Morddrohungen - und einiges mehr
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Morddrohungen - und einiges mehr Frühjahr 2000: Rekorde aller Art am Everest

Generell schlechtes Wetter mit überdurchschnittlich viel Niederschlag, nur wenige Neutouren und - glücklicherweise - verhältnismässig wenig Unfälle, grosser Rummel am Everest zur Jahrtausendwende mit mehr oder weniger fragwürdigen Rekorden: dies einige der Schlagzeilen der Vor-monsunsaison 2000 an den höchsten Bergen Nepals und Tibets.

Zu Jahrtausendbeginn (wenigstens für die Bergsteiger, die das Jahr 2000 für das erste des neuen Jahrtausends halten) purzelten am Everest die Rekorde. Oder anders gesagt: Noch mehr Bergsteiger als üblich wollten sich mit irgendeinem mehr oder weniger fragwürdigen Rekord ins Gipfelbuch der Eitelkeiten eintragen lassen. Bemerkenswert sind die Leistungen der Sherpas. Apa Sherpa machte es Ang Rita nach und stand zum elften Mal - wie immer ohne Sauerstoff- auf dem Gipfel. Zwei Sherpa-Frauen, Lhakpa Sherpa und Pemba Doma, kamen sicher hinauf und wieder herunter. Weniger gut erging es Temba Tsiri, dem jüngsten Everest-Anwärter. Der Fünfzehnjährige, der zwar auf 8800 Meter gelangte, hatte so schwer wiegende Erfrierungen an einigen Fingern, dass diese amputiert werden mussten. Das hält ihn aber nicht davon ab, bereits von neuen Everest-Plänen zu sprechen!

Die bekannten spanischen Bergsteiger Oscar Cadiach und Alberto Zerrain versuchten sich in beinahe perfekten Kopien der Originalausrüstung von 1924 als «Mallory» und «Irvine» an der Everest-Nordseite, natürlich auf der Route ihrer illustren Vorgänger. «Irvine» alias Zerrain erreichte dabei den höchsten Punkt auf 8650 Meter am Fuss des Second Step, während «Mallory» auf 8450 Metern aufgab, da es ihm in den Kopien der Kleider von damals zu kalt wurde! Damit kehrte «Mallory» alias Cadiach ziemlich genau an der Stelle um, wo die echten Mallory und Irvine 1924 im Nebel verschwanden und nie mehr gesehen wurden, bis eine amerikanische Expedition letztes Jahr die Leiche von Mallory auf 8140 Metern fand!

Die meisten Achttausender-Expedi-tionen hatten den ganzen April und Mai mit sehr schlechtem Wetter zu ringen, was sich auf die Erfolgsrate auswirkte. Gemäss nepalesischen Meteorologen verzeichneten alle ihre Messstationen höhere Niederschläge als üblich, teilweise fiel doppelt so viel Regen bzw. Schnee als die in dieser Jahreszeit normale Menge. An den hohen Bergen bedeutete dies auch grosse Lawinengefahr, allen voran an der Annapurna-Nordseite, die sowieso als sehr gefährlich gilt. Hier blitzten die baskischen Brüder Alberto und Felix Inurrategi ab, die kurz zuvor mit dem Manaslu ihren elften Achttausender bestiegen hatten. Auch Ed Viesturs, zurzeit mit elf Gipfeln der bekannteste «Achttausender-Sammler» Amerikas, sah an der Annapurna nicht die geringste Chance auf Erfolg. Noch nie hätten er und seine Teammitglieder - ebenfalls erfahrene Hi-malaya-Bergsteiger - derart grosse Lawinen gesehen wie an der Annapurna. Nahe am Ziel, alle 14 Achttausender zu besteigen, sind auch die Südkoreaner Park Young-Seok (elf Gipfel) und Um Hong-Gil (dreizehn), der kurz nach seinem Erfolg am Kangchenjunga in den Karakorum an den K2 aufbrach, um dort seine Kollektion zu vervollständigen.

Zurück am Everest war auch der Österreicher Peter Habeier, bekannt von seinem historischen Everest-Gipfelgang ohne Sauerstoffflaschen zusammen mit Reinhold Messner im Jahr 1978. Er hätte Messner versprochen, auch dieses Mal ohne die Hilfe von Sauerstoffflaschen aufzusteigen - was er auch tat, aber ohne Gipfelerfolg. Habeier zeigte sich eher bestürzt über die «unglaublichen» Zustände am Berg, den damit verbundenen Rummel und alle anderen Veränderungen wie Satelliten-Telefon, Internet- und andere Reporter usw.

Zurück an den Lhotse, den Nachbarberg des Everest, kam der Italiener Sergio Martini - und erreichte diesmal den Gipfel. Zusammen mit Fausto De Stefani war der Fünfzigjährige 1997 -gemäss Besteigungsprotokoll - sehr nahe unter den Gipfel gelangt. Kurz darauf erreichten beide ihren 14. Achttausender-Gipfel. De Stefani und Martini wurden in der Szene aber kritisiert, da ihnen am Lhotse, mit 8516 Metern der vierthöchste Berg der Welt, diese paar Meter fehlten (ob es nur 30 oder über 100 m waren, ist bis heute nicht klar). Sergio Martini wollte - und konnte - diesen Makel aus der Welt schaffen.

«Zurück» und wieder «zurück» -das scheint ein Merkmal für die meisten Bergsteiger zu sein, die einmal auf grosser Höhe weilten. Sie kommen immer wieder an die hohen Berge zurück und nehmen all die Strapazen und Gefahren der Höhe wieder auf sich. Es scheint, als ob das Element «Höhe» süchtig machen würde!

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