger einschneidend aus. Dafür ist die andre Art romantischer — « gerissener » sagen unsere Jungen — und erfüllt eher die uralte Wandersehnsucht, die in uns allen schlummert.

Ein Problem von grösster Tragweite ist die Geschlechterfrage, die Durchführung von Wanderungen in Gruppen, die Söhne und Töchter umfassen. Hier prallen die Meinungen zusammen. Weil die massgebenden Führer der Jugendbewegung verschiedener Ansicht sind, blieb nichts anderes übrig, als den Sektionen Freizügigkeit einzuräumen. Trotz Würdigung der mannigfachen Vorteile, die eine gemischte Abteilung bietet, rate ich eher davon ab. Man mag den ersten Punkt meiner Begründung kleinlich finden: Ich fürchte den Widerspruch der öffentlichen Meinung, besonders in ländlichen und kleinstädtischen Verhältnissen. Wir haben Widerstände genug zu beseitigen und wollen uns nicht von Anfang an eine Gegnerschaft zuziehen, die unser kaum ins Leben gerufenes Unternehmen mit ethischen und pädagogischen Einwänden und Bedenken totschlägt. Dabei denke ich nicht an Moralisten aus Profession, sondern an besorgte Eltern, die — vielleicht mit Vorurteilen behaftet — dem modernen Grundsatz des Zusammenlebens, den gemeinsamen Ausflügen keinen Geschmack abgewinnen können. Aber, wie gesagt: Hier gehen die Meinungen auseinander, und wenn Heinrich Zogg in St. Gallen, einer der ersten Pioniere der Jugendwanderungen unter der Ägide des S.A.C., erklärt hat, wenn den Sektionen nicht die Möglichkeit geboten werde, auch Töchter zu berücksichtigen, so ziehe er eher seine Konsequenzen und gehe, bevor er sich einem kategorischen Imperativ füge, so wird der erfahrene Erzieher seine guten Gründe dafür haben. Wenn ich gegen die gemischten Gruppen bin, so hat dies seinen Hauptgrund darin, weil ich nicht die Organisation der Ferienwanderungen in ganz ausserordentlicher Weise erschwert wissen möchte. Im allgemeinen reagiert der weibliche Körper — es ist darauf hinzuweisen, dass wir es mit jugendlichen, selten durchtrainierten Leuten zu tun haben — auf Witterungseinflüsse, durch unvorhergesehene Ereignisse bedingte Überanstrengungen in viel empfindlicherer Weise als beim männlichen Geschlecht. Nicht aussèr acht lassen wollen wir den Umstand, dass sich zwischen einzelnen Teilnehmern Beziehungen bilden können, die in ihren Auswirkungen das Gelingen einer Tur zu beeinträchtigen vermögen. Die gegenseitige Ansicht aber hat auch vieles für sich: Lasst die Leute ruhig miteinanderziehen; in unserer schönen, reinen, starken Bergwelt werden auch das Fühlen und Denken gesund, rein und natürlich sein, nur keine gouver-nantenhafte Ängstlichkeit! Jede Sektion, die Jugendwanderungen durchführt, mag tun, wie sie für gut findet, sie darf nur nicht vergessen, dass die Verantwortung der Leiter bei gemischten Gruppen eine wesentlich grössere ist und dass einige wenige, vielleicht belanglose oder auch nur vermeintliche Un-schicklichkeiten genügen können, um das ganze Unternehmen in weiten Schichten zu misskreditieren.

Mit den Ferienturen erschöpft sich das Programm der Jugendorganisationen keineswegs. 1- bis 134tägige Vorturen schaffen das nötige Training und bringen die Leute einander näher, so dass sie die « grosse Reise » schon als gute Kameraden antreten. Vorträge alpinistischen Inhalts finden dankbare Zuhörer, praktische Übungen in Kartenlesen und Kompassverwendung aufmerksame Teilnehmer. Kletter- und Eistechnik gehören nicht in die Jugendorganisation. Es ist nicht unbedingt nötig, dass zwanzigjährige Leute, wenigstens ihrer eigenen Meinung nach, fertige Alpinisten sind, denen der S.A.C. nichts mehr bieten kann, weil sie schon alles « gehabt haben ».

Viele Dinge, die für die Organisation von grosser Tragweite sind, wie Leiterkurse, Finanzierung der Wanderungen, Wintertätigkeit, Ernährungs- fragen, Propaganda, konnten im Rahmen dieser Besprechung nicht erörtert werden.

Möge die Entwicklung der Jugendgruppen des S.A.C., die in den letzten Jahren einen so erfreulichen Aufschwung genommen, weiter um sich greifen und sich vor allem vertiefen, mögen sich in jeder Sektion, in jeder grössern Ortschaft Bergfreunde finden, die sich als Berater und Führer der Jugend zur Verfügung stellen! Eine schöne, dankbare Aufgabe wartet ihrer, eine Arbeit, die Freude macht. Gewiss, leicht ist sie nicht; sie erfordert volle Hingabe. Aber der herzliche Abschiedsgruss eines jungen Bergsteigers mit geschmeidigen Gliedern und klarem Sinn, der aufrichtige Dankesblick aus frischen Augen des Wandergefährten, die das Leuchten der Firne mit ins Tal genommen haben, wiegen die Arbeit und das geringe Opfer, das sie einer edlen Sache dargebracht haben, vielfältig auf.

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