Schreibe, wie man spricht!
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Schreibe, wie man spricht! Wie die Namen auf die Landeskarte kommen

Wer häufig mit der Landeskarte unterwegs ist, dem fallen Änderungen bei den Bergnamen auf. Eher kleine, etwa wenn aus dem Wiriehorn im Diemtigtal das Wiriehore wird. Oder auffällige, wenn das Vispertaler Dreizehntenhorn plötzlich Driizänduhoru heisst.

Warum werden bestimmte Namen auf der Landeskarte umbenannt? Und warum ändern sie von der Schriftsprache in den Dialekt? Laut dem Bundesamt für Landestopografie, swisstopo, das die Landeskarte nachführt und herausgibt, steckt keine Philosophie dahinter. Die Sachverhalte ergäben sich allein aus der Quellenlage, sagt Stefan Neudeck von swisstopo. Swisstopo übernimmt die Flurnamen seit 2008 von der amtlichen Vermessung.

Zurück zum Dialekt

Die Diskussion darüber, wie man Namen schreibe, habe mit den ersten grossen Kartenwerken begonnen, also mit der Dufour- und der Siegfriedkarte, sagt Thomas Franz Schneider vom Institut für Germanistik an der Universität Bern. Im 19. Jahrhundert seien die Ortsnamen verhochdeutscht worden. «Es war die Zeit, in der der Schweizer Literaturnobelpreisträger Carl Spitteler bei sich zu Hause hochdeutsch gesprochen hat. Man dachte damals, die deutschsprachige Schweiz werde den Dialekt ablegen», sagt er.

Ab den 1930er-Jahren habe sich im Zuge der Geistigen Landesverteidigung die Dynamik aber Richtung Dialekt gewendet. Nach dem Kriegsende habe sie sich wieder abgeflacht. Ein Kompromiss seien schliesslich die eidgenössischen Weisungen zur Erhebung von geografischen Namen von 1948 gewesen: Für die Namen der Gemeinden ist der Bund zuständig, sie wurden in der Schriftsprache beibehalten, die Kantone aber erheben die Flurnamen in Mundart. «Gemäss diesen Weisungen gilt der Grundsatz ‹Schreibe, wie man spricht!›», sagt der St. Galler Kantonsgeometer Patrick Fäh.

Seltsame Formen

«Die Namen werden auf Mundart erfasst, damit man sie für die Nachwelt erhalten kann. Es geht um die Erhaltung eines Kulturguts», sagt Lukas Mathys vom Amt für Geoinformation des Kantons Bern. Heimatschutz sei nur ein Faktor, sagt hingegen Thomas Franz Schneider. «Aus sprachwissenschaftlicher Sicht gibt es weitere gute Argumente für den Dialekt.» Beim Umsetzen von in Mundart gesprochenen Flurnamen in die Schriftsprache entstünden seltsame Formen. Etwa wenn ein mundartlich ausgesprochenes «Füürtaal» in «Feuerthal» umgedeutet werde. «Füür» bedeute «vor» und Füürtaal demnach «vorderes Tal». Darüber hinaus ist die Bedeutung der Namen für Thomas Franz Schneider nicht zentral: «Namen haben eigentlich keine Bedeutung, sie bezeichnen einen Ort.»

Entfachte Streite

Zuständig für die Erhebung der Lokalnamen sind die Kantone und ihre Nomenklaturkommissionen, festgelegt werden die Namen aber von den Gemeinden. Wie das konkret abläuft, schildert Matthias Winterhalter von der Walliser Dienststelle für Geoinformation: «Zu den Sitzungen mit den Gemeinden werden zusätzlich vor allem ältere Personen eingeladen, die Ortskenntnisse haben und wissen, wie die Gebiete heissen.» Im Wallis fand dieser Prozess zwischen 2008 und 2010 statt, als die Nomenklaturen überarbeitet wurden. In Gebirgskantonen sind zum Teil auch noch Neuvermessungen im Gang, wo die Namen durch die amtliche Vermessung erstmals erhoben werden. So etwa im Kanton Bern. Bei der Bearbeitung werden auch Gipfelnamen festgelegt.

Nicht immer geht das ganz ohne Nebengeräusche über die Bühne. Im Berner Oberland gab etwa das Lonermassiv zu reden, weil sich die darunterliegende SAC-Hütte noch mit dem alten «h», also Lohnerhütte, schreibt. Einen grösseren Namensstreit gab es im Kanton Thurgau, wo auf die Initiative einer Einzelperson hin Namen in extremer Dialektform durchgesetzt wurden. Zum Sinnbild dieses Streits wurde «Roopel», was eigentlich «Rotbühl» heisst und selbst die Einheimischen kaum mehr verstehen. Mittlerweile sind diese Namen wieder von der Landeskarte verschwunden.

«Prozess ist nie abgeschlossen»

Bis geänderte oder neu erhobene Namen auf der Landeskarte erscheinen, dauert es mehrere Jahre. Früher oder später werden deshalb immer wieder geänderte Namen auf der Karte auftauchen. «Der Prozess ist nie abgeschlossen», sagt Thomas Franz Schneider. «Mit den Menschen ändert sich die Sprache und damit auch die Namen.»

Autor / Autorin

Anita Bachmann

Auf Zeitreise

Auf der Seite map.geo.admin.ch kann der Kartenlayer «Zeitreise - Kartenwerke» gewählt werden. Von 1864 bis heute lässt sich damit jede Veränderung im Kartenwerk der Schweiz verfolgen - und damit auch die Entwicklung einzelner Namen.

Matterhorn bleibt Matterhorn

Auf der Landeskarte gibt es auch eine Reihe von Bergnamen, die nicht dem Dialekt angepasst, sondern in der herkömmlichen, allgemein üblichen Schreibweise belassen werden. Es sind sogenannte alpine Gipfel über 3500 Metern über Meer.

Nebst einigen anderen ausgewählten dominanten Bergen behalten auch diejenigen den Namen, die mit einer Seilbahn erschlossen sind. Damit soll eine Namensdifferenz zwischen Berg und Station vermieden werden. «Es ist also nicht damit zu rechnen, dass es demnächst Horu statt Matterhorn heisst», sagt Stefan Neudeck von swisstopo.

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