Sanierungen von Sportkletterrouten
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Sanierungen von Sportkletterrouten

Das SAC-Routensanierungs-konzept 1997 Vor vier Jahren wurde von der Sportkletterkommission erstmals Hakenmaterial für die Sanierung von Kletterrouten abgegeben. Zunächst galt es, möglichst umfassende Erfahrungen auf diesem neuen Gebiet zu sammeln. In dieser Zeit wurden dann auch zahlreiche Aspekte zum Fragenkreis « Sanieren von Kletterrouten » und ebenso die hier zum Ausdruck kommenden unterschiedlichen Interessen aufgegriffen und diskutiert. Im nun vorliegenden Bericht wird auf die wichtigsten Themen, die sich dabei herauskristalisiert haben, eingegangen.

Das Ersetzen alter Haken ist nicht nur eine rein technische Angelegenheit, sondern steht in direktem Zusammenhang mit kletterethischen Überlegungen und Vorgehensweisen. Es wäre deshalb zu einseitig, sozusagen nur den « technischen » Ablauf zu betrachten. In der Praxis ist der Kletterer vor dem Ansetzen der Bohrmaschine immer mit Fragen der Fairness gegenüber der Natur und den Mitmenschen ( nicht nur den Kletternden !) konfrontiert. Im Rahmen zahlreicher Gespräche in Kursen, anlässlich von Sportkletterwochen und mit aktiven Kletterern und Kletterinnen wurde versucht, die Wertvorstellungen über das Klettern innerhalb unseres Kulturkreises zu ergründen und zu erfassen.

Umsetzung und Weiterentwicklung In dieser zweiten Phase geht es darum, die gewonnen Erfahrungen in Weiter- und Ausbildungskursen einzubringen, weiterzuentwickeln und möglichst vielen aktiven Kletterern zugänglich zu machen. Das Weitergeben der Erfahrungen soll so wenig wie möglich in Form von Vorschriften und Reglementen erfolgen. Sportkletterrouten sind charakterisiert durch ihre Einmaligkeit. Es wäre deshalb schade, als Ziel die Durchsetzung allgemein gültiger Vorschriften für die Absicherung anzustreben. Der Kletterer soll mit Hilfe von schriftlichen Unterlagen, in denen die Erkenntnisse aus den letzten Jahren festgehalten sind, sein Handeln am Fels überdenken. Er ist ebenfalls dazu aufgefordert, eigene Ideen und Abb. 1:

Eine mit Klebehaken sanierte Route im Klettergebiet Buufal im Diemtigtal ( BO ). U. Kämpf in « Silenzio », 7 c+ gemachte Erfahrungen konstruktiv einfliessen zu lassen.

Diese Unterlagen werden jedem, der Sportkletterrouten sanieren möchte, abgegeben ( z.. " " .Z. aber erst in deutscher Sprache erhältlich ).

Haken-«Schrott » muss ersetzt werden Das schönste Souvenir, ein Standhaken aus Italien, wurde im Abstieg vom Rocca di Corno gefunden. Eine Gruppe wollte auf dem üblichen Abstiegsweg 20 m abseilen. Der Standhaken wirkte massiv, machte einen durchaus soliden Eindruck ( vgl. Abb. 2, S.48 ) und war mit Mörtel in einer fingerbreiten Felsritze einen Meter vor der Kante befestigt. Das Seil war bereits ausgeworfen, und in Sport- und Wettkampfklettern Abb. 2:

Grosse Haken sind nicht unbedingt sicherer! Alter Standhaken aus Italien, der von Hand entfernt werden konnte. Nicht am Original-standort aufgenommen, der Haken steckte selbstverständlich bis zu der Öse im Fels.

der Gruppe bereitete man sich eben vor, mit der Abseilbremse sanft in die Tiefe zu gleiten. Aus dem « sanft » wäre aber wahrscheinlich nur zu bald ein « freier Fall » geworden. Erstaunlich, dass dieser Haken überhaupt noch das Gewicht des ausgeworfenen Seiles gehalten hat. Bei einer « Prüfung » von Hand liess er sich ohne Mühe herausziehen!

Obwohl dieser Standhaken aus Italien stammt, steht er stellvertretend für alle Haken in der Schweiz, die im Verlauf der Jahre « etwas » an Festigkeit eingebüsst haben. Aus dem Forschungsbericht des DAV-Sicherheits-kreises1 geht auch hervor, dass die in der Schweiz oft benutzten Kronen-bohrhaken2 eine Gefahr darstellen. Sie sind nicht normgerecht, das heisst, dass die Auszugskraftwerte stark streuen und die einzelnen Haken nicht auf ihre Sicherheit hin abgeschätzt werden können.

Sanieren von Sportkletterrouten In einem ersten Schritt geht es darum, ein geeignetes Hakensystem für die Sanierung auszuwählen. Abgesehen von der Notwendigkeit d.h. der Frage, ob überhaupt saniert werden soll/muss und wenn ja, wo die neuen Haken gesetzt werden, soll ein fixer Sicherungspunkt folgende Eigenschaften aufweisen:

Normgerechtigkeit; d.h. jeder Sicherungspunkt erfüllt garantiert die minimalen Auszugs- bzw. Bruchwerte, seine Haltekraft ist somit eindeutig bestimmt und damit auch für jeden/jede einschätzbar.

Der Haken ist so zu setzen, dass keine Wartung notwendig ist.

Der Haken muss am sicherungstechnisch optimalsten Standort Abb. 4:

Am oberen Bohrlochrand wird der Fels noch zusätzlich für die Versenkung des oberen Hakenösenteiles vorbereitet.

Am unteren Bohrlochrand genügt es meistens, mit dem Hammer die Felskante abzurunden.

plaziert werden können ( Sanduhrschlingen mit fixen Reepschnüren und lange Seilstücke als Hakenver-längerung sollten aus Naturschutzgründen vermieden werden ). Die Hakenöse darf keine scharfen Kanten aufweisen und muss genügend Platz bieten, um ein Seil und einen Karabiner einzuhängen. Die Gefahr des Selbstaushängens des Karbiners soll so gering wie möglich sein.

Der Haken soll nicht zu wuchtig ( auffällig ) wirken. Er muss möglichst gut gegen Diebstahl gesichert sein. Bei der Anbringung sollte sich der Arbeits- und Energieaufwand ( Akku ) in Grenzen halten. Der Anschaffungspreis muss sich in einem für jedermann erschwinglichen Rahmen halten. Der Haken muss aus korrosionsbeständigem Material bestehen.

Abb. 3:

Das Loch wird um etwa 10° aus dem rechten Winkel zur Felsoberfläche gebohrt.

Technische Anweisungen zum Anbringen der Haken Vorgestellt wird hier ein Klebehaken, der von der Sportkletterkommission für Routensanierungen abgegeben wird. Dieser Haken kann als Zwischensicherung und als Standhaken eingesetzt werden. Der Schaftdurch-messer beträgt 10 mm bei einer Länge von 80 mm. In der Praxis haben sich diese Dimensionen bewährt, weil « nur » ein 90 mm tiefes Bohrloch mit einem Durchmesser von 12 mm vorbereitet werden muss.

Etwas handwerkliches Geschick und Erfahrung benötigt das Vorberei- 1 Veröffentlicht wurde die Arbeit vom Bayerischen Staatsministerium: Teil 10 Festigkeit von Sicherungsmitteln in Kletterrouten und auf Klettersteigen ( vgl. DIE ALPEN 3/96, S.30ff. ).

2 Kronenbohrhaken sind Selbstbohrdübel, die mit einem speziellen Aufsatz von Hand mit Hammerschlägen in den Fels getrieben werden.

Die Bohrkrone besteht aus gehärtetem Stahl und ist somit nicht korrosionsbeständig. Die Dübel wurden vor allem vor der Akku-bohrmaschinenzeit gesetzt. Sie unterliegen bei Auszugstesten einer starken Streuung. Die Bruchkraft hängt vor allem von der Festigkeit der Felsoberfläche und der Auflage Abb. 7:

Ein Hub aus dem Auspress-gerät reicht in der Regel für die Anbringung des Hakens. Es empfiehlt sich, für die « Feinarbeiten » ( Ausfüllen der Kerben am oberen und unteren Bohrlochrand ) Pla-stikhandschuhe zu tragen oder genügend Reinigungs-tücher dabei zu haben.

Abb. 6:

Mehrmals mit der Drahtbürste das Bohrloch und die Einkerbungen am oberen und unteren Bohrlochrand gründlich reinigen ten des Bohrlochs. Die Bohrmaschine wird nicht im rechten Winkel zur Felsoberfläche angesetzt, sondern noch etwa um 10° angehoben ( vgl. Abb.3, S.48 ). Am oberen Bohrlochrand wird zusätzlich der Fels für die Versenkung des oberen Hakenösenteiles vorbereitet. Am unteren Bohrlochrand genügt es meistens, mit dem Hammer die Felskante abzurunden ( vgl. Abb.4, S.48 ).

Der Haken wird nun probeweise einmal eingesteckt.

Wenn der Haken passt, wird das Bohrloch gründlich mit der Ausblaspumpe und der Drahtbürste gereinigt ( vgl. Abb.5 und 6, oben ). Die sorgfältige Reinigung garantiert nachher eine gute Verbindung des Verbund-mörtels mit dem Fels.

Abb.5:

Mit der Ausblaspumpe wird das Bohrloch ausgeblasen.

Wenn eine ganze Route saniert wird, empfiehlt es sich, immer von oben nach unten zu arbeiten. Muss aus irgendeinem Grund die Arbeit unterbrochen werden ( Akku leer, Bohrer stumpf, Wetter schlecht, Moti-vationsbatterie aufgebraucht ), so fehlen später nur noch die Haken oder Löcher im unteren Routenbereich, und diese können dann mit einem weitaus geringeren Arbeits- und Motivationsaufwand nachgeholt werden.

Im optimalsten Fall sind vor dem Kleben der Haken alle Löcher vorbereitet und gereinigt. So spart man Verbundmörtel, Mischrohr und Zeit.

Mit dem Glasrohr von Hilti ( HEA M 10x90 ) ist es auch möglich, einzelne a.

4 Haken ohne Ausdruckpistole anzubringen. Benötigt wird dazu jedoch ein grosser Fäustel, damit der Haken bis zum Schluss richtig eingetrieben werden kann.

Anordnung der Standplatzhaken:

Auch wenn in Anbetracht der Festigkeitswerte ein Sicherungspunkt an sich ausreichen würde, sollten an einem Standplatz trotzdem immer zwei Verankerungspunkte vorhanden sein.

Wie diese Punkte miteinander/ zueinander verbunden- oder angeordnet werden, ist denjenigen zu überlassen, die die Sanierung ausführen. Es haben sich verschiedene Möglichkeiten bewährt.3 Bezug und Verteilung des Sanierungsmaterials Anrecht auf materielle Unterstützung haben alle aktiven Kletterer/ innen mit einem « Kletteralter » ( Klettererfahrung ) von im Minimum fünf Jahren, die Kletterrouten sanieren möchten. Personen die noch nie Routen saniert haben, werden eingeführt. Angefangenen Sanierungspro-jekten wird der Vortritt gewährt.

Die gewünschten Haken werden nicht alle auf einmal abgegeben, sondern nur in einer Menge, die höchstens für drei bis vier Sanierungstage, 3 Schriftliche ergänzende Unterlagen zum ganzen Thema « Sanierungen » können beim Autor gegen einen Unkostenbeitrag von Fr. 1O. mit einem frankierten und adressierten Rückantwortcouvert bestellt werden.

oder anders ausgedrückt, für drei bis vier Seillängen ausreicht. In der Praxis hat sich nämlich gezeigt, dass die anfängliche Euphorie und der Tatendrang angesichts der harten Tatsachen, nämlich der damit verbundenen Knochenarbeit und dem grossen zeitlichen Aufwand, oft recht rasch schwinden. Da zum einen auch die finanziellen Mittel nicht ausreichen, um den gesamten Bedarf abzudecken und es zum andern sinvoller ist, eine grössere Anzahl von Gebieten langsam, dafür aber überlegt und sachgerecht sanieren zu können, ist eine Abgabe in Raten ohnehin angezeigt.

Weiterführende Zielsetzungen Die von einem möglichst grossen Personenkreis eingehenden Erfahrungen, nicht zuletzt in Zusammenhang mit dem Arbeiten in verschiedenen Gesteinsarten, bringen wertvolle Erkennisse und damit mehr Nutzen als eine Konzentration auf ein einzelnes « Mammutprojekt ». Die Ziele bei der Abgabe des Materials beschränken sich somit nicht auf die Erfüllung momentan aktueller Sanierungsbe-dürfnisse, es geht auch darum, auf breiter Basis Erfahrungen zu sammeln. Die hier im Rahmen des SAC gesammelten Erfahrungen können in Zukunft wegleitend und begleitend für private Projekte sein.

Im Sommer 1997 werden in der Schweiz dann auch noch in Zusammenarbeit mit dem DAV-Sicherheits-kreis alpine ( Bohr-)Haken getestet.

Routensanierung als Ausbildungsthema Das Sanieren von Kletterrouten stellt in Zukunft eine neue Ausbil-dungsmöglichkeit dar, die vor allem im Bereich der Jugendarbeit vermehrt eingebaut werden kann.

In Jugendorganisationen arbeitet der J+S-Leiter mehrheitlich mit Jugendlichen zusammen, die die Entwicklung der Sicherungsmittel nicht mitgemacht haben. Durch das Hallenklettern sind sie gewöhnt, in « jeden » Haken zu stürzen. Mit einem Angebot, Routen gemeinsam zu sanieren, lernen der zukünftige Sportkletterer und die zukünftige Sportkletterin die verschiedenen Sicherungsmittel kennen und differenziert zu beurteilen.

Gedanken zur Kletterethik4 « Ethik ist eine Überlegung, die zum Ziel hat, unser Handeln mit unseren Werten in Einklang zu bringen. » Der Erstbegeher einer Route sieht sich mit vielerlei Spielregeln und Wertvorstellungen zur Frage eines sauberen Begehungsstils konfrontiert. Das Sehen und Finden einer kletterbaren Linie wird vom Eröffner als schöpferischer Akt definiert, das Abändern der Linie oder der Ausrüstung demzu- Abb. 8:

Der Haken bietet dem Karabiner oben fast keine Auflagefläche, so dass sich das gefährliche Selbstaushängen minimieren lässt.

Abb. 9:

Die Hakenöse sollte genügend Platz bieten, damit ein Seil und ein Karabiner noch zusammen eingehängt werden können.

Abb. 10:

Grössenvergleich der Klebehaken mit einer Expressschlinge folge als grobe Verletzung gegenüber dem Neulandfinder empfunden. Die sportliche Leistung wird - wenn sie tatsachengemäss weitergegeben wurde - ausnahmslos respektiert. Zu einer sportlichen Leistung gehört auch die psychische Komponente, die primär in der Art und Weise der Absicherung einer Route zum Ausdruck kommt. Eine einmal gekletterte Route trägt die Handschrift des Eröffners und wird nicht geändert.

In Klettergärten werden die Routen fast ausnahmslos von oben abseilend eingerichtet. Der Erstbegeher geht dabei kein Risiko ein und plaziert die Haken nach genauem Studium der Einhänge- und Griffmöglichkeiten. Entschliesst er sich, eine psychisch anspruchsvolle Passage « einzubauen », hat er bereits wesentliche Vorteile gegenüber einem potentiellen Wiederholer der Route. Die sportliche Leistung des Erstbegehers ist also weniger hoch zu werten als die eines On-sight-Anwärters. Eine solchermassen eingerichtete Route darf sicher bei einer Sanierung leicht verändert werden. Ausgenommen sind hier nur Routen, die « Geschichtliches Zeugnis einer vergangenen Epoche » sind.

Gesucht Regionalvertreter welsche Schweiz Die Abgabe des Sanierungsmaterials ist organisatorisch und zeitlich aufwendig. Um den Aufwand halbieren zu können, wird eine initiative Person gesucht, die in der französischen Schweiz die Arbeiten koordiniert. Sie sollte bilingue sein.

Zusammenarbeit mit der Rettungskommission Wo beginnen alpine Klettereien, welche Routen sind unter Sportklettern einzuordnen? Eine deutliche Grenze und somit eine klare Zuordnung wird es wohl nie geben. Deshalb ist es notwendig, dass die Grenzfälle zwischen den beiden Kommissionen immer wieder abgesprochen werden.

Robert Rehnelt, SAC-Sportkletterkommission5 Literaturhinweis Handeln im Sport in ethischer Verantwortung Zu beziehen bei der Eidgenössischen Sportschule Magglingen, 62 Schriftenreihe.

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