Pilgerfahrt zur Pierra Menta. Die «Tour de France» des Skialpinismus-Wettkampfs
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Pilgerfahrt zur Pierra Menta. Die «Tour de France» des Skialpinismus-Wettkampfs

Die « Tour de France » des Skialpinismus-Wettkampfs

Pilgerfahrt zur Pierra Menta

Die Pierra Menta ist das Mekka des Skialpinismus. Jedes Jahr treffen sich Tausende von begeisterten Skialpinisten – Athleten und Zuschauer – am Gipfel im Beaufortain ( F ) und geniessen ein packendes Schauspiel. Während vier Tagen messen sich die Wettkämpferinnen und Wettkämpfer auf den schönsten Rennstrecken und auf höchstem Niveau. Die Pierra Menta ist mehr als ein Wettkampf: Sie ist ein fröhliches Fest.

Samstagmorgen, 5 Uhr früh. Es ist tiefe Nacht in Arêches. Aber das kleine Dorf im Beaufortain ( F, nordöstlich von Albertville ) schläft nicht mehr. Hunderte, ja Tausende von Skialpinisten finden sich ein, drängeln sich am Skilift, der gerade zu laufen beginnt. Ein paar Lichter und viele, viele Stirnlampen sorgen für eine ganz besondere Atmosphäre. Kaffeeduft schwebt in der Luft, der Geruch jenes Kaffees, den Guy Blanc jeder Person entgegenstreckt, die den Sessellift besteigt. Der Rennleiter und einige seines Teams sind da, um diejenigen zu begrüssen, die ganz hinauf wollen, zum Grand Mont auf 2686 m, um den Höhepunkt der « Pierra Minte », wie die Einheimischen sagen, mitzuerleben.

Die Tour de France des Skialpinismus Pierra Menta ist ein Gipfel im Beaufortain, ein kleiner Felsmonolith, der sich von den andern Gipfeln der Umgebung abhebt und je nach Blickwinkel imposant oder fast unauffällig wirkt. Dieser « Hoger » hat vor 18 Jahren einem Ski-alpinismus-Wettkampf den Namen gegeben, der in der Zwischenzeit so etwas wie die Tour de France des Skialpinismus geworden ist, ein legendärer Treffpunkt der Besten seines Fachs.

Die Pierra Menta ist aus der Liebe der Talbewohner zu ihren Bergen, dem Schnee und dem Skitourenfahren entstanden. Das Bergtal mit den Dörfern Beaufort, Arêches und Planay war bis anhin nur für seinen köstlichen Alpkäse

Pierra Menta ist ein Wettkampf, der Athleten und Zuschauer in Massen anzieht. 3000 bis 4000 Personen besteigen jeweils den Grand Mont, um ihren Favoriten zuzujubeln. Hier mit der Nummer 17 Greco und Oprandi Die « Pierra Minte », wie die Einheimischen sagen, spielt sich auf ausgesprochen schönen und schwierigen Strecken ab. Heikle Passage auf dem Grat des Grand Mont Die Pierra Menta stellt eine gewaltige Herausforderung dar: 10 000 Höhenmeter in vier Tagen. Emmanuel Vaudan im Aufstieg zum Grand Mont Fo to s:

Gé ra rd Be rt ho ud DIE ALPEN 4/2003

bekannt. Ein paar Markierungen, Start-nummern und eine Zeitmessanlage hätten für ein Skitourenrennen sicher gereicht. Doch dies wäre zu einfach gewesen. Ein geniales Konzept musste her: vier Wettkampftage, 10 000 Meter Höhenunterschied und Rennstrecken auf sehr hohem technischem Niveau und von ausgesuchter Schönheit.

Numerus clausus 18 Jahre später müssen die Organisatoren Leute abweisen. Sie lassen nur etwa 150 Zweierequipen, davon 10 Frauen-equipen, zu. Deshalb ist der Kampf um eine Starterlaubnis hart. Die meisten Mannschaften kommen zwar aus Frankreich, aber die grossen Skialpinismus-nationen wie Italien, die Schweiz, Spanien, die Slowakei usw. sind ebenfalls gut vertreten. Nicht alle Teams sind gleich stark, es hat auch solche darunter, für welche die 10 000 Meter Höhendifferenz eine grosse Herausforderung darstellen. Trotzdem: Da sich sehr gute Athleten am Start einfinden, ist das Niveau der Pierra Menta ausserordentlich hoch. Der mehrfache Sieger Fabio Meraldi hat einmal klipp und klar gesagt: « Es ist das schönste Rennen. Die Ambiance ist einfach einmalig. » Für die Franzosen ist das Rennen der Höhepunkt der Saison. Die Schweizer haben einmal das Podium bestiegen. Raphy Frossard, der frühere Nationaltrainer, war der Glückliche.

Die Kehrseite der Medaille Diese Ausnahmestellung ist gleichzeitig auch ein Problem. Einige meinen sogar, dass die Pierra Menta eine solche Bedeutung erlangt hat, dass alle anderen Rennen des Wettkampfkalenders in ihrem Schatten stehen. Vor dem Wettkampf Mitte März bereitet man sich vor. Danach erholt man sich. So jedenfalls haben es die Organisatoren anderer Veranstaltungen etwas spitz formuliert. Im Kalender steht heute jedes Wochenende ein Rennen. Das war vor 18 Jahren noch nicht der Fall. Nach 10 000 zu bewältigenden Höhenmetern ist es nicht immer einfach, dann noch bei allen anderen Rennen mitzuhalten.

Ein Festtag Aber die Hauptsache an der Pierra Menta ist ohnehin nicht der sportliche Wert, sondern die ungewöhnliche Begeisterung, die sie in der Bevölkerung auslöst. Vom ersten Tag der Wettkämpfe an sind Hunderte von Skitourenfahrern an der Strecke und feuern die Athleten an. Höhepunkt ist der Samstag. Zwischen 3000 und 4000 Personen steigen auf den Grand Mont, wo sie die Athleten dreimal vorbeikommen sehen. Am Anfang trägt sie der Sessellift in die Höhe, aber das letzte Stück ist eine Sache für Skitou-renski oder Schneeschuhe.

Dort oben, auf 2686 m, richtet sich das Publikum vom ersten Tageslicht an entlang der Strecke gemütlich ein. Was den Radrennfahrern die Alpe d' Huez, ist für die Skialpinisten der Grand Mont: eine einzige Party. Trompeten, Hand-orgeln, Glocken, Kuhglocken, Sirenen, Transparente, Fahnen, Picknick, Schnaps – nichts fehlt. Nicht einmal der Grill für die Würste, den starke Männer auf dem Rücken heraufgeschleppt haben. Wenn die Wettkämpfer kommen, steigen die Anfeuerungsrufe in den Himmel. « Wenn du da oben ankommst, hast du das Gefühl, als ob du nicht mehr auf Schnee gehen würdest, dein Herz rast, du bist nicht mehr von dieser Welt », erzählt Pierre Blanc, einer, der auch schon gewonnen hat. Die « Pierra Minte » erreicht die Verschmelzung von Sport und Berg. Wahrscheinlich, weil sie von Berglern ins Leben gerufen wurde und von der Liebe und für die Liebe zum Berg lebt. a

Claude Défago, Monthey ( ü ) Pierra Menta 2000: Milan Madaj auf dem Gipfel des Grand Mont Dicht gedrängt stehen die Leute und feuern die Wettkämpfer an. Hier ist es Peter Stavojanski an der Pierra Menta 2000.

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