Lawinenrisiko vermindern. Strategisch angehen
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Lawinenrisiko vermindern. Strategisch angehen

Lawinenrisiko vermindern

Warum es zu einer Lawinenauslösung kommt, ist bis heute nicht im Detail bekannt. Man kennt jedoch wichtige Grundfaktoren und deren Kombination, die häufig zu Lawinenniedergängen führen. Mit diesen Regeln wird auch in der Praxis gearbeitet, um das Lawinenrisiko zu vermindern. Alle Methoden und Strategien sind aber letztlich Werkzeuge, die auch bei korrektem Einsatz ein Restrisiko nicht ausschliessen.

Um mit diesen Regeln richtig umzugehen und die entsprechende Entscheidung zu treffen, sind verschiedene methodische und didaktische Strategien ausgearbeitet worden.. " " .Als Vorreiter gilt die von Werner Munter bereits vor 10 Jahren entwickelte Reduktionsmethode. Neuerdings zirkulieren im Alpenraum weitere Strategien, die von den Alpin-Verbänden unserer Nachbarländer teilweise unterstützt werden und häufig auf den Ideen von Werner Munter aufbauen wie z.B. Snow-Card/Faktorencheck, Stop or Go und der NivoTest. Der folgende Überblick beschreibt diese Methoden kurz, wobei auf eine Bewertung bewusst verzichtet wird. 3ϫ3-Reduktionsmethode – die Filter-Methode 1

Die Lawinen bildenden Faktoren Verhältnisse ( Schneedecke und Wetter ), Gelände und Mensch werden auf drei verschiedenen Ebenen immer wieder neu beurteilt – gefiltert – mit dem 1. Filter « Planung zu Hause », dem 2. Filter « lokale Beurteilung im Gelände » und dem 3. Filter « Einzelhangbeurteilung ». Als Pla-nungs-/Kontrollinstrument auf den verschiedenen Ebenen arbeitet die Reduktionsmethode mit der Festlegung einer so genannten Messlatte als oberstem Limit ( Restrisiko = 1 ). Grundlage für die Reduktionsformel ist die Gefahrenstufe des Lawinenbulletins, wo die Bedingungen der aktuellen Verhältnisse festgelegt sind. Die Reduktionsfaktoren stammen aus statistischen Auswertungen von Lawinenunfällen. Sie bestehen aus den Geländefaktoren Hangneigung und Exposition sowie aus den menschlichen Faktoren Gruppengrösse und Abstände. Eine einfache Art, das Lawinenrisiko bereits deutlich zu reduzieren, bietet die so genannte elementare Reduktionsmethode, bei der je nach Gefahrenstufe des Lawinenbulletins auf gewisse Hangneigungen verzichtet wird. Die elementare Reduktionsmethode ist im ersten Baustein von « Stop or Go » integriert und dort abgebildet ( vgl. weiter unten ). Autor dieser Methode ist Werner Munter; verwendet wird sie in allen Alpenländern ( Schweiz bei J+S, SAC, SSV, SBV ) sowie teilweise in Kanada und in den USA.

Snowcard/Faktorencheck – « nicht wissen = ungünstig » 2

Die Snowcard besteht aus einem Hologramm, das durch Kippen zwei unterschiedliche Grafiken ( günstige und ungünstige Expositionen ) sichtbar macht. Mit dem Gefahrengrad aus dem Lawinenbulletin und der im Gelände geschätzten oder auf der Karte gemessenen Hangneigung kann das Lawinenrisiko im Fall

Die « Snowcard », im deutschsprachigen Alpenraum verbreitet, enthält ein Hologramm, das durch Kippen zwei unterschiedliche Grafiken – günstige und ungünstige Exposition – sichtbar macht ( Abb. nicht mass-stabgetreu ).

Fo to s: zv g DIE ALPEN 11/2001

einer Begehung anhand der Farben Grün, Gelb, Rot abgelesen werden. Ohne zusätzliche Informationen zu beispielsweise Exposition, Hangform oder Schneebeschaffenheit werden alle Hänge primär als ungünstig angenommen. Erst mit Zusatzwissen und Begründung kann ein Hang als günstig angesehen werden. Das Verzichtpotenzial ist vergleichbar jenem der Reduktionsmethode. Die Anwendung wird je nach Wissensstand und Information in so genannte « Beurteilungs-levels » abgestuft. Das heisst, auf der untersten Stufe kennt man nur die Gefahrenstufe des Lawinenbulletins und wichtige Alarmzeichen für Lawinengefahr. Je besser man die Gefahrenstellen im Gelände differenzieren kann, desto höher ist das Beurteilungslevel. So muss unter Umständen auch ein Fortgeschrittener oder Profi in einem neuen Gebiet und bei ungenügender Kenntnis der Schneeverhältnisse vor Ort bei einem unteren Level beginnen. Der Faktorencheck hilft, die Lawinen bildenden Faktoren ( Verhältnisse, Gelände, Mensch ) miteinander zu kombinieren, wobei wieder von « Nichtwissen » als « ungünstig » ausgegangen wird.

Die von Martin Engler erarbeitete « Snowcard » ist im deutschsprachigen Alpenraum ( v. a. Deutschland: DAV, DSV, Bundeswehr ) verbreitet.

Stop or Go – « Gefährlich für mich ?» 3

« Stop or Go » kombiniert die elementare Reduktionsmethode von Werner Munter ( sog. Check 1 ) mit einer Checkliste von fünf Gefahrenzeichen, die nach ihrer Gefährlichkeit beurteilt werden müssen ( sog. Check 2 ). Erlaubt Check 1 weiterzugehen, so folgt Check 2 mit der für jedes Gefahrenzeichen ( Neuschnee, Triebschnee, beobachtete Lawinen, Durchfeuchtung und Setzungsgeräusche ) zu beantwortenden Frage « Ist dies gefährlich für mich ?». Wird dabei eine Frage mit Ja beantwortet, ist Umgehung bzw. Verzicht angesagt ( Stop or Go ). Neben den Beobachtungen im Gelände, die teilweise Erfahrung voraussetzen, helfen sog. Standardmassnahmen, das Risiko zu reduzieren. Verschiedene Punkte werden empfohlen für die Planung ( z.. " " .B. Lawinenbulletin ), für den Aufstieg ( z.. " " .B. VS-Check ) und für die Abfahrt ( z.. " " .B. Abstände ).

Autoren sind Michael Larcher und Robert Purtscheller, verbreitet ist die Methode in Österreich ( ÖAV )

NivoTest – der Rechenschieber 4

Der NivoTest ist ein kleiner Rechenschieber mit einer Zählscheibe und einem Katalog von 25 Fragen zu den Themen Wetter, Schnee, Beobachtungen, Gelände und Mensch. Bei jeder Frage, die mit Ja beantwortet werden kann, muss die Zählscheibe mit der zur Frage gehörenden Zahl aufaddiert werden. Nach der Beantwortung aller Fragen wird man auf der Rückseite der Zählscheibe über das aktuelle Risiko, das man eingeht, informiert (,, ). Je grösser die Punktzahl, desto höher das aktuelle Risiko. Robert Bolognesi, MeteoRisk, Sion, ist Autor des NivoTests, der in Teilen Frankreichs ( CAF ) und der Schweiz ( Organisation Cantonale Valaisanne des Secours OCVS ) verbreitet ist.

1 Vgl. www.slf.ch/info/tour0-de.html; Munter Werner: 3ϫ3 Lawinen. Entscheiden in kritischen Situationen. Agentur Pohl & Schellhammer, Garmisch 1997; ISBN 3-00-002060-8. ALPEN 2/99 2 Vgl. www.av-snowcard.de; Engler Martin: Snowcard & Faktorencheck. Fachpublikation zu Risikomanagement Lawinen. Info für Fachübungs-leiter Nr. 24, 2001. ISBN 3-9807591-0-5 3 Larcher M., Purtscheller R.: Stop or Go – Lawi-nen-Lehrvideo. Strategische Lawinenkunde für Tourengeher ( 30 Min. ); zu beziehen bei ÖAV, Wil-helm-Greilstr. 15, A-6010 Innsbruck 4 Vgl. www.meteorisk.com; Bolognesi Robert: Attention avalanche! Evaluer et réduire les risques; 2000.

Bei « Stop or go », in Österreich verbreitet, wird Munters elementare Reduktionsmethode mit einer Liste von Gefahrenzeichen kombiniert, die durch-gecheckt werden müssen.

Werner Munters « 3ϫ3-Reduktionsmethode » ist weit verbreitet ( Alpenländer, z.T. auch in Kanada und den USA ) und wird u.a. auch bei SAC-Ausbildungskursen eingesetzt ( Abb. nicht mass-stabgetreu ).

DIE ALPEN 11/2001

Jugend-Infos,Berichte,Aktivitäten

Attività dei giovani

Activités jeunesse

Nur ein Werkzeug Selbst ausgeklügelte Methoden und Strategien können ein gewisses Restrisiko nicht ausschliessen und müssen als Werkzeuge verstanden werden. Ein gutes Werkzeug muss verschiedene Aspekte erfüllen: zu Hause für die Planung und im Gelände einfach anwendbar und flexibel einsetzbar sein ( vom Anfänger bis zum Profi ), alle Lawinen bildenden Faktoren berücksichtigen, auf das aktuelle Lawinenproblem fokussieren und als Gedankenstütze dienen, um nichts zu vergessen. Nur die korrekte Anwendung des Werkzeuges im richtigen Moment, das Erkennen und Wahrnehmen von Gefahrenzeichen im Gelände, die Erfahrung im Schätzen von Hangneigungen und die Fähigkeit, eine geeignete Route dem Gelände anzupassen, sowie die Bereitschaft, Eigenverantwortung zu übernehmen, können das Lawinenrisiko minimieren. a

Stephan Harvey, Bergführer, Davos Der « NivoTest », in Teilen Frankreichs und der Schweiz verbreitet, arbeitet mit einem Fragenkatalog, dessen Antworten sich auf die Zählscheibe auswirken ( Abb. nicht massstabgetreu ).

Fo to: z vg

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