Klettern: Ein Kapitel geht zu Ende Cédric Lachat tritt ab
Nach 15 Jahren Spitzensport hat Cédric Lachat beschlossen, mit Wettkampfklettern aufzuhören. Porträt eines schweizerischen Ausnahmekletterers.
Was einen beeindruckt, wenn man Cédric Lachat begegnet, ist seine Entschlossenheit, der Beste sein zu wollen. Er erklärt ohne Umschweife: «Schon als Kind war klar: Wenn ich an einem Wettkampf teilnehme, dann um zuoberst auf dem Podium zu stehen! Mein Traum war es, zu einem Aushängeschild des Kletterns zu werden.» Seiner Kämpfernatur schreibt er seine Erfolge zu, die er mit viel Arbeit und Disziplin erreicht hat. «Ich war immer schon ein Draufgänger, selbst wenn das Risiken mit sich brachte. Ich habe das Glück, sehr grosses Vertrauen in mich selber zu haben.»
Der Weg eines Champions
Cédric Lachat wurde am 17. August 1984 im jurassischen Porrentruy geboren. Im Alter von zehn Jahren entdeckte er das Klettern, als sein älterer Bruder in diesen Sport einstieg. Für Cédric war klar: Das mache ich auch. Dann führt eines zum anderen. Bereits mit zwölf Jahren widmet er seine ganze Freizeit der neuen Leidenschaft. Seine Leichtigkeit und seine Beweglichkeit fallen sofort auf. Ein Jahr später wird er in die Nationalmannschaft katapultiert. Mit 14 Jahren steht er zwar noch nicht zuoberst auf dem Treppchen, aber dafür auf allen Podien des Europacups. Da er keine Lust auf Schule hat, macht er eine Lehre als Sanitärinstallateur. Seine Eltern und der SAC erkennen sein grosses Talent und unterstützen ihn. Mit 17 gewinnt er die Junioren Weltmeisterschaft in Canteleu (F). Von da an ist er der beste Schweizer Kletterer auf der Tour, bis er 2013 zurücktritt. «Es hätte keinen besseren Botschafter für das Wettkampfklettern in unserem Land geben können», gesteht Hanspeter Sigrist, Chef des Bereichs Leistungssport im SAC. «Seine guten Resultate auf internationaler Ebene und seine Konstanz sorgten für einen eigentlichen Boom des Sportkletterns in der Schweiz.»
Er verfügt nicht nur über ausserordentliche körperliche Fähigkeiten, sondern liebt darüber hinaus auch die persönliche Herausforderung. «In allem, was ich mache, gehe ich ans Limit. Ich liebe die Herausforderung, nicht durch die anderen Kletterer, sondern durch mich selber. Ich liebe es, einem Problem gegenüberzustehen und es lösen zu müssen.» Zu seinem eisernen Willen gesellt sich eine knallharte Disziplin. Seine Jugendzeit gleicht einem einzigen ehrgeizigen Training. «Dem Willen, der Beste zu sein, habe ich meine Jugend geopfert. Wenn man dieses Ziel hat, ist jedes Detail, zum Beispiel der Schlaf oder die Ernährung, genau berechnet. Aber ich bedaure nichts, denn für nichts gibts nichts.» Cédrics Seriosität hat seine Kameraden im SAC Swiss Team geprägt. «Er war während eines Wettkampfs extrem konzentriert auf seine Ziele», sagt Kevin Hemund mit einem Lachen. Ab der Saison 2002 gehören Podestplätze an internationalen Wettbewerben für Cédric zur Tagesordnung. Sein Palmarès ist voll von Siegen in den Disziplinen Lead (Schwierigkeit) und Bouldern. Welches ist für Hanspeter Sigrist sein schönster Erfolg? «Das war 2010 in Innsbruck. Wie üblich trat Cédric in allen Disziplinen an und legte die Latte sehr hoch. Am letzten Wettkampftag ging er nach seinem Misserfolg im Schwierigkeitsklettern vom Vortag mit schwer angeschlagener Moral an den Start und wurde Europameister.»
Ein für alle Mal
Vor acht Jahren ändert ein Ereignis sein Leben. Cédric läuft der Bündner Kletterin Nina Caprez über den Weg. Seine Vision des Kletterns entwickelt sich. «Mit Nina zusammen gab es keine Hindernisse mehr. Wir begannen, gemeinsam von Projekten, Abenteuern und Reisen zu träumen.» Sie lassen sich in Frankreich, in Grenoble, nieder. In der Nähe von allem: den Klettergebieten im Süden und denjenigen im Heimatland. Auch eine höhere Lebensqualität erreichen sie. «Wir können zwar als Einzige in der Schweiz vom Klettern leben, aber es ist nicht einfach. In Frankreich zu leben, erleichtert die Aufgabe enorm.» Sie kaufen eine Wohnung und bringen sie auf Vordermann. Cédric beginnt ein Studium in Speläologie mit der Aussicht auf ein staatliches Diplom. In dieser Zeit gelingen schöne Erfolge, so 2011 das Enchaînement der Route Silbergeier (8b+) im Rätikon. Ein Film erzählt dieses Abenteuer humorvoll.
Im Lauf der Jahre nimmt der Appetit aufs Wettkampfklettern ab. «Es ist schwer, den Druck auszuhalten, man muss immer in Topform sein, Resultate bringen, kurz: Man opfert alles, aber alles kann zusammenbrechen von einem Tag auf den anderen, und du stehst ohne Arbeit da, vergessen von allen Normalsterblichen.»
Auch der Kunststoff verliert langsam an Anziehungskraft: «Anfänglich war etwas Spielerisches dabei, wenn man sich mit den Griffen auseinandersetzte und über sich hinauswuchs, um einen Zug zu vollenden. Aber am Ende bist du halt doch einfach eingeschlossen in einer Halle und hast einen Griff aus Kunststoff in der Hand.» Und als ob das nicht genug wäre, legt die nachfolgende Generation von Kletterern die Messlatte noch höher. «Es gibt Kletterer, die sind viel besser als ich, zum Beispiel Adam Ondra. Die machen völlig abgedrehte Sachen! Ich bin gespannt, zu sehen, was herauskommt, wenn es in diesem Rhythmus weitergeht», gesteht Cédric. Im Lauf der letzten Jahre beschliesst er, die Kommunikation mit den Medien und den Sponsoren zu intensivieren. Sein Ziel: aus dem Wettkampfsport aussteigen, aber weiterhin vom Klettern leben. Es war nach seinem guten Resultat in Briançon im Juli des letzten Jahres, als er seinen Rücktritt bekannt gab. «Ich habe immer gesagt, ich trete als Champion zurück und nicht als Verlierer.»
Weg frei fürs Abenteuer!
«Ich blicke zufrieden auf meine Karriere zurück, und ich denke, ich habe ein schönes Bild des Kletterns rübergebracht. Dieser Sport beschränkt sich nicht auf Resultate. Er ist auch eine Quelle der Freude», erläutert Cédric. Er plant seine Zukunft mit Bedacht; als Nächstes ist der Abschluss seiner Ausbildung an der Reihe. Daneben klettert er weiter. Auch in dieser Beziehung fehlt es nicht an Plänen. Anfang nächsten Jahres wird er im Rahmen einer Höhlenexpedition sechs Wochen in Papua-Neuguinea verbringen. Ebenfalls 2014, aber zusammen mit Nina wird er das Enchaînement einer grossen Route in den Picos in Spanien versuchen. Aber das ist noch nicht alles: «Wir haben jede Menge Pläne im Ausland, im Yosemite, in China, aber auch in der Nähe. Das Wichtigste ist natürlich, weiterhin zu trainieren, um in Form zu bleiben, aber vor allem, um schöne Abenteuer in der Natur zu erleben.»