Künstler, Kletterer und Chemiker in einem
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Künstler, Kletterer und Chemiker in einem Das Handwerk hinter dem perfekten Griff

Einst wurden sie von Amateuren aus sperrigem Holz hergestellt. Heute erfordert die Herstellung von Klettergriffen professionelles Know-how.

Ob gross oder klein, gelb oder grün, eckig oder rund: Was den perfekten Klettergriff ausmacht – da gehen die Antworten weit auseinander. Für Benjamin Blaser, Profisportler und Sportverkäufer, muss er gut in der Hand liegen, vielseitig einsetzbar sein und gut fixiert werden können. Die Physiotherapeutin Barbara Gubler-Gut lässt ihre Patienten gerne an ergonomischen Griffen mit weichen, runden Formen klettern. Und für den Routenbauer und Griffdesigner Manuel Hassler ist ein Griff gut, wenn er herausfordert, zu Spitzenleistungen antreibt und in seiner Art dennoch simpel ist.

So vielfältig die Vorstellungen, so gross ist mittlerweile das Angebot. Für Kinder, für Kranke, für die breite Masse, die sich gerne in der Halle austobt, oder für die kleine Elite an Spitzensportlern: Der Markt deckt heute fast alle Wünsche ab. «Die Dynamik der letzten Jahre ist enorm», sagt Matthias Bürgi, Geschäftsführer eines Vertriebs für Kletterartikel. Als Vertreter von Kletterprodukten hat er die rasante Entwicklung hautnah miterlebt.

Vom Einzelbastler zur Maschinenproduktion

Die Entwicklung war enorm: Noch vor 40 Jahren, als in England die ersten Kletterwände errichtet wurden, gab es nur Griffe aus kantigem und sperrigem Holz – schon allein vom Ansehen müssen den Kletterern die Hände geschmerzt haben. 1983 dann model­lierte der französische Kletterer und Industriedesigner Francois Savigny den ersten Griff aus künstlichem Material, nämlich aus einer Mischung aus Beton und Kunstharz. Mit seiner Firma Entre Prises, die bis heute zu den führenden Herstellern von Kletterwänden und -zubehör gehört, verkaufte er die ersten Griffe kommerziell. Und traf damit den Nerv der Zeit: Die Idee fand rasch Nachahmer rund um die ganze Welt.

Mit Ton, aber auch aus Stein, Holz und Kunststoff kreierten Kletterbegeisterte ihre eigenen Griffe. Wenig später wurden die ersten aus Hartschaum modelliert und in Silikonformen gegossen. Dabei setzten die Produzenten auf Polyesterharz und gaben für einen besseren Abrieb Sand oder Zement dazu. Diese Anfertigungen erstellten die Griffdesigner meist in kleinen Auflagen in Garagen oder alten Lagerhäusern.

Auf die Mischung kommt es an

Heute hat sich vieles professionalisiert. «Rund 40 bis 50 Hersteller mischen mit», so Bürgi. Mit dabei sind auch zwei Schweizer Firmen: Siwa und Flathold. Während Siwa ihre Griffe in der Schweiz produziert und hauptsächlich den heimischen Markt beliefert, hat sich Flathold den internationalen Absatzgebieten verschrieben. Mittlerweile exportieren die zwei Bieler – ein Routenbauer und ein Künstler – in 13 verschiedene Länder. Vor zwei Jahren haben sie die Produktion nach Bulgarien ausgelagert. Sie stehen damit nicht alleine da. «Ein Engländer hat sich dort auf die Herstellung von Griffen spezialisiert. Er produziert für verschiedenste Firmen», sagt Geschäftsführer Manuel Hassler. Rund 50% der Griffe, die in Europa vertrieben werden, kommen mittlerweile aus dem Osten.

Dies kommt nicht von ungefähr: Der besagte Engländer ist Chemiker und kennt sich mit den verschiedensten Materialien aus. «Wir haben lange an der richtigen Mischung rumgetüftelt», sagt Hassler. Flathold setzt – wie immer mehr andere Hersteller auch – auf pures Polyurethan (PU). Damit lassen sich je nach Mischung fast beliebig harte oder weiche, starke oder schwache, spröde oder flexible Produkte herstellen. Allen voran im Bau und in der Industrie ist PU seit Langem anzutreffen – beispielsweise als Klebe- oder Dichtstoff. Die Oberflächenbeschaffenheit lässt sich durch die genaue Zusammensetzung des Materials steuern. Im Fall der Klettergriffe kann man die PU-Zutaten so wählen, dass ein sehr hartes, dichtes und raues Produkt entsteht. Einen Nachteil sieht Hassler bei der Oberflächenstruktur: «Der Abrieb könnte besser sein.» Hingegen ist das Material punkto Robustheit ein Renner. «PU bricht so gut wie nie», betont Hassler. Ein nicht unterschätzbarer Vorteil in Kletterhallen. Schliesslich sollen die Griffe weder beim Schrauben noch beim Treten brechen.

Eine Geldfrage

Das ist auch den Behörden ein An­liegen. Seit Anfang 2009 regeln DIN-Vorschriften grundlegende Sicherheitsstandards von künstlichen Klettergriffen. In dem umfassenden Regelwerk ist unter anderem festgehalten, dass Griffe keine scharfen Kanten oder Grate haben dürfen. Zudem muss jeder Klettergriff mit einem Bruchschutz, einem Netz innerhalb des Klettergriffes, versehen sein. Dieses soll verhindern, dass Teile herunterfallen und zu bösen Unfällen in Kletterhallen führen könnten. Auch wenn die Normen nun schon seit fünf Jahren auf dem Blatt bestehen – in der Realität finden sie wenig Anklang. «Es gibt zwar die offiziellen Standards. Aber nur die wenigsten Hersteller halten sich wirklich daran», sagt Bürgi.

Dabei geht es vor allem auch um Geld. Die Herstellung mit integriertem Netz ist teuer. Es fehlt an geeigneten Testmaschinen, wie es sie beispielsweise bei Seilen gibt. Dazu kommt die rasante Entwicklung des Sports, die einige Vorschriften links überholt hat. Klar ist: Die wachsenden Ansprüche an Sicherheit, Material und Ergonomie machen das Designen von Griffen auch in Zukunft spannend. Bürgi formuliert es so: «Heute sind gute Griffproduzenten Künstler, Kletterer und Chemiker in einem.»

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