Nouvelle Vague
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Nouvelle Vague Baustellen-Reportage auf der Cabane du Trient CAS, 3170 m

Eine gemütliche und isolierte Hüttenstube. Mehrbettzimmer statt enge Massenschläge. Die Trienthütte wird bis im März 2023 grosszügig renoviert. Ein Besuch im Unterwallis.

Es soll Stammgäste geben, die von weit her anreisen, um auf der Cabane du Trient, dieser wunderbaren Hütte der SAC-Sektion Les Diablerets auf 3170 Metern, zu nächtigen. Dann strecken sie abends nochmals ihre Köpfe aus den Schlafsäcken und betrachten den Trientgletscher im Mondschein, dieses aufleuchtende, endlos aufschäumende Meer.

Tagsüber fühlt man sich dort oben, hoch über Martigny und unweit der französischen Grenze, tatsächlich ein bisschen wie in der Nouvelle Vague des französischen Kinos. Alles mutet experimentell und surreal an, umgeben von Eis, Stein und Schotter wird man geblendet und ist fasziniert. Die hellen Farben, die Weitsicht, über allem einzig der Himmel.

Damit ist es jetzt erst mal vorbei. Der alte Hausteil der Trienthütte, 1906 erbaut, seither mehrmals renoviert und vor 16 Jahren mit einem kubischen Anbau erweitert, wird seit August 2022 umgebaut. Läuft alles nach Plan, erstrahlt das schöne Natursteingebäude schon im Frühling in neuem Glanz.

Mehr Komfort ist notwendig

Ein Montag im August. 8.40 Uhr. Vertreter des Architekturbüros Savioz Fabrizzi aus Sion, zwei Ingenieure, drei Maurer und der Hüttenwart treffen sich zur wöchentlichen Besprechung. Hauptpunkte beim Rundgang auf der Baustelle: der Brandschutz, die Hüttentechnik, die neuen Schlafräume und vor allem die Isolation, welche die Wärme künftig im Haus behalten soll. «Die Kälte hat den Gästen manchmal schon zugesetzt», sagt Hüttenwart Olivier Genet. «Ich freue mich auf die Modernisierung und darauf, dass wir allen bald ein bisschen mehr Komfort bieten können.»

Olivier Genet ist so etwas wie ein Glücksfall für dieses Dreimillionenprojekt. Der 40-Jährige bewartet die Trienthütte seit zwölf Jahren und hat sich entschlossen, während der siebenmonatigen Bauphase keine Pause einzulegen, sondern bei den schwierigsten Arbeiten mitzuhelfen. Auf der Baustelle sagt man sich, es gäbe nichts, was er nicht kann. Nebenbei bekocht er die Kollegen, managt die Kommunikation und koordiniert die Lieferungen des Baumaterials, das montags mit dem Helikopter hochgeflogen wird.

Schwierige Rekrutierung

Vielleicht ist ein effizienter Umbau gar angewiesen auf einen Mann wie Genet. Bei ihm läuft alles zusammen, er kennt die Hütte am besten und kann die Leute instruieren, wenn unerwartet Fragen auftauchen.

Die Abgeschiedenheit und die Höhenlage dieses speziellen Bauplatzes stellen die Bauunternehmen regelmässig vor personelle Herausforderungen. Zum Beispiel die Hoch- und Tiefbaufirma Petriccioli aus dem nahen Orsières, die während eines Grossteils der Bauphase entscheidend mitwirkt. Dave Gay, Chef des Betriebes mit rund 20 Angestellten, sagt, es sei enorm schwierig, Leute zu finden, die für Monate auf über 3000 Metern arbeiten und von Montag bis Freitag auf der Hütte leben möchten. Das heisst: Es gäbe schon Leute, die möchten. Aber sie können nicht. Viele Arbeiter sind sich die dünne Luft nicht gewohnt, finden keinen Schlaf oder erwachen nachts mit Kopfschmerzen. Andere bekommen Nasenbluten oder leiden an Erschöpfung. Und schliesslich gibt es Väter, die sich nicht für fünf Tage am Stück von der Familie trennen möchten. Internet oder Chats übrigens gibts hier oben nicht. Dafür fehlt das Netz. Wer will, kann einen 15-Minuten-Aufstieg über Stein und Geröll zum Gipfelkreuz unternehmen. Dann reicht es allenfalls für zwei Balken auf dem Handy.

90 Schlafplätze, 1 warme Stube

Maurer Antonio Mori kommt aus dem italienischen Aostatal. Das Tal liegt 40 Kilometer südöstlich der Trienthütte. Es ist sein erster Arbeitstag, und doch hat man das Gefühl, er sei seit Wochen da. Sein Atem dampft, als er sagt: «Viele Kollegen schaffen das nicht. Ich hingegen fühle mich wohl in der Höhe. Selbst wenn ich länger bleibe, mir macht das nichts aus. Ich war schon auf dem Matterhorn.» Er streift sich den Pullover mit dem Motiv des berühmten Berges über. Dann hievt er eine paar alte Backsteine hoch und marschiert davon.

Alles soll also dichter (neues Dach), stabiler (erdbebenresistente Mauern), sicherer (brandschutzkonforme Treppe), umweltfreundlicher (grössere Solaranlage) und stimmiger werden in der neuen Trienthütte. Die Schlafplätze werden von 121 auf 90 reduziert, dafür dürfen sich die Besucher und Besucherinnen, insbesondere die Familien mit Kindern, auf mehr Bewegungsfreiheit in den Räumen freuen, weil aus den Massenschlägen Mehrbettzimmer gemacht werden. Zudem wird die Hüttenstube in Zusammenarbeit mit der Denkmalpflege sorgfältig erneuert.

Man sieht die Szene schon vor sich, wenn die Gäste an kühlen Herbsttagen aus dem Stubenfenster schauen. Drinnen der warme Ofen, die Suppe auf dem Tisch, und unterhalb der Hütte dieses magisch leuchtende Gletscherplateau im hellen Licht. Oh, Cabane, wir bleiben noch eine Nacht!

Autor / Autorin

Alan Schweingruber

Auch die Gaulihütte SAC wird umgebaut

Derzeit wird auch die denkmalgeschützte Gaulihütte SAC auf 2205 Metern (Sektion Bern) umgebaut. Sie ist die älteste existierende SAC-Hütte in Blockbauweise im Kanton Bern und ist im Sommer und im Winter bewartet (nach dem Umbau 64 Betten). Die Wiedereröffnung ist für März 2023 geplant. Im Vordergrund der Arbeiten stehen die Behebungen der technischen, betrieblichen und räumlichen Mängel der Haupthütte. Zudem wird oberhalb der Hütte ein Lawinenkeil erstellt, um das Gebäude besser zu schützen. Gegen Nordwesten gibt es einen neuen Sanitärtrakt, die Gaststube bekommt zudem ein schönes Panoramafenster.

Umgesetzt wird das Projekt von den Architekten der Berner Werkgruppe AGW. Die gesamten Baukosten belaufen sich auf 2,8 Millionen Franken. Bekannt wurde die Gaulihütte unter anderem 1946 durch den Flugzeugabsturz der Dakota und die erste Flugrettung im Hochgebirge.

Lesen Sie dazu auf Seite 31 das Interview über den schmelzenden Permafrost und die gefährdeten SAC-Hütten.

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