Neue Touren im Dauphiné
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Neue Touren im Dauphiné

Hinweis: Dieser Artikel ist nur in einer Sprache verfügbar. In der Vergangenheit wurden die Jahresbücher nicht übersetzt.

I. Erste Ersteigung des Hauptgrates der Meije über die Südwand.

Am 28. Juli 1912 gelang meinem Bruder Max Mayer, den Dolomitenführern Angelo Dibona ( Cortina ), Luigi Rizzi ( Campitello ) und mir die erste Durchkletterung der etwa 900 m hohen Südwand des Gipfelgrates der Meije. Die Durchkletterung dieser Wand kann in zwei Teile geschieden werden: 1. die Überwindung der unteren Wandpartien vom Etançonsgletseher bis zu dem langen, auffallenden, von Osten nach Westen schief ansteigenden Schneeband, das in der Fallirne des Grates zwischen Pic Central und Grand Pic endet; 2. die Überkletterung der senkrechten, 300 bis 400 m hohen Wand zwischen dem großen Schneeband und dem Gipfelgrat. Die mehrfach unternommenen Versuche ( Zsigmondy-Schulz, 1885, G. Casella, 1909, Dr. J. Kufz, 1911 ) hatten stets nur die Durchkletterung des oberen ( zweiten ) Wandteiles zum Ziele, während der ungleich höhere untere ( erste ) Teil durch eine gewaltige, kilometerlange Schleife ( zuerst auf dem Etançonsgletscher nach rechts zum Glacier du Pavé, dann auf dem großen Schneeband nach links zurück ) umgangen wurde. Die von uns durchgeführte Route führt in gleicher Weise durch den unteren und den oberen Wandgürtel, und zwar in ziemlich idealer Linie. Der Einstieg befindet sich fast lotrecht unter dem Grand Pic; von hier aus leitet die Route zunächst gerade über eine Art Felsrippe in eine große Schneemulde in der Fallirne des Grand Pic und biegt sodann östlich in das lange zur Brèche Zsigmondy streichende Couloir ab, das bis zu seinem ersten, vereisten Überhang verfolgt wurde; hier wurde der stark verschneite Felskörper des Pic Central betreten, über den im Zickzack das kleine, dreieckige Schneefeld erreicht wurde, welches das westliche Ende des großen Schneebandes bildet. Der folgende senkrecht und überhängend aufragende gelbe obere Wandteil wurde im allgemeinen in gerader Richtung unter außerordentlichen Schwierigkeiten überwunden und der Ausstieg in der Scharte zwischen 1. und 2. Gratturm gewonnen.

Vom Befuge du Promontoire ( von La Bérarde in 3½—4 Stunden erreichbar ) auf dem gewöhnlichen Talweg so weit hinunter, bis man sich etwa in der gleichen Höhe mit dem tiefsten Punkt des felsigen „ Promontoirerückens " befindet; hier östlich horizontal unterhalb des Rückens vorbei, dann knapp rechts neben ihm über den steilen Etançonsgletscher aufwärts zum tiefsten Punkt des aus der Wand vorspringenden mittleren Felssporns, wo sich der Einstieg befindet. Nach schwieriger Überschreitung der Randkluft gelangt man in eine glatte Steilrinne von über 30 m Höhe, die bei einer Höhle endigt; links von dieser über die überhängende, schlecht gestufte Wand 10 m sehr schwer in die leichtere Fortsetzung der Rinne, in der noch zwei kleine Überhänge zu überklettern sind. Nach dem zweiten Üherhang verläßt man die Rinne nach rechts und erreicht nach zirka 25 m, über steile Platten rechts neben der Rinne ankletternd, die große Schneemulde in der Fallirne des Grand Pic. Weiter 50 m schräg rechts über Schutt und kleine Wandstufen hinauf, dann kurzer Quergang über vereiste, glatte Felsen ( recht schwer ) nach links auf ein Köpfel ( weiter links anzusteigen dürfte vorteilhafter sein ). Nun im Zickzack 40 m leicht zu einem großen Schneefeld, das in der Mitte der Mulde eingebettet ist; an dessen rechter Begrenzung über Platten 40 m in die Höhe, schließlich knapp im rechten Rand des oben zugespitzten Schneefeldes 20 m steil aufwärts zu einem Schuttfleck. Einige Meter nach rechts absteigend, dann horizontaler Quergang nach rechts und weiter schräg rechts über kleine Wandstufen und Schneefelder in die große Schneerinne, die in der Richtung zur Brèche Zsigmondy zieht. In deren linkem Rand 80 m stufenschlagend empor, dann auf den linken Begrenzungsfelsen 20—25 m aufwärts; wieder in die Schneerinne hinein und weitere 50 m in ihr hinauf bis ungefähr in die gleiche Höhe mit der großen gelben Wand zur Rechten. Nun wird die Rinne unter dem ersten, stark vereisten Überhang nach rechts gequert und an der rechten Felsbegrenzung über Platten im Zickzack schwierig angeklettert; dann lange, schief nach rechts aufsteigende Traverse über Felsen und Schnee 80—100 m aufwärts. Später steigt man schwach rechts ab und erklettert eine plattige Steilstufe schräg rechts, um wiederum auf ein Schneefeld zu gelangen ( wegen Vereisung äußerst schwer; kann mehrfach, aber kaum leichter, umgangen werden ). Das erreichte Schneefeld wird an senkrechter Eiswand horizontal nach rechts in Stufen gequert und dann immer halb rechts ( links von einer hoch hinaufziehenden Schneerinne ) über Felsen und Schneeflecken zirka 100 m aufgestiegen. Schließlich wenig steigender Quergang nach rechts an die jenseitigen Felsen und über diese im Zickzack einige Zeit empor; endlich 20 m langer, zuletzt stark steigender Quergang ( wegen Vereisung schwer ) nach links zu einem neuen, mächtigen Schneefeld. Weiter rechts von diesem über glatte Felsen schräg rechts 20 m hinauf, dann unter den Felsen wieder schräg rechts 25 m empor, endlich gegen links auf ein Köpfel. Abermals halbrechts unter den Felsen 20 m aufwärts auf den obersten westlichen Punkt des erwähnten großen Schneebandes, das unseren Vorgängern als Basis ihrer Ersteigungsversuche diente und das bei einem exponierten Köpfel betreten wird. Hier halbrechts 5 m aufwärts, dann durch eine glatte überhängende Rinne 20 m sehr schwierig gerade auf einen Standplatz und einige Meter schief links auf eine kleine Plattform. Weiter 15 m langer, zuerst schwach fallender, dann steigender Quergang an senkrechter gelber Wand sehr schwer auf ein bequemes Plattenband. Auf diesem 10—15 m horizontal nach links und durch eine Verschneidung in rotblockigen Felsen 5 — 8 m ( schwer ) gerade bis an die überhängende Felswand heran, die sich mit der darunter liegenden steilen Platte in einer scharfen, horizontal laufenden Kante verschneidet; mittels dieser hangelnd 10 m nach links an die scharfe Ecke. Jenseits 5— 10 m über die überhängende Wand äußerst schwer hinab in die hier tief eingeschnittene, fast senkrechte Rinne, die bei vollständiger Vereisung außerordentliche Schwierigkeiten bot. Nach zirka 15 m hält man sieh rechts, überklettert einen großen Block und gelangt dadurch in eine kleine Nische in der Rinne und nach weiteren 10 m schwach links auf einen Standplatz. Schräg nach links empor, dann durch einen schiefen, plattigen Riß gegen rechts sehr schwer auf ein Köpfel. Nun über schwere, verschneite Platten halbrechts 20 m auf eine ausgesetzte Rippe und einige Schritte nach rechts in eine rechtwinklige, glatte Verschneidung; durch diese sehr schwer 10 m hinauf ( oberer Teil kann rechts umgangen werden ), dann schräg links auf schiefem, rampen-artigem Band ebenfalls schwer in eine blockerfüllte rote Rinne. Durch diese ( oben ein enges Loch ) wiederum sehr schwer 20 m auf einen Geröllplatz und durch die schneerfüllte Fortsetzung der Rinne über vereiste Felsen 20 m auf ein Schartel und rechts davon auf ein gutes Band. Hier im Zickzack leichter empor zu einem engen, 15 m hohen Kamin, der schwierig durchstiegen wird; hernach horizontaler Quergang nach rechts zu einem brüchigen Übergang, der sehr schwer überklettert wird, dann schräg'rechts auf ein Köpfel. Von hier aus horizontal 10 m sehr schwer nach links, dann mittels eines schmalen schief links aufsteigenden gelben Spaltes bei fast vollständigem Mangel an Tritten 5 m äußerst schwer auf kleinen Schuttplatz und viel leichter über die Kante weitere 5 m auf kleines Band. Schief links einige Meter hinauf, dann über die stark überhängende gelbe Wand schwach rechts außerordentlich schwer 6 m empor in eine kleine Rinne. Wenige Meter schwach steigend nach links in eine steile Rinne, durch diese ( schwer und brüchig ) 20 m auf eine Plattform; nach einem kurzen Stück halbrechts über die überhängende Wand zur Linken außergewöhnlich schwer 4—6 m in eine seichte Plattenrinne, die in sehr steiler und exponierter Kletterei in die Ausstiegsscharte zwischen I. und II. Gratturm des Gipfelgrates leitet. Von hier aus kann auf den normalen Gratwegen sowohl der Grand Pic, als auch der Pic Central erreicht werden.

Der Abstieg wurde vom Pic Central auf dem uns unbekannten Nordwege bei vollständiger Dunkelheit zum Refuge du Rocher de l' Aigle ausgeführt.

Die Schwierigkeiten der Kletterei des oberen Teiles, die sich in der Höhe zwischen 3600—4000 m vollzieht, kommen denjenigen der schwersten Dolomittouren gleich. Die Neigung der Schnee- und Firnhänge beträgt durchschnittlich 50—60°, erreicht jedoch an einer Stelle fast 90°. „ Künstliche Hülfsmittel " wurden nirgends verwendet. Reine Gehzeit des Aufstiegs zirka 12 Stunden.

II. Erste Ersteigung des Flambeau des Ecrins über die Westwand ( direkt vom Glacier de la Vera Pervoz ).

Nach zweiwöchentlichem, fast ununterbrochen anhaltendem Schneefall erstiegen am 16. August 1912 mein Bruder Max, Angelo Dibona aus Cortina, Luigi Rizzi aus Campitello und ich den „ Flambeau " genannten mächtigen Felsbau, der an den Westgrat des Dôme de Neige des Ecrins anschließt und den Knotenpunkt dreier Täler bildet ( Vallée de la Vera Pervoz, de la Bonne Pierre und Vallée du Glacier du Vallon de la Pilatte ). Von La Bérarde gewinnt man den Glacier de la Vera Pervoz auf zwei Wegen: Dem Vénéonbache folgend etwa 20 Minuten talaufwärts bis zur großen Schuttanschwemmung des aus dem zweiten Nebentale kommenden Gletscherbaches. Am ( orographisch ) rechten Ufer über Geröll bis zum Beginne der Felsklamm und nun a ) in der Schlucht empor. Darin mehrere schwere Absätze, steile Schneekegel und Steingefahr. Von 2000 m Höhe an fast ununterbrochen über Schnee gerade zur Gletschermoräne empor und von zirka 2400 m über Geröll zur unteren Eiszunge. b ) Besser schräg rechts über steilen Rasen unter Wandstufen zu einer Lücke im Felsgürtel und nun gerade über den die riesige Klamm nordöstlich begrenzenden felsdurchsetzten Rasenkamm zu einer mächtigen Schuttschulter empor ( zirka 2600 m ). Nördlich über Schutt und Schneehänge zum ( orographisch ) linken Rand der Moräne und weiter auf den ebenen, von gigantischen Wänden umrahmten Gletscher. Von seinem Hintergrunde steigt in der Westwand des Flambeau eine steile, breite Schneerinne auf, die sich höher oben in zwei Äste gabelt. Über stark geneigte Firnhänge zum Einstieg am Fuße der Rinne, links von jener lotrechten, glatten Wand, mit welcher der südliche Begrenzungsgrat der Schlucht zum Gletscher niederbricht. Schräg links über Steilhänge stufenschlagend empor und neben den linksseitigen Begrenzungsfelsen zirka 100 m weiter. Nach links auf eine große Felsrippe ( Rastplatz ) und steil über Plattenhänge 40 m gerade empor. Man wendet sich wieder nach rechts und steigt über Firn auf den Sporn, der die Rinne hier in zwei Äste spaltet. Am rechten Rande über Platten und Schrofen 50 m hinauf und bei dem ersten Felsaufschwung über rampenartige Bänder schräg links an eine schwierige, stark vereiste Wandstufe.Von hier an auf durchwegs stark vereisten ( Eiskruste bis ¼ m Dicke ) und stellenweise meterhoch verschneiten Felsen weiter: 5 m nach rechts um eine scharfe, exponierte Ecke und auf schlechten Bändern in gleicher Richtung an einen Plattenhang '. Von dem darüber liegenden Schuttplatz sehr schwierig über Platten ( stufenschlagend ) schräg nach rechts und nun, den Scheitel der Kippe verlassend, in die eisstarrende Nordflanke. Über schlechte Bänder, Schneewände und Platten zirka 50 m empor, dann schwach nach links haltend wieder in den Bereich noch steilerer Eishalden und etwa 100—150 m empor ( bei günstigen Verhältnissen über ausgezeichnet geschichtete Felsen jedenfalls ohne hervorragende Schwierigkeiten !). Nach Überwindung einer senkrechten Rinne um die scharfe Felsecke zur Linken und schräg rechts auf ein verschneites, kleines Schartel ( hier entkamen wir dem Bereich der bisher weit unter dem Nullpunkt befindlichen Temperatur ). Über den folgenden, sehr steilen und scharfen Schneegrat ( Neuschneehinauf, dann nach rechts und über verschneite Platten sehr ausgesetzt hoch empor. Auf der Höhe der gewonnenen Rippe weiter ( Lawinengefahr ) und nach 50 m auf den mächtigen Westgrat. Man wendet sich sofort nach links und gelangt über verschneite Felsen, einige kleine Türme rechts umgehend in ein Schartel unmittelbar unter dem scharfen Gipfelturm. Auf einem Band einige Schritte nach rechts, durch eine senkrechte Verschneidung schräg links ( sehr schwierig ) empor, etwas nach links in die furchtbar ausgesetzte Nordflanke und durch einen überhängenden, schmalen Spalt auf die Spitze. Abstieg: Über die Ostseite des Gipfelturms zirka 30 m hinab und zirka 30 m langer Quergang zu dem früher erwähnten Schartel zurück. Südwestlich über Schnee direkt auf den tief unten sichtbaren Glacier du Vallon de la Pilatte zu und nach Möglichkeit die Kammerhebungen benützend immer mehr nach Süden zwischen Felbsabsätzen an den mächtigen Abbruch gegen den erwähnten Gletscher. Östlich längs des oberen Randes in eine kleine Scharte und durch eine steile Schneerinne in das Eistal hinab. Vom Beginn der Moräne schwach links und auf den zum Glacier de la Temple leitenden Reitsteig. Zeiten: La Bérarde ab 3 Uhr, Einstieg 6 Uhr 30 Min. bis 6 Uhr 40 Min. ( dazwischen ¾ Stunden Rasten ), große Felsrippe 7 Uhr 10 bis 7 Uhr 40 Min., verschneites Schartel 10 Uhr bis 10 Uhr 45 Min., Gipfel 12 Uhr 30 Min. bis 2 Uhr, Rast unter dem Gletscher 3 Uhr bis 3 Uhr 55 Min., Carrelet 4 Uhr 27 Min., La Bérarde 5 Uhr 12 Min. Wandhöhe 600 m. Infolge der ungünstigen Verhältnisse äußerst gefährliche Eistour bei großer Kälte. Unter gewöhnlichen Umständen bildet die Überschreitung jedenfalls eine genußreiche Felstour ohne hervorragende Schwierigkeiten, die zu den abwechslungsreichsten Dauphinétouren zählen dürfte. Kletterschuhe konnten nicht verwendet werden.

Ingenieur Guido Mayer, Wien ( Sektion Bern ).

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