Nordlicht am Schweizer Himmel
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Nordlicht am Schweizer Himmel Das Phänomen Aurora borealis

Ein faszinierendes Lichtband am Himmel - wer hat nicht schon davon geträumt, einmal ein Nordlicht zu sehen? Wer ein bisschen Glück und Geduld hat, kann das Phänomen auch in unseren Breitengraden beobachten.

Zur richtigen Zeit am richtigen Ort sein. Das ist wichtig, um am Schweizer Himmel Nordlichter zu erblicken. Auch in unseren Breitengraden ist es möglich, dieses faszinierende Phänomen zu beobachten. Über den Alpen ereignet sich dieses Schauspiel durchschnittlich ein- bis zweimal jährlich, bei guter Sicht manchmal auch tagsüber.

Nicolas Reyren ist Physiker am französischen Nationalen Zentrum für wissenschaftliche Forschung (CNRS) und erinnert sich gut an die Nächte im März und September 2001 und an jene Nacht vom 29. Mai 2003. Damals konnte er mit seinem Freund Mark über dem Waadtländer Juramassiv in der Nähe des Col de la Givrine (1229 m ü. M.) Nordlichter beobachten. «Wir wussten, dass jene Abende günstig waren, und tatsächlich erschienen damals Nordlichter», sagt er. Zuerst schwach, dann immer deutlicher. Während mehrerer Minuten sahen sie aus wie Lichtsäulen, die sich von unten nach oben über den Himmel bewegten und dann abrupt wieder zusammenfielen. «Diese Augenblicke, die ich damals mit meiner Analogkamera festgehalten habe, gehören bis heute zu meinen eindrücklichsten Beobachtungen.»

Ob Nicolas und Mark Glück hatten? «Zweifellos», bestätigt Erwin Flückiger, emeritierter Professor für kosmische Strahlung und Experimentalphysik an der Universität Bern. Er selbst habe noch nie ein Nordlicht am Schweizer Himmel gesehen. Mit einem Schmunzeln ergänzt er, dass er normalerweise schlafe, wenn diese Phänomene aufträten. «Ideal ist ein klarer Himmel ohne Mond und Wolken. Und ein Ort fern von allen Lichtemissionen, um selbst in völliger Dunkelheit zu sein.» Da das Licht in einer Höhe von mindestens 80 Kilometern auftritt, ist es unwichtig, ob man sich in den Bergen befindet oder nicht. «Allerdings», so der Professor, «sind auf einem Berggipfel die Sichtverhältnisse am besten und der Himmel am klarsten, vor allem in langen, kalten Winternächten, wenn die Gipfel aus dem Wolkenmeer herausragen.»

Dahinter steckt die Sonne

Um Nordlichter zu sehen, reicht es allerdings nicht, wenn man sich an einem Januarabend auf einen Berg stellt und wartend nach Norden blickt. Der wichtigste Faktor, der bei der ohnehin schon geringen Wahrscheinlichkeit, ein Nordlicht zu sehen, den Ausschlag gibt, ist die Sonnenaktivität. Sie ist der Ursprung der Polarlichter, sowohl auf der Nordhalbkugel, wo sie Nordlichter oder Aurora borealis heissen, als auch auf der Südhalbkugel, wo sie als Südlichter oder Aurora australis bezeichnet werden. «In aktiven Phasen stösst die Sonne elektrisch geladene Teilchen aus», erklärt Jean Lilensten, Astronom und Planetologe am Institut de Planétologie et d’Astrophysique in Grenoble. «Nach einer Reise von ein bis drei Tagen erreichen diese Teilchen den Planeten Erde, der ein Magnetfeld besitzt. Dieses lenkt sie auf komplexe Bahnen in unmittelbarer Nähe der Erde um, und schliesslich tritt ein Teil von ihnen kranzförmig am magnetischen Nord- und Südpol in unsere Atmosphäre ein.» An diesen Polarlichtovalen, die sich meist um den 65. Breitengrad herum befinden, regen die Sonnenpartikel die Moleküle unserer Atmosphäre an und versetzen sie in Schwingung. Beim Abklingen dieser Schwingung geben die Moleküle ihre Energie in Form von Licht ab, und es erscheint ein Polarlicht.

Verabredung im Jahr 2025

Bei diesem komplexen Vorgang gilt die Regel, dass stärkere Ursachen auch stärkere Wirkungen haben: Je grösser die Sonnenaktivität ist, desto zahlreicher sind die Teilchen, die sich in Richtung Erde bewegen und in unsere Atmosphäre eindringen. Dann fallen die Leuchterscheinungen des Nordlichts intensiver aus, möglicherweise so stark, dass sie in unseren Breitengraden sichtbar sind. Oder noch weiter südlich, etwa in Rom und im marokkanischen Atlasgebirge, wo sie ebenfalls schon beobachtet wurden. «Die Sonne durchläuft einen Aktivitätszyklus von rund elf Jahren», sagt Sylvia Ekström, Astrophysikerin an der Universität Genf und Spezialistin für massenreiche Sterne. «Da der letzte Zyklus im Jahr 2019 eingesetzt hat, befinden wir uns gegenwärtig in einer zunehmenden Phase: Die nächste Periode mit starker Sonnenaktivität ist zwischen 2025 und 2028 zu erwarten, danach kommt es wieder zu einer Beruhigung.»

Wer auf der Suche nach Nordlichtern ist, kann sich bis dahin auf Websites, welche die Leuchterscheinungen vorhersagen, umschauen, um sich dann am richtigen Ort zur richtigen Zeit aufzustellen (siehe Kasten). «In ein Teleskop zu investieren, ist aber nicht nötig», so Sylvia Ekström. «Die Erscheinungen sind derart gewaltig, dass man sie mit blossem Auge sehen kann.» Dann nichts wie los, mit viel Geduld, und vor allem: Kopf hoch!

Zur Vorhersage von Polarlichtern

· www.aurora-maniacs.com: eine Website, auf der man alles über Aurora borealis zu erfährt, und eine App, um sie vorherzusagen (auf Französisch)

· www.spaceweatherlive.com: Diese Website gibt Aufschluss über die Sonnenaktivität in Echtzeit und macht Prognosen über Nord- und Südlichter

· www.swpc.noaa.gov/products/aurora-30-minute-forecast (auf Englisch)

Jedes Atom hat seine Farbe

Blau, Violett, Rot und Grün: Die Farben der Nordlichter haben eine Bedeutung und geben Aufschluss über die Höhe, in der die Erscheinung auftritt.

· Grün: Die Sonnenteilchen kollidieren in einer Höhe von 100 bis 300 Kilometern mit Sauerstoffatomen. Diese Farbe ist am häufigsten zu sehen.

· Rosa: Manchmal nimmt der untere Teil eines Nordlichts eine rosa Färbung an, die auf die Anwesenheit von Stickstoffmolekülen in einer Höhe von 100 Kilometern zurückzuführen ist.

· Rot: In Höhen zwischen 300 und 400 Kilometern erzeugen Kollisionen von Sonnenpartikeln mit Sauerstoffatomen rote Nordlichter, die in unseren Breitengraden am sichtbarsten sind.

· Blau und Violett: Wenn Wasserstoff- und Heliummoleküle angeregt werden, können blaue und violette Nordlichter entstehen, die allerdings kaum wahrnehmbar sind.

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