Lob der Alpen von Ost nach West
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Lob der Alpen von Ost nach West

Hinweis: Dieser Artikel ist nur in einer Sprache verfügbar. In der Vergangenheit wurden die Jahresbücher nicht übersetzt.

Von Wolfgang Schwab

( Zürich, Sektion Uto ).

Dolomiten! Östlich der Etsch und der Eisack, westlich des Piave ist euer Reich. Eure vielen hundert Gipfel entragen unvermittelt weichen, welligen Matten und dunklen Wäldern. In unendlicher Vielfalt seid ihr geformt, und so steht viel Gegensätzliches beieinander, behäbige Klötze neben bizarren Gebilden, mächtige Wände neben schlanken, kühnen Säulen. Alle eure Gipfel aber offenbaren sich als triumphierende Symphonie des Kalkes Märchenhaften Zauber giesst über euch die südliche Sonne. Silberhell strahlt euer Leib im Azur des Mittags, rosenrote Schleier umhüllen euch an der Neige des Tages.

Dorado seid ihr dem Kletterer im Hanfschuh; ihr schenkt ihm ein Herz voll Kletterfreude. Und sind wir eurem Zauber verfallen, kann uns nichts mehr lösen.

Wo die Pracht der Engadiner Farben, die herben Engadiner Wälder sich dem sonnigen Italien vermählen, dort bist du, Bernina, Königin. Du empfängst zuerst den Kuss der Sonne, ehe noch die verschwenderische goldene Flut in hundert Bündner Täler taucht. Weisses Hermelinkleid säumt nordwärts deine Gipfel. Deine Gletscher strecken sich, geduckte Drachen in silbernem Panzer, in die Täler von Roseg und Morteratsch. Im Süden aber entringen sich der Tiefe dunkle Wände, die der blinkende Firnstreif deiner Gipfel krönt.

Wir sehen dein Antlitz im werdenden Tag in tausend Lichtblüten leuchten. Deine erhabene Grosse, Bernina, birgt in sich lichte Hoheit.

Berner Alpen! Eure Götterburg ragt zwischen den heiteren Seen des Oberlandes und dem sonnenfrohen Rhonetal. Ihr Berner Berge vereinigt in euch die Froheit der Bernina mit dem abgemessenen Ernst der Zermatter Berge.Vier Gletscher strömen in eurer Mitte zusammen, in lauterer Eintracht. Im Strahlegg aber türmet ihr wilde Wände über zerrissenen Gletschern.

Unmittelbar und faszinierend ist der Blick von eures mächtigen Dreigestirns schönstem Gipfel in das liebliche, grüne Vorland. Südwärts aber schauen wir das Gewoge eurer Gipfel in Schwarz und Weiss. Sachte und mählich verklingt in uns das köstliche Erlebnis zwiefacher Schau.

Ihr Walliser Berge seid von besonderem Gepräge. Etwas Verschlossenes habt ihr an euch wie der Bergbauer in einsamem Gehöft. Himmelhoch türmet ihr euch zu beiden Seiten der Visp. Euch eigen ist ruhevoller Ernst, auch wenn ihr milde gesinnt im Glanz eines Sonnentages. Alle stehet ihr einzeln und selbstbewusst. Riesenhaft seid ihr. Und euer nennt ihr das Matterhorn!

Stark muss unsere Seele sein, wenn wir zwischen Nacht und wieder Nacht erlösende Tat an euch suchen. Eherne Gelassenheit kündet ihr, Symbole der Ewigkeit.

Aiguilles! Keinen anderen Bergen seid ihr gleich, kein Vorbild nehmet ihr euch. Jäh und eigenwillig schiesset ihr aus zerborstenen Gletschern empor. Seltsamer Bann ergreift uns ob eurer himmelstürmenden Gebärde, und nur noch der eine Gedanke beherrscht uns, diesen Sturz nach oben an euch mitzuerleben. Euer tigerfarbenes Gewand atmet feurige Wildheit; wirren Träumen entstammt die phantastische Gestaltung eurer Gipfel. Glatte Risse durchfurchen eure prallen, granitenen Wände. Die Abseilkunst feiert Triumphe an euch; die Kletterfreuden, die ihr schenket, sind so unbändig wie ihr selbst.

An euch, Aiguilles, hat die Natur übersprudelnde Schöpferkraft geoffenbart. Fessellos und ungestüm umgrenzet ihr den Weissen Berg. Er aber taucht sein ewig sich erneuerndes, silbernes Haupt in unendlicher Gelassenheit in den Äther, der auch euch ein Ziel.

Südlicher Himmel wölbt sich über euch, ihr Berge im Dauphiné! Gegenpol seid ihr den Dolomiten. Harter, rauher Granit formte euch gross und gewaltig; zierliche Schlankheit ist euch fremd. Kaum sind wir in eurem Bannkreis, fühlen wir — gewaltsam fast — den grossen und tiefen Ernst eures Wesens. Hufeisenförmig umschliesst ihr den kleinen Weiler La Bérarde. Ursprünglich und einsam sind eure Täler, das der Romanche und das des Vénéon. Euch umschwebt abenteuerliche Romantik. Was der Bergsteiger zuinnerst ersehnt, findet Erfüllung in euch.

Ihr Dauphinéberge seid Sinnbild riesiger Urkraft und urmächtiger Wildheit. So formt auch der immerwährende Ansturm der Eindrücke Erlebnis sondrer Art. Und unter euch ragt als höchste Offenbarung eures Wesens die Meije.

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